Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.642/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_642/2015

Urteil vom 8. November 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Stockwerkeigentümergemeinschaft B.________weg "...", c/o C.________ Immobilien
Treuhand AG, Beschwerdegegnerin,

Einwohnergemeinderat Lungern,
Brünigstrasse 66, 6078 Lungern,
Regierungsrat des Kantons Obwalden,
Rathaus, Postfach 1562, 6061 Sarnen.

Gegenstand
nachträgliche Baubewilligung; Rechtsverweigerung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 3. November 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Obwalden.

Sachverhalt:

A.

A.a. Mit Schreiben vom 19. August 2013 teilte A.________ dem
Einwohnergemeinderat Lungern mit, am Mehrfamilienhaus "...", Parzelle Nr. "..."
im Grundbuch Lungern, am B.________weg "...", seien ohne Bewilligung und ohne
ihre Einwilligung als Stockwerkeigentümerin bauliche Massnahmen am
gemeinschaftlichen Eigentum vorgenommen worden. Zudem habe sie in ihrer Wohnung
Risse entdeckt, die sie auf diese baulichen Vorgänge zurückführe. Sie
beantragte einen Augenschein, den Rückbau der vorgenommenen Massnahmen sowie
die Einreichung einer Strafanzeige gegen die fehlbaren Stockwerkeigentümer
durch die Gemeindebehörden.
Bei einer Aussprache von Gemeindevertretern mit den Stockwerkeigentümern am 22.
November 2013, an der A.________ nicht teilnahm, wurde entschieden, dass zwei
Parteien nachträglich ein Baugesuch für den Einbau eines Kamins bzw. einer
Lüftung einreichen würden. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 stellte die
Vorsteherin des Baudepartements A.________ die entsprechende Aktennotiz zu,
teilte ihr mit, der Gemeinderat sei nicht befugt, die verlangten Verfügungen zu
treffen, und verwies sie im Übrigen auf den Zivilweg.
Mit Beschluss vom 17. Februar 2014 nahm der Einwohnergemeinderat Lungern ein
weiteres Schreiben von A.________ vom 12. Dezember 2013 als Aufsichtsbeschwerde
gegen die kommunale Baukommission entgegen, trat darauf aber nicht ein.

A.b. Am 21. Februar 2014 stellte die Stockwerkeigentümergemeinschaft
B.________weg "...", vertreten durch ihre Verwaltung, die von C.________
Immobilien Treuhand AG, ein Gesuch um nachträgliche Baubewilligung für den
Einbau der Lüftung sowie die Erstellung eines Kamins. Dagegen erhob A.________
am 24. März 2014 Einsprache. Mit je separaten Beschlüssen vom 12. Mai 2015
erteilte der Einwohnergemeinderat Lungern einerseits die nachträgliche
Baubewilligung und wies andererseits die Einsprache von A.________ ab.

A.c. Mit Entscheid vom 11. November 2014 wies der Regierungsrat des Kantons
Obwalden eine dagegen von A.________ erhobene Beschwerde ab.

B. 
A.________ führte dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht
des Kantons Obwalden. Nebst diversen prozessualen Rügen machte sie im
Wesentlichen geltend, nie ihre Zustimmung zum Bauvorhaben erteilt zu haben,
weshalb die Baubewilligung zu verweigern sei. Am 3. November 2015 wies das
Verwaltungsgericht die Beschwerde ab und bestätigte den bei ihm angefochtenen
Beschluss des Regierungsrates.

C.

C.a. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Dezember
2015 an das Bundesgericht beantragt A.________, (damals noch) vertreten durch
Advokat René Brigger, den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 3. November
2015, den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Obwalden vom 11. November
2014 sowie den Einspracheentscheid des Einwohnergemeinderats Lungern vom 12.
Mai 2014 aufzuheben.
Zur Begründung wird im Wesentlichen die offensichtlich unrichtige Feststellung
des Sachverhalts, ein Verstoss gegen Art. 22 RPG, die Verletzung des
Willkürverbots nach Art. 9 BV und eine Rechtsverweigerung bzw. die Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 BV sowie ein Verstoss gegen
die Eigentumsgarantie nach Art. 26 BV geltend gemacht.

C.b. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft B.________weg "...", vertreten durch
ihre Verwaltung, stellt Antrag auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Auf entsprechende Aufforderung des Bundesgerichts hin reichte
die Verwaltung eine Vollmacht der Stockwerkeigentümer nach.
Das Bau- und Raumentwicklungsdepartement für den Regierungsrat sowie das
Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Der Einwohnergemeinderat Lungern hält ohne weitere Ausführungen an
seinen früher geäusserten Standpunkten fest.

C.c. A.________ sowie die Stockwerkeigentümergemeinschaft B.________weg "..."
äusserten sich nochmals zur Sache. Der Einwohnergemeinderat Lungern sowie der
Regierungsrat des Kantons Obwalden verzichteten auf weitere Stellungnahmen. Das
Verwaltungsgericht liess sich innert Frist nicht mehr vernehmen.

C.d. Mit Schreiben vom 4. Juli 2016 teilte Advokat René Brigger dem
Bundesgericht mit, dass sein Mandat mit A.________ in der vorliegenden
Streitsache per sofort beendet sei.

Erwägungen:

1.

1.1. Gemäss Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden in
Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses Rechtsmittel steht auch auf dem
Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung (BGE 133 II 249 E. 1.2 S.
251; 133 II 409 E. 1.1 S. 411).

1.2. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen beschwerdefähigen
kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art.
90 BGG). Anfechtbar ist allerdings nur das Urteil des Verwaltungsgerichts (sog.
Devolutiveffekt); dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung auch der
unterinstanzlichen Entscheide kann daher von vornherein nicht stattgegeben
werden. Immerhin gelten Entscheide unterer Instanzen als inhaltlich
mitangefochten (vgl. BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144; 129 II 438 E. 1 S. 441).

1.3. Die Beschwerdeführerin war am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt und ist
als betroffene Stockwerkeigentümerin sowie direkte Adressatin des angefochtenen
Entscheids gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert.

1.4. Die Vertretungsbefugnis der Verwaltung der Stockwerkeigentümergemeinschaft
für dieselbe als private Beschwerdegegnerin ist durch die dem Bundesgericht
nachgereichte Vollmacht belegt. Diese Vollmacht wurde durch alle Parteien des
Stockwerkeigentums mit Ausnahme der Beschwerdeführerin unterzeichnet, deren
Unterschrift allerdings auch nicht erforderlich ist (vgl. Art. 712m in
Verbindung mit Art. 68 ZGB).

1.5. Nach Art. 105 Abs. 1 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den von der
Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde, es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, erhoben worden oder beruhe auf
einem erheblichen Verstoss gegen Verfahrensrecht (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG).

1.6. Mit der Beschwerde an das Bundesgericht kann, von hier nicht
interessierenden weiteren Möglichkeiten abgesehen, nur die Verletzung von
Bundesrecht und von kantonalem Verfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a
und c BGG). Dies prüft das Bundesgericht frei. Hingegen überprüft es die
Anwendung des übrigen kantonalen Rechts lediglich auf Willkür (gemäss Art. 9
BV) hin.

1.7. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf
Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern geltend gemacht und
begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die
Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der
willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und der willkürlichen
Sachverhaltsfeststellung) gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E.
1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige bzw.
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und damit
verbunden eine Rechtsverweigerung bzw. eine Verletzung ihres Anspruchs auf
rechtliches Gehör nach Art. 29 BV durch die Vorinstanz. Sie habe immer vier
bauliche Massnahmen durch die anderen Stockwerkeigentümer der gemeinsamen
Liegenschaft beanstandet. Behandelt und genehmigt worden seien von der Gemeinde
jedoch lediglich deren zwei. Nur für den Lüftungs- und den Kamineinbau sei ein
Verfahren um nachträgliche Baubewilligung durchgeführt worden. Zu den beiden
anderen baulichen Vorkehren sei nie eine Nichteintretensverfügung bzw. eine
Abweisung ihrer Einsprache ergangen mit der allfälligen Begründung, weshalb
kein baubewilligungspflichtiger Sachverhalt vorliege. Das habe sie vor allen
Instanzen als Rechtsverweigerung moniert. Das Verwaltungsgericht habe die
beiden unbehandelten Sachverhalte nicht erwähnt, weshalb dessen Feststellungen
unvollständig seien, und sei auf die Frage der Rechtsverweigerung nicht
eingegangen, weshalb die Vorinstanz selbst ebenfalls eine solche begangen habe.

2.2. Eine formelle Rechtsverweigerung liegt vor, wenn eine Behörde auf eine ihr
frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt bzw. diese nicht
behandelt, obschon sie darüber befinden müsste (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9; 134 I
229 E. 2.3 S. 232; vgl. auch BGE 136 II 177 E. 2.1).

2.3. Die Vorinstanzen gingen offenbar davon aus, Verfahrensgegenstand bildeten
einzig die beiden Bauvorhaben, für die ein Verfahren um nachträgliche
Baubewilligung eingeleitet worden war. Am deutlichsten geht dies aus der
Vernehmlassung des Regierungsrates an das Bundesgericht hervor. Darin wird die
Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass es ihr frei stehe, eine
Feststellungsverfügung der Baubewilligungsbehörde zu verlangen und
gegebenenfalls daran anschliessend den Rechtsmittelweg zu beschreiten, falls
sie auch die beiden anderen baulichen Massnahmen als baubewilligungspflichtig
erachte. Entscheidend ist mithin, ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon
ausgehen durfte, dass auch bei ihm lediglich die beiden Projekte, für die ein
nachträgliches Baubewilligungsverfahren lief, das Streitobjekt bildeten, oder
ob es verpflichtet gewesen wäre, darüber hinaus zu prüfen, ob die unteren
Instanzen sich gegenüber der Beschwerdeführerin auch zu den beiden weiteren
Bauvorhaben hätten äussern bzw. im Rahmen des Einspracheverfahrens formell
darüber hätten entscheiden müssen.

2.4. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 5 Abs. 1 lit. c in Verbindung
mit Art. 25a VwVG sowie auf Art. 2a der Verordnung vom 29. Januar 1998 über das
Verwaltungs- und Verwaltungsbeschwerdeverfahren
(Verwaltungsverfahrensverordnung) des Kantons Obwalden. Diese Bestimmungen
regeln den Umgang mit Realakten und erscheinen hier nicht unmittelbar
einschlägig, bildet doch nicht tatsächliches behördliches Handeln oder
Unterlassen den Streitgegenstand, sondern die Notwendigkeit der nachträglichen
Erteilung einer Baubewilligung. Ob gewisse Analogieschlüsse zulässig wären,
weil auch eine Rechtsverweigerung auf behördlicher Untätigkeit beruht, kann
offenbleiben. Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes ist hier jedenfalls
schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich um ein kantonales Verfahren und
nicht um ein solches des Bundes handelt. Massgeblich ist mithin einzig das
kantonale Verfahrensrecht. Auf eine entsprechende Bestimmung, welche die
Rechtsverweigerung regelt, beruft sich die Beschwerdeführerin freilich nicht.

2.5. So oder so prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung von
kantonalem Recht nur auf Willkür hin (vgl. vorne E. 1.5). Gemäss der ständigen
bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Entscheid willkürlich gemäss Art. 9
BV, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht
bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere
Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (
BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 134 II 124 E. 4.1 S. 133; je mit Hinweisen).

2.6. Die Vorinstanz hielt in E. 2.1 des angefochtenen Entscheids fest,
grundsätzlich halte sich im Verwaltungsbeschwerdeverfahren die
Rechtsmittelinstanz an die Sachverhaltsfeststellungen ihrer Vorinstanz; die
Beschwerdeführerin führe nicht konkret aus, inwiefern der Regierungsrat den
Sachverhalt unrichtig festgestellt habe. Damit weist das Verwaltungsgericht der
Beschwerdeführerin eine entsprechende Substantiierungspflicht zu. Das
Verwaltungsgericht führt dies zwar erst in seiner Vernehmlassung an das
Bundesgericht mit ausdrücklichem Hinweis auf die entsprechende
"Rügeobliegenheit" näher aus; die entsprechende Passage im angefochtenen
Entscheid ist aber ohne weiteres in diesem Sinne verständlich. Zwar durfte das
Verwaltungsgericht als erste gerichtliche Instanz im vorliegenden Zusammenhang
seine Zuständigkeit nicht durch übertriebene prozessuale Anforderungen in
unzulässiger Weise beschränken. Die Beschwerdeführerin legt aber nicht dar,
dass bzw. inwiefern die vom Verwaltungsgericht verfolgte Rechtsprechung
gemessen am anwendbaren kantonalen Verfahrensrecht unhaltbar und damit
willkürlich wäre bzw. zu einer unzulässigen Kompetenzbeschränkung führen würde,
die auf eine Rechtsverweigerung hinausliefe. Eine solche Folgerung ist für das
Bundesgericht auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Es ist demnach im
bundesgerichtlichen Verfahren von der entsprechenden prozessualen Rechtslage
für den vorinstanzlichen Prozess auszugehen (vgl. vorne E. 1.6).

2.7. In ihrer Beschwerdeschrift an das Verwaltungsgericht verwendete die
Beschwerdeführerin zwar wiederholt den Begriff der Rechtsverweigerung. Ihre
Ausführungen waren aber nur schwer verständlich. Ein klarer Hinweis auf die
zwei angeblich zu Unrecht nicht behandelten Bauvorhaben der anderen
Stockwerkeigentümer findet sich in der Beschwerdeschrift nicht. Worin die
behauptete Rechtsverweigerung hätte liegen sollen, wird wohl nunmehr aus der
Beschwerdeschrift an das Bundesgericht erkennbar, war jedoch aufgrund der beim
Verwaltungsgericht eingereichten Rechtsschrift nicht ersichtlich. Dieses durfte
daher von einer insofern unklaren und ungenügenden Beschwerdebegründung
ausgehen, ohne dadurch den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt
oder der Beschwerdeführerin das Recht verweigert bzw. gegen ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör verstossen zu haben. Daran ändert nichts, dass die
Beschwerdeführerin die Beschwerdeschrift vor dem Verwaltungsgericht selbst
verfasst hatte. Erstens hatte sie damals angegeben, anwaltlich vertreten zu
sein, und zweitens ist es auch einem Laien zumutbar, in kurzen Worten
darzulegen, worin eine behauptete Rechtsverweigerung liegen soll. Das wäre im
Übrigen insbesondere hier mit dem Hinweis auf die zwei angeblich nicht
behandelten Bauvorhaben relativ einfach möglich gewesen.

3.

3.1. Weiter rügt die Beschwerdeführerin, der angefochtene Entscheid verstosse
gegen Art. 22 RPG, sei willkürlich im Sinne von Art. 9 BV und verstosse gegen
die Eigentumsgarantie nach Art. 26 BV, weil im Verfahren der nachträglichen
Baubewilligung für die Liegenschaft, an der sie als Stockwerkeigentümerin
Miteigentum halte, ohne ihre Zustimmung zwei Bauvorhaben im nachträglichen
Baubewilligungsverfahren genehmigt worden seien.

3.2. Nach Art. 22 RPG dürfen Bauten und Anlagen nur mit behördlicher
Bewilligung errichtet oder geändert werden (Abs. 1); Voraussetzung einer
Bewilligung ist, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone
entsprechen und das Land erschlossen ist (Abs. 2); die übrigen Voraussetzungen
des Bundesrechts und des kantonalen Rechts bleiben vorbehalten (Abs. 3).

3.3. Gemäss Art. 57 Abs. 1 des Baugesetzes vom 12. Juni 1994 des Kantons
Obwalden (BauG) regelt der Kantonsrat das Baubewilligungsverfahren durch
Verordnung. Nach Art. 27 der Verordnung vom 7. Juli 1994 zum Baugesetz des
Kantons Obwalden (VBauG) ist vor Baubeginn ein vom Gesuchsteller,
Projektverfasser und Grundeigentümer unterschriebenes Baugesuch auf amtlichem
Formular in der vorgeschriebenen Anzahl einzureichen. Art. 58 Abs. 1 und 2 BauG
regeln das Verfahren der nachträglichen Baubewilligung bei einer unrechtmässig
erstellten Baute. Zweck dieses Verfahrens ist, die ohne Bewilligung erstellte
Baute daraufhin zu prüfen, ob sie die materiellen Voraussetzungen des Baurechts
erfüllt. Nach Art. 58 Abs. 3 BauG ist die Entfernung oder Änderung der
rechtswidrig ausgeführten Baute zu verfügen, wenn der rechtmässige Zustand
nicht wiederhergestellt oder das nachträgliche Baugesuch nicht bewilligt werden
kann. Diese Bestimmung entspricht dem Charakter einer Bau- als
Polizeibewilligung und ist Ausdruck des Grundsatzes, wonach eine
Wiederherstellungsverfügung bei einer Baute, die ohne Baubewilligung errichtet
wurde, die materiellen Voraussetzungen einer solchen aber erfüllt,
unverhältnismässig wäre, und entspricht mithin den allgemeinen
rechtsstaatlichen Anforderungen des Verfassungsrechts (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV).
Demnach ist eine bereits erstellte Baute, unter Vorbehalt anderer Folgen wie
allfälligen Verwaltungssanktionen und allenfalls des Rechtsmissbrauchsverbots,
grundsätzlich zu bewilligen, wenn sie die materiellen baurechtlichen
Voraussetzungen einhält.

3.4. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, die beiden strittigen
Baumassnahmen entsprächen nicht dem materiellen Baurecht. Sie rügt dazu jedoch
erstens, das Gesuch sei durch die Stockwerkeigentümerverwaltung eingereicht
worden, die dafür aber eine entsprechende Vollmacht der
Stockwerkeigentümergemeinschaft benötigt hätte, weil die Umbauten die
gemeinschaftlichen Teile des Stockwerkeigentums betroffen hätten, ohne dass
eine solche Vollmacht vorliege. Zweitens habe die Beschwerdeführerin selbst als
Eigentümerin einer Stockwerkeinheit die Zustimmung zu den baulichen Massnahmen
nicht erteilt.

3.5. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bedarf ein
Stockwerkeigentümer für die Einreichung eines Baugesuchs auf dem im
gemeinschaftlichen Eigentum aller Stockwerkeigentümer stehenden Boden der
Liegenschaft grundsätzlich der schriftlichen, zumindest mehrheitlichen
Zustimmung der übrigen Stockwerkeigentümer bzw. eines Zustimmungsbeschlusses
der Versammlung der Stockwerkeigentümer (vgl. das von der Beschwerdeführerin
angerufene Urteil des Bundesgerichts 1C_116/2013 vom 11. Oktober 2013). Diese
Rechtsprechung bezieht sich allerdings auf das ordentliche
Baubewilligungsverfahren und kann nicht unbesehen auf das nachträgliche
übernommen werden. Im ersten Fall lässt sich in der Regel die privatrechtliche
Bauberechtigung in einem entsprechenden Zivilprozess klären, bevor die Baute
erstellt wird. Diese Regel kann aber schon deshalb nicht absolut gelten, weil
es für nötige dringliche Massnahmen eine Ausnahmemöglichkeit geben muss. Zu
dieser Ausnahmekonstellation besteht beim hier massgeblichen zweiten Fall, in
dem die Baute im Zeitpunkt des Baubewilligungsverfahrens schon errichtet ist,
eine gewisse Analogie. Eine Bereinigung der privatrechtlichen Verhältnisse vor
der Durchführung der baulichen Massnahmen ist ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass
die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse unterschiedlich ausfallen können, je
nach dem, ob es sich um eine notwendige, nützliche oder lediglich der
Verschönerung dienende Baute handelt (Art. 712m in Verbindung mit Art. 647c-e
ZGB), worüber ebenfalls Streit entstehen kann. Das Zustimmungserfordernis ist
in solchen Konstellationen im Streitfall rein zivilrechtlich zu klären und
braucht nicht zwingend das öffentlichrechtliche Baubewilligungsverfahren zu
beeinflussen. Sind die materiellen Voraussetzungen der Baute nicht bestritten,
ist es bundesrechtlich in der Regel nicht erforderlich, die Erteilung der
nachträglichen Baubewilligung zu verweigern oder auch nur zurückzustellen bzw.
das Verfahren zu sistieren, bis die zivilrechtliche Frage des
Zustimmungserfordernisses geklärt ist. Das Baubewilligungsverfahren dient in
erster Linie der Klärung der Frage, ob dem Bau öffentlich-rechtliche
Hindernisse entgegen stehen. Im Übrigen hat auch der Zivilrichter die
Möglichkeit, privatrechtlich einen Rückbau anzuordnen, wenn die Rechte eines
beteiligten Stockwerkeigentümers in der Weise verletzt worden sein sollten,
dass dies die rechtmässige Folge wäre.

3.6. Analoges gilt für die Frage, ob die Stockwerkeigentümerverwaltung als
Baugesuchstellerin über die erforderliche Vollmacht der
Stockwerkeigentümergemeinschaft verfügte. Wie viele Parteien die Vollmacht zu
erteilen haben, hängt vom Zivilrecht und dabei vom Charakter der strittigen
Baute ab, der im vorliegenden Fall bisher nicht definitiv geklärt erscheint.
Immerhin fand am 22. November 2013 eine Aussprache von Gemeindevertretern mit
den Stockwerkeigentümern statt, an der kein Widerstand gegen die fraglichen
baulichen Massnahmen geäussert wurde; allerdings nahmen nicht alle Parteien,
namentlich nicht die Beschwerdeführerin, an dieser Aussprache teil. Die
Mehrheit der Parteien war aber anwesend. Für die kommunalen und kantonalen
Behörden war damit erkennbar, dass die fraglichen baulichen Massnahmen von
einer Mehrheit der Parteien der Stockwerkeigentümergemeinschaft getragen
wurden. Die Baubewilligungsbehörde durfte daher davon ausgehen, dass das
erforderliche Quorum an zustimmenden Stockwerkeigentümern nicht offensichtlich
verfehlt wurde. Spätestens seit dem Eingang der von allen anderen Parteien als
der Beschwerdeführerin unterzeichneten Vollmacht im bundesgerichtlichen
Verfahren an die Verwaltung der Stockwerkeigentümergemeinschaft ist im Übrigen
erstellt, dass die baulichen Massnahmen von allen Parteien mit Ausnahme der
Beschwerdeführerin unterstützt werden. Eine Vollmacht kann grundsätzlich auch
nachträglich erteilt werden. Unter den gegebenen Umständen ist es daher nicht
zu beanstanden, dass den strittigen nachträglichen Baugesuchen stattgegeben
wurde. Ob die anderen Stockwerkeigentümer befugt waren, die baulichen
Massnahmen ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin vorzunehmen oder ob diese
Zustimmung im Gegenteil zusätzlich erforderlich wäre, braucht nicht im
Baubewilligungsverfahren geklärt zu werden, sondern diese Frage durfte von den
Vorinstanzen ohne Rechtsverletzung auf den Zivilweg verwiesen werden.

3.7. Demnach verstösst der angefochtene Entscheid nicht gegen das
Raumplanungsrecht des Bundes, ist nicht willkürlich und greift nicht in
unzulässiger Weise in die Eigentumsrechte der Beschwerdeführerin ein. Er
verletzt mithin Bundesrecht nicht, insbesondere auch nicht die
Eigentumsgarantie der Beschwerdeführerin.

4. 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann (zum teilweisen Nichteintreten vgl. E. 1.2).
Bei diesem Verfahrensausgang wird die unterliegende Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG).
Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen (vgl. Art. 68 BGG). Insbesondere
steht der nicht anwaltlich vertretenen privaten Beschwerdegegnerin praxisgemäss
keine solche zu.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Einwohnergemeinderat Lungern, dem
Regierungsrat des Kantons Obwalden und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Obwalden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. November 2016
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Uebersax

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