Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.558/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_558/2015

Urteil vom 30. November 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
3. C.A.________,
4. D.A.________,
Beschwerdeführer,
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Kleb,

gegen

E. und F. B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Rudolf Ziegler,

Gemeinderat Altendorf,
Dorfplatz 3, Postfach 155, 8852 Altendorf,
Amt für Raumentwicklung des Kantons Schwyz,
Bahnhofstrasse 14, Postfach 1186, 6431 Schwyz,
Amt für Umweltschutz des Kantons Schwyz,
Kollegiumstrasse 28, Postfach 2162, 6431 Schwyz,
Regierungsrat des Kantons Schwyz,
Bahnhofstrasse 9, Postfach 1260, 6431 Schwyz.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 26. August 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz, Kammer III.

Sachverhalt:

A. 
Der Weiler Seestatt (Gemeinde Altendorf) befindet sich auf einer schwach
ausgeprägten Landzunge direkt am Zürichsee. Er ist im Bundesinventar der
schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS)
aufgenommen. Die "kompakte Altbebauung mit Gasthöfen und Fischerhäusern"
(Gebiet G1) hat das Erhaltungsziel A; der Uferstreifen zwischen Bahnlinie und
See wird der Umgebungsschutzzone I mit Erhaltungsziel a zugewiesen.

B. 
Am 13. Mai 2014 reichten E. und F. B.________ ein Gesuch um Abbruch des
bestehenden und Bau eines neuen Wohnhauses auf der Parzelle Nr. 73 (Tüchelweg
3) ein, innerhalb des Gebiets G1 gemäss ISOS. Gegen das Baugesuch erhoben u.a.
A., B., C. und D. A.________ Einsprache.
Das kantonale Amt für Raumentwicklung (ARE/SZ) erteilte am 9. September 2014
die kantonale Baubewilligung (Gesamtentscheid) unter Auflagen und
Nebenbestimmungen und wies die Einsprachen für den kantonalen
Zuständigkeitsbereich ab. Am 26. September 2014 beschloss der Gemeinderat
Altendorf die nachgesuchte Baubewilligung mit gewissen Änderungen und wies
seinerseits die Einsprachen ab. Er erteilte die Ausnahmebewilligung für die
Unterschreitung des Gewässerabstandes gemäss Art. 41c Abs. 1 Satz 2 der
Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998 (GSchV; SR 814.201).

C. 
Gegen die Baubewilligung erhoben A., B., C. und D. A.________ Beschwerde an den
Regierungsrat des Kantons Schwyz. Dieser führte einen Augenschein durch und
wies am 14. April 2015 die Beschwerde ab.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die dagegen erhobene Beschwerde
am 26. August 2015 ab.

D. 
Dagegen gelangten A., B., C. und D. A.________ am 26. Oktober 2015 mit
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. Sie
beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die mit
Gesamtentscheid des ARE/SZ vom 9. September 2014 und Entscheid des Gemeinderats
Altendorf vom 26. September 2014 bewilligten baulichen Massnahmen seien zu
verweigern. Eventuell sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung im Sinne der
Begründung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter ersuchen sie um die
Durchführung eines Augenscheins und um die Erteilung der aufschiebenden
Wirkung.

E. 
Die Gemeinde Altendorf und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. E. und F. B.________ (im Folgenden: die Beschwerdegegner) und der
Regierungsrat beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Die kantonalen Ämter für Raumentwicklung und für Umwelt (AFU/
SZ) haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) kommt in seiner Vernehmlassung zum Ergebnis,
dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Art.
41c Abs. 2 GSchV nicht vorliegen. Es sei auch fraglich, ob das Bauvorhaben
(Abbruch und Neubau mit zusätzlicher Beanspruchung des Uferraums) unter die
Bestandesgarantie falle.
Nach Auffassung des Bundesamts für Kultur (BAK) trägt der angefochtene
Entscheid dem Ortsbildschutz als übergeordnetem öffentlichem Interesse nicht
genügend Rechnung; sollte er bestätigt werden, wären wesentliche Eigenschaften
des Ortsbilds von Seestatt und damit dessen nationale Bedeutung gefährdet.

F.
Im weiteren Schriftenwechsel halten die Beteiligten an ihren Anträgen fest. Die
Beschwerdegegner beantragen ihrerseits die Vornahme eines Augenscheins und die
Einholung eines Fachberichts der kantonalen Denkmalpflege.

G.
Mit Verfügung vom 24. November 2015 wurde der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung erteilt.

H. 
Das Bundesgericht hat am 30. November 2016 in öffentlicher Sitzung über die
Beschwerde beraten und entschieden.

Erwägungen:

1. 
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts
steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ans Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG).

1.1. Die Beschwerdeführer haben als Eigentümer der an das Baugrundstück
angrenzenden Parzelle Nr. 75 eine besondere Beziehungsnähe zum Bauvorhaben und
sind daher zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG), auch wenn sie die
Verletzung von Normen rügen, die Allgemeininteressen schützen (Ortsbild- und
Gewässerschutz). Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, wenn ihnen die
Gutheissung der Beschwerde einen praktischen Nutzen verschafft, insbesondere
das streitige Bauvorhaben nicht wie geplant realisiert werden kann (BGE 137 II
30 E. 2.3 S. 34). Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG)
ist daher einzutreten.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
insbesondere die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens - gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht wendet das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich die willkürliche
Anwendung von kantonalem oder kommunalem Recht) prüft es dagegen nur insoweit,
als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und genügend begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und
Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG).

1.3. Im Folgenden sind zunächst die Rügen zum Gewässerraum zu behandeln.

2. 
Art. 36a Abs. 1 GSchG (SR 814.20) verpflichtet die Kantone, den Raumbedarf der
oberirdischen Gewässer festzulegen, der erforderlich ist für die Gewährleistung
der natürlichen Funktionen der Gewässer, des Schutzes vor Hochwasser und der
Gewässernutzung (Gewässerraum). Diese Anforderungen werden in den Art. 41a
GSchV (für Fliessgewässer) und Art. 41b GSchV (für stehende Gewässer)
präzisiert. Die Kantone sorgen dafür, dass der Gewässerraum bei der Richt- und
Nutzungsplanung berücksichtigt sowie extensiv gestaltet und bewirtschaftet wird
(Art. 36a Abs. 3 Satz 1 GSchG).

2.1. Da in der Gemeinde Altendorf für den Zürichsee noch kein Gewässerraum nach
den neuen gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen ausgeschieden wurde, gelten
vorläufig die Übergangsbestimmungen zur Änderung der Gewässerschutzverordnung
vom 4. Mai 2011. Danach sind die Vorschriften für Anlagen nach Artikel 41c
Absätze 1 und 2 GSchV bei stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr
als 0,5 ha auf einem Streifen von 20 m Breite entlang dem Gewässer anwendbar
(Abs. 2 lit. c). Dies entspricht dem kantonalen Gewässerabstand, den Bauten und
Anlagen gegenüber Seen mindestens einzuhalten haben (gemäss § 66 Abs. 1 des
Schwyzer Planungs- und Baugesetzes vom 14. Mai 1987 [PBG/SZ; SRSZ 400.100]).

2.2. Im Gewässerraum dürfen nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse
liegende Anlagen wie Fuss- und Wanderwege, Flusskraftwerke oder Brücken
erstellt werden. In dicht überbauten Gebieten kann jedoch die Behörde für
zonenkonforme Anlagen Ausnahmen bewilligen, soweit keine überwiegenden
Interessen entgegenstehen (Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV; seit 1. Jan. 2016 lit.
a [AS 2015 4791]). Rechtmässig erstellte und bestimmungsgemäss nutzbare Anlagen
im Gewässerraum sind in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt (Abs. 2).
Ausnahmen vom kantonalen Gewässerabstand sind nach § 73 Abs. 1 PBG/SZ innerhalb
der Bauzone möglich, wenn und soweit besondere Verhältnisse es rechtfertigen.
Eine Ausnahmebewilligung muss mit den öffentlichen Interessen vereinbar sein
und darf keine wesentlichen Interessen von Nachbarn verletzen (Abs. 2).

2.3. Das streitige Bauprojekt kommt mit seiner Nordfassade rund 15 m vom See
entfernt zu liegen, d.h. es ragt 5 m in den Gewässerabstand hinein. Alle
Vorinstanzen gingen deshalb davon aus, dass es auf eine Ausnahmebewilligung
nach Art. 41c Abs. 1 GSchV und § 73 PBG/SZ angewiesen sei. Dies ist nicht zu
beanstanden; es wird denn auch von keiner Seite geltend gemacht, dass der
Neubau Bestandesschutz nach Art. 41c Abs. 2 GSchV in Verbindung mit § 72 PBG/SZ
beanspruchen könne (vgl. dazu Urteil 1C_473/2015 vom 22. März 2016 E. 4, in:
URP 2016 S. 375). Die Gemeinde hielt in der Baubewilligung (S. 3 lit. b)
vielmehr ausdrücklich fest, dass es sich nicht um einen Wiederaufbau nach § 72
Abs. 3 PBG/SZ handle, sondern um einen Neubau.
Zu prüfen ist daher, ob das Verwaltungsgericht zu Recht die Erteilung einer
Ausnahmebewilligung nach Art. 41c Abs. 1 lit. a GSchV und § 73 PBG/SZ bestätigt
hat. Die bundesrechtlichen Voraussetzungen prüft das Bundesgericht frei, die
kantonalen nur unter dem Blickwinkel der Willkür (oben E. 1.2).

2.4. Eine Ausnahmebewilligung nach Art. 41c Abs. 1 lit. a GSchV setzt voraus,
dass die Bauparzelle im dicht überbauten Gebiet liegt.
Im Erläuternden Bericht des BAFU vom 20. April 2011 zur Parlamentarischen
Initiative Schutz und Nutzung der Gewässer (07.492) - Änderung der
Gewässerschutz-, Wasserbau-, Energie- und Fischereiverordnung wird dargelegt,
dass die Ausscheidung eines Gewässerraums in Städten oder Dorfzentren, die
dicht überbaut sind (z.B. städtische Quartiere in Basel am Rhein oder in Zürich
an der Limmat), oft nicht oder nur den Gegebenheiten angepasst sinnvoll sei.
Die Ausnahmebewilligung nach Art. 41c Abs. 1 Satz 2 GSchV solle hier eine
Siedlungsentwicklung nach innen und eine aus Sicht der Raumplanung erwünschte
städtebauliche Verdichtung ermöglichen (a.a.O. S. 15). Ausserhalb der dicht
überbauten Zentren, z.B. in locker überbauten Aussenquartieren, sei der
Gewässerraum dagegen nach den Vorgaben von Art. 41a Abs. 1-3 GSchV bzw. Art.
41b Abs. 1 und 2 GSchV auszuscheiden (a.a.O., S. 12 und 13).
Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) und das BAFU haben in Zusammenarbeit
mit den Kantonen das Merkblatt "Gewässerraum im Siedlungsgebiet" vom 18. Januar
2013 erarbeitet. Darin wird unter anderem festgehalten, dass eine Ausnahme von
den Mindestbreiten ermöglicht werden solle, wo der Gewässerraum die natürlichen
Funktionen auch auf lange Sicht nicht erfüllen könne. Dabei liege der Fokus auf
dem Land entlang dem Gewässer und nicht (wie beim raumplanerischen Begriff des
weitgehend überbauten Gebiets) auf dem Siedlungsgebiet als Ganzem (a.a.O., S.
3-4). Der Betrachtungsperimeter sei in einer Einzelfallbeurteilung zu
definieren. Er müsse sich entweder logisch abgrenzen lassen (Strassengeviert,
Topographie, Bebauungsmuster) oder mindestens eine Fläche von 5'000 m²
aufweisen (in Längsrichtung und nur einseitig des Gewässers; a.a.O., S. 11).
Das Merkblatt enthält eine Kriterienliste zur Bestimmung des dicht überbauten
Gebiets, betont aber, dass den Kantonen ein Spielraum zustehe. Es seien Aspekte
der Gewässer- und der Siedlungsentwicklung heranzuziehen und sowohl
übergeordnete Konzepte als auch die konkrete Situation vor Ort zu
berücksichtigen (a.a.O., S. 4). Für dicht überbautes Gebiet spreche der
Umstand, dass es sich um eine Zentrums- oder Kernzone oder einen
Entwicklungsschwerpunkt handle; gegen diese Qualifikation spreche das
Vorhandensein bedeutender Grünräume oder von Gewässerabschnitten mit
ökologischer oder landschaftlicher Bedeutung (im Ist-Zustand oder nach
getroffenen Aufwertungsmassnahmen). Zu berücksichtigen seien weiter die
Bebaubarkeit und die Parzellenfläche, die bauliche Nutzung in der Umgebung und
die Nähe zu öffentlichen Anlagen an Gewässern. Im Einzelfall könnten
Gewässerzustand und -grösse eine Rolle spielen (a.a.O., S. 4-6).

2.5. Das Verwaltungsgericht erachtete es als rechtlich vertretbar, von einem
die Seestatt abdeckenden Betrachtungsperimeter auszugehen. Es handle sich
siedlungsmässig um eine Einheit, wobei die Kompaktheit der Altbebauung bzw. die
ausserordentlich dichte Bebauung, welche geschlossene und vergleichsweise
ursprünglich wirkende Gassenräume umschliesse, im ISOS besonders hervorgehoben
werde. Zu dieser Einheit sei auch die Bauliegenschaft zu zählen. Das Ufer sei
"hart verbaut" und mit einer Schiffsanlegestelle der
Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft versehen; insbesondere bestehe auch im
Bereich des Baugrundstücks eine Ufermauer. Schliesslich erscheine das Gebiet
der Seestatt vom See her insgesamt als dicht bebaut.

2.6. Dem widersprechen die Beschwerdeführer und das BAFU: Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung müsse ein genügend grosser
Betrachtungsperimeter gewählt werden; Planungsperimeter sei - jedenfalls in
kleineren Gemeinden - in der Regel das gesamte Gemeindegebiet, wobei der Fokus
auf dem Land entlang dem Gewässer liege. Vorliegend befinde sich die
Bauparzelle am Rand des Weilers Seestatt; dieser werde durch Grünflächen und
eine Bahnlinie vom Hauptsiedlungsgebiet von Altendorf abgetrennt. Dem Seeufer
entlang gebe es grüne Flächen mit wenig Überbauung (u.a. Schiffshafen). Es
bestehe denn auch kein Interesse an einer verdichteten Überbauung des
Gewässerraums: Gemäss ISOS-Eintrag sei auf eine weitere Überbauung der Umgebung
der Seestatt "dringend zu verzichten".

2.7. Das Bundesgericht hat sich seit der GSchV-Revision vom 4. Mai 2011
mehrfach mit dem Begriff des "dicht überbauten Gebiets" befasst. Schon im
ersten Entscheid (BGE 140 II 428) betreffend eine Überbauung an der Wigger, in
der Gemeinde Dagmersellen, hielt es fest, dass dieser Begriff nicht nur für die
Ausnahmebewilligung nach Art. 41c Abs. 1 GSchV verwendet werde, sondern auch
für die planerische Festlegung des Gewässerraums gemäss Art. 41a Abs. 4 und
Art. 41b Abs. 3 GSchV. Eine sachgerechte Planung setze einen genügend gross
gewählten Perimeter voraus. Planungsperimeter sei - zumindest in kleineren
Gemeinden - in der Regel das Gemeindegebiet. Dabei liege der Fokus auf dem Land
entlang des Gewässers. Wie die Beispiele im Erläuternden Bericht zeigten, habe
der Verordnungsgeber eine Anpassung des Gewässerraums bzw.
Ausnahmebewilligungen vor allem in dicht überbauten städtischen Quartieren und
Dorfzentren zulassen wollen, die (wie Basel und Zürich) von Flüssen durchquert
werden. In solchen Gebieten sollten die raumplanerisch erwünschte
städtebauliche Verdichtung und die Siedlungsentwicklung nach Innen ermöglicht
und Baulücken geschlossen werden können. Dagegen bestehe in peripheren
Gebieten, die an ein Fliessgewässer angrenzten, regelmässig kein überwiegendes
Interesse an einer verdichteten Überbauung des Gewässerraums. Hier müsse daher
der minimale Raumbedarf des Gewässers (gemäss Art. 41a Abs 2 und Art. 41b Abs.
1 GSchV) grundsätzlich respektiert und von nicht standortgebundenen Anlagen
freigehalten werden. Der Verordnungsgeber habe mit dem Begriff "dicht überbaut"
denn auch zum Ausdruck gebracht, dass eine "weitgehende" Überbauung (wie in
Art. 36 Abs. 3 RPG) nicht genüge (BGE 140 II 428 E. 7 S. 434 f.). Diese
Grundsätze wurden in allen seither ergangenen Entscheiden bestätigt (BGE 140 II
437 E. 3 S. 440; Urteile 1C_473/2015 vom 22. März 2016 E. 5.2, in: URP 2016 S.
375; 1C_8/2016 vom 18. Januar 2016 E. 3.4).
Im Fall Dagmersellen verneinte das Bundesgericht das Vorliegen von dicht
überbautem Gebiet trotz der am Ostufer der Wigger bereits vorhandenen Bauten
und Anlagen (Erschliessungsstrasse, Brücken). Das Gebiet werde durch die
Bahnlinie und einen Grüngürtel vom Hauptsiedlungsgebiet getrennt, d.h. es liege
peripher, und sei insgesamt (unter Berücksichtigung der weiter nördlich und
südlich entlang der Wigger vorhandenen Grünflächen) nicht dicht überbaut (BGE
140 II 428 E. 8 S. 435 f.). Daran ändere die Verbauung der Wigger im fraglichen
Abschnitt nichts: Das Bundesgericht hielt fest, dass der Gewässerraum den
Raumbedarf des Gewässers langfristig sicherstellen solle, unabhängig vom
Bestehen konkreter Revitalisierungsprojekte (BGE 140 II 428 E. 8.1 S. 436).
Im Fall Rüschlikon bejahte das Bundesgericht dagegen das Vorliegen von dicht
überbautem Gebiet, obwohl die am Zürichsee gelegene Bauparzelle und die
unmittelbar angrenzenden Parzellen bei isolierter Betrachtung über viel
Grünraum verfügten. Ausschlaggebend war hier, dass die Bauparzelle nicht
peripher, sondern im Hauptsiedlungsgebiet der Agglomeration am linken Seeufer
lag, das praktisch durchgehend überbaut war; hinzu kam, dass auch die
Bauparzelle und die benachbarten Parzellen seeseits mit Boots- und Badehäusern
(bzw. Wochenendhäusern) in dichter Folge überstellt waren, so dass das Ufer -
vom See aus betrachtet - auch im fraglichen Bereich als dicht überbaut erschien
(BGE 140 II 437 E. 5.3 S. 443 f.).
Im Fall Freienbach verneinte das Bundesgericht wiederum die dichte Überbauung
des Gebiets (Hurdnerfeld) : Die Bauparzelle lag auf einer etwa 31'000 m2
grossen Insel, die von den Hauptsiedlungsgebieten sowohl Pfäffikons als auch
der Ortschaft Hurden (Freienbach) deutlich abgesetzt war. Die Insel selbst war
nur locker bebaut und der Uferbereich grösstenteils mit naturbelassener
Ufervegetation besetzt (Urteil 1C_473/2015 vom 22. März 2016 E. 5.7, in: URP
2016 S. 375).

2.8. Vorliegend geht es um ein Bauvorhaben im Weiler Seestatt. Dieser liegt am
Seeufer und wird durch die Bahnlinie und einen Grüngürtel (Umgebungsschutzzone
gemäss ISOS) vom Hauptsiedlungsbereich Altendorfs getrennt. Insofern handelt es
sich nicht um ein Zentrumsgebiet oder einen Entwicklungsschwerpunkt, sondern um
ein peripher gelegenes Gebiet. Der Weiler Seestatt selbst ist dicht überbaut.
Er grenzt jedoch nur auf einer Länge von rund 100 m mit sechs Bauten an den
See. Östlich und westlich davon ist das Seeufer durch grosse Grünflächen mit
nur vereinzelten Bauten gekennzeichnet, die überwiegend nicht direkt am See
stehen. Das Land entlang des Gewässers ist daher bei übergeordneter Betrachtung
nicht dicht überbaut.
Nichts anderes ergibt sich, wenn man - mit den Vorinstanzen - einen engen, auf
die Seestatt begrenzten Fokus zugrunde legen würde. Der Weiler weist zwar auf
der Seefront (gegen Norden) und entlang der Gassen, d.h. nach innen, eine
dichte Überbauung auf; auf der strasenabgewandten Seite der Häuser befanden
sich dagegen traditionell Gärten und Obstbäume (vgl. ISOS, Altendorf-Seestatt,
Siedlungsentwicklung); das ISOS weist die gesamte Nahumgebung des Weilers
zwischen Ufer und Eisenbahnlinie der Umgebungsschutzzone (U-Zo I) mit
Erhaltungsziel a zu, d.h. die Grünflächen sollen als unerlässlicher Teil des
Ortsbildes erhalten werden; auf eine weitere Überbauung der Umgebung von
Seestatt sei dringend zu verzichten. Der Weiler ist denn auch heute noch von
einem Grüngürtel umgeben. trotz gewisser (z.B. südlich des Hafens) entstandener
Bauten in der Umgebungsschutzzone.
Die Parzelle der Beschwerdegegner befindet sich am westlichen Rand des Weilers;
auf der strassenabgewandten Seite steht heute ein hölzerner Anbau; daran
anschliessend erstreckt sich eine Garten- bzw. Grünfläche bis zum See, die Teil
der Umgebungsschutzzone bildet. Aus Sicht der Siedlungsentwicklung ist eine
bauliche Verdichtung in diese Richtung gerade nicht erwünscht. Es handelt sich
insoweit nicht um eine Baulücke.
Unter diesen Umständen liegt kein dicht überbautes Gebiet vor, weshalb es
bereits an der ersten Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung
nach Art. 41c Abs. 1 lit. a GSchV fehlt.
Daran ändert die gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr
(Schiffsanlegestelle, nahegelegene S-Bahnstation Altenwegen) und die begehrte
Wohnlage nichts. Raumplanerisch kann die gute Erschliessung eines Gebiets ein
Argument für dessen Verdichtung sein. Aus Sicht des Gewässerschutzes
rechtfertigt sich der Verzicht auf die Freihaltung des Gewässerraums aber nur
in Gebieten, die bereits so dicht überbaut sind, dass der Gewässerraum seine
natürliche Funktion auch auf lange Sicht nicht erfüllen kann. Dies ist
vorliegend, wie aufgezeigt, nicht der Fall. Es wird vielmehr Aufgabe der (im
Kanton Schwyz zuständigen) Gemeinde Altendorf sein, den Gewässerraum am
Zürichsee und dessen Ausgestaltung definitiv festzulegen. Bis dahin können
keine Überbauungen bewilligt werden, die den Handlungsspielraum der Gemeinde
beschränken und allfällige Revitalisierungsplanungen negativ präjudizieren
würden.

3. 
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Ausnahmebewilligung auch
überwiegende Interessen des Ortsbildschutzes entgegenstehen würden oder
jedenfalls eine Begutachtung durch die Eidgenössische Natur- und
Heimatschutzkommission (ENHK) bzw. die Eidgenössische Kommission für
Denkmalpflege (EKD) erforderlich wäre (Art. 7 NHG).

3.1. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung im Gewässerraum nach Art. 41c Abs.
1 GSchV als bundesrechtlich geregelte Spezial- bzw. Ausnahmebewilligung mit
engem Bezug zum Natur- und Heimatschutz stellt eine Bundesaufgabe i.S.v. Art.
78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG dar (vgl. zu anderen gewässerrechtlichen
Spezialbewilligungen Urteile 1C_482/2012 vom 14. Mai 2014 E. 3.4 und 3.5, in:
URP 2014 S. 637; RDAF 2015 I S. 370; 1C_821/2013 vom 30. März 2015 E. 3.2 in:
URP 2015 S. 301). Damit ist das ISOS bei der nach Art. 41c Abs. 1 GSchV
erforderlichen Interessenabwägung unmittelbar anwendbar.

3.2. Durch die Aufnahme eines Objektes von nationaler Bedeutung in ein Inventar
des Bundes wird dargetan, dass es in besonderem Masse die ungeschmälerte
Erhaltung, jedenfalls unter Einbezug von Wiederherstellungs- oder angemessenen
Ersatzmassnahmen die grösstmögliche Schonung verdient (Art. 6 Abs. 1 NHG). Ein
Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung im Sinne der Inventare darf bei
Erfüllung einer Bundesaufgabe nur in Erwägung gezogen werden, wenn ihr
bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler
Bedeutung entgegenstehen (Art. 6 Abs. 2 NHG). Kann ein Inventarobjekt erheblich
beeinträchtigt werden oder stellen sich in diesem Zusammenhang grundsätzliche
Fragen, so hat die Entscheidbehörde ein Gutachten der eidgenössischen
Kommission nach Art. 7 Abs. 2 NHG einzuholen; diese gibt im Gutachten an, ob
das Objekt ungeschmälert zu erhalten oder wie es zu schonen ist.

3.3. Das Neubauprojekt setzt den Abbruch des im Gebiet G1 mit Erhaltungsziel A
(Substanzerhalt) gelegenen Altbaus voraus und widerspricht damit klar den
Schutzzielen des ISOS. Zudem ragt es weiter in die gemäss ISOS freizuhaltende
Umgebungszone (Erhaltungsziel a) hinein als der bisherige Anbau und
widerspricht daher auch dem Ziel, die Kultur- und Freiflächen um den Weiler
herum zu erhalten. Das BAK qualifiziert das Projekt als massive
Beeinträchtigung des Ortsbildes als Ganzes, das wesentliche Eigenschaften des
Ortsbildes von Seestatt und damit dessen nationale Bedeutung gefährde.
Die kantonalen Behörden machen dagegen geltend, der Weiler Seestatt habe sich
seit seiner Aufnahme ins ISOS 1975 (bzw. der 2. Fassung 1986) verändert;
insbesondere seien im Bereich westlich des Tüchelwegs bereits mehrere
historische Bauten abgerissen und z.T. durch moderne Bauten ersetzt worden. Die
kantonale Denkmalpflege wirft deshalb in ihrer Stellungnahme vom 25. Mai 2016
die Frage auf, ob das ISOS und seine Erhaltungsziele für den Weiler Seestatt
revidiert werden müssten. Während das Verwaltungsgericht ein überwiegendes
öffentliches Interesse an der Erhaltung des streitigen Altbaus verneinte und
davon ausging, das Neubauprojekt ordne sich genügend in das Ortsbild ein,
vertritt das BAK als Fachstelle des Bundes die Auffassung, dass die bereits
eingetretenen Beeinträchtigungen die Schutzwürdigkeit des Ortsbilds nicht in
Frage stellen, sondern im Gegenteil dazu führen, dass keine weiteren
Beeinträchtigungen in Kauf genommen werden dürften.
Bei den aufgeworfenen Fragen handelt es sich um Grundsatzfragen im Zusammenhang
mit dem ISOS-Schutzobjekt. Diese können gemäss Art. 7 Abs. 2 NHG von der
Entscheidbehörde nicht allein entschieden werden, sondern setzen ein Gutachten
der EDK bzw. ENHK voraus. Da jedoch ohnehin - mangels Vorliegens eines dicht
überbauten Gebiets - keine Ausnahmebewilligung erteilt werden kann, erübrigt
sich eine Rückweisung zur Einholung eines solchen Gutachtens. Aus demselben
Grund kann auch auf den beantragten Augenschein verzichtet werden.

4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid
aufzuheben und der Bauabschlag zu erteilen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die privaten Beschwerdegegner kosten-
und entschädigungspflichtig (Art. 66 und 68 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz vom 26. August 2015 aufgehoben und das Baugesuch vom 13. Mai
2014 abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den privaten Beschwerdegegnern
auferlegt.

3. 
Die privaten Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen des
vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Altendorf, dem Amt für
Raumentwicklung des Kantons Schwyz, dem Amt für Umweltschutz des Kantons
Schwyz, dem Regierungsrat des Kantons Schwyz, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz, Kammer III, dem Bundesamt für Umwelt und dem Bundesamt für
Kultur schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. November 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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