Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.658/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_658/2015

Urteil vom 20. Juni 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiber Forster.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Sicherheit und Justiz, Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus,
Administrativmassnahmen, Postgasse 29, 8750 Glarus.

Gegenstand
Vorsorglicher Sicherungsentzug des Führerausweises,

Beschwerde gegen das Urteil vom 19. November 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Glarus, I. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Am 27. September 2014 nahm die Kantonspolizei Glarus A.________ den
Führerausweis provisorisch ab. Gleichzeitig stellte sie dessen Personenwagen
vorläufig sicher. Dem Lenker wird vorgeworfen, die signalisierte
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h (ausserorts) um mindestens 72 km/h
überschritten zu haben. Am 10. Dezember 2014 verfügte die Staats- und
Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus, Abteilung Administrativmassnahmen, den
vorsorglichen Sicherungsentzug des Führerausweises für unbestimmte Zeit.
Gleichzeitig wurde der Lenker verpflichtet, sich zur Abklärung seiner
Fahreignung einer verkehrspsychologischen Untersuchung zu unterziehen. Einer
allfälligen Beschwerde entzog die Administrativmassnahmenbehörde die
aufschiebende Wirkung.

B.
Auf eine vom Lenker gegen die Verfügung vom 10. Dezember 2014 der
Administrativmassnahmenbehörde erhobene Beschwerde trat der Präsident des
Verwaltungsgerichtes des Kantons Glarus am 30. Januar 2015 nicht ein. Eine vom
Lenker dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 9.
Juli 2015 gut. Es hob den Nichteintretensentscheid auf und wies die Sache
zurück an die Vorinstanz zur materiellen Behandlung des hängigen Rechtsmittels
(Verfahren 1C_129/2015). Mit Urteil vom 19. November 2015 wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, I. Kammer, die Beschwerde des Lenkers
ab.

C.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 19. November 2015 gelangte der
Lenker mit Beschwerde vom 22. Dezember (Posteingang: 28. Dezember) 2015 an das
Bundesgericht. Er beantragt in der Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen
Entscheides.
Die Vorinstanz und das Bundesamt für Strassen beantragen je die Abweisung der
Beschwerde, während die kantonale Administrativmassnahmenbehörde am 14. Januar
2016 auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet hat. Eine Replik des
Beschwerdeführers ist nicht eingegangen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht entscheidet (bei Einstimmigkeit) in Dreierbesetzung und im
vereinfachten Verfahren über die Abweisung offensichtlich unbegründeter
Beschwerden (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). Der Entscheid wird summarisch
begründet; dabei kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid
verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

2.
Motorfahrzeugführer müssen über Fahreignung und Fahrkompetenz verfügen (Art. 14
Abs. 1 SVG). Über keine Fahreignung verfügt (insbesondere), wer nach seinem
bisherigen Verhalten keine Gewähr bietet, als Motorfahrzeugführer die
Vorschriften zu beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht zu nehmen (Art. 14
Abs. 2 lit. d SVG). Wer wegen Alkohol-, Betäubungsmittel- oder
Arzneimitteleinfluss oder aus anderen Gründen nicht über die erforderliche
körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt, gilt während dieser Zeit
als fahrunfähig und darf kein Fahrzeug führen (Art. 31 Abs. 2 SVG). Befindet
sich ein Fahrzeugführer in einem Zustand, der die sichere Führung des Fahrzeugs
ausschliesst, so verhindert die Polizei die Weiterfahrt und nimmt den
Führerausweis ab (Art. 54 Abs. 3 SVG). Von der Polizei abgenommene Ausweise
sind sofort der Entzugsbehörde zu übermitteln; diese entscheidet unverzüglich
über den Entzug. Bis zu ihrem Entscheid hat die Abnahme eines Ausweises durch
die Polizei die Wirkung des Entzugs (Art. 54 Abs. 5 SVG).
Führerausweise sind mangels Fahreignung auf unbestimmte Zeit zu entziehen (sog.
Sicherungsentzug), wenn der Lenker aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine
Gewähr bietet, dass er künftig beim Führen eines Motorfahrzeuges die
Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen wird (Art. 16d
Abs. 1 lit. c SVG). Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, so wird
diese einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen, namentlich bei
Verkehrsregelverletzungen, die auf Rücksichtslosigkeit des Lenkers schliessen
lassen (Art. 15d Abs. 1 lit. c SVG). Gemäss Art. 90 Abs. 3 SVG (in Kraft seit
1. Januar 2013) wird mit Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren
bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe
Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich
durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. In
Art. 90 Abs. 4 SVG wird aufgelistet, welche Geschwindigkeitsübertretungen in
jedem Fall nach Absatz 3 geahndet werden. Wird die zulässige
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 60 km/h überschritten, liegt
eine qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Absatz 3 vor (Art.
90 Abs. 4 lit. c SVG; s. BGE 140 IV 133 E. 3.2 S. 136; 139 IV 250 E. 2.3.1 S.
253).
Der Führerausweis kann (bereits vor dem Abschluss eines Administrativverfahrens
betreffend Sicherungsentzug) vorsorglich entzogen werden, wenn ernsthafte
Zweifel an der Fahreignung bestehen (Art. 30 VZV [SR 741.51]). Da bei drohenden
Sicherungsentzügen eine Wiederzulassung zum motorisierten Verkehr nicht
verantwortbar ist, bevor ernsthafte Zweifel an der Fahreignung ausgeräumt sind,
wird Rechtsmitteln gegen vorsorgliche Entzüge und Sicherungsentzüge
grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung eingeräumt, womit in diesen Fällen
der Ausweis in der Regel bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Administrativverfahrens (vorsorglich) entzogen bleibt. Der strikte Beweis für
eine den Sicherungsentzug rechtfertigende fehlende Fahreignung ist im Verfahren
des vorsorglichen Sicherungsentzuges noch nicht erforderlich (BGE 125 II 492 E.
2b S. 495 f.; 122 II 359 E. 3a S. 364; 107 Ib 395 E. 2a S. 398; je mit
Hinweisen; Urteile 1C_111/2015 vom 21. Mai 2015 E. 4.7; 1C_497/2014 vom 10.
Februar 2015 E. 3.1.3; 1C_331/2014 vom 28. August 2014 E. 4.2-4.3; 1C_35/2014
vom 28. März 2014 E. 5.2; 1C_574/2013 vom 22. Oktober 2013 E. 2.2). Weder steht
die strafprozessuale Unschuldsvermutung dem administrativmassnahmenrechtlichen
vorsorglichen Sicherungsentzug entgegen, noch muss der Abschluss des hängigen
separaten Strafverfahrens abgewartet werden, bevor verwaltungsrechtliche
Sicherheitsmassnahmen zur vorläufigen Abwehr massiver Gefahren im
Strassenverkehr ergriffen werden können (BGE 122 II 359 E. 2b-c S. 363 f.).
Ausreichende Anhaltspunkte für eine möglicherweise fehlende Fahreignung aus
charakterlichen oder psychisch-gesundheitlichen Gründen, die einen
provisorischen Entzug (jedenfalls bis zum Vorliegen einer
verkehrspsychologischen Abklärung) rechtfertigen, können sich insbesondere aus
extremen Geschwindigkeitsübertretungen (sogenannten "Raserdelikten") ergeben
oder aus anderem qualifiziert rücksichtslosem und hochgefährlichem Verhalten im
Strassenverkehr (vgl. Art. 90 Abs. 3-4 i.V.m. Art. 15d Abs. 1 lit. c SVG; s.a.
BGE 125 II 492 E. 3 S. 496 f.). Auch eine erstmalige massive
Geschwindigkeitsüberschreitung kann unter besonderen Umständen Zweifel an der
Fahreignung erwecken, welche die Anordnung eines vorsorglichen
Sicherungsentzugs und einer verkehrspsychologischen Abklärung rechtfertigen
(Urteile des Bundesgerichtes 1C_604/2012 vom 17. Mai 2013 E. 6.1-6.2; 1C_420/
2007 vom 18. März 2008 E. 3.3; 2A.162/1996 vom 12. Juli 1996 E. 2b).

3.
Gemäss den willkürfreien verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art.
42 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG) hat der
Beschwerdeführer am 27. September 2014 die signalisierte Höchstgeschwindigkeit
von 80 km/h (ausserorts) um mindestens 72 km/h (nach Abzug einer
Sicherheitsmarge von 5 km/h wegen allfälligen Messunschärfen) überschritten,
mithin um fast das Doppelte. Hinzu kommt, dass er nachts auf einer nicht
richtungsgetrennten Strasse zwischen Näfels und Netstal unterwegs war, was ein
besonders rücksichtsloses und hochgefährliches Fahrverhalten darstellt. Die
Vorinstanz erwägt mit Recht, dass der Beschwerdeführer die Sicherheit anderer
Verkehrsteilnehmer in einer Weise gefährdet hat, die ernsthafte Zweifel an
seiner Fahreignung weckt. Nach der dargelegten Gesetzgebung und Praxis erweist
sich der vorsorgliche Sicherungsentzug des Führerausweises als
bundesrechtskonform. Daran ändert auch das Vorbringen des Beschwerdeführers
nichts, das am 25. November 2015 gegen ihn erlassene erstinstanzliche
Strafurteil sei noch nicht rechtskräftig. Auch die Rüge der Verletzung der
strafprozessualen Unschuldsvermutung ist offensichtlich unbegründet.
Zwar wendet sich der Beschwerdeführer auch noch gegen die Abweisung seines
Gesuches um unentgeltliche Prozessführung und gegen die Auferlegung der
vorinstanzlichen Gerichtsgebühr. Was er vorbringt, lässt den Kostenentscheid
jedoch nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. Er bestreitet nicht, dass er
seine angebliche Mittellosigkeit nicht belegt hat; insbesondere hat er im
Verfahren vor der Vorinstanz weder einen Betreibungsregisterauszug noch eine
Steuererklärung eingereicht.
Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus Rechtsbegehren stellt und Rügen
erhebt, die gar nicht Gegenstand des angefochtenen
Administrativmassnahmenentscheides bilden (strafprozessuales
"Beweismittelverwertungsverbot" betreffend die polizeiliche Einvernahme vom 27.
September 2014, Strafurteil vom 25. November 2015 usw.), ist auf die Beschwerde
nicht einzutreten.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Zwar stellt der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung.
Da sich seine Beschwerde als zum Vornherein aussichtslos erweist, ist das
Gesuch jedoch abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten sind ihm
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende
Wirkung der Beschwerde hinfällig.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Glarus, I. Kammer, und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat
Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Juni 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Forster

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