Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.635/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
1C_635/2015        

Verfügung vom 10. August 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
Bundesamt für Justiz
Direktionsbereich Internationale Rechtshilfe, Bundesrain 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
Beschwerdegegner,
alle drei vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Elio Brunetti,
Dr. Patrizia Holenstein und Dr. Alexander Glutz,

Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Gartenhofstrasse 17, 8004 Zürich.

Gegenstand
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Italien,

Beschwerde gegen das Urteil vom 18. November 2015
des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer.

Sachverhalt:

A. 
Die Staatsanwaltschaft Mailand führte ein Strafverfahren gegen verschiedene
Personen wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung und weiterer
Delikte.

Am 21. Mai 2013 ersuchte die Staatsanwaltschaft Mailand die Schweiz um die
Sperre von Bankkonten.

Mit Eintretens- und Zwischenverfügung vom 2. August 2013 entsprach die
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich (im Folgenden: Staatsanwaltschaft I)
dem Rechtshilfeersuchen und sperrte Konten bei einer schweizerischen Bank (im
Folgenden: Bank). Mit Schlussverfügung vom 21. Juli 2014 hielt die
Staatsanwaltschaft I die Kontensperre aufrecht.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2015 forderte die Konteninhaberin die Bank auf, die
auf den Konten liegenden Vermögenswerte nach Italien zu überweisen, damit sie
dort zugunsten der D.________ S.p.A., eines sich in finanziellen
Schwierigkeiten befindenden Grossbetriebs, verwendet werden könnten.

Mit Verfügung vom 19. Juni 2015 hob die Staatsanwaltschaft I die Kontensperre
zwecks Ausführung der von der Konteninhaberin am 13. Mai 2015 in Auftrag
gegebenen Überweisung auf. Für den Fall der Nichtausführung dieser Überweisung
hielt die Staatsanwaltschaft I die Kontensperre aufrecht.

Gegen diese Verfügung vom 19. Juni 2015 erhoben A.________, B.________ und
C.________ Beschwerde. Am 18. November 2015 trat das Bundesstrafgericht
(Beschwerdekammer) darauf mangels Legitimation nicht ein. In der Folge befasste
es sich gleichwohl inhaltlich mit der angefochtenen Verfügung und stellte deren
Nichtigkeit fest.

B. 
Das Bundesamt für Justiz (BJ) erhob Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, den Entscheid des Bundesstrafgerichts
aufzuheben, soweit dieses die Nichtigkeit der Verfügung vom 19. Juni 2915
feststellte.

Für den Fall, dass das Bundesgericht hinsichtlich der Nichtigkeit zu einem
anderen Schluss kommen sollte als das Bundesstrafgericht, erhoben A.________,
B.________ und C.________ Anschlussbeschwerde.

C. 
Auf Antrag von A.________, B.________ und C.________ hin sistierte der
Instruktionsrichter mit Verfügung vom 23. November 2016 das bundesgerichtliche
Verfahren bis zum 31. Januar 2017, da die Beteiligten in Italien
Vergleichsgespräche führten. Mit Verfügung vom 8. Februar 2017 verlängerte der
Instruktionsrichter die Sistierung bis zum 31. März 2017; mit Verfügung vom 4.
April 2017 ein letztes Mal bis zum 31. Mai 2017.

D. 
Mit Schreiben vom 20. Juni 2017 teilt das BJ dem Bundesgericht mit, die
Beteiligten hätten in Italien einen Vergleich geschlossen und die
Staatsanwaltschaft Mailand habe das Rechtshilfeersuchen vom 21. Mai 2013 um
Kontensperre zurückgezogen. Die Staatsanwaltschaft I habe deshalb am 24. Mai
2017 die gesperrten Vermögenswerte freigegeben. Diese seien inzwischen auf ein
Konto der Kontoinhaberin in Italien überwiesen worden, wo sie zugunsten der
D.________ S.p.A. verwendet würden. Das BJ beantragt, die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als gegenstandslos geworden am
Geschäftsverzeichnis abzuschreiben.

E. 
A.________, B.________ und C.________ erklären sich mit der Abschreibung des
bundesgerichtlichen Verfahrens zufolge Gegenstandslosigkeit einverstanden.

Die Staatsanwaltschaft I ist in der Sache ebenfalls der Auffassung, das
bundesgerichtliche Verfahren sei abzuschreiben.

Das Bundesstrafgericht bemerkt, es würde es begrüssen, wenn sich das
Bundesgericht zur vorliegenden Angelegenheit in der Sache äussern würde.

Erwägungen:

1. 
Mit dem Rückzug des Rechtshilfeersuchens und der Überweisung der in der Schweiz
gesperrten Vermögenswerte nach Italien hat das BJ kein aktuelles
Rechtsschutzinteresse an der Behandlung der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mehr. Diese ist gegenstandslos geworden.

Das Bundesgericht sieht vom Erfordernis des aktuellen Interesses ab, wenn sich
die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen jederzeit und unter gleichen oder
ähnlichen Umständen wieder stellen können, an ihrer Beantwortung wegen ihrer
grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und
eine rechtzeitige rechtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (
BGE 142 I 135 E. 1.3.1 S. 143 mit Hinweisen).

Es sind ohne Weiteres Fälle denkbar, bei denen sich die in der Beschwerde
aufgeworfenen Rechtsfragen in gleicher oder ähnlicher Weise wie hier stellen,
das Rechtshilfeersuchen jedoch nicht zurückgezogen worden ist. Es kann deshalb
nicht gesagt werden, dass dem Bundesgericht eine rechtzeitige rechtliche
Überprüfung kaum je möglich wäre. Die Voraussetzungen für ein Absehen vom
aktuellen Interesse sind daher nicht erfüllt.

Die Beschwerde ist - durch den Instruktionsrichter als Einzelrichter (Art. 32
Abs. 2 BGG) - am Geschäftsverzeichnis abzuschreiben.

2. 

2.1. Gemäss Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP (SR 273) entscheidet der
Instruktionsrichter mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf
Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes. Bei der Beurteilung der
Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den
mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Lässt sich dieser im konkreten
Fall nicht feststellen, so sind allgemeine prozessrechtliche Kriterien
heranzuziehen. Danach wird jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig,
welche das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat oder bei welcher
die Gründe eingetreten sind, die dazu geführt haben, dass der Prozess
gegenstandslos geworden ist. Die Regelung bezweckt, denjenigen, der in guten
Treuen Beschwerde erhoben hat, nicht im Kostenpunkt dafür zu bestrafen, dass
die Beschwerde infolge nachträglicher Änderung der Umstände abzuschreiben ist,
ohne dass ihm dies anzulasten wäre. Bei der summarischen Prüfung des
mutmasslichen Prozessausgangs ist nicht auf alle Rügen einzeln und detailliert
einzugehen (BGE 118 Ia 488 E. 4a S. 494 f.).

2.2. Es ist zweifelhaft, ob sich die Vorinstanz zur Nichtigkeit der Verfügung
der Staatsanwaltschaft I vom 19. Juni 2015 äussern durfte (vgl. dazu PIERRE
MOOR, La nullité doit être constatée en tout temps et par toute autorité, in:
Staats- und Verwaltungsrecht auf vier Ebenen, Festschrift für Tobias Jaag,
2012, S. 41 ff., insb. S. 53 ff.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016 S. 241 N. 1001).

Jedenfalls überzeugt es kaum, wenn die Vorinstanz Nichtigkeit annimmt. Nach der
Rechtsprechung ist eine Verfügung nur ausnahmsweise nichtig, wenn der ihr
anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht
erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht
ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgrund fallen hauptsächlich
funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie schwerwiegende
Verfahrensfehler in Betracht. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen
Ausnahmefällen die Nichtigkeit einer Verfügung zur Folge. Erforderlich dafür
ist ein ausserordentlich schwerwiegender Mangel (BGE 139 II 243 E. 11.2 S. 260;
137 I 273 E. 3.1 S. 275; je mit Hinweisen).

2.3. Dass - wie die Vorinstanz annimmt - die Staatsanwaltschaft I für die
Behandlung des Rechtshilfeersuchens sachlich offensichtlich nicht zuständig
gewesen sei, kann schwerlich gesagt werden. Wenn die Vorinstanz ausführt, die
Staatsanwaltschaft Mailand ersuche um Rechtshilfe nicht zu strafrechtlichen
Zwecken, geht es dabei nicht um die Zuständigkeit zur Behandlung des
Rechtshilfeersuchens. Die Schweiz leistet Rechtshilfe in Strafsachen
definitionsgemäss in strafrechtlichen Angelegenheiten. Führt die ersuchende
Behörde das ausländische Verfahren ausschliesslich zu zivilrechtlichen Zwecken,
lehnt die Schweiz die Rechtshilfe in Strafsachen ab (vgl. BGE 132 II 178 E..2
S. 182; 126 II 316 E. 3b S. 321/322; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération
judiciaire internationale en matière pénale, 4. Aufl. 2014, S. 558). Insoweit
geht es um die materielle Zulässigkeit der Rechtshilfe in Strafsachen, nicht
die Zuständigkeit (ZIMMERMANN, a.a.O., S. 553 N. 554 i.V.m. S. 557 f. N. 560).

2.4. Die Vorinstanz erwägt, im Vorgehen der Staatsanwaltschaft I liege eine
Rechtshilfeerledigung mit definitiver Wirkung, welche so nicht nur nicht im
IRSG vorgesehen sei, sondern geradezu dessen Konzept widerspreche.

Die Rechtshilfe richtet sich im vorliegenden Fall in erster Linie nach dem
Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in
Strafsachen (EUeR; SR 0.351.1) und dem Vertrag vom 10. September 1998 zwischen
der Schweiz und Italien zur Ergänzung dieses Übereinkommens und zur
Erleichterung seiner Anwendung (ZV; SR 0.351.945.41). Das IRSG kommt nur zur
Anwendung, wenn diese Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend
regeln oder wenn es geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt
("Günstigkeitsprinzip"; BGE 142 IV 250 E. 3 S. 255 mit Hinweisen). Massgeblich
ist demnach in erster Linie das Konzept des EUeR und des ZV, nicht des IRSG.
Gemäss Art. 1 Ziff. 1 EUeR verpflichten sich die Vertragsparteien, gemäss den
Bestimmungen dieses Übereinkommens einander so weit wie möglich Rechtshilfe zu
leisten. Gemäss Art. I Ziff. 1 ZV soll dieser Vertrag die Bestimmungen des EUeR
ergänzen und dessen Anwendung zwischen den Vertragsstaaten erleichtern. Art.
VIII ZV regelt die Herausgabe von Deliktsgut. Nach Art. XX Ziff. 1 ZV können
die verlangten Vermögenswerte der ersuchenden Behörde nach dem vom Recht des
ersuchten Staates vorgesehenen vereinfachten Verfahren herausgegeben werden,
wenn alle Berechtigten ihre Zustimmung erteilt haben. Art. 80c IRSG regelt das
vereinfachte Verfahren. Damit wird - ähnlich dem abgekürzten Verfahren gemäss
Art. 358 StPO - ein Rechtshilfeverfahren auf konsensuale Weise effizient
erledigt (Heimgartner/Niggli, in: Internationales Strafrecht, Basler Kommentar,
2015, N. 1 zu Art. 80c IRSG).

Die Konteninhaberin beauftragte die Bank mit der Überweisung der gesperrten
Vermögenswerte an den ersuchenden Staat. Zwar tat die Kontoinhaberin dies auf
Befehl einer italienischen Behörde. Die Kontoinhaberin focht diesen in Italien
jedoch nicht an, obwohl sie das hätte tun können. Sie widersetzte sich der
Überweisung der Vermögenswerte an den ersuchenden Staat somit nicht und zeigte
sich kooperationsbereit. Ihr Auftrag an die Bank kann als Zustimmung zur
Herausgabe der Vermögenswerte angesehen werden. Die Verfügung der
Staatsanwaltschaft vom 19. Juni 2015 ermöglichte somit im Ergebnis eine
effiziente Erledigung des Rechtshilfeersuchens, die der ZV grundsätzlich
vorsieht. Art. 1 Ziff. 1 EUeR, wonach sich die Schweiz verpflichtet hat,
Rechtshilfe so weit wie möglich zu leisten, legt es zudem nahe, bei der
Beurteilung der Zulässigkeit einer Rechtshilfemassnahme einen grosszügigen
Massstab anzulegen. Angesichts dessen kann kaum gesagt werden, die Verfügung
der Staatsanwaltschaft I leide insoweit an einem offensichtlichen und
ausserordentlich schweren inhaltlichen Mangel, welcher die Nichtigkeit zur
Folge haben müsse.

2.5. Die Vorinstanz führt aus, die Staatsanwaltschaft I überlasse den
Entscheid, ob die gesperrten Vermögenswerte an Italien herausgegeben würden,
unzulässigerweise der Bank. Dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft I, die ihr
vom Gesetz übertragenen Kompetenzen und deren Umfang zu umgehen, widerspreche
grundlegenden Prinzipien des Staatshandelns.

Die Staatsanwaltschaft I sperrte die Vermögenswerte bei der Bank. Als
ausführende Rechtshilfebehörde hatte sie darüber zu befinden, was damit
geschieht. Mit ihrer Verfügung vom 19. Juni 2015 kam sie dem nach. Die
Staatsanwaltschaft ermöglichte damit die Überweisung der gesperrten
Vermögenswerte an den ersuchenden Staat gemäss dem Auftrag der Kontoinhaberin.
Für den Fall, dass die Bank den Auftrag - aus welchem Grund immer - nicht
ausführt, hielt die Staatsanwaltschaft I die Kontensperre aufrecht. Es ist
nicht erkennbar, inwiefern die Staatsanwaltschaft I damit
Entscheidungsbefugnisse an die Bank übertragen haben soll. Hoheitlich verfügte
allein die Staatsanwaltschaft I. Dabei traf sie Vorkehren für das nicht
vollständig vorhersehbare Verhalten eines Privaten (der Bank). Das erscheint
grundsätzlich zulässig. Die Staatsanwaltschaft kann auch eine rechtshilfeweise
angeordnete Kontensperre gegebenenfalls (teilweise) aufheben, um der Bank die
Ausführung eines Überweisungsauftrags des Kontoinhabers - z.B. zur Bezahlung
eines Anwalts - zu ermöglichen (vgl. Urteile 1A.183/2006 vom 1. Februar 2007 E.
2.4, publ. in: pra 2007 Nr. 98 S. 652; 1A.265/2000 vom 28. November 2000 E.
2d). Führt die Bank den Auftrag nicht aus, bleibt die Kontensperre im
ursprünglichen Umfang bestehen. Würde die Staatsanwaltschaft die Kontosperre
vorbehaltlos aufheben, liefe sie Gefahr, dass der Kontoinhaber den
freigegebenen Betrag nicht zum vorgesehenen Zweck verwendet. Die Vorinstanz hat
im Übrigen im Rahmen bei ihr hängiger Beschwerdeverfahren selber aufgrund
entsprechender Ersuchen der zuständigen US-amerikanischen
Strafverfolgungsbehörde und im Einverständnis mit den jeweiligen Kontoinhabern
rechtshilfeweise angeordnete Kontosperren aufgehoben zum alleinigen Zweck, die
Überweisung hoher Beträge auf ein Konto der amerikanischen Regierung zu
ermöglichen, dies im Hinblick auf die Einigung im Strafverfahren zwischen der
amerikanischen Strafverfolgungsbehörde und dem Beschuldigten (Verfügungen
RR.2009.181 vom 30. Juli 2009 und RR.2009.178 und 185 vom 17. August 2009).
Auch insoweit ist ein offensichtlicher und ausserordentlich gravierender
inhaltlicher Mangel der Verfügung der Staatsanwaltschaft I vom 19. Juni 2015
schwer erkennbar.

2.6. Die Vorinstanz erwägt, die Herausgabe der Vermögenswerte nach Italien
würde aufgrund der dortigen Rechtslage dazu führen, dass diese jetzt schon und
ohne einen rechtskräftigen vollstreckbaren Einziehungsentscheid abzuwarten, in
Obligationen der konkursiten und unter staatlicher Verwaltung stehenden
D.________ S.p.A. umgewandelt würden. Werthaltige Valoren würden in nicht
gleichwertige (mutmasslich wertlose, bzw. stark wertverminderte) Vermögenswerte
umgewandelt. Darin liege eine Enteignung ohne Strafurteil.

Es ist zweifelhaft, ob sich die Vorinstanz näher damit zu befassen hatte, was
aufgrund der Rechtslage in Italien mit den herauszugebenden Vermögenswerten
dort im Einzelnen geschieht. Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe der
schweizerischen Rechtshilfebehörde, sich vertieft mit der Rechtslage im
ersuchenden Staat auseinanderzusetzen (vgl. BGE 133 IV 40 E. 4.2 S. 45/46; 116
Ib 89 E. 2c/aa S. 92 und E. 3c/aa S. 94). Dazu ist die schweizerische Behörde
häufig auch nicht in der Lage; dies schon deshalb, weil sie - anders als hier -
die Sprache des ersuchenden Staates nicht beherrscht.

In der Sache überzeugen die Erwägungen der Vorinstanz kaum. Für die
italienische Regierung stellt die D.________ S.p.A. einen Betrieb von
nationalem strategischem Interesse dar. Wie das Engagement der Regierung zeigt,
tut sie alles, um das Überleben der D.________ S.p.A. zu sichern und damit die
zahlreichen Arbeitsplätze zu erhalten. Das Insolvenzverfahren bezweckt denn
auch nicht die Liquidation der D.________ S.p.A., sondern die Erhaltung ihres
Vermögens. Die Forderungen der Obligationäre sind überdies privilegiert. Sie
sind vor den Forderungen anderer Gläubiger zu befriedigen. Dies spricht für die
Werthaltigkeit der Obligationen, die im Übrigen zu verzinsen sind. Die
Erwägungen der Vorinstanz beruhen somit lediglich auf Mutmassungen. Solche
genügen nicht, um die Verfügung der Staatsanwaltschaft I vom 19. Juni 2015 als
mit einem offensichtlichen und ausserordentlich schweren inhaltlichen Mangel
behaftet anzusehen.

2.7. Die Verfügung der Staatsanwaltschaft I vom 19. Juni 2015 hätte demnach
kaum als nichtig angesehen werden können. Die Beschwerde wäre mutmasslich
gutzuheissen gewesen.

2.8. Ein Anschlussbeschwerde gibt es im bundesgerichtlichen Verfahren nicht (
BGE 138 V 106 E. 2.1 S. 110; 134 III 332 E. 2.5 S. 335 f.). Eine solche wäre
hier ohnehin unzulässig gewesen, weil in Bezug auf die Beschwerdelegitimation
vor Vorinstanz, die einzig Gegenstand einer Anschlussbeschwerde hätte sein
können, kein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG hätte angenommen
werden können.

3. 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens werden deshalb den
Beschwerdegegnern auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Dem Bund steht keine
Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Der angefochtene Entscheid umfasst 80 Seiten. Der Fall war umfangreich und
komplex. Bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Sistierung war das
bundesgerichtliche Verfahren fortgeschritten. Dem ist bei der Bemessung der
Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen.

 Demnach verfügt der Präsident:

1. 
Das Verfahren 1C_635/2015 wird als gegenstandslos geworden am
Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden unter solidarischer Haftbarkeit für
den gesamten Betrag den Beschwerdegegnern je zu einem Drittel auferlegt.

3. 
Diese Verfügung wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich
und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. August 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Härri

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