Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.663/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_663/2015

Urteil vom 5. April 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Pedretti.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Eggstein,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,

Einwohnergemeinderat Engelberg,
Regierungsrat des Kantons Obwalden.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 25. November 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Obwalden.

Sachverhalt:

A.
B.________ ist Eigentümer der in der Gewerbe- und Wohnzone liegenden Parzelle
Nr. xxx in Engelberg. Auf dieser und den benachbarten Parzellen Nr. yyy und zzz
befinden sich mehrere zusammengebaute Häuser (früher "C.________" bzw.
D.________ genannt). Das Gebäude von B.________ steht nicht nur auf dem
Grundstück Nr. xxx, sondern erstreckt sich teilweise auf die Parzellen Nr. zzz
und yyy. A.________ ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. zzz.

B.
Am 8. Juli 2013 ersuchte B.________ um Erteilung einer Baubewilligung für die
Sanierung des Daches sowie die Anbringung von inneren Wandverkleidungen und
Brandschutzmassnahmen, die ihm der Einwohnergemeinderat Engelberg am 4. Juli
2014 erteilte. Gleichentags wies er die von A.________ gegen das Bauvorhaben
erhobene Einsprache ab, soweit er darauf eintrat, und verwies sie für ihre
privatrechtlichen Einsprachepunkte auf den Zivilweg.
Eine dagegen von A.________ erhobene Beschwerde an den Regierungsrat des
Kantons Obwalden wies dieser am 13. Januar 2015 ab. Diesen Beschluss focht sie
beim Verwaltungsgericht an, das ihre Beschwerde mit Entscheid vom 25. November
2015 abwies.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 28. Dezember 2015
gelangt A.________ an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Urteils
des Verwaltungsgerichts, des Beschlusses des Regierungsrats und des
Baubewilligungsentscheids des Einwohnergemeinderats sowie die Verweigerung der
Bewilligungserteilung.
Die Einwohnergemeinde Engelberg, der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht
schliessen auf Abweisung der Beschwerde. B.________ (Beschwerdegegner)
beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
könne.
Mit Verfügung vom 21. Januar 2016 hat der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid über eine Baubewilligung
steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82
lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt
nicht vor. Die Beschwerdeführerin ist als unmittelbare Nachbarin, die am
vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, zur Beschwerdeführung legitimiert
(Art. 89 Abs. 1 BGG). Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen zu keinen
Bemerkungen Anlass geben, ist grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten.

1.2. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG
gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Allerdings prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind. Bezüglich der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten -
einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht - gilt eine
qualifizierte Rügepflicht: Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert
erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 171
E. 1.4 S. 176 mit Hinweisen).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung
kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG). Insoweit fällt die neu eingereichte Studie vom 16. und
23. Dezember 2015, mit der belegt werden soll, dass das Gebäude der
Beschwerdeführerin bereits im 18. Jahrhundert als freistehender Bau errichtet
worden ist, unter das Novenverbot vor Bundesgericht und ist unbeachtlich. Dies
gilt auch für die im Rahmen der Brandschutzmassnahmen vorgebrachten neuen
Tatsachen.

1.4. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde insoweit, als sie sich gegen
Entscheide der Vorinstanzen des Verwaltungsgerichts richtet. Diese sind im
Rahmen des Streitgegenstands durch dessen Urteil ersetzt worden
(Devolutiveffekt) und gelten als inhaltlich mitangefochten (BGE 134 II 142 E.
1.4 S. 144).

1.5. Streitgegenstand vor Bundesgericht bildet einzig die dem Beschwerdegegner
erteilte Baubewilligung für die Sanierung des Dachs und die damit verbundenen
inneren Wandverkleidungen und Brandschutzmassnahmen. Mithin können die
Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den vom Beschwerdegegner vorgenommenen
bewilligungsfreien Arbeiten im Inneren des Wohnhauses, zu den möglichen
künftigen Änderungen an seinem Gebäude, sowie zu ihrem eigenen Baugesuch für
einen Ersatzbau keine Beachtung finden.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin bemängelt zunächst, die vom Beschwerdegegner
eingereichten Baugesuchsunterlagen seien unvollständig resp. mangelhaft und es
sei kein Baugespann aufgestellt worden.

2.2. Die Vorinstanz führte im Wesentlichen dazu aus, die Baupläne seien bis auf
den Situationsplan nicht zu beanstanden. Dieser könne insoweit einen falschen
Eindruck vom Bauvorhaben erwecken, als nur der Gebäudeteil auf der Parzelle Nr.
xxx rot markiert sei. Doch sei aus dem Plan Bestandesaufnahme klar ersichtlich,
dass das Gebäude des Beschwerdeführers sich auch auf die Parzellen Nr. yyy und
zzz erstrecke. Aus den Plänen lasse sich sodann die Höhe des neuen Firsts sowie
das Gebäudevolumen und die Gebäudegrundfläche ableiten. Zwar treffe es zu, dass
kein Baugespann aufgestellt worden sei. Der Beschwerdeführerin sei daraus
jedoch kein Nachteil erwachsen, da sie im Rahmen der öffentlichen Auflage
Kenntnis vom Bauvorhaben erhalten habe und innert Frist sachgerecht Einsprache
erheben konnte. Die eingereichten Baugesuchsunterlagen hätten es der
Bewilligungsbehörde ermöglicht, die Baurechtskonformität des Vorhabens zu
überprüfen und seien auch für die Beschwerdeführerin genügend aussagekräftig
gewesen, so dass sie die Dimension des Projekts und die Auswirkungen auf ihr
Eigentum habe abschätzen können.

2.3. Die Beschwerdeführerin übt in ihrer Rechtsschrift ganz allgemein Kritik an
diesen Ausführungen und an den beteiligten Behörden. Indem sie anmerkt, die
Nachbarn könnten das Bauvorhaben nur mithilfe eines Fachmannes nachvollziehen,
beschränkt sie sich darauf, der ausführlichen Begründung des
Verwaltungsgerichts auf appellatorische Weise ihre eigene Sicht der Dinge
gegenüber zu stellen. Soweit sie sich mit den Erwägungen der Vorinstanz in
ihrer weitschweifigen Beschwerdeschrift überhaupt in rechtsgenüglicher Weise
auseinandersetzt (vgl. E. 1.2 hiervor), vermag sie jedenfalls nicht darzutun,
inwiefern die Urteilsbegründung bzw. das Urteil selbst unter den genannten
Gesichtspunkten rechts- bzw. verfassungswidrig sein soll. Dies ist auch nicht
ersichtlich. Die Rüge, wonach die Gesuchsunterlagen keinen Grundbuchauszug
enthielten, erweist sich als aktenwidrig. Ebenso gehen die Grundstücke mit
Katasternummer aus dem Situationsplan und dem Plan Bestandesaufnahme hervor.
Insoweit ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Bewilligungsbehörde aufgrund
des Verzichts auf Einholung zusätzlicher Unterlagen treuwidrig gehandelt und
ihr Ermessen missbraucht haben soll. Auch ist keine Ungleichbehandlung zwischen
den Verfahrensbeteiligten ersichtlich. Vielmehr ist mit der Vorinstanz in
Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil 1C_218/
2008 vom 13. Oktober 2008 E. 2.2) davon auszugehen, dass es unverhältnismässig
wäre, die Baubewilligung aufzuheben, wenn die Prüfung der Übereinstimmung des
Bauvorhabens mit dem massgebenden Recht - trotz allfälliger Mängel - möglich
ist.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin erachtet sodann die Anwendung von Art. 27 der
Verordnung zum Baugesetz des Kantons Obwalden (BauV/OW; GDB 710.11) durch die
Bewilligungsinstanz und letztlich durch das Verwaltungsgericht als willkürlich.
Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der
Rechtsanwendung nur vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich
unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht,
eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in
stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht
hebt einen Entscheid jedoch einzig auf, wenn nicht bloss die Begründung,
sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als
vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 134 II 124 E. 4.1
S. 133 mit Hinweisen).

3.2. Nach Art. 27 BauV/OW ist für bewilligungspflichtige Bauvorhaben vor
Baubeginn ein vom Gesuchsteller, Projektverfasser und Grundeigentümer
unterschriebenes Baugesuch auf amtlichem Formular in der vorgeschriebenen
Anzahl einzureichen. Die Vorinstanz erwog auf der Grundlage der Erläuterungen
zum Baugesetz vom 12. Juni 1994 und zur Verordnung zum Baugesetz vom 7. Juli
1994 des Kantons Obwalden (Sarnen 1995/2008, S. 170), bei dieser Bestimmung
handle es sich um eine Ordnungsvorschrift. Nach der Rechtsprechung dürfe die
Bewilligungsbehörde eine Baubewilligung auch einer Person erteilen, die nicht
Grundeigentümer sei. Diese müsse aber eine eigene Berechtigung am Bauobjekt
haben. Es müsse verhindert werden, dass die Baubewilligungsbehörde in
zeitraubender Arbeit ein Bauvorhaben prüfe, dessen Verwirklichung von
vornherein am Widerstand des verfügungsberechtigten Eigentümers des
Baugrundstückes scheitere. Ausserdem habe dieser ein schützwürdiges Interesse
daran, dass sein Eigentum nicht in unrechtmässiger Weise beeinträchtigt werde.
Die Baubewilligungsbehörden hätten sich freilich auf die Prüfung der Frage zu
beschränken, ob das Bauvorhaben offenkundig Eigentumsrechte Dritter verletzen
könnte. Es sei grundsätzlich nicht Sache der Baubewilligungsbehörde, die
zivilrechtlichen Verhältnisse - gleich wie der Zivilrichter - im Einzelnen und
endgültig abzuklären. Sie dürfe nur auf Baugesuche von zweifellos
Nichtberechtigten nicht eintreten. Um ihrer Aufgabe binnen nützlicher Frist zu
genügen (Art. 32 Abs. 4 BauV/OW), könnten die Behörden die Zulässigkeit des
Baugesuchs im Zweifel bejahen (vgl. E. 3.3 des angefochtenen Entscheids).

3.3. Die Beschwerdeführerin stellt diese kantonale Praxis nicht in Frage. Indes
macht sie zusammenfassend geltend, die Baubewilligungserteilung sei
rechtswidrig erfolgt, da aufgrund des Katasterplans und des Grundbucheintrags
sowie der fehlenden expliziten Zustimmung offenkundig gewesen sei, dass das
Bauvorhaben ihre privaten Interessen tangiere und ihre Eigentumsrechte
verletze. Auch liege kein obligatorisches Recht vor, das bauliche Massnahmen
auf ihrem Grundstück erlaube. Die Behörden verkennten in willkürlicher Weise,
dass keine Dienstbarkeiten im Sinne eines Näher-, Grenz- oder Überbaurechts
zugunsten des Grundstücks des Beschwerdegegners bestünden, die ihn zur
Realisierung des Bauprojekts - soweit ihre Parzelle betroffen sei -
berechtigten. Solche könnten mangels Grundbucheintrag auch nicht seit jeher
vorliegen oder ausserordentlich ersessen worden sein. Solange das Grundbuch im
Falle fehlerhafter Einträge nicht mittels entsprechender Klagen berichtigt
worden sei, gäbe es keinen Raum für anderweitige Vermutungen. Sie habe ihre
Parzelle in gutem Glauben erworben und sei schon seit zwanzig Jahren deren
Eigentümerin. Der mit der Bewilligungserteilung verbundene Eingriff in ihr
Eigentum lasse sich weder durch öffentliche Interesse rechtfertigen noch sei
dieser verhältnismässig. Insoweit habe die Bewilligungsbehörde ihr Ermessen
missbraucht, indem sie trotzdem auf das Baugesuch eingetreten sei. Ausserdem
würde dadurch das Prozessrisiko für das zivilrechtliche Verfahren auf sie
abgewälzt.

3.4. Das Verwaltungsgericht führte dazu aus, zwar sei zugunsten und zulasten
der Parzellen Nr. yyy und xxx ein gegenseitiges An- und Überbaurecht
eingetragen; ein solches fehle aber zwischen den hier betroffenen Grundstücken
Nr. zzz und xxx. Auch könne aus dem Bereinigungsprotokoll vom 10. November 1976
nicht geschlossen werden, dass bestehende An- und Überbaurechte für den
gesamten D.________ bereinigt und anerkannt worden seien. Immerhin könnten dem
Engelberger Talbuch die Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Gebäuden
entnommen werden. Das sich im Eigentum des Beschwerdegegners befindliche
Gebäude (III. und IV. Teil des D.________) bestehe seit ca. 200 Jahren. Die
Grundstücksgrenzen seien erst später mit der Einführung des kantonalen
Grundbuchs im Jahr 1976 gezogen worden. Demzufolge sei - auch wenn sich kein
An- und Überbaurecht zulasten der Parzelle Nr. zzz aus dem Grundbuch ergebe -
offensichtlich, dass das Eigentumsrecht des Beschwerdegegners bzw. seiner
Rechtsvorgänger am Gebäude ungeachtet der später eingeführten Grundstückgrenzen
seit Jahren bestehe. Das Bauvorhaben verletze damit nicht offenkundig das
Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin. Überdies ergebe sich die Berechtigung
des Beschwerdegegners flächenmässig grösstenteils aus dem Grundbuch, da
lediglich für einen schmalen Streifen ein An- und Überbaurecht zulasten der
Parzelle Nr. zzz fehle. Es handle sich somit nicht um ein Baugesuch eines
zweifellos Nichtberechtigten.
Diese Erwägungen lassen - jedenfalls im Ergebnis - keine Willkür erkennen:

3.5. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass für die Bewilligungsbehörde
aufgrund der eingereichten Pläne und der Grundbucheinträge erkennbar gewesen
sein muss, dass für den schmalen Streifen des Gebäudes, der auf der Parzelle
Nr. zzz liegt, die Berechtigung zur Einreichung des Baugesuchs aufgrund der
fehlenden Unterschrift der Grundeigentümerin zweifelhaft war. Erscheint die
Befugnis aus privatrechtlichen Gründen unklar, ist es im Grundsatz ratsam, wenn
die Bewilligungsbehörde den Gesuchsteller auffordert, die fehlende Zustimmung
des Grundeigentümers nachzureichen, auch um diesem zu ersparen, das Bauvorhaben
auf dem zivilrechtlichen Weg bekämpfen zu müssen. Die Bewilligungsinstanz war
indes aufgrund der kantonalen Praxis lediglich zu einer summarischen Prüfung
der privatrechtlichen Verhältnisse angehalten und musste diese nicht
detailliert und endgültig abklären. Gelangt nun die Vorinstanz erst nach einer
eingehenden Würdigung des Bereinigungsprotokolls und des Engelberger Talbuchs
zum Ergebnis, dass die Berechtigung nur für einen schmalen Streifen des
Gebäudes fehle, erscheint es nicht geradezu unhaltbar, wenn die
Bewilligungsbehörde bloss aufgrund einer ersten, summarischen Prüfung davon
ausging, dass das Baugesuch nicht von einem zweifellos Nichtberechtigten
eingereicht worden war. Immerhin bezieht sich dieses auf ein Gebäude, das im
Eigentum des Bauherrn steht und zum allergrössten Teil auf seiner eigenen oder
der Nachbarparzelle Nr. yyy liegt, zulasten derer ein An- und Überbaurecht im
Grundbuch verzeichnet ist. Zudem ist es vertretbar anzunehmen, dass der
Beschwerdegegner auch insoweit über ein aktuelles, schutzwürdiges Interesse an
der Überprüfung seines Baugesuchs verfügte, als er im Projektbeschrieb die
Sanierungsbedürftigkeit seines Daches aus Sicherheitsgründen auswies.

3.6. Vor allem aber handelt es sich bei Art. 27 BauV/OW lediglich um eine
Ordnungsvorschrift (vgl. zum Berechtigungsnachweis nach Zürcher Planungs- und
Baurecht Urteil 1C_169/2013 vom 29. Juli 2013 E. 2). Wenngleich mit dem
Unterschriftenerfordernis ausgeschlossen werden soll, dass die
Bewilligungsbehörde wider besseres Wissens Hand zu einem Verfahren bietet, das
die Eigentumsrechte Dritter zu verletzen geeignet ist, dient es in erster Linie
der Baubehörde: Ihr soll es erspart bleiben, Bauvorhaben einer zeitaufwändigen
Überprüfung zu unterziehen, wenn deren Verwirklichung von vornherein am
Widerstand der Verfügungsberechtigten scheitert (vgl. CHRISTIAN MÄDER, § 9
Bewilligungsverfahren, in: IV Beraten und Prozessieren in Bausachen, 1998, Rz.
9.17; FRITZSCHE/BÖSCH/WIPF, Zürcher Planungs- und Baurecht, Band I, 5. Aufl.
2011, S. 277; ALAIN GRIFFEL, Raumplanungs- und Baurecht, 2. Aufl. 2014, S.
188). Entscheidet sie sich nach einer vorfrageweisen Würdigung aber dennoch
dazu, auch ohne Vorliegen einer unterschriftlichen Zustimmung der
Grundeigentümerin eine Beurteilung des Bauprojekts vorzunehmen, muss sie die
Baubewilligung erteilen, sofern dieses dem Zweck der Nutzungszone entspricht
und ihm aus den öffentlich-rechtlichen (Bau-) Vorschriften keine Hindernisse
entgegenstehen. Für die Berücksichtigung privatrechtlicher Verhältnisse besteht
insoweit kein Raum. Diesfalls verbleibt der Verfügungsberechtigten einzig die
zivilrechtliche Auseinandersetzung.

3.7. Dieselben Überlegungen gelten im Übrigen auch insoweit, als die
Beschwerdeführerin bemängelt, für die Ableitung des Meteorwassers durch ihre
Parzelle liege keine Dienstbarkeit vor. Dass das Grundstück des
Beschwerdegegners deshalb ungenügend erschlossen sei, vermag schon deshalb
nicht zu überzeugen, als er gemäss Baugesuch auf eine bestehende
Meteorwasserableitung zurückgreifen kann (vgl. Baubewilligungsgesuch vom 8.
Juli 2013, Ziff. 23 S. 5).

3.8. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang eine unrichtige
Feststellung des Sachverhalts rügt, da nicht 30-40 cm, sondern rund 70 cm ihres
Eigentums (inkl. Trennwand) durch das Gebäude des Beschwerdegegners tangiert
würden, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, da dies - wie aus dem soeben
Ausgeführten erhellt - für den Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend ist
(vgl. E. 1.3 hiervor). Auch lässt sich der vorliegende Fall nicht mit den von
der Beschwerdeführerin zitierten Entscheiden des Regierungsrats und des
Verwaltungsgerichts vergleichen, ging es dort doch um eine wesentlich
umfangreichere Beanspruchung fremder Grundstücke für die Realisierung von
Erschliessungsstrassen, die nicht den bestehenden Fuss- und Fahrwegrechten
entsprachen bzw. diese überdehnten. Mithin liegt keine Verletzung des
Rechtsgleichheitsgebots vor.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin rügt ferner, beim geplanten Bauprojekt handle es
sich nicht um einen Umbau nach Art. 54 Abs. 2 des Baugesetzes des Kantons
Obwalden (BauG/OW; GDB 710.1), sondern um eine Erweiterung, weshalb im Sinne
von Art. 55 Abs. 2 BauG/OW hätte geprüft werden müssen, ob dem Vorhaben
wesentliche öffentliche und private Interessen entgegenstünden, was vorliegend
der Fall sei.
Gemäss Art. 54 Abs. 2 BauG/OW sind unter der Marginalie "Bestandesgarantie"
Umbauten sowie der Wiederaufbau zerstörter oder abgebrochener Gebäude innert
fünf Jahren zulässig, sofern keine ungünstigen Verhältnisse entstehen oder
bestehen bleiben und keine überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
Nach Art. 55 Abs. 2 BauG/OW können bei bestehenden Bauten, die den
Bauvorschriften nicht entsprechen, neubauähnliche Umbauten und Erweiterungen
gestattet werden, wenn keine wesentlichen öffentlichen und privaten Interessen
entgegenstehen.

4.2. Das Verwaltungsgericht bemerkte dazu, es sei unbestritten, dass der
D.________ ursprünglich rechtmässig erstellt worden sei. Angesichts der
erkennbaren Risse im Innern des Gebäudes des Beschwerdegegners, der begradigten
Wohnzimmerdecke und des nicht horizontal verlaufenden Firsts erscheine es
plausibel, dass sich der First südseitig gesenkt habe. Mit der Dachsanierung
soll dieser wieder auf ein horizontales Niveau angehoben werden. Es komme damit
nicht zu einer baulichen Ausdehnung. Die über das Ausmass der Absenkung des
Firsts hinausgehende Mehrhöhe von 10 cm sei marginal und allein durch die
energetische Sanierung des alten Dachs begründet. Demnach liege ein Umbau nach
Art. 54 Abs. 2 BauG/OW vor. Durch die geplanten Sanierungsmassnahmen entstünden
keine ungünstigen Verhältnisse. Vielmehr würden bestehende ungünstige
Verhältnisse im Bereich des Brandschutzes, der Dachentwässerung, der
Wärmedämmung und der Statik behoben. Insofern lägen auch keine
entgegenstehenden öffentlichen Interessen vor, weshalb das Bauvorhaben als
Umbau zu bewilligen sei. Da das Gebäude seit jeher zu Wohnzwecken genutzt
werden könne, seien Mutmassung zur künftigen Nutzung des Dachraums für die
Beurteilung des Umbauvorhabens irrelevant.
Im Sinne einer Eventualbegründung führte die Vorinstanz weiter aus, das
Bauvorhaben erfülle auch die Voraussetzungen der Erweiterung im Sinne von Art.
55 Abs. 2 BauG/OW. Durch die Sanierungsmassnahmen werde nicht in das Gebäude
der Beschwerdeführerin eingegriffen; die gemeinsame Trennwand auf ihrer
Parzelle werde nicht in konstruktiver Weise verändert. Die Massnahmen
beschränkten sich vielmehr auf das Dach und die Innenwände des Gebäudes.
Inwiefern sich dadurch Sicherungsmassnahmen der Beschwerdeführerin verteuerten
oder diese verunmöglicht würden, sei nicht ersichtlich. Auch erfahre die Statik
ihres Gebäudes keinen Nachteil.

4.3. Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, soweit sie vorbringt,
die Vorinstanz habe eine willkürliche Beweiswürdigung vorgenommen, da sie auf
die Behauptungen des Beschwerdegegners zur Ursache des südseitig abgesenkten
Firsts abgestellt habe, ohne diese zu verifizieren oder durch einen Experten
begutachten zu lassen und ohne selbst über das nötige Fachwissen zu verfügen.
Zwar ergibt sich aus den in den Akten liegenden Plänen und der
Fotodokumentation, dass das Dach des Beschwerdegegners gewisse Absätze
aufweist. Allerdings erscheint die Schlussfolgerung der Vorinstanz, wonach sich
der First südseitig gesenkt habe, insbesondere aufgrund der dokumentierten
Risse im Gebäudeinnern nicht als offensichtlich unhaltbar. Inwiefern das
Verwaltungsgericht eine solche Tatsache nicht selbst festzustellen kann, ist
nicht nachvollziehbar. Dass die von der Vorinstanz gezogene Folgerung nicht mit
der eigenen Darstellung der Beschwerdeführerin übereinstimmt, belegt nicht
deren offensichtliche Unrichtigkeit (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit
Hinweisen).
Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs geltend macht, da das Verwaltungsgericht sich nicht zu ihrem Argument
geäussert haben soll, wonach die Absätze im Dach konstruktionsbedingt seien,
vermag sie damit nicht durchzudringen. Die sich aus dem Gehörsanspruch
ergebende Begründungspflicht verlangt nicht, dass sich die Vorinstanz mit allen
Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen
ausdrücklich widerlegen muss (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236). Im vorliegenden
Fall führte das Verwaltungsgericht die Argumentation der Beschwerdeführerin in
E. 4.2 aus, bevor sie diese implizit verwarf, indem sie die Ausführungen des
Beschwerdegegners für plausibel erachtete. Mithin liegt keine Gehörsverletzung
vor.

4.4. Die Beschwerdeführerin stellt die Beurteilung der Vorinstanz, wonach die
geplante Erhöhung des Dachs um 10 cm als Umbau im Sinne von Art. 54 Abs. 2 BauG
/OW qualifiziert werden könne, nicht in Abrede. Indes macht sie geltend, durch
das Bauvorhaben würden ungünstige Verhältnisse entstehen oder bestehen bleiben.
Was sie jedoch zu den geplanten Brandschutzmassnahmen vorbringt, ist nicht
nachvollziehbar. Solche Vorkehrungen bezwecken, die Sicherheit von Personen zu
gewährleisten, der Entstehung von Bränden vorzubeugen und die Ausbreitung von
Feuer auf benachbarte Bauten zu begrenzen. Insoweit ist nicht ersichtlich,
inwiefern die Verhältnisse nicht verbessert würden, wenn die
Brandschutzmassnahmen einen vom Gebäude des Beschwerdegegners ausgehenden Brand
an der Trennwand zu verhindern vermögen. Ausserdem erscheinen die geplanten
Brandschutzvorkehrungen nicht schon deshalb als ungenügend, weil sie nicht mit
denjenigen übereinstimmen, die der Beschwerdeführerin im Bauentscheid über ihr
eigenes Baugesuch auferlegt worden sind. Vielmehr kann mit der Vorinstanz davon
ausgegangen werden, dass die geplante Brandabschottung die heutige Situation
verbessert.
Für die Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die Verbesserungen im Bereich
der Dachentwässerung und Statik nicht von einem Experten überprüft bzw. von der
Vorinstanz mangels Fachwissen nicht verifiziert werden konnten, kann auf das
bereits Ausgeführte verwiesen werden (vgl. E. 4.3 hiervor). Das
Verwaltungsgericht durfte sich dabei auf die Einschätzung der
Baubewilligungsbehörde abstützen, die mangels gegenseitiger Hinweise ohne
weiteres als fachkundig gelten darf. Ausserdem legt die Beschwerdeführerin
nicht in rechtsgenüglicher Weise dar, inwiefern dem Bauprojekt überwiegende
öffentliche Interessen entgegenstünden. Der Vorinstanz und den weiteren
beteiligten Behörden kann somit nicht vorgeworfen werden, in Willkür verfallen
zu sein bzw. ihr Ermessen pflichtwidrig ausgeübt oder gegen das
Rechtsgleichheitsgebot verstossen zu haben.

4.5. Mithin hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie folgerte,
das Bauvorhaben sei als Umbau im Sinne von Art. 54 Abs. 2 BauG/OW zu
bewilligen. Es erübrigt sich daher, auf die Einwände der Beschwerdeführerin
einzugehen, wonach das geplante Bauprojekt eine nicht bewilligungsfähige
Erweiterung des Gebäudes darstelle. Eine solche würde insbesondere auch dann
nicht vorliegen, wenn das Dachgeschoss künftig tatsächlich der Wohnnutzung
zugeführt würde: Nach der unbestritten gebliebenen Ausführung der Vorinstanz
kann das in der Gewerbe- und Wohnzone liegende Gebäude schon seit jeher zu
Wohnzwecken genutzt werden, weshalb nicht ersichtlich ist, inwiefern eine unter
dem Aspekt der Besitzstandsgarantie relevante Nutzungsänderung vorliegen soll.
Überdies kennt das Baureglement der Gemeinde Engelberg keine Ausnützungs-,
Geschossflächen- oder Überbauungsziffer (vgl. E. 2.4.3 des angefochtenen
Entscheids).

5.
Nach dem Ausgeführten erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist
abzuweisen, soweit darauf überhaupt einzutreten ist, womit die
Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen hat (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der
anwaltlich nicht vertretene Beschwerdegegner hat ebenso wie die Gemeinde keinen
Anspruch auf Parteikostenersatz (Art. 68 Abs. 1-3 BGG; vgl. BGE 133 III 439 E.
4 S. 446).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Einwohnergemeinderat Engelberg, dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 5. April 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Pedretti

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