Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.531/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_531/2015

Urteil vom 2. Februar 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Ursula Brunner,

gegen

B.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Lichtensteiger,

Politische Gemeinde Horn,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Munz,
Amt für Umwelt des Kantons Thurgau,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau.

Gegenstand
Baubewilligung Rückbau und Sanierung / aufschiebende Wirkung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 16. September 2015 des Verwaltungsgerichts
des Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A. 
Die ehemalige C.________ & Co. AG führte in Horn während rund 100 Jahren einen
Textilveredelungsbetrieb auf den Liegenschaften Nrn. 2, 3, 12 und 576. Nach der
Betriebsstilllegung im Jahre 1989 zeigten Untersuchungen, dass das Werksareal
mit Abfällen und Altlasten (insbesondere chlorierte Kohlenwasserstoffe [CKW])
belastet war. Eigentümer der Liegenschaften sind heute die A.________ AG
(Parzelle Nr. 2), die B.________ AG (Liegenschaften Nrn. 3 und 12) und die
Politische Gemeinde Horn (Liegenschaft Nr. 576).

B. 
Am 11. Februar 2011 ordnete das Thurgauer Amt für Umwelt (AfU) die Eintragung
von zwei Teilstandorten in den Kataster der belasteten Standorte an: Nr. 4421 S
08a für die Parzellen Nrn. 3 und 12 und Nr. 4421 S 08b für Parzelle Nr. 2. Es
ging aufgrund der Standortuntersuchungen von drei räumlich und hinsichtlich der
Belastungsursache klar abgrenzbarer Hauptschadstoffherden (sog. Hotspots) aus:
Turmix auf Parzelle Nr. 2 und Appretur/Weiherhaus sowie Färberei auf Parzelle
Nr. 3.
Die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ AG hiess das Verwaltungsgericht
des Kantons Thurgau am 13. Februar 2013 gut; das Bundesgericht trat auf die
dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil 1C_381/2013 vom 14. April 2014 nicht
ein. In der Folge wurden die Parzellen 2, 3 und 12 wieder als ein belasteter
Standort Nr. 4421 S O8 im kantonalen Kataster eingetragen.

C. 
Bereits am 6./14. Februar 2012 hatte die B.________ AG ein Gesuch um Rückbau
und Altlastensanierung für die Liegenschaften Nrn. 3 und 12 eingereicht.
Dagegen erhob die A.________ AG Einsprache, insbesondere weil sie im
Grenzbereich der Parzellen Nrn. 2 und 3 (vor allem im Bereich des Dolenbachs)
weitere CKW-Belastungen (sekundäre Hotspots) vermutete, die für beide Parzellen
gesamthaft untersucht und saniert werden müssten. Die Gemeinde wies die
Einsprache am 21. September 2012 ab und erteilte gleichentags die
Baubewilligung; zugleich eröffnete sie den Entscheid des Amts für Umwelt (AfU)
vom 6. September 2012.
Den dagegen erhobenen Rekurs hiess das DBU am 6. Juli 2015 teilweise gut. Es
verlangte als Auflage vor Sanierungs- und Baubeginn verschiedene Sondierungen
im Grenzbereich der Parzellen Nrn. 2 und 3; diese müssten klar zeigen, dass
keine sekundären CKW-Quellen bzw. Hotspots existierten. Im Übrigen wies es den
Rekurs ab. Es entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung,
weil die Sanierung der Parzelle Nr. 3 dringlich sei und eine akute Gefährdung
des Bodensees als Trinkwasserspeicher bestehe.

D. 
Dagegen erhob die A.________ AG am 27. Juli 2015 Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Sie beantragte, die Baubewilligung sei
aufzuheben und es sei festzustellen und zu verfügen, dass das
altlastenrechtliche Verfahren für den ganzen belasteten Standort KbS-Nr. 4421 S
08 in der Gemeinde Horn gesamthaft durchzuführen sei. Zudem stellte sie
zahlreiche Eventualanträge, insbesondere zur Sicherung von Gebäuden im
Grenzbereich, zu weiteren Beprobungen und Analysen im Grenzbereich der
Parzellen Nrn. 2 und 3 und zur Gewährleistung ihrer Parteistellung im
altlastenrechtlichen Verfahren. Überdies beantragte sie, der Beschwerde sei die
aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Am 31. Juli 2015 stellte der Präsident des Verwaltungsgerichts die
aufschiebende Wirkung superprovisorisch wieder her.

E. 
Am 3. August 2015 brach auf dem Areal der Liegenschaft Nr. 3 ein Grossbrand
aus. Dieser zerstörte weite Teile der Gebäude auf Liegenschaft Nr. 3 und
beschädigte auch ein angebautes Gebäude auf Parzelle Nr. 2.
Am 14. August 2015 beantragte die B.________ AG, der Beschwerde sei
unverzüglich die aufschiebende Wirkung zu entziehen, eventualiter zumindest für
den Rückbau schwer kontaminierter Stoffe und einsturzgefährdeter Gebäude. Auch
das DBU und das Amt für Umwelt (AfU) stellten am 20. und 21. August 2015
entsprechende Anträge.
Die A.________ AG schloss am 24. August 2015 auf Abweisung dieser Anträge;
eventualiter sei dem Eventualantrag mit Nebenbestimmungen stattzugeben. Am
Augenschein des Verwaltungsgerichts vom 31. August 2015 nahm sie den
Hauptantrag (auf Abweisung) zurück und hielt nur noch am Eventualantrag fest.

F. 
Am 4. September 2015 erliess der Gemeinderat Horn eine Verfügung, mit der die
B.________ AG baupolizeilich angewiesen wurde, unverzüglich die Beseitigung des
Brandschutts auf Grundstück Nr. 3 in Absprache mit dem AfU zu planen und bei
Vorliegen der notwendigen Zustimmungen des AfU umzusetzen. Einem allfälligen
Rekurs wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.
Die A.________ AG erhob gegen diese Verfügung Rekurs, weil notwendige
arbeitsgesetzliche und umweltrechtliche Schutz-Anordnungen fehlten, ohne aber
die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu verlangen.

G. 
Mit Entscheid vom 16. September 2015 bestätigte das Verwaltungsgericht Ziff. 5
des Rekursentscheids (Entzug der aufschiebenden Wirkung) und hob die
superprovisorische Verfügung vom 31. Juli 2015 auf.

H. 
Dagegen hat die A.________ AG am 13. Oktober 2015 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben. Sie
beantragt, der angefochtene Entscheid sowie Ziff. 5 des Dispositivs des
Entscheids des DBU vom 6. Juli 2015 seien aufzuheben und der Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau vom 27. Juli 2015 sei die aufschiebende
Wirkung zuzuerkennen.
Am 19. Oktober 2015 reichte die Beschwerdeführerin eine Beschwerdeergänzung
ein.

I. 
Das DBU, das AfU und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde. Die Gemeinde Horn beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei. Die B.________ AG (Beschwerdegegnerin) beantragt, auf
die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen.

J. 
Am 13. November 2015 reichte die Beschwerdeführerin eine "Noveneingabe" ein.
Danach sei - im Einvenehmen mit der Beschwerdegegnerin - nunmehr eine Offerte
der Firma Sieber Cassina + Partner AG für koordinierte Untersuchungen im
Grenzbereich der Parzellen Nrn. 2 und 3 eingeholt. Deren Offerte habe dazu
geführt, dass sich das AfU zwischenzeitlich mit den Eventualanträgen Ziff. 2
lit. a und b der Beschwerdeführerin einverstanden erklärt habe.
In ihrer Replik vom 30. November 2015 hält die Beschwerdeführerin an ihren
Anträgen und Begründungen fest. Sie teilt mit, dass am 1. Dezember 2015 die
Untersuchungen im Grenzbereich in Angriff genommen würden.
Am 25. Januar 2016 reichte die Beschwerdeführerin eine weitere "Noveneingabe"
zum zwischenzeitlich vorliegenden Beurteilungsbericht der Firma Sieber Cassina
+ Partner AG ein.

Erwägungen:

1. 
Der angefochtene, kantonal letztinstanzliche Entscheid über den Entzug der
aufschiebenden Wirkung ist ein Zwischenentscheid.

1.1. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans
Bundesgericht nur offen, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken könnte. Irreparabel ist ein Nachteil, wenn er selbst durch einen für
die Beschwerdeführerin günstigen Endentscheid in der Hauptsache nicht
vollständig beseitigt werden könnte (BGE 137 III 522 E. 1.3 S. 525 mit
Hinweisen).
Vorliegend geht es der Beschwerdeführerin darum zu verhindern, dass infolge des
Entzugs der aufschiebenden Wirkung bereits mit altlastenrechtlichen
Sanierungsarbeiten auf den Parzellen Nrn. 3 und 12 begonnen wird und damit
Tatsachen geschaffen werden, die der von ihr angestrebten ganzheitlichen
Sanierung des belasteten Standorts Areal C.________ zuwiderlaufen würden.
Dadurch könnte das von ihr im Hauptverfahren verfolgte Ziel einer
gesamtheitlichen Sanierung der Parzellen 2, 3 und 12 (ganz oder teilweise)
vereitelt werden. Diese Befürchtung ist nachvollziehbar und belegt, dass der
Entzug der aufschiebenden Wirkung einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil
begründen könnte. Die Prüfung, ob dies tatsächlich der Fall ist, deckt sich mit
der Beurteilung der materiellen Streitfrage, ob die aufschiebende Wirkung
entzogen werden durfte. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, insoweit
auf die Beschwerde einzutreten.

1.2. Die Gemeinde macht geltend, die Beschwerdeführerin sei nicht formell
beschwert, weil sie am Augenschein auf ihren Antrag auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung verzichtet und nur noch Sicherungsmassnahmen zugunsten
des angebauten Hauses verlangt habe.
Am Augenschein vom 31. August 2015 zog die Beschwerdeführerin ihren
Verfahrensantrag auf Abweisung des Gesuchs um Aufhebung der aufschiebenden
Wirkung zurück und erhob ihren Eventualantrag zum Hauptantrag. Dieser lautete:

"Eventualiter sei dem Eventualantrag der Verfahrensbeteiligten unter folgenden
Bedingungen stattzugeben:
a. Die Baubewilligung betr. Rückbau und Altlastensanierung sei [...] beschränkt
auf den Rückbau oberhalb der Bodenplatte, ergänzt mit folgenden
Nebenbestimmungen, zu erteilen:
[...]".

Dies bezog sich auf den Eventualantrag der Beschwerdegegnerin vom 14. August
2015:

"eventualiter sei die aufschiebende Wirkung für den Rückbau schwer
kontaminierter Stoffe und einsturzgefährdeter Gebäude zu entziehen".

Es ist einzuräumen, dass dieser Antrag auslegungsbedürftig erscheint und nicht
von vornherein klar ist, ob sich der "Rückbau... kontaminierter Stoffe" nur auf
den Brandschutt bezieht.
Dagegen geht aus dem Eventualantrag der Beschwerdeführerin klar hervor, dass
diese nur Massnahmen oberhalb der Bodenplatte zugestimmt hat (Entsorgung
Brandschutt; Rückbau einsturzgefährdeter Gebäude), nicht aber eigentlichen
Sanierungsarbeiten (Tiefbau). Soweit der angefochtene Entscheid den Entzug der
aufschiebenden Wirkung gemäss Ziff. 5 des Rekursentscheids auch für die
altlastenrechtliche Sanierung bestätigt, ist die Beschwerdeführerin deshalb
beschwert.

1.3. Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten.

2. 
Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die
Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG).
Zwischenentscheide über die aufschiebende Wirkung fallen unter diese Regelung (
BGE 134 II 192 E. 1.5 S. 196 f.). Dabei trifft die Beschwerdeführerin eine
Rüge- und eine qualifizierte Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Praxisgemäss wird verlangt, dass die Verfassungsverletzung "klar und
detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids" dargelegt und,
soweit möglich, belegt wird (BGE 136 II 489 E. 2.8 S. 494 mit Hinweisen).
Soweit die Beschwerdeführerin bestimmte Feststellungen und Erwägungen des
Verwaltungsgerichts als falsch bzw. rechtswidrig rügt, ohne darzulegen,
inwiefern diese geradezu willkürlich sind oder auf andere Weise
verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführerin verletzen, ist darauf nicht
einzutreten.
Unbeachtlich sind sodann "echte Noven", d.h. Tatsachen, die erst nach dem
angefochtenen Entscheid eingetreten sind (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 133
IV 342 E. 2.1 S. 343 f.; je mit Hinweisen). Auf die diesbezüglichen Vorbringen
in den Noveneingaben und in der Replik ist daher nicht einzugehen.

3. 
Die Beschwerdeführerin wirft dem Verwaltungsgericht zunächst vor, den
Sachverhalt willkürlich festgestellt zu haben, soweit es (in E. 2.4) festhielt,
dass eine direkte Leitung vom Bodensee auf das Gelände der
Verfahrensbeteiligten führe und u.a. damit die Gefahr einer Verschmutzung des
Bodensees durch kontaminiertes Lösch- und Regenwasser begründe.
Die Beschwerdeführerin macht, unter Verweis auf Pläne aus ihrem Archiv,
geltend, dass es sich bei der "Seeleitung" um eine 1949 gebaute, ca. 400 m
lange Saugleitung handle, durch die grosse Mengen Wasser aus dem Bodensee
bezogen worden seien. Diese Leitung führe in einen Schacht am Ufer und könne
mittels eines Schiebers verschlossen werden. Da es sich um ein
Druckwassersystem handle, könne mit grosser Wahrscheinlichkeit weder Lösch-
noch Meteorwasser durch diese Seeleitung retour in den Bodensee abfliessen.
Ob es sich bei den Plänen um zulässige Noven handelt (Art. 99 Abs. 1 BGG), kann
offen bleiben, da sie ohnehin keine Willkür belegen können:
Dass eine direkte Leitung vom Areal in den Bodensee besteht (sog. Seeleitung),
bestreitet auch die Beschwerdeführerin nicht. Zu deren Verlauf, Art und Zustand
finden sich im angefochtenen Entscheid keine Feststellungen; im
Augenscheinsprotokoll wurde lediglich die Aussage des Rechtsvertreters der
Beschwerdegegnerin (S. 7) festgehalten, wonach bekannt sei, dass die Seeleitung
3 - 4 m unter dem Boden verlaufe und deren Pumpe kaputt sei; dagegen sei weder
ihr genauer Verlauf noch ihr Gefälle bekannt. Man wisse nichts über den Zustand
aller unterirdischen Wasserleitungen und ob diese allenfalls zerstört worden
seien. Dieser Aussage widersprachen die Vertreter der Beschwerdeführerin am
Augenschein nicht; auch nachträglich wurden keine Ergänzungen oder Korrekturen
des Protokolls verlangt (Eingabe vom 11. September 2015). Unter diesen
Umständen durfte das Verwaltungsgericht ohne Willkür von der Existenz einer
direkten Leitung in den Bodensee ausgehen, deren Zustand ungewiss sei. Insofern
erscheint es keinesfalls willkürlich, wenn es diese Leitung als eine von
mehreren möglichen Quellen für die Verschmutzung des naheliegenden Bodensees
erwähnte.

4. 
Die Beschwerdeführerin rügt, der vollumfängliche Entzug der aufschiebenden
Wirkung sei willkürlich.

4.1. Sie macht in erster Linie geltend, der Entzug der aufschiebenden Wirkung
sei nicht erforderlich gewesen, weil die dringlichen Arbeiten zur Behebung der
Brandfolgen bereits in der Verfügung der Gemeinde Horn vom 4. September 2015
geregelt worden seien. Zwar habe sie gegen diese Verfügung ebenfalls Rekurs
erhoben, nicht aber die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung verlangt.
Weitergehende Tiefbauarbeiten könnten trotz des Entzugs der aufschiebenden
Wirkung nicht sofort realisiert werden, solange die in den Auflagen des AfU und
des DBU angeordneten Abklärungen und Massnahmen (u.a. Probenahmen im
Grenzbereich der Parzellen Nrn. 2 und 3; Beurteilungsbericht) nicht
abgeschlossen seien. Sollten sekundäre CKW-Quellen oder Hotspots gefunden
werden, müsste das Sanierungskonzept ohnehin überarbeitet und neu genehmigt
werden. Insofern bewirke der Entzug der aufschiebenden Wirkung keinen
Zeitgewinn.
Dagegen sei es für die von ihr verfolgte gesamtheitliche Sanierung des Areals
C.________ wichtig, dass noch nicht mit den eigentlichen Sanierungsmassnahmen
begonnen werde. Ihr entstehe ein nicht wieder gutzumachender Nachteil, wenn die
Sanierung - die faktisch von zwei Standorten ausgehe - ohne die notwendige
Koordination durchgeführt werde, weil es dann immer schwieriger werde, zu der
von ihr für richtig gehaltenen gesamthaften Sanierung zu kommen. Werde den
Schadstoffflüssen im Grenzbereich nicht mit einem gesamthaften Ansatz begegnet,
bestehe das Risiko, dass in späteren Jahren noch ein drittes Mal
altlastenrechtliche Massnahmen ergriffen werden müssten. Dies sei ihr nicht
zuzumuten, habe sie doch bereits in den 1990er Jahren eine erste Sanierung
durchgeführt, die zur Entlassung aus dem Kataster geführt habe, bevor der
Standort aufgrund neuer Erkenntnisse wiederum als sanierungsbedürftig
eingetragen worden sei.

4.2. Das Verwaltungsgericht hielt nicht nur die Beseitigung des Brandschutts
und den Rückbau der einsturzgefährdeten Bauten für dringlich, sondern bejahte
auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Sanierung des
sich darunter befindlichen Erdreichs. Es verwies hierfür auf die beim Brand
erfolgte Freisetzung schädlicher Stoffe (insbes. Asbest), das mögliche
Eindringen von kontaminiertem Löschwasser in den Boden und allenfalls auch in
das Grundwasser, die mögliche Zerstörung von Abwasser- und
Meteorwasserleitungen durch den Brand und die Löscharbeiten (mit schwerem
Gerät) sowie die Möglichkeit, dass durch die grosse Menge an Löschwasser
schädliche Stoffe aus den Hotspots gelöst werden und in Richtung Bodensee
vordringen könnten (E. 2.3.2 des angefochtenen Entscheids). Aufgrund der Nähe
zum Bodensee - zu dem überdies eine direkte Leitung auf das Gelände der
Beschwerdegegnerin führe - sei das öffentliche Interesse an einem umgehenden,
umfassenden Sanierungsbeginn evident (E. 2.4).
Diese Erwägungen sind nicht offensichtlich unhaltbar. Zwar sind vor der
eigentlichen Sanierung noch verschiedene Untersuchungen im Grenzbereich
vorzunehmen. Durch den vollständigen Entzug der aufschiebenden Wirkung wird
aber zumindest sichergestellt, dass sofort nach Räumung des Brandschutts mit
diesen Proben und Analysen begonnen wird, anstatt damit bis zum Ergehen des
Hauptsacheentscheids zuzuwarten. Sollten keine sekundären CKW-Hotspots im
Grenzbereich gefunden werden, könnte auch schon mit Sanierungsmassnahmen auf
der Parzelle Nr. 3 begonnen werden. Insofern ist es jedenfalls nicht
willkürlich, von einem Zeitgewinn für die Sanierung auszugehen.
Die Vorinstanz berücksichtigte (in E. 2.3.1), dass dem Anliegen der
Beschwerdeführerin, vor Beginn der Sanierungsarbeiten weitere Untersuchungen zu
allfälligen sekundären Hotspots und Stoffflüssen im Grenzbereich durchzuführen,
durch die Auflagen von AfU und DBU Rechnung getragen worden sei. Auch wenn
diese Auflagen weniger weit gehen als von der Beschwerdeführerin gewünscht,
erscheint es jedenfalls nicht willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht aufgrund
dieser (und weiterer) Auflagen das öffentliche Interesse an einem schnellen
Sanierungsbeginn als grösser erachtete als die entgegenstehenden Interessen der
Beschwerdeführerin.

5. 
Die Beschwerdeführerin wirft dem Verwaltungsgericht schliesslich eine
Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil es sich mit ihren Eventualbegehren
zu koordinierten Zusatzabklärungen im Grenzbereich (Antrag Ziff. 2 der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde) und zur Anerkennung der Parteistellung im
weiteren Verfahren (Ziff. 1 Eventualantrag b) nicht befasst habe.
Entscheide über die aufschiebende Wirkung oder deren Entzug sind dringlich und
werden in einem summarischen Verfahren erlassen, in dem weder der Sachverhalt
vollständig abgeklärt noch alle Rechtsbegehren (insbesondere Eventualanträge)
behandelt werden. In der Regel darf sich das Gericht mit der Prüfung der
speziell zur aufschiebenden Wirkung gestellten Anträge begnügen und die Prüfung
der übrigen Haupt- und Eventualanträge (z.B. auf zusätzliche Auflagen) dem
Hauptverfahren vorbehalten. Ohnehin erwachsen Zwischenentscheide über
vorsorgliche Massnahmen nicht in Rechtskraft, sondern können noch im Laufe des
Verfahrens abgeändert oder aufgehoben werden (Urteil 2C_598/2012 vom 21.
November 2012 E. 2.3).

5.1. Eventualantrag Ziff. 2 betrifft Beprobungen auf Parzelle Nr. 2, die
gleichzeitig und durch dieselbe Firma vorzunehmen seien wie die Sondierungen
auf Parzelle Nr. 3. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, weshalb über diese
Untersuchungen - die im Antrag zur aufschiebenden Wirkung vom 24. August 2015
nicht ausdrücklich erwähnt wurden - zwingend schon im Zwischenentscheid zur
aufschiebenden Wirkung hätte entschieden werden müssen. Dies ist auch nicht
ersichtlich: Da es sich um Abklärungen auf ihrem eigenen Grundstück handelt,
stand es der Beschwerdeführerin frei, vorläufig - bis zum Entscheid in der
Hauptsache - die für erforderlich gehaltenen Untersuchungen aus eigener
Initiative durchführen zu lassen, durch dieselbe Firma und nach den gleichen
Grundsätzen wie für die Untersuchungen auf Parzelle Nr. 3.

5.2. Gleiches gilt für den Eventualantrag Ziff. 1b, wonach das AfU anzuweisen
sei, die Beschwerdeführerin als Dritte im Sinne von § 8 Abs. 2 des Thurgauer
Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981 (VRG/TG, Syst.
Nr. 171.1) in das altlastenrechtliche Verfahren einzubeziehen, d.h. ihr
Parteistellung zu gewähren. Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit,
Einsicht in die Untersuchungsergebnisse und die Beurteilungsberichte zu
verlangen. Sollte ihr dies unter Berufung auf den Entzug der aufschiebenden
Wirkung verweigert werden (was noch keineswegs feststeht), kann sie beim
Verwaltungsgericht einen weiteren Zwischenentscheid speziell zu dieser Frage
erwirken, d.h. beantragen, ihr - zumindest vorläufig - Parteistellung zu
gewähren. Insofern droht ihr kein nicht wiedergutzumachender Nachteil.

6. 
Die Beschwerde ist damit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig. Die Gemeinde Horn obsiegt in ihrem amtlichen
Wirkungskreis (als Baubewilligungsbehörde) und hat daher keinen Anspruch auf
eine Parteientschädigung (Art. 66 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die private Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Horn, dem Amt für
Umwelt, dem Departement für Bau und Umwelt und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Februar 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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