Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.613/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
1C_613/2015, 1C_637/2015

Urteil vom 10. August 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Eusebio, Chaix,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
1C_613/2015
Staat Aargau,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Dr. Andreas Höchli und Simon Kohler, Rechtsanwälte,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Fiechter,

Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 8,

und

1C_637/2015
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Fiechter,

gegen
Staat Aargau,
Beschwerdegegner,

vertreten durch Dr. Andreas Höchli und Simon Kohler, Rechtsanwälte,

Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 8.

Gegenstand
Enteignungsentschädigung,

Beschwerden gegen das Urteil vom 21. Oktober 2015 des
Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I.

Sachverhalt:

A.
Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau (DBU) unterbreitete
im November 2001 dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr und
Kommunikation (UVEK) ein Ausführungsprojekt nach Art. 27 des Bundesgesetzes vom
8. März 1960 über die Nationalstrassen (NSG; SR 725.11) zur Genehmigung. Das
Projekt sah u.a. den Ausbau der Kantonsstrasse NK 410 als Zubringer zum
Nationalstrassenanschluss der N20 bei Birmensdorf vor, mit einem Tunnel in der
Gemeinde Oberwil-Lieli. Dieser unterquert die Parzelle Nr. 440 von A.________.
Während der öffentlichen Auflage reichte A.________ Einsprache ein. Er forderte
den Verzicht auf den vorgesehenen vollständigen Entzug des Eigentums an seinem
Grundstück zu Gunsten eines beschränkten dinglichen Rechts (Dienstbarkeit). Am
2. Februar 2004 erteilte das UVEK die Plangenehmigung, hiess die Einsprache von
A.________ gut und verfügte, es sei statt der vollen Enteignung die Einräumung
der erforderlichen beschränkten dinglichen Rechte vorzusehen.

B.
Der Kanton Aargau und A.________ schlossen in der Folge am 8. August 2006 einen
Dienstbarkeitsvertrag ab. Danach wird dem Kanton Aargau auf der Parzelle Nr.
440 ein Baurecht für die Erstellung, Beibehaltung sowie den Betrieb eines
unterirdischen Tunnels eingeräumt. Zur Entschädigung sieht Abschnitt III. des
Vertrags Folgendes vor:

1. Für die Einräumung der [...] Dienstbarkeit wird seitens des
Dienstbarkeitsrechtsnehmers, Staat Aargau, folgende Entschädigung geleistet:

- Entschädigung für die Dienstbarkeit Fr. 2.- pro m2 belastete Fläche,
ausmachend für 1653 m2 : Fr. 3'306.-
- Entschädigung für Inkonvenienzen Fr. 108.- pro m2 belastete Fläche,
ausmachend für 1653 m2 : Fr. 178'524.-
- Parteientschädigung pauschal Fr. 8'000. -

 [...]

2. Weiter vereinbaren die Parteien hiermit rein obligatorisch und ohne
Grundbucheintrag für sich und ihre Rechtsnachfolger, dass dem jeweiligen
Eigentümer der Parz. 440 für die Anker, die wegfallenden Obstbäume und die
vorübergehende Beanspruchung nach Abschluss sämtlicher Bauarbeiten separat
folgende zusätzlichen Entschädigungen ausgerichtet werden:

- Fr. 440.- (in Worten: vierhundertvierzig Franken) pro Anker
- Fr. 0.48 [...] pro Quadratmeter und Jahr für die vorübergehende
Landbeanspruchung [...]
- für die als Folge des Tunnelbaus wegfallenden Obstbäume [...] Fr. 1'185.- pro
Apfelbaum und Fr. 679.- pro Birnbaum.

3. Die Parteien bestätigen, dass mit Unterzeichnung dieses
Dienstbarkeitsvertrages die Entschädigungsverhandlungen bezüglich dem Projekt
'Folgemassnahmen N20/N4 Region Mutschellen, Oberwil-Lieli, NK 410, Umfahrung
Lieli' abschlossen sind. Der Eigentümer der Parz. 440 bestätigt zudem
ausdrücklich, dass mit Vollzug dieses Vertrages seine sämtlichen
Entschädigungsansprüche gegenüber dem Staat Aargau per Saldo aller Ansprüche
abgegolten sind und weder weitere Forderungen bestehen noch solche geltend
gemacht werden. Davon ausgenommen sind die unter Ziff. 2 hievor vereinbarten
Entschädigungen für die Anker, die wegfallenden Obstbäume und die
vorübergehende Beanspruchung."

Mit Verfügung vom 5. November 2007 schrieb der Präsident der Eidgenössischen
Schätzungskommission Kreis 8 das bei ihm hängige Einigungsverfahren als durch
ausseramtliche Verständigung erledigt ab.

C.
Am 19. September 2007 teilte das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des
Kantons Aargau A.________ mit, dass die Grundlagen für die Bestimmung der
entschädigungsberechtigten Ankerzahlen zwischenzeitlich vorlägen und
dementsprechend die Entschädigung für die Anker ausbezahlt werden könne. Das
Departement führte dazu Folgendes aus:

"Infolge unerwartet schlechtem Baugrund mussten zur Stabilisierung der Baugrube
zusätzliche Massnahmen getroffen werden. Damit hat sich die Anzahl der Anker
und insbesondere die Zahl der Bodennägel gegenüber dem Bauprojekt insgesamt
erhöht. [...] Die Umfassungslinie der entschädigungsberechtigten Anker ist wie
folgt definiert:

- Vertikal: Tunnelbaulinie mit Abstand 10 m von der Tunnelachse oder allenfalls
der zugeordneten Strassenbaulinie
- Horizontal: Niveau für maximale Fundationstiefe eines allfälligen Neubaus (7
m ab OK Terrain).
Entschädigungsberechtigt ist jeder Anker oder Nagel, welcher ganz oder
teilweise parzellenseitig innerhalb dieser beiden Umfassungslinien liegt.

Die Entschädigungsansätze sind folgende:

- für Anker Fr. 440.-/Stück
- für Nägel Fr. 50.-/Stück (der Anteil Injektionsgut entspricht ca. 10 % eines
Ankers)."

Auf dieser Grundlage berechnete das Departement eine Entschädigung von
insgesamt Fr. 34'020.-- (13 Anker zu Fr. 440.-- und 566 Nägel zu Fr. 50.--).
In einem E-Mail vom 23. November 2007 erklärte ein Vertreter des DBU gegenüber
A.________, dass auf der Tunnelbaustelle nebst den 13
entschädigungsberechtigten Ankern und 566 entschädigungsberechtigten Nägeln
insgesamt 114 nicht entschädigungsberechtigte Anker sowie 328 nicht
entschädigungsberechtigte Nägel verbaut worden seien.

D.
Am 8. April 2011 liess A.________ (im Folgenden: der Enteignete) bei der
Eidgenössischen Schätzungskommission Kreis 8 (nachfolgend: ESchK) eine als
"Klage" bezeichnete Eingabe einreichen. Er beantragte, der Kanton Aargau sei zu
verpflichten, ihm alle vorgespannten Anker und ungespannten Anker (Nägel) mit
je Fr. 440.-- zu entschädigen, d.h. insgesamt Fr. 420'341.25 nebst Verzugszins
zu bezahlen.
Mit Entscheid vom 26. Juni 2014 verpflichtete die ESchK den Kanton Aargau, dem
Enteigneten Fr. 55'880.-- auf dem noch offenen Betrag als Entschädigung für 127
Anker und Fr. 44'700.-- als Entschädigung für 894 Nägel zu bezahlen, zuzüglich
3.5 % Zins seit dem 1. Juli 2007. Im Übrigen bleibe der Dienstbarkeitsvertrag
bestehen und auf weitere Forderungen von A.________ werde nicht eingetreten.

E.
Der Enteignete erhob gegen den Schätzungsentscheid am 1. September 2014
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag, ihm Fr. 420'341.25
zuzüglich 5 % Verzugszinsen zuzusprechen.
Der Kanton Aargau erhob am 15. September 2014 Anschlussbeschwerde. Er
beantragte, der Schätzungsentscheid sei aufzuheben und die Klage des
Enteigneten abzuweisen.
Mit Urteil vom 21. Oktober 2015 (das betreffend Disp.-Ziff. 1.3 am 3. November
2015 berichtigt wurde) hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und
die Anschlussbeschwerde teilweise gut und wies sie im Übrigen ab. Es hielt
fest, der für die vorgespannten Anker und Nägel nach dem Dienstbarkeitsvertrag
vom 8. August 2006 geschuldete Betrag belaufe sich auf Fr. 449'240.- zuzüglich
Verzugszinsen von 3.5 % auf diesem Betrag für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 2.
April 2008 und 3.5 % auf dem Betrag von Fr. 415'220.- ab 3. April 2008.

F.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. November 2015
beantragt der Kanton Aargau, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei
aufzuheben und die Klage des Enteigneten vom 8. April 2011 abzuweisen
(Verfahren 1C_613/2015).
Am 4. Dezember 2013 erhob auch der Enteignete Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, Ziff. 1.3 des Dispositivs
des angefochtenen Entscheids sei aufzuheben und ihm seien neu Verzugszinsen von
5 % (statt 3.5 %) zuzusprechen (Verfahren 1C_637/2015).

G.
Der Enteignete beantragt, die Beschwerde des Kantons Aargau sei abzuweisen,
soweit darauf einzutreten sei. Der Kanton Aargau beantragt, die Beschwerde des
Enteigneten sei als gegenstandslos geworden abzuschreiben, eventualiter sei sie
abzuweisen. Die ESchK wirft die Frage auf, weshalb das Bundesverwaltungsgericht
in Abweichung von seiner bisherigen Praxis zu Art. 115 EntG (SR 711) für die
Berechnung der Parteientschädigung von einem Stundenansatz von Fr. 350.--
ausgegangen sei; sie beantragt, ihr Kostenentscheid sei zu bestätigen. Das
Bundesverwaltungsgericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Die Beteiligten haben keine Replik eingereicht.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerden richten sich gegen denselben Entscheid und hängen
inhaltlich eng zusammen. Die Verfahren 1C_613/2015 und 1C_637/2015 sind deshalb
zu vereinigen.

1.2. Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG)
steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ans Bundesgericht offen. Streitig sind vorliegend Ansprüche aus einem
"Dienstbarkeitsvertrag", der nach öffentlicher Auflage des Ausführungsprojekts
im nationalstrassenrechtlichen Verfahren abgeschlossen wurde, um die Einräumung
des Baurechts für die Erstellung und den Betrieb eines unterirdischen Tunnels
und die dafür geschuldete Entschädigung zu regeln. Dieser Vertrag ist als
verwaltungsrechtlicher Enteignungsvertrag zu qualifizieren (vgl. Urteil des
Bundesgerichts 4A_116/2010 vom 28. Juni 2010, insbesondere E. 4 mit Hinweisen,
in: ZBGR 93/2012 S. 169). Es handelt sich damit um eine öffentlich-rechtliche
Angelegenheit (Art. 82 lit. a BGG).

1.3. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Sache in einem Punkt (betreffend
Entschädigung für die Kosten eines Verfahrens vor dem Bezirksgericht Aarau) an
die ESchK zurück. Hinsichtlich der streitigen vertraglichen Ansprüche (samt
Verzugszinsen) liegt dagegen ein letztinstanzlicher Entscheid vor; diese
Begehren können unabhängig vom noch ausstehenden Schadensposten beurteilt
werden. Damit liegt insoweit ein Teilentscheid vor, gegen den die Beschwerde
nach Art. 91 lit. a BGG zulässig ist.

1.4. Der Kanton Aargau wehrt sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung einer
Enteignungsentschädigung im vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Umfang.
Er ist zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG; BGE 123 II 425 3a
S. 427 f. mit Hinweisen; Urteil 1C_141/2013 vom 5. September 2013 E. 1, in: SJ
2014 I S. 129). Auf seine Beschwerde ist daher einzutreten.

1.5. Der Enteignete ist ebenfalls zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG).
Das Bundesverwaltungsgericht berichtigte am 3. November 2015 Disp.-Ziff. 1.3
des Urteils vom 21. Oktober 2015. Dadurch begann die Beschwerdefrist neu zu
laufen (Art. 48 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom
17. Juni 2005 [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG; SR 173.32]), so dass seine
Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde. Auch auf diese ist daher einzutreten.

2.
Das Bundesgericht prüft die Anwendung des Bundesrechts frei und von Amtes wegen
(Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten und
von kantonalem Recht prüft es nur auf entsprechende Rüge hin (Art. 106 Abs. 2
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz auf genügend begründete Rüge hin (Art. 106 Abs. 2 BGG) oder von
Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.1. Für die Auslegung verwaltungsrechtlicher Verträge ist wie bei einem
privatrechtlichen Vertrag in erster Linie auf den übereinstimmenden wirklichen
Willen der Parteien abzustellen (Art. 18 Abs. 1 OR). Was die Parteien beim
Vertragsabschluss gewusst, gewollt oder tatsächlich verstanden haben, ist
Tatfrage und der bundesgerichtlichen Überprüfung nur in den Schranken von Art.
105 BGG zugänglich (BGE 133 III 675 E. 3.3 S. 681 mit Hinweisen).

2.2. Die Vertragsauslegung nach dem Vertrauensgrundsatz ist demgegenüber eine
Rechtsfrage, die vom Bundesgericht bei bundesrechtlichen Verträgen frei, bei
kantonalrechtlichen Verträgen hingegen grundsätzlich nur auf Willkür hin
überprüft wird (Art. 95 BGG; BGE 122 I 328 E. 1a/bb S. 331 f. und E. 3a S. 333;
Urteile 2C_258/2011 vom 30. August 2012 E. 4.2 mit Hinweisen, in: ZBl 114/2013
S. 408; 2C_828/2013 vom 24. März 2014 E. 2.3; je mit Hinweisen).
Vorliegend geht es um eine vertragliche Regelung der Parteien über den Bau
eines Tunnels, der Teil eines Nationalstrassenprojekts und damit ein
öffentliches Werk des Bundes ist. Ohne den Dienstbarkeitsvertrag wäre die
Entschädigung somit durch die ESchK gestützt auf Bundesenteignungsrecht
festgelegt worden. Es handelt sich daher um einen Enteignungsvertrag des
Bundesrechts, dessen normative Auslegung vom Bundesgericht frei überprüft
werden kann.

3.
Streitig ist die vertraglich vereinbarte Entschädigung für "Anker",
insbesondere, ob diese nur vorgespannte Anker umfasst oder auch die kürzeren
ungespannten Anker, die auch als "Nägel" bezeichnet werden.

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht hielt in tätsächlicher Hinsicht fest, der
Enteignete sei bei der Vertragsunterzeichnung davon ausgegangen, dass alle
Anker - einschliesslich Nägel - zu Fr. 440.-- zu entschädigen seien; dagegen
fehle es am Nachweis, dass auch der Kanton dieses Begriffsverständnis teilte
(E. 5.3.2.3 des angefochtenen Entscheides). Es sei daher davon auszugehen, dass
in Bezug auf den Begriff des Ankers im Sinne des Dienstbarkeitsvertrags kein
natürlicher Konsens bestehe (E. 5.3.3 des angefochtenen Entscheids).
Das Bundesverwaltungsgericht prüfte deshalb, ob von einem normativen Konsens
ausgegangen werden könne (E. 5.4 S. 22 ff. des angefochtenen Entscheids). Es
kam zum Ergebnis, dass der Enteignete bei Vertragsschluss nach Treu und Glauben
annehmen durfte und musste, dass der Kanton mit der Vertragsunterzeichnung den
Willen bekunde, ohne weitere Einschränkungen für jeden - vorgespannten wie
ungespannten Anker - einen Betrag von Fr. 440.-- zu bezahlen (E. 5.4.6 S. 29),
weshalb von einem normativen Konsens in diesem Sinne auszugehen sei.

3.2. Der Kanton stimmt der Vorinstanz zu, dass kein natürlicher Konsens
zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden habe. Seines
Erachtens liegt aber auch kein normativer Konsens, sondern ein versteckter
Dissens vor, weil sich beide Seiten unter dem Begriff "Anker" im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses nicht dasselbe vorgestellt hätten. Dieser Begriff sei
mehrdeutig; das Verständnis des Kantons, wonach nur vorgespannte Anker zu
entschädigen seien, sei in guten Treuen ebenso vertretbar und korrekt gewesen
wie das Verständnis des Enteigneten, dass auch ungespannte Anker (Nägel)
erfasst seien. Unter diesen Umständen habe keine Vertragspartei auf ihre
Erklärungsbedeutung vertrauen dürfen. Der Dienstbarkeitsvertrag vom 8. August
2006 sei daher nicht zustandegekommen, mit der Folge, dass ein
Enteignungsverfahren durchgeführt werden müsse.

3.3. Haben sich die Parteien übereinstimmend geäussert, aber abweichend
verstanden, kommt es dennoch zum Vertragsschluss, wenn eine der Parteien nach
dem Vertrauensgrundsatz in ihrem Verständnis der gegnerischen Willensäusserung
zu schützen und damit die andere auf ihrer Äusserung in deren objektivem Sinn
zu behaften ist (BGE 123 III 35 E. 2b S. 39 f.; Urteil 4A_627/2011 vom 8. März
2012 E. 3.3, in: SZIER 2014 S. 317). Hat der Empfänger einer Willenserklärung
diese anders verstanden als der Erklärende, hat der Erklärende sie so gegen
sich gelten zu lassen, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und
Zusammenhang sowie den gesamten Umständen in guten Treuen verstehen durfte und
musste (objektive oder normative Auslegung). Diesfalls besteht ein normativer
Konsens (BGE 135 III 410 E. 3.2 S. 413; 133 III 675 E. 3.3 S. 681).
Dagegen liegt ein versteckter Dissens vor, der zur (mindestens partiellen)
Nichtigkeit des Vertrags führt, wenn keiner der beiden Vertragspartner auf
seine Erklärungsbedeutung vertrauen darf. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
sich der Offerent im streitigen Punkt nicht eindeutig ausgedrückt hat und dem
Akzeptanten der Vorwurf zu machen ist, dass ihm diese Undeutlichkeit nicht
aufgefallen ist, d.h. er seinen Vertragspartner nicht gefragt hat, in welcher
von wenigstens zwei möglichen Bedeutungen er seine Erklärung wirklich verstehen
wollte (vgl. ERNST KRAMER/BRUNO SCHMIDLIN, Berner Kommentar, 1986, N. 145 und
N. 148 zu Art. 1 OR).

3.4. Im Folgenden ist zu prüfen, ob der vom Vertreter des Kantons vorbereitete
Vertragstext zur Ankerentschädigung vom Enteigneten als Akzeptanten unter den
konkreten Umständen nach Treu und Glauben in dem vom Bundesverwaltungsgericht
angenommenen Sinne verstanden werden durfte (E. 5). Zuvor sind die für die
Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts massgeblichen Elemente (E. 4.1), die
Rügen des Kantons (E. 4.2) und die Stellungnahme des Enteigneten dazu (E. 4.2)
kurz zusammenzufassen.

4.

4.1. Das Bundesverwaltungsgericht orientierte sich in erster Linie an den
Definitionen des Ankers in den SIA-Normen 267 «Geotechnik» und 267/1
«Geotechnik - Ergänzende Festlegungen» sowie in der Fachliteratur zum Zeitpunkt
des Vertragsschlusses als Ausdruck der Verkehrsauffassung oder -übung. Es kam
zum Ergebnis, der Begriff "Anker" umfasse vorgespannte und ungespannte Anker,
wenn der Begriff (wie im Dienstbarkeitsvertrag geschehen) ohne Präzisierung
bzw. ohne gleichzeitige Verwendung des Begriffs "Nagel" benutzt werde.
Das Bundesverwaltungsgericht ging (anders als die ESchK) davon aus, dass die
Entschädigung aller Verankerungen zu je Fr. 440.-- auch nicht zu einer für den
Enteigneten augenfälligen Überentschädigung führe: Die Differenz zu der nach
enteignungsrechtlichen Grundsätzen geschuldeten Entschädigung sei jedenfalls
nicht derart erheblich, dass dem Enteigneten (als Anwalt und Notar) Zweifel an
der Richtigkeit seines Verständnisses des Ankerbegriffs hätten aufkommen
müssen. Umgerechnet auf die belastete Fläche von 1'653 m2ergebe sich ein
Quadratmeterpreis von Fr. 381.30. Demgegenüber betrage der Preis für voll
erschlossenes Bauland Fr. 500.--/m2. Auch wenn sich dieser Preis auf das volle
Eigentum an Bauland im Jahre 2012 und nicht auf die Belastung von
Bauerwartungsland mit einer Dienstbarkeit im Jahr 2006 beziehe, übersteige die
vereinbarte Entschädigung jedenfalls nicht vornherein denjenigen Betrag,
welcher dem Enteigneten zugestanden hätte, wenn statt der Einräumung der
Dienstbarkeit das volle Eigentum an der beanspruchten Fläche auf den Enteigner
übertragen worden wäre.

4.2. Der Kanton macht dagegen geltend, dass der Enteignete zu keinem Zeitpunkt
mit einer Gesamtentschädigung von Fr. 631'070.-- (Fr. 181'830.-- für
Dienstbarkeit und Inkonvenienzen und Fr. 449'240.-- für 1021 vorgespannte Anker
und Nägel) habe rechnen dürfen und deshalb Anlass gehabt hätte, an seinem
Verständnis von "Anker" zu zweifeln und den Geschäftswillen seines
Vertragspartners zu erforschen. Ohne den vergleichsweise abgeschlossenen
Dienstbarkeitsvertrag hätte das Enteignungsverfahren durchgeführt werden
müssen, d.h. das Grundstück des Enteigneten hätte zwangsweise mit einer Tunnel-
sowie einer Anker-Dienstbarkeit belastet werden müssen. Dabei sei zu
berücksichtigen, dass sich das Grundstück damals in der Landwirtschaftszone
befunden habe und nicht voll erschlossen gewesen sei. Hinzu komme, dass der
Enteignete durch den Tunnel keine erheblichen Einschränkungen habe gewärtigen
müssen.
Zu den streitigen Ankern und Nägeln führt der Kanton aus, dass diese während
der Bauarbeiten die Baugrubenwand gestützt hätten; seit Abschluss der Arbeiten
komme ihnen keine Funktion mehr zu. Sie verblieben aber im Erdreich und könnten
bei einem Aushub seitens des Enteigneten eine - allerdings geringfügige -
Erschwernis darstellen. Dieser Mehraufwand sei durch die Ankerentschädigung
vergütet worden. Nägel seien jedoch weit weniger lang als vorgespannte Anker
und könnten deshalb mit bedeutend weniger Aufwand entfernt werden. Entsprechend
würden Nägel - wenn überhaupt - nur mit geringen Beträgen entschädigt. Eine
Entschädigung von Fr. 440.-- pro Nagel entbehre jeglicher Logik und sei absolut
unverhältnismässig. Dass die Erschwernis durch Anker und Nägel bei allfälligen
Aushubarbeiten nicht einen Betrag von knapp Fr. 450'000.-- ausmachen könne,
müsse sogar einem Laien einleuchten. Die Vorinstanz habe diesen Umstand zu
Unrecht nicht berücksichtigt und damit Bundesrecht verletzt.

4.3. Der Enteignete bestreitet, dass er überentschädigt worden sei. Nach seiner
Berechnung belaufen sich die Vollkosten auf eine Mehrfaches der vereinbarten
Entschädigung. Er betont, dass es sich bei seiner Parzelle um Bauerwartungsland
gehandelt habe, das bereits über die bestehende Grossäckerstrasse erschlossen
gewesen sei.
Da im Dienstbarkeitsvertrag nicht zwischen vorgespannten und ungespannten
Ankern bzw. Nägeln unterschieden worden sei, habe er sich nicht über diese
Unterschiede informieren müssen. Auch in der Medienmitteilung des Kantons vom
20. Dezember 2005 sei einzig der Begriff Anker verwendet worden. Auf der
Baustelle seien denn auch nur die Ankerköpfe sichtbar gewesen, die keine
Unterscheidung zwischen Ankern und Nägeln erkennen liessen. Aus dem Schreiben
des Kantons vom 19. September 2007 gehe hervor, dass der Kanton auch
ungespannte Anker (Nägel) entschädigen wollte (wenn auch nur zu Fr. 50.--). Die
unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien hätten nicht den Begriff des
Ankers betroffen, sondern die daraus resultierende Gesamtentschädigung. Der
Vertreter des Kantons habe es versäumt, im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung
abzuklären, wie viele Anker verbaut worden seien. Dieses Versäumnis falle in
den Verantwortungsbereich des Kantons und könne dem Enteigneten nicht
entgegengehalten werden.

5.
Kann kein übereinstimmender wirklicher Parteiwille ermittelt werden, so sind
vertragliche Vereinbarungen aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie
sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen, die
ihnen vorausgegangen und unter denen sie abgegeben worden sind, verstanden
werden durften und mussten (BGE 130 III 417 E. 3.2 S. 424 f.; 122 III 420 E. 3a
S. 424, je mit Hinweisen). Zu berücksichtigen ist insbesondere der vom
Erklärenden verfolgte Regelungszweck, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten
Treuen verstehen durfte und musste (BGE 132 III 24 E. 4 S. 28 mit Hinweisen).
Bei der Auslegung öffentlich-rechtlicher Verträge ist in Zweifelsfällen zu
vermuten, dass die Verwaltung nicht bereit ist, etwas anzuordnen oder zu
vereinbaren, was mit den von ihr zu wahrenden öffentlichen Interessen und der
einschlägigen Gesetzgebung im Widerspruch steht (BGE 135 V 237 E. 3.6 S. 242;
Urteil 2C_258/2011 vom 30. August 2012 E. 4.1, in: ZBl 114/2013 S. 408; je mit
Hinweisen). Dies bedeutet allerdings nicht, dass stets der dem öffentlichen
Interesse besser dienenden Auslegung den Vorzug zu geben sei: Die Wahrung des
öffentlichen Interesses findet ihre Schranke im Vertrauensprinzip, d.h. sie
darf nicht dazu führen, dass dem Vertragspartner des Gemeinwesens bei der
Vertragsauslegung Auflagen gemacht werden, die er beim Vertragsschluss
vernünftigerweise nicht voraussehen konnte (BGE 122 I 328 E. 4e S. 335 f.;
Urteil 2C_815/2012 vom 24. Juni 2013 E. 2.2).

5.1. Das Bundesverwaltungsgericht ging vom Begriff des Ankers in der
Fachsprache (SIA-Normen, Fachliteratur) aus. Dieser Ansatz ist im Grundsatz
nicht zu beanstanden, wurde doch die streitige Klausel von Fachleuten des
Kantons vorformuliert.
Allerdings erscheint der Einwand des Kantons berechtigt, dass einem Fachmann
für Strassen- und Tunnelbau bekannt gewesen wäre, dass die Ankerentschädigung
den Mehraufwand für eine allfällige spätere Entfernung der Anker beim Bauaushub
kompensieren solle und eine Entschädigung von je Fr. 440.- zwar für
vorgespannte Anker angemessen und üblich sei, dagegen in keinem Verhältnis zum
sehr viel geringeren Aufwand bei Nägeln stehe. Dies hätte ein Indiz bzw. eine
Präzisierung darstellen können, dass der Begriff restriktiv, im Sinne von
vorgespannten Ankern, gemeint war.
Beim Enteigneten handelt es aber nicht um einen Fachmann des Strassenbaus,
weshalb ihm diese Umstände nicht bekannt sein mussten.

5.2. Das Bundesverwaltungsgericht traf keine eigenen Feststellungen zu den
Umständen des Vertragsschlusses, weil es diese für seine Vertragsauslegung
nicht benötigte. Die ESchK hatte dagegen eine Parteibefragung durchgeführt. Die
protokollierten Aussagen des Enteigneten zum Vertragsschluss wurden vom Kanton
nicht bestritten und können deshalb im Folgenden zugrundegelegt werden.
Der Enteignete sagte aus, Hauptstreitpunkt sei die Frage gewesen, ob er und die
übrigen Grundeigentümer zu Bauland- oder zu Landwirtschaftspreisen entschädigt
würden. Der Staat habe "völlig stur" Fr. 8.50/m2 für die formelle Enteignung
offeriert, während die Eigentümer Fr. 500 - 600/m2 für angemessen hielten.
Nachdem das UVEK auf den vollständigen Entzug des Eigentums zu Gunsten einer
Dienstbarkeit verzichtet hatte, habe der Staat dann Fr. 110.--/m2 offeriert.
Der Vertragstext und die Planbeilagen seien vom Vertreter des Kantons zusammen
mit der Notarin des Kantons ausgearbeitet worden. Auf Wunsch des Enteigneten
sei der Betrag (aus steuerrechtlichen Gründen) in Fr. 2.--/m2 für das Baurecht
und Fr. 108.--/m2 Inkonvenienzentschädigung aufgeteilt worden. Der Begriff
"Anker" sei im Vertragsentwurf gewesen, darüber habe er sich keine Gedanken
gemacht. Die Grundeigentümer hätten untereinander diskutiert; sie hätten
Zweifel gehabt, ob sie den von ihnen als schlecht empfundenen Deal annehmen
sollten. Dann habe B.________, der Architekt sei, ihn darauf aufmerksam
gemacht, dass hunderte von Ankern verbaut würden. Sie seien die Baugrube
anschauen gegangen und hätten in der Baugrube hunderte von Ankerköpfen gesehen.
In diesem Moment sei ihm der "Zwänzger" runtergefallen und er habe pro Anker
Fr. 440.-- gesehen. Er habe sich keine Gedanken darüber gemacht, was so ein
Anker für einen Schaden ergeben könne, er habe nur die Entschädigung und die
Endsumme gesehen. Er habe nie mit der Gegenpartei diskutiert, was ein Anker
sei.

5.3. Zweck des Vertrages war es, die Dienstbarkeit und die hierfür geschuldete
Entschädigung zu vereinbaren, ohne hierfür das formelle Enteignungsverfahren
durchlaufen zu müssen. Während es dem Enteigneten (legitimerweise) darum ging,
eine möglichst hohe Entschädigung zu erlangen, war der Kanton verpflichtet,
eine Entschädigung auszuhandeln, die nicht oder nur unwesentlich über
demjenigen lag, was dem Enteigneten im formellen Enteignungsverfahren
zugesprochen worden wäre. Verhandelt wurde ausschliesslich über den
Quadratmeterpreis für die Dienstbarkeitsentschädigung (in Ziff. III.1 des
Vertrags). Dabei erhöhte der Kanton sein ursprüngliches Angebot beträchtlich,
indem er Fr. 110.-- (statt Fr. 8.50) pro Quadratmeter für eine Dienstbarkeit
(statt für die ursprünglich vorgesehene volle Enteignung) offerierte, d.h.
insgesamt Fr. 181'830.--. Auf Wunsch des Enteigneten wurde die Summe noch in
eine Dienstbarkeits- und eine Inkonvenienzentschädigung aufgeteilt. Die
Ankerentschädigung wurde dagegen nie thematisiert. Sie figurierte auch nicht in
der Hauptziffer III.1 des Vertrags, sondern in Ziff. III.2, zusammen mit
untergeordneten Entschädigungsposten (vorübergehende Landbeanspruchung,
gefällte Obstbäume). Insofern musste der mit Vertragsformulierungen und
-verhandlungen vertraute Enteignete (als Rechtsanwalt und Notar) davon
ausgehen, dass es sich bei der Ankerentschädigung nicht um den
Hauptschadensposten handelte.
Als er bei der Baustellenbesichtigung hunderte von Ankerköpfen sah und sich
ausrechnete, dass die Ankerentschädigung (bei Fr. 440.-- pro Ankerkopf)
erheblich höher ausfallen würde als die in Ziffer III.1 vereinbarte
Entschädigung für Dienstbarkeit und Inkonvenienzen, mussten ihm Zweifel kommen,
ob dies dem Willen des Kantons entspreche. Selbst wenn er die daraus
resultierende Gesamtentschädigung als angemessen erachtete, durfte er nach Treu
und Glauben nicht darauf vertrauen, dass der Kanton gewillt sei, eine derart
hohe Entschädigung für die von keiner Seite je erwähnten Anker zu bezahlen, mit
der Folge, dass die Gesamtentschädigung ein Mehrfaches der in Ziff. 1
vereinbaren Entschädigung für Dienstbarkeit und Inkonvenienzen betragen würde.
Unter diesen Umständen hätte es sich aufgedrängt, beim Kanton nachzufragen, wie
die Ankerentschädigung in Ziff. III.2 des Vertrages zu verstehen sei. Da der
Enteignete dies unterliess, kann er sich nicht darauf berufen, er habe darauf
vertrauen dürfen, für jeden auf der Baustelle sichtbaren Ankerkopf mit Fr.
440.-- entschädigt zu werden.

5.4. Allerdings bestand auch kein normativer Konsens für das Verständnis des
Kantons, wonach ausschliesslich vorgespannte Anker, und zwar nur bis zu einer
Tiefe von maximal 7 Metern im Erdreich, zu entschädigen seien:
Wie schon die ESchK festgestellt halt, liegen keinerlei Anhaltspunkte für eine
Differenzierung der Entschädigung je nach Tiefe des Ankers im Boden vor. Der
Enteignete durfte daher die Erklärung des Kantons dahin verstehen, dass
zumindest alle vorgespannten Anker unabhängig von ihrer Tiefe im Boden mit je
Fr. 440.-- zu entschädigen seien.
Überdies ging der Kanton in seiner Abrechnung vom 19. September 2007 selbst von
einer Entschädigungspflicht auch für Nägel aus, wenn auch zu einem geringeren
Betrag. Darauf ist er zu behaften, d.h. er kann sich nicht darauf berufen, dass
überhaupt keine Entschädigung für Nägel geschuldet sei. Dagegen fehlt eine
Vereinbarung über die Höhe dieser Entschädigung.

6.
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass weder ein tatsächlicher noch ein
normativer Konsens der Parteien darüber bestand, wie Nägel zu entschädigen
seien. Insoweit liegt ein versteckter Dissens vor.
Dieser führt zur vollständigen Nichtigkeit des Vertrages, wenn sich der Dissens
auf einen objektiven Hauptpunkt des Vertrages bezieht, oder aber auf einen
Nebenpunkt, der für eine Partei subjektiv wesentlich war, sofern dies für die
andere Seite erkennbar war (vgl. KRAMER/SCHMIDLIN, a.a.O., N. 156). Andernfalls
ist der Vertrag im Übrigen wirksam (entsprechend Art. 2 Abs. 1 OR, TERCIER/
PICHONNAZ, Le droit des obligations, 5 ^ème éd. 2012, n. 574-576), und muss
unter Umständen punktuell (entsprechend Art 2 Abs. 2 OR) vom Richter ergänzt
werden.

6.1. Die ESchK ging davon aus, dass sich die Parteien über die Einräumung der
Dienstbarkeit und die Dienstbarkeitsentschädigung, d.h. über die wesentlichen
Punkte des Vertrages, einig gewesen seien, und dieser deshalb zustande gekommen
sei. Sie ergänzte den Vertrag dahingehend, dass jeder Nagel mit Fr. 50.-- zu
entschädigen sei.

6.2. Für den Enteigneten war jedoch die (vermeintliche) Entschädigung aller
Nägel zu Fr. 440.-- und die daraus resultierende höhere Gesamtentschädigung
ausschlaggebend für die Vertragsunterzeichnung (vgl. oben E. 5.2). Umgekehrt
war es aber auch aus Sicht des Kantons wichtig, eine Regelung in allen Punkten
- und damit auch über die (sehr zahlreichen) verbauten Nägel - zu erzielen, um
zu vermeiden, dass die zu zahlende Gesamtentschädigung (infolge nachträglicher
Vertragsergänzungen) wesentlich höher ausfällt als kalkuliert (vgl. E. 5.3).
Handelte es sich somit für beide Seiten nicht um einen untergeordneten Punkt,
so führt der versteckte Dissens zur vollständigen Unwirksamkeit des Vertrages.

6.3. Damit erweist sich die Beschwerde des Kantons als begründet. Ist der
Dienstbarkeitsvertrag nicht zustande gekommen, so muss noch das formelle
Enteignungsverfahren durchgeführt und die Entschädigung von der
Schätzungskommission festgesetzt werden. Der angefochtene Entscheid ist daher
aufzuheben und die auf den Dienstbarkeitsvertrag gestützte "Klage" des
Enteigneten vom 8. April 2011 abzuweisen. Aufzuheben ist auch die
Abschreibungsverfügung des Präsidenten der ESchK vom 5. November 2017, die mit
der Nichtigkeit des Vertrags ihre Grundlage verliert.

7.
Besteht nach dem Gesagten kein vertraglicher Anspruch auf eine
Ankerentschädigung, kann der Enteignete dafür auch keine Verzugszinsen
verlangen. Seine Beschwerde auf Zusprechung von zusätzlichen Verzugszinsen ist
daher abzuweisen.
Ob und zu welchem Zinssatz die nach Enteignungsrecht festzulegende
Entschädigung zu verzinsen ist (vgl. Art. 19bis Abs. 4 und Art. 76 Abs. 5
EntG), wird von der ESchK festzulegen sein (vgl. unten E. 8).

8.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens rechtfertigt es sich, die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens dem Enteigneten aufzuerlegen und diesem keine
Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 66 und 68 BGG).
Dagegen hat der Kanton als Enteigner die Kosten der vorinstanzlichen Verfahrens
zu tragen, unabhängig von deren Ausgang (Art. 114 bis 116 Abs. 1 EntG). Da der
Kanton die Höhe der vom Bundesverwaltungsgericht festgesetzten Kosten und
Entschädigungen nicht substanziiert beanstandet hat, können dessen Ansätze
übernommen werden.
Die Kosten und die Höhe der Parteientschädigung für das Schätzungsverfahren
wurden noch nicht beziffert. Entgegen der Auffassung der Schätzungskommission
hat das Bundesverwaltungsgericht auch keinen Stundensatz von Fr. 350.--
vorgegeben, betreffen doch die Ausführungen in E. 14.2 nur die Parteikosten vor
Bundesverwaltungsgericht. Insoweit ist die Sache daher an die ESchK
zurückzuweisen.
Sofern sich die Parteien nicht noch ausseramtlich einigen, wird die ESchK die
Entschädigung für die Dienstbarkeit und alle damit verbundenen Inkonvenienzen
gemäss Art. 19 EntG festsetzen und anschliessend neu über die Kosten- und
Entschädigungsfolgen des Schätzungsverfahrens entscheiden müssen.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Verfahren 1C_613/2015 und 1C_637/2015 werden vereinigt.

2. 
In Gutheissung der Beschwerde 1C_613/2015 wird das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2015 (berichtigt am 3. November 2015)
aufgehoben. Die "Klage" von A.________ gegen den Kanton Aargau vom 8. April
2011 wird abgewiesen. Die Sache wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen
an die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 8, zurückgewiesen. Die
Abschreibungsverfügung des Präsidenten der Eidgenössischen
Schätzungskommission, Kreis 8, vom 5. November 2007 wird aufgehoben.

3. 
Die Beschwerde im Verfahren 1C_637/2015 wird abgewiesen.

4. 
Die Kosten der bundesgerichtlichen Verfahren von insgesamt Fr. 5'000.-- werden
A.________ auferlegt.

5. 
Es werden keine Parteientschädigungen für die bundesgerichtlichen Verfahren
zugesprochen.

6. 
Die Verfahrenskosten vor Bundesverwaltungsgericht von Fr. 10'000.-- werden dem
Kanton Aargau auferlegt. Dieser hat A.________ für das Verfahren vor
Bundesverwaltungsgericht mit Fr. 19'187.30 zu entschädigen.

7. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Schätzungskommission,
Kreis 8, und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. August 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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