Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.513/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_513/2015

Urteil vom 18. Februar 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Rudolf,

gegen

Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern,
Abteilung Massnahmen, Arsenalstrasse 45, Postfach 3970, 6002 Luzern.

Gegenstand
Administrativmassnahmen des Strassenverkehrsrechts; Parteientschädigung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 1. September 2015 des Kantonsgerichts
Luzern, 4. Abteilung.

Sachverhalt:

A. 
Aufgrund einer Strafanzeige wegen einer tätlichen Auseinandersetzung
kontrollierte die Kantonspolizei Aargau am 16. Mai 2015 die Insassen eines
Personenwagens, darunter A.________, der sich auf dem Rücksitz des Fahrzeugs
befand. Gemäss Polizeirapport vom folgenden Tag (17. Mai 2015) habe A.________
angegeben, regelmässig Cannabis zu konsumieren. In der Folge wurde ein
Drogenschnelltest durchgeführt, der positiv verlief. Aufgrund dessen eröffnete
das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern (SVA) gegen A.________ ein
Administrativverfahren im Hinblick auf die Anordnung einer
verkehrsmedizinischen Untersuchung zur Abklärung der Fahreignung und gewährte
ihm das rechtliche Gehör.
Mit Eingabe vom 1. Juli 2015 wandte sich der Rechtsvertreter von A.________ an
das SVA. Er machte dabei namentlich geltend, sein Mandant sei nicht selbst
gefahren und habe nie ausgesagt, regelmässig Cannabis zu konsumieren, weshalb
er auch den Polizeirapport vom 16. Mai 2015 (betreffend die tätliche
Auseinandersetzung) nicht unterschrieben habe. Die Voraussetzungen für die
Anordnung einer verkehrsmedizinischen Untersuchung wären nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung selbst dann nicht gegeben, wenn man von
einem regelmässigen Konsum ausgehen würde, da er als Fahrzeuglenker niemals in
Verbindung mit dem Konsum von Betäubungsmitteln gebracht worden sei.

B. 
Am 7. Juli 2015 verfügte das SVA, A.________ habe sich einer
verkehrsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen, und entzog einer allfälligen
Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Am darauf folgenden Tag, dem 8. Juli
2015, gelangte das SVA in den Besitz des Polizeirapports vom 16. Mai 2015. Dort
wird festgehalten, A.________ habe erklärt, einmal wöchentlich Cannabis zu
rauchen. Dieser hatte sich offenbar geweigert, das Einvernahmeprotokoll zu
unterzeichnen, da er diese Aussage nicht getätigt habe; das Protokoll selbst
liegt den Akten des SVA nicht bei.

C. 
Am 24. Juli 2015 erhob A.________ beim Kantonsgericht Luzern
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des SVA. Er beantragte die
Aufhebung dieses Entscheids sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung. Am 7. August 2015 hob das SVA seine Verfügung vom 7. Juli 2015 auf.
Aufgrund dessen schrieb das Kantonsgericht am 1. September 2015 das Verfahren
als erledigt ab. Eine Parteientschädigung zugunsten von A.________ sprach es
nicht, da dem SVA weder ein grober Verfahrensfehler noch eine offenbare
Rechtsverletzung im Sinne von § 201 Abs. 2 des Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 (VRG/LU) vorgeworfen werden könne.

D. 
Am 5. Oktober 2015 erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten gegen diesen Entscheid und beantragt im Wesentlichen, es sei
ihm für das Verfahren vor dem Kantonsgericht eine Parteientschädigung in der
Höhe von Fr. 1'741.50 zuzusprechen.
Das Kantonsgericht und das SVA beantragen beide die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid eines oberen
Gerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen
Ausschlussgrund gemäss Art. 82 lit. a und Art. 83 BGG fällt und daher mit
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2
sowie Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid
beschwert und zu dessen Anfechtung befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die im
Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

1.2. Der Beschwerdeführer macht zum einen die offensichtlich unrichtige
Feststellung des Sachverhalts und die willkürliche Anwendung des kantonalen
Prozessrechts geltend, zum andern die Verletzung seines Gehörsanspruchs sowie
die unrichtige Anwendung der Strassenverkehrs-Gesetzgebung des Bundes. Das
Bundesgericht prüft Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG frei. Die
Anwendung kantonalen Rechts prüft es dagegen nur auf Bundesrechtsverletzungen,
namentlich auf Willkür hin (BGE 138 I 143 E. 2 S. 149 f.). Das Bundesgericht
wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht prüft
es aber nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat, sofern die diesbezüglichen Feststellungen nicht
offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruhen (Art. 105 BGG).

2. 
Vorliegend ist nur noch streitig, ob die Vorinstanz dem Beschwerdeführer mit
der Abschreibung seiner Beschwerde vom Geschäftsverzeichnis eine
Parteientschädigung hätte zusprechen müssen. Gemäss § 201 VRG/LU hat die
obsiegende Partei in Rechtsmittelverfahren, an denen Parteien mit
gegensätzlichen Interessen beteiligt sind, grundsätzlich Anspruch auf eine
Parteientschädigung; in andern Verfahren dagegen nur dann, wenn der Vorinstanz
"grobe Verfahrensfehler oder offenbare Rechtsverletzungen zur Last fallen".
Das Bundesgericht hatte sich bereits mehrfach mit § 201 Abs. 2 VRG/LU zu
befassen. Im Urteil 2P.100/2001 vom 12. Juli 2001 hat es sich eingehend damit
auseinander gesetzt und die dortige Regelung unter Bezugnahme auf die
Lehrmeinung von Martin Bernet (Die Parteientschädigung in der schweizerischen
Verwaltungsrechtspflege, Diss. Zürich 1986, S. 104 ff.) als wenig befriedigend
bezeichnet. Allerdings existiere kein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz,
wonach der in einem Verwaltungsbeschwerdeverfahren obsiegenden, durch einen
Anwalt vertretenen Partei eine Entschädigung zugesprochen werden müsse. Dies
ergebe sich namentlich auch nicht aus dem Gleichheitssatz der Bundesverfassung
(und ebensowenig aus der EMRK); die Kantone könnten im Rahmen der ihnen
zustehenden gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit vielmehr jene
Entschädigungsregelung wählen, die sie für angemessen hielten. Diese Auslegung
hat das Bundesgericht seither mehrfach bestätigt (Urteile 2C_507/2014 vom 14.
Juli 2015 E. 3.1, 1C_750/2013 vom 28. April 2013 E. 5 sowie 2C_507/ 2013 vom
18. September 2013 E. 3.1).
Der Beschwerdeführer stellt diese Rechtsprechung nicht in Frage. Er macht aber
geltend, die in § 201 Abs. 2 VRG/LU formulierten Voraussetzungen für die
Zusprechung einer Parteientschädigung seien vorliegend erfüllt, denn die
Vorinstanz des Kantonsgerichts, das SVA, habe grobe Verfahrensfehler bzw.
offenbare Rechtsverletzungen begangen.

3.

3.1. Die Voraussetzungen für die Abklärung der Fahreignung oder der
Fahrkompetenz sind in Art. 15d des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember
1958 (SVG; SR 741.01) geregelt. Eine solche hat demnach immer dann zu erfolgen,
wenn Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen; dies trifft gemäss Art.
15d Abs. 1 lit. b SVG namentlich zu bei Fahren unter dem Einfluss von
Betäubungsmitteln oder bei Mitführen von Betäubungsmitteln, die die
Fahrfähigkeit stark beeinträchtigen oder ein hohes Abhängigkeitspotenzial
aufweisen.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts (zuletzt im Urteil 1C_862
/2013 vom 2. April 2014 E. 2.3) darf eine verkehrsmedizinische Abklärung nur
angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die ernsthafte
Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen wecken. Nach der Rechtsprechung
erlaubt ein regelmässiger, aber kontrollierter und mässiger Haschischkonsum für
sich allein noch nicht den Schluss auf eine fehlende Fahreignung (BGE 127 II
122 E. 4b; 124 II 559 E. 4d und e; für das neue Recht Urteil 1C_111/2015 vom
21. Mai 2015 E. 4.4). Ob diese gegeben ist, kann ohne Angaben über die
Konsumgewohnheiten des Betroffenen, namentlich über Häufigkeit, Menge und
Umstände des Cannabiskonsums und des allfälligen Konsums weiterer
Betäubungsmittel und/oder von Alkohol, sowie zu seiner Persönlichkeit,
insbesondere hinsichtlich Drogenmissbrauchs im Strassenverkehr, nicht beurteilt
werden (BGE 124 II 559 E. 4e und 5a; Urteil 6A.93/2002 vom 25. Februar 2003 E.
3.2; für das neue Recht Urteil 1C_111/2015 vom 21. Mai 2015 E. 4.4).
Im Urteil 1C_556/2012 vom 23. April 2013 hatte das Bundesgericht den Fall eines
Motorfahrzeugführers zu beurteilen, der seit Jahrzehnten wöchentlich rund 4
Joints konsumierte. Das Gericht befand, selbst ein langjähriger, aber
kontrollierter und mässiger Haschischkonsum lasse für sich allein nicht auf
eine Beeinträchtigung der Fahreignung schliessen, die eine verkehrsmedizinische
Untersuchung rechtfertige. Für die Fahrtüchtigkeit des betreffenden
Motorfahrzeugführers spreche im Gegenteil der Umstand, dass sein
automobilistischer Leumund ungetrübt sei, obwohl er seit Jahrzehnten zum Führen
von Motorfahrzeugen berechtigt sei.

3.3. Vorliegend war der Beschwerdeführer nicht als Motorfahrzeuglenker
polizeilich kontrolliert worden, sondern - aus Gründen, die nicht im Bereich
des Strassenverkehrs liegen - als blosser Beifahrer auf dem Rücksitz. Die
Zweifel des SVA an der Fahreignung des Beschwerdeführers gründeten im Umstand,
dass er gemäss (von ihm bestrittenem) Polizeiprotokoll erklärt habe,
regelmässig Cannabis zu konsumieren und ein Drogenschnelltest positiv
ausgefallen war. Dies allein stellt aber gerade keinen relevanten Hinweis auf
das Fehlen der Fahreignung des Betroffenen dar, da nach der oben dargestellten
Rechtsprechung auch ein regelmässiger Cannabiskonsum für sich alleine nicht auf
eine Beeinträchtigung der Fahreignung schliessen lässt. Weitere diesbezügliche
Hinweise fehlten: Der Beschwerdeführer war, wie erwähnt, nicht als Führer eines
Motorfahrzeugs kontrolliert worden, sondern als Beifahrer, und auch sonst
sprach nichts dafür, dass er Haschischkonsum und Strassenverkehr nicht
ausreichend trennen könnte. Der Beschwerdeführer ist bisher nie als
Motorfahrzeugführer im Zusammenhang mit Haschisch- oder anderem Drogenkonsum
polizeilich aufgefallen. Im Nachgang zur polizeilichen Kontrolle wurde denn
auch kein Urin- oder Bluttest durchgeführt. Aus dem von der Vorinstanz
angeführten Urteil 1C_446/2012 vom 26. April 2013 lässt sich nichts
Gegenteiliges ableiten, durfte doch in jenem Fall die Administrativbehörde
davon ausgehen, dass der dortige Beschwerdeführer sehr oft Cannabis
konsumierte, und dies in hohen Mengen (an Werktagen sechs bis sieben Joints und
an arbeitsfreien Tagen die doppelte Menge). Diese Umstände waren zudem
unbestritten, denn sie gründeten auf Aussagen des Betroffenen selbst, die
dieser im Rahmen einer Strafuntersuchung gemacht hatte; vorliegend trifft weder
das eine noch das andere zu.
Diese Gegebenheiten hätten dem SVA umso mehr bekannt sein müssen, als der
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in seiner Eingabe vom 1. Juli 2015 an das
Amt zu allen diesen Punkten einlässlich Stellung genommen hatte: er hat nicht
nur darauf hingewiesen, dass sein Mandant anlässlich der Kontrolle vom 16. Mai
2015 kein Motorfahrzeug gelenkt hatte, sondern sich auch auf den Standpunkt
gestellt, der Beschwerdeführer konsumiere bloss "ab und an bzw. selten"
Cannabis und sei in diesem Zusammenhang strassenverkehrsrechtlich nie negativ
aufgefallen. Ausserdem hat er die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu diesen
Fragen eingehend und korrekt dargestellt.

3.4. Angesichts dieser Umstände hätte das SVA entweder das Verfahren zur
Anordnung einer verkehrsmedizinischen Untersuchung abschliessen müssen oder
hätte allenfalls noch den Polizeirapport mit der Befragung des
Beschwerdeführers abwarten können, für den Fall, dass sich daraus ein Hinweis
auf fehlende Fahrtüchtigkeit ergeben hätte. Indem das SVA weder das eine noch
das andere getan, sondern in Kenntnis der Einwände des Beschwerdeführers das
Verfahren fortgesetzt und angeordnet hat, dieser habe sich einer
verkehrsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen, hat es den relevanten
Sachverhalt oder die Rechtslage verkannt und in der Folge Art. 15d SVG
fehlerhaft angewandt.

3.5. Hinzu kommt, dass das SVA in seiner Verfügung vom 7. Juli 2015 nicht auf
die Vorbringen eingegangen ist, die der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
in seiner Eingabe vom 1. Juli 2015 erhoben hatte. Es hat offenbar bloss einen
der Einwände zur Kenntnis genommen - dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug
nicht gelenkt habe, sondern bloss als Beifahrer zugegen gewesen sei - und
verzichte deshalb auf den vorsorglichen Entzug des Führerausweises. Auf das
Argument des guten automobilistischen Leumunds und auf die Ausführungen zur
bundesgerichtlichen Praxis ist es dagegen überhaupt nicht eingegangen. Die
Vorinstanz weist zwar zu Recht darauf hin, eine Behörde sei nicht gehalten,
sich zu allen Rechts- oder Tatsachenvorbringen der Parteien zu äussern. Aus dem
Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergibt sich indessen die Verpflichtung, deren
Standpunkt zu hören, ernsthaft zu prüfen und in die Entscheidbegründung
einfliessen zu lassen (BGE 133 III 235 E. 5.2 mit Hinweisen; Urteil 2C_594/2014
vom 15. Januar 2015 E. 5). Der interessierenden Verfügung lässt sich
demgegenüber kein Hinweis darauf entnehmen, dass das SVA die genannten Einwände
überhaupt zur Kenntnis genommen hätte. Es ist mit keinem Wort auf die
sachbezogenen (und inhaltlich zutreffenden) Vorbringen des Beschwerdeführers
eingegangen. Für diesen war nicht zu erkennen, weshalb seine Argumente nach
Auffassung des Amts nicht ausschlaggebend waren. Damit hat es dessen Anspruch
auf rechtliches Gehör verletzt.
Man kann sich fragen, ob bereits diese Vorgehensweise (Anordnung einer
verkehrsmedizinischen Untersuchung trotz klarerweise fehlender Voraussetzungen
und Verletzung des Gehörsanspruchs) für sich alleine als grober
Verfahrensfehler oder offenbare Rechtsverletzung zu qualifizieren ist und schon
dadurch die Voraussetzungen von § 201 Abs. 2 VRG/LU für eine
Parteientschädigung an den Beschwerdeführer erfüllt sind. Allerdings ist dem
SVA noch weiteres Fehlverhalten anzulasten.

4.

4.1. Aus dem Polizeirapport vom 16. Mai 2015 geht hervor, dass der
Beschwerdeführer einmal pro Woche Cannabis konsumiere (was dieser allerdings
bestreitet; das entsprechende Protokoll hat er offenbar nicht unterzeichnet; es
befindet sich nicht bei den Akten des SVA). Dieser Bericht ging dem SVA gemäss
den vorinstanzlichen Feststellungen am 8. Juli 2015 zu, dem Tag nach Erlass
seiner Verfügung, mit welcher das Amt den Beschwerdeführer dazu verpflichtet
hatte, sich einer verkehrsmedizinischen Untersuchung zu unterziehen. Ab diesem
Tag konnten sachverhaltlich keine Zweifel mehr bestehen, dass seine Verfügung
zu revozieren war. Der Beschwerdeführer reichte sein Rechtsmittel erst 16 Tage
später, am 24. Juli 2015, beim Luzerner Kantonsgericht ein. Dieser Schritt
hätte unterbleiben können, wenn das SVA seine Verfügung in den gut zwei Wochen
nach Erhalt des klärenden Polizeirapports zurückgenommen hätte. Die
Wiedererwägung erfolgte stattdessen erst am 7. August 2015. Gewiss kann man von
einer grossen, arbeitsteiligen, im Bereich der Massenverwaltung tätigen Behörde
nicht erwarten, dass sie in solchen Fällen ohne jeden Verzug auf ihre Anordnung
zurückkommt. Allerdings ist es auch während der Sommerferien nicht hinzunehmen,
dass das Amt vom Zeitpunkt, ab welchem die Fehlerhaftigkeit seines Entscheids
klar erkennbar war, wochenlang zuwartet, den Verfügungsadressaten dadurch zum
Einreichen eines Rechtsmittels zwingt und seine Verfügung erst dann - einen
Monat später - revoziert, nachdem es vom Verwaltungsgericht zur Vernehmlassung
aufgefordert worden ist. Auch hierin liegt ein prozessuales Fehlverhalten des
Amtes.

4.2. Das SVA machte in seiner Vernehmlassung geltend, es habe den Anwalt des
Beschwerdeführers (und auch das Verwaltungsgericht) bereits am 14. Juli 2015
telefonisch darüber informiert, es werde seine Verfügung zurücknehmen; um
dieses Vorbringen zu belegen, verwies das Amt auf eine Telefonnotiz vom 14.
Juli 2015. Dieser Umstand wird vom Anwalt des Beschwerdeführers vehement in
Abrede gestellt und lässt sich mit dem zeitlichen Ablauf der Geschehnisse kaum
in Übereinstimmung bringen. In einer weiteren Eingabe vom 15. Februar 2015
gesteht das SVA denn auch einen Fehler hinsichtlich der Datierung dieses
Telefongesprächs ein und führt aus, dieses habe erst anfangs August 2015
stattgefunden. Die Mitteilung des SVA, es werde seine Verfügung widerrufen, ist
damit rund vier Wochen nach Erhalt des entscheidenden Polizeirapports und nach
Ablauf der Frist zur Einreichung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erfolgt und
vermag an den obigen Ausführungen folglich nichts zu ändern.

5. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass das SVA ohne hinreichende Hinweise auf eine
fehlende Fahreignung des Beschwerdeführers eine Fahreignungsuntersuchung
angeordnet, dessen Anspruch auf rechtliche Gehör verletzt und durch verspäteten
Widerruf dieser Verfügung das Beschwerdeverfahren vor dem Kantonsgericht
verursacht hat. Es ist damit unhaltbar zu behaupten, dem SVA sei weder ein
grober Verfahrensfehler noch eine offenbare Rechtsverletzung im Sinne von § 201
Abs. 2 VRG/LU vorzuwerfen. Indem das Kantonsgericht das Vorliegen der genannten
Tatbestandsvoraussetzungen für die Zusprechung einer Parteientschädigung
verneint hat, ist es in Willkür verfallen.
Damit ist die Beschwerde gutzuheissen. Der Abschreibungsentscheid des
Kantonsgerichts Luzern vom 1. September 2015 ist insoweit aufzuheben, als dem
Beschwerdeführer eine Parteientschädigung verweigert worden ist. Die von diesem
beantragte Entschädigung in der Höhe von Fr. 1'741.50 erscheint angemessen,
weshalb es sich erübrigt, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 107
Abs. 2 BGG).

6. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Kosten zu auferlegen (vgl. Art.
66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (vgl. Art. 68 Abs. 2
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Ziff. 3 des Dispositivs des
Abschreibungsentscheids des Kantonsgerichts Luzern vom 1. September 2015 wird
aufgehoben. Der Kanton Luzern leistet dem Beschwerdeführer für das Verfahren
vor dem Kantonsgericht eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 1'741.50.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons
Luzern und dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Februar 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi

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