Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.576/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_576/2015

Urteil vom 10. Dezember 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________ AG,
2. B.________,
3. C.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Mischa Kissling,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zug,
An der Aa 4, Postfach 1356, 6301 Zug.

Gegenstand
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland; Herausgabe von
Beweismitteln
(Art. 74 IRSG),

Beschwerde gegen den Entscheid vom 21. Oktober 2015 des Bundesstrafgerichts,
Beschwerdekammer.

Sachverhalt:

A. 
Die Staatsanwaltschaft Bonn führt ein Strafverfahren gegen D.________,
Rechtsanwalt B.________, E.________ und F.________. Dieses betrifft den
Verdacht der Insolvenzverschleppung, der Untreue, des Bankrotts und des
gewerbsmässigen Betrugs im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren über die
G.________-Gruppe, einer deutschen Stromlieferantin.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 stellte die Bonner Staatsanwaltschaft den
schweizerischen Behörden ein Gesuch um internationale Rechtshilfe. Unter
anderem ersuchte sie diese, die Räumlichkeiten der A.________ AG an der
X.________strasse "..." in Zürich zu durchsuchen und näher bezeichnete
Unterlagen herauszugeben. Das Bundesamt für Justiz bestimmte den Kanton Zug als
Leitkanton für den Vollzug des Rechtshilfeersuchens. Die Staatsanwaltschaft Zug
erliess am 18. April 2012 einen Hausdurchsuchungsbefehl. Bei der am 8. Mai 2012
durchgeführten Durchsuchung wurden 36 Bundesordner sichergestellt. Rechtsanwalt
B.________ verlangte deren Siegelung.
Nachdem die Staatsanwaltschaft Zug dem Zwangsmassnahmengericht Zug einen Antrag
auf Entsiegelung gestellt hatte, lud dieses sowohl die Staatsanwaltschaft als
auch Rechtsanwalt B.________ bzw. die A.________ AG zu einer Parteiverhandlung
ein und teilte ihnen ihre vorläufige Einschätzung hinsichtlich der
Untersuchungsrelevanz der versiegelten Aufzeichnungen mit. Die Parteien folgten
dieser Auffassung. Die Staatsanwaltschaft zog deshalb im entsprechenden Umfang
ihren Entsiegelungsantrag zurück, worauf die Aktenstücke Rechtsanwalt
B.________ ausgehändigt wurden. Rechtsanwalt B.________ und die A.________ AG
ihrerseits zogen hinsichtlich der übrigen Unterlagen ihren Siegelungsantrag
zurück, worauf diese Unterlagen der Staatsanwaltschaft unversiegelt zur
Verfügung gestellt wurden. Mit Verfügung vom 2. November 2012 schrieb das
Zwangsmassnahmengericht das Verfahren ab.
Mit Schlussverfügung vom 2. Dezember 2013 ordnete die Staatsanwaltschaft Zug
an, dass die sichergestellten Bundesordner Nr. 4.01-4.36 an die ersuchende
Behörde herausgegeben werden. Eine dagegen von der A.________ AG, Rechtsanwalt
B.________ und Rechtsanwältin C.________ erhobene Beschwerde hiess das
Bundesstrafgericht mit Entscheid vom 3. September 2014 gut. Es hielt fest, dass
sich Rechtsanwalt B.________ auf das Berufsgeheimnis berufen könne, da aus dem
Rechtshilfeersuchen nicht hervorgehe, dass er sich selbst nach Schweizer Recht
strafbar gemacht habe. Das Bundesstrafgericht wies deshalb die Sache zur neuen
Beurteilung an die Staatsanwaltschaft zurück.
Die Staatsanwaltschaft Zug fällte am 18. Dezember 2014 eine neue
Schlussverfügung, wobei sie nun einige Dokumente des Ordners 4.26 von der
Herausgabe ausnahm.
Wiederum erhoben die A.________ AG, Rechtsanwalt B.________ und Rechtsanwältin
C.________ Beschwerde. Das Bundesstrafgericht hiess die Beschwerde in Bezug auf
eine Anzahl Rechnungen erneut gut und wies sie im Übrigen jedoch ab.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 2. November 2015
ans Bundesgericht beantragen die A.________ AG, Rechtsanwalt B.________ und
Rechtsanwältin C.________, der Entscheid des Bundesstrafgerichts sei
aufzuheben, soweit ihre Beschwerde nicht gutgeheissen worden war. Das
Rechtshilfeersuchen sei in Bezug auf die am 8. Mai 2012 bei der A.________ AG
beschlagnahmten Dokumente abzulehnen und die Dokumente seien der A.________ AG
zu retournieren. Eventualiter seien nur die Bundesordner Nrn. 4.01 bis 4.03
Deutschland zur Verfügung zu stellen. Subeventualiter sei die Sache zum neuen
Entscheid an die Staatsanwaltschaft Zug zurückzuweisen.
Das Bundesstrafgericht verweist in seiner Vernehmlassung auf den angefochtenen
Entscheid. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Justiz beantragt, auf die
Beschwerde nicht einzutreten. Es liege kein besonders bedeutender Fall vor. Die
Beschwerdeführer halten in ihrer Stellungnahme dazu an ihren Anträgen und
Rechtsauffassungen fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in
Strafsachen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unter
den in Art. 84 BGG genannten Voraussetzungen zulässig. Im vorliegenden Fall
geht es um eine Beschlagnahme und Herausgabe von Gegenständen sowie eine
Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich und damit um ein
Sachgebiet, bei dem die Beschwerde nach Art. 84 Abs. 1 BGG insoweit möglich
ist. Weiter ist erforderlich, dass es sich um einen besonders bedeutenden Fall
handelt.
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im
Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 134 IV 156 E. 1.3.1
S. 160 mit Hinweisen). Ein besonders bedeutender Fall ist mit Zurückhaltung
anzunehmen (BGE 136 IV 139 E. 2.4 S. 144 mit Hinweis).
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist,
steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 134 IV 156 E.
1.3.1 S. 160 mit Hinweis).
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über
Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall
vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet und es kann ganz
oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).

1.2. Ein besonders bedeutender Fall liegt nicht vor. Die Vorinstanz hat sich
mit den Einwänden der Beschwerdeführer auseinandergesetzt. Es legte dar, dass
die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit nicht verlange, dass sich der
Tatverdacht gegen die von der Rechtshilfemassnahme Betroffenen richte. Dies
entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil 1A.245/2006 vom
26. Januar 2007 E. 3).
Das Bundesstrafgericht ging weiter davon aus, dass sich die Beschwerdeführer im
Beschwerdeverfahren hinreichend dazu äussern konnten, inwiefern die fraglichen
Unterlagen unter das Anwaltsgeheimnis fallen. Eine allfällige Verletzung des
rechtlichen Gehörs durch die Staatsanwaltschaft sei insofern geheilt. Der
Einwand der Beschwerdeführer, sie hätten faktisch nur 10 bis 12 Tage Zeit für
eine Stellungnahme gehabt, lässt auf keine Verletzung des rechtlichen Gehörs
schliessen. Ebenfalls nicht ersichtlich ist, weshalb sie wegen des
Anwaltsgeheimnisses daran gehindert gewesen wären, die diesem Geheimnis
unterliegenden Aktenstücke zu bezeichnen.
Zur Frage, welche Dokumente dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, stützte sich die
Vorinstanz auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung. Danach ist das
strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht nicht auf Informationen anwendbar,
die einem Anwalt im Rahmen von Dienstleistungen zukommen, welche über die
berufsspezifische Tätigkeit hinausgehen. Dies gilt unter anderem für die
Tätigkeit als Verwaltungsrat einer Gesellschaft (BGE 115 Ia 197 E. 3d/cc S. 200
f.; Urteil 1B_226/2014 vom 18. September 2014 E. 2.4; je mit Hinweisen). Wenn
das Bundesstrafgericht im Licht der Angaben der Beschwerdeführer (vgl. BGE 126
II 258 E. 9b/cc S. 263; 130 II 14 E. 4.3 S. 17 f. mit Hinweisen) die Unterlagen
nach diesem zutreffenden Kriterium einer Triage unterzog, ist dies nicht zu
beanstanden.
Wie das Bundesamt in der Vernehmlassung zutreffend darlegt, stellen sich keine
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Auch sonst ist der Fall nicht von
aussergewöhnlicher Tragweite. Für das Bundesgericht besteht kein Anlass, die
Sache an die Hand zu nehmen.

2. 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zug, dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz,
Fachbereich Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Dezember 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold

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