Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.532/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_532/2015

Urteil vom 26. Januar 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
Gemeinde Trimmis, Galbutz 2, 7203 Trimmis,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Duri Pally,

gegen

1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
Beschwerdegegner,
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt
Markus Janett,

Miteigentümergemeinschaft, bestehend aus: A.E.________, B.E.________ und
C.E.________, c/o A.E.________, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Gieri Caviezel,

Gegenstand
Neubau private Erschliessungsstrasse,

Beschwerde gegen das Urteil vom 12. Mai 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden,
5. Kammer.

Sachverhalt:

A. 
A.E.________, B.E.________ und C.E.________ sind Miteigentümer der Parzelle Nr.
664 in Trimmis. Um die Parzelle erschliessen zu können, schlossen sie am 11.
April 2005 mit der Eigentümerin der benachbarten Parzellen Nrn. 660 und 663,
F.________, einen Dienstbarkeitsvertrag über ein Fuss- und Fahrwegrecht ab. Am
13. Juni 2013 reichten sie ein Gesuch für den Bau einer auf den Parzellen Nrn.
660 und 663 liegenden und an die Parzelle Nr. 664 heranführenden
Erschliessungsstrasse ein. Diese soll den Amselweg verlängern, welcher derzeit
nur bis an die Parzelle Nr. 660 reicht. Die drei Miteigentümer wurden in der
Folge von der Gemeinde darauf aufmerksam gemacht, dass der Radius der
Einmündung der Erschliessungsstrasse prima vista unzureichend sei. Darauf
legten sie am 16. Juli 2014 ein neues, abgeändertes Baugesuch vor und die
Baukommission der Gemeinde schrieb das alte Verfahren als gegenstandslos
geworden ab.

Gegen das neue Baugesuch erhoben A.________, B.________, C.________ und
D.________ Einsprache. Die Einsprecher sind Eigentümer bzw. Miteigentümer der
Parzellen Nrn. 661, 655 und 656, die den Amselweg säumen. Die Baukommission
wies ihre Einsprache am 30. September 2014 ab und erteilte die Baubewilligung.
Darauf reichten sie Beschwerde beim Gemeindevorstand Trimmis ein. Mit Verfügung
vom 10. November 2014 wies dieser das Rechtsmittel ebenfalls ab.

Dagegen erhoben A.________, B.________, C.________ und D.________ Beschwerde
ans Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. In seinem Urteil vom 12. Mai
2015 erwog das Verwaltungsgericht, die Erschliessung der Parzellen Nrn. 663 und
664 hätte gemäss Art. 45 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes vom 6. Dezember 2004
für den Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) zwingend im Generellen
Erschliessungsplan eingetragen werden müssen. Es hiess die Beschwerde teilweise
gut und hob die Verfügung des Gemeindevorstands auf. Zudem wies es die Sache
zur Neubeurteilung des Baugesuchs nach Vorliegen des im Gebiet zwischen
Amselweg und Ober Gässli rechtskräftig geänderten Generellen
Erschliessungsplans an die Gemeinde Trimmis zurück.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom
12. Oktober 2015 beantragt die Gemeinde Trimmis, das Urteil des
Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Angelegenheit zur Beurteilung der
noch nicht behandelten Beschwerdepunkte (angeblich ungenügende Kapazität des
Amselwegs) ans Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Eventualiter sei das
Urteilsdispositiv insofern abzuändern, als eine Neubeurteilung nicht zwingend
nach einem rechtskräftig geänderten Generellen Erschliessungsplan, sondern
"nach Vorliegen einer Planung (nach Ermessen der Gemeinde auf Stufe Genereller
Erschliessungsplan, Arealplan oder Quartierplan) " zu erfolgen habe.

A.E.________, B.E.________ und C.E.________ beantragen die Gutheissung der
Beschwerde, das Verwaltungsgericht deren Abweisung, soweit darauf einzutreten
sei. A.________, B.________, C.________ und D.________ beantragen primär, auf
die Beschwerde sei nicht einzutreten, und eventualiter, sie sei abzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid des
Verwaltungsgerichts in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a,
86 Abs. 1 lit. d BGG).

1.2. Das Verwaltungsgericht wies die Sache an die Gemeinde zurück, damit diese
den Generellen Erschliessungsplan revidiere und danach erneut über das
Baugesuch befinde. Sein Entscheid ist als Zwischenentscheid im Sinne von Art.
93 BGG zu qualifizieren. Dagegen ist die Beschwerde unter anderem zulässig,
wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit.
a). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Einer Gemeinde ist nicht zuzumuten, gegen
ihre eigene Nutzungsplanrevision Beschwerde zu führen. Bereits in der Weisung,
mit welcher die Gemeinde ihrer Ansicht nach rechtswidrig zu einem bestimmten
Handeln verpflichtet wird, liegt deshalb ein nicht wieder gutzumachender
Nachteil (BGE 128 I 3 E. 1b S. 7; Urteil 1C_499/2014 vom 25. März 2015 E. 2.1;
je mit Hinweisen).

1.3. Die Gemeinde Trimmis ist als Baubewilligungs- und Planungsbehörde, d.h.
als Trägerin hoheitlicher Gewalt, vom angefochtenen Entscheid berührt. Sie ist
befugt, mit Beschwerde eine Verletzung ihrer Autonomie geltend zu machen (Art.
89 Abs. 2 lit. c BGG).

1.4. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Bündner Gemeinden seien in weiten
Bereichen der Raumplanung und des Bauwesens autonom. Dies gelte namentlich auch
für die vom Verwaltungsgericht angeordnete Revision des Generellen
Erschliessungsplans, zumal dieser Teil der von der Gemeinde gemäss Art. 22 KRG
zu erlassenden Grundordnung bilde.

2.2. Art. 50 Abs. 1 BV gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des
kantonalen Rechts. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Gemeinden
in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht
abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung
überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt.
Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder
Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden
Spielraum bei der Anwendung kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen.
Massgebend ist insofern, ob Autonomie im Rahmen der aufgeworfenen Streitfrage
besteht (Urteil 1P.9/1997 vom 21. Mai 1997 E. 2a, in: ZBl 99/1998 S. 170 mit
Hinweisen). Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Gemeinde im ganzen
Sachbereich bzw. Aufgabengebiet (bspw. im gesamten Bau- oder im gesamten
Schulwesen) über Gestaltungsfreiheit verfügt. Im Einzelnen ergibt sich der
Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich
anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (zum Ganzen: BGE 141 I 36
E. 5.3 S. 42 f. mit Hinweisen).

2.3. Nach Art. 65 KV/GR (SR 131.226) ist die Autonomie der Gemeinden
gewährleistet. Ihr Umfang wird durch das kantonale Recht bestimmt (Abs. 1). Die
Gemeinden sind insbesondere befugt, ihre Organisation zu bestimmen, ihre
Behörden und Verwaltung einzusetzen sowie ihre finanziellen Angelegenheiten
selbstständig zu ordnen (Abs. 2). Die Norm verweist somit wie Art. 50 Abs. 1 BV
im Wesentlichen auf die im sonstigen kantonalen Recht enthaltenen Bestimmungen
(BGE 141 I 36 E. 5.5.1 S. 44 mit Hinweisen).

2.4. Die Bündner Gemeinden sind in weiten Bereichen der Raumplanung und des
Bauwesens autonom (vgl. für den Bereich der Raumplanung insbesondere Art. 3
Abs. 1 KRG, wonach die Ortsplanung Aufgabe der Gemeinden ist; vgl. auch BGE 118
Ia 446 E. 3c S. 454 mit Hinweisen). Dies gilt grundsätzlich auch für die
Erschliessung, welche nach Art. 22 Abs. 1 und 2 KRG den Gemeinden obliegt.
Vorbehalten bleibt indessen nach Art. 22 Abs. 3 KRG das übergeordnete Recht.
Das Verwaltungsgericht ging in dieser Hinsicht davon aus, dass Art. 45 Abs. 1
KRG den Spielraum der Gemeinden beschränkt. Diese Bestimmung hat folgenden
Wortlaut:

"Der Generelle Erschliessungsplan legt in den Grundzügen die Verkehrs-,
Versorgungs- und Entsorgungsanlagen zur Erschliessung der Bauzonen und anderer
Nutzungszonen fest. Er enthält mindestens die Anlagen der Grund- und
Groberschliessung und, wo keine Folgeplanung festgelegt ist, auch Anlagen der
Feinerschliessung, die mehreren Grundstücken dienen."

2.5. Vorliegend geht es um eine Anlage der Feinerschliessung. Zudem ist keine
Folgeplanung (d.h. eine Arealplanung oder eine Quartierplanung, vgl. Art. 26
Abs. 4 KRG) festgelegt. Die Erschliessung ist deshalb laut dem angefochtenen
Entscheid in den Generellen Erschliessungsplan aufzunehmen. Fraglich ist, ob
der Gemeinde in diesem Punkt Autonomie zukommt. Dies ist aus den folgenden
Gründen zu verneinen.

2.6. Ein geschützter Autonomiebereich bzw. ein "gemeindefreiheitsbezogener
Gestaltungsspielraum" bei der Anwendung des kantonalen Rechts setzt neben einer
relativ erheblichen Entscheidungsfreiheit (vgl. E. 2.2 hiervor) voraus, dass
der Spielraum auf die Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse und
Bedürfnisse in den Gemeinden ausgerichtet ist. Dass es sich um einen
Ermessensentscheid handelt oder ein unbestimmter Rechtsbegriff vorliegt, genügt
demnach nicht (Urteil 8C_122/2009 vom 24. Februar 2010 E. 2.2.4 mit Hinweis).

Gegen die Annahme eines Autonomiebereichs spricht insbesondere, wenn der
Gestaltungsspielraum der einzelfallgerechten Sachentscheidung dient oder wenn
die kantonale Regelung bezweckt, in allen Gemeinden des Kantons den gleichen
Massstab zur Anwendung zu bringen, d.h. eine Vereinheitlichung herbeizuführen
(Urteile 2P.43/2003 vom 16. Mai 2003 E. 2.3, in: ZBl 105/2004 S. 157; 2P.355/
1998 vom 17. Dezember 1998 E. 2b, in: ZBl 101/2000 S. 467; je mit Hinweisen).
Gleiches gilt, wenn ein Interessenkonflikt zwischen einander gleichgestellten
Rechtssubjekten zu lösen ist, wie dies beim interkommunalen Finanzausgleich
oder bei der Abgrenzung der Steuerhoheit zwischen zwei Gemeinden zutrifft (BGE
119 Ia 214 E. 3b S. 219; 110 Ia 50 E. 4 S. 50 f.; je mit Hinweisen).

2.7. Umstritten ist im zu beurteilenden Fall nicht, wie die beschwerdeführende
Gemeinde die Erschliessung der fraglichen Parzellen zu gewährleisten hat, ob
die Erschliessung beispielsweise von Norden oder von Süden her erfolgen soll.
Das Verwaltungsgericht hat den Entscheid in dieser Hinsicht der Gemeinde
überlassen, indem es die Sache an sie zurückwies. Damit hat es auch einen
entsprechenden Gestaltungsspielraum der Gemeinde anerkannt und respektiert.

Streitpunkt ist vielmehr, ob die strassenmässige Erschliessung in den
Generellen Erschliessungsplan aufzunehmen ist. In dieser Hinsicht ist
festzustellen, dass Art. 45 Abs. 1 Satz 2 KRG für den Generellen
Erschliessungsplan einen Mindestinhalt definiert ("Er enthält mindestens...").
Die Bestimmung bezweckt somit, wie dies das Verwaltungsgericht im Übrigen
ausdrücklich festhielt, einen für alle Gemeinden des Kantons geltenden,
obligatorischen Inhalt des Generellen Erschliessungsplans zu bestimmen. Mit
anderen Worten ist Sinn der Regelung, in einem bestimmten Umfang eine
Einheitlichkeit im ganzen Kanton zu gewährleisten bzw. sämtlichen Gemeinden
einen minimalen Inhalt vorzuschreiben. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage,
ab welcher Mindestanzahl von Grundstücken von einer "mehreren" Grundstücken
dienenden Feinerschliessung auszugehen ist. Die Regelung zielt somit gerade
nicht darauf ab, einen Bereich der kommunalen Selbstbestimmung zu garantieren,
sondern, die ansonsten im Bereich der Planung bestehende Gemeindeautonomie zu
begrenzen. Insofern kommt ein Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden nicht in
Betracht.

2.8. Besteht nach dem Ausgeführten im Rahmen der Streitfrage keine Autonomie,
ist die Beschwerde der Gemeinde abzuweisen, ohne dass auf die von ihr in dieser
Hinsicht vorgetragene Kritik einzugehen wäre.

3. 
Die Beschwerde ist aus den genannten Gründen abzuweisen.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66
Abs. 4 BGG). Die Gemeinde Trimmis hat den anwaltlich vertretenen
Beschwerdegegnern eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68
Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Die Gemeinde Trimmis hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, A.E.________, B.E.________ und C.E.________
sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, den 26. Januar 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold

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