Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.470/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_470/2015

Urteil vom 21. Dezember 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Amrein,

gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern,
Schermenweg 5, Postfach, 3001 Bern.

Gegenstand
Sicherungsentzug des Führerausweises für Motorfahrzeuge,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 20. Mai 2015 der Rekurskommission des
Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern.

Sachverhalt:

A. 
Am 13. Januar 2015 geriet A.________ am Steuer eines Personenwagens in Bern in
eine Polizeikontrolle; er stand unter Drogeneinfluss (Cannabis) und hatte
keinen Führerausweis.
Am 18. Februar 2015 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des
Kantons Bern A.________ den Führerausweis für immer. Einer allfälligen
Beschwerde entzog es die aufschiebende Wirkung.
Am 20. Mai 2015 wies die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen
gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern verschiedene Beweisanträge
sowie die Beschwerde von A.________ gegen diese Entzugsverfügung ab.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
diesen Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und festzustellen, dass die
Entzugsverfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts vom 18. Februar
2015 zu Unrecht ergangen sei. Die Angelegenheit sei zur Neubeurteilung unter
Zulassung der beantragten Beweismittel an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege im Sinn von Art. 64 BGG.

C. 
In seiner Vernehmlassung beantragt das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt,
die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege sei abzuweisen. Die Rekurskommission beantragt
unter Verweis auf ihren Entscheid, die Beschwerde abzuweisen. Denselben Antrag
stellt das Bundesamt für Strassen (ASTRA).

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine
Administrativmassnahme im Strassenverkehr. Dagegen steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein
Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer rügt die
Verletzung von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 lit. a, Art. 97 Abs. 1
BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die
Beschwerde einzutreten ist.

2.

2.1. Zur Begründung seiner von der Rekurskommission geschützten Verfügung vom
18. Februar 2015 führte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt an, beim
Vorfall vom 13. Januar 2015 handle es sich um eine schwere Widerhandlung gegen
die Verkehrsregeln im Sinn von Art. 16c Abs. 1 lit. c und f SVG. Nach einer
solchen sei der Führerausweis zwingend für immer zu entziehen, wenn in den
vorangegangenen fünf Jahren der Ausweis gestützt auf Art. 16c Abs. 2 lit. d SVG
oder Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG entzogen worden sei. Dies treffe vorliegend zu.
A.________ sei der Ausweis am 30. August 2011 für unbestimmte Zeit mit einer
Sperrfrist von 12 Monaten entzogen worden. Am 13. Juli 2012 sei die Sperrfrist
nach einer schweren Widerhandlung vom 26. März 2012 (Führen eines
Personenwagens trotz entzogenem Führerausweis und unter Einfluss von Drogen)
auf 24 Monate angesetzt worden.

2.2. Diese Darstellung der Rechtslage trifft zu. Beim Vorfall vom 13. Januar
2015 führte der Beschwerdeführer, was er nicht bestreitet, ein Motorfahrzeug
trotz Ausweisentzug. Darin liegt nach Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG eine schwere
Widerhandlung, unabhängig davon, ob er dabei auch noch, was er bestreitet,
wegen Drogenkonsums fahrunfähig war. Damit musste ihm der Ausweis zwingend für
immer entzogen werden, nachdem ihm dieser in den letzten fünf Jahren vor dem
13. Januar 2015 bereits zweimal für unbestimmte Zeit entzogen worden war. Das
Gesetz lässt diesbezüglich keinen Spielraum für eine mildere Massnahme offen.

2.3. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches
Gehör. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt hätte eine derart
einschneidende Massnahme nicht verfügen dürfen, ohne ihn zuvor angehört und
eine verkehrsmedizinische bzw. verkehrspsychologische Untersuchung auf
Staatskosten angeordnet zu haben. Es habe aufgrund der Akten gewusst, dass es
sich bei ihm um eine vom Sozialamt unterstützte, nicht rechtskundige und
ungenügend Deutsch sprechende Person handle, welche nicht in der Lage gewesen
sei, das Schreiben vom 2. Februar 2015 zu verstehen, mit welchem es ihm eine
10-tägige Frist angesetzt habe, um zum drohenden Ausweisentzug Stellung zu
nehmen. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt habe ihm damit das rechtliche
Gehör nur formell, nicht aber materiell gewährt. Es hätte ihn unter diesen
Umständen zwingend vorladen und anhören müssen, um seinem Gehörsanspruch
gerecht zu werden. Die Rekurskommission habe diesen Verfahrensmängeln keine
Beachtung geschenkt und sie nicht geheilt, indem es die angebotenen
Beweismittel - seine mündliche Anhörung und die Anordnung einer
verkehrsmedizinischen Untersuchung auf Staatskosten - nicht abgenommen habe.

2.3.1. Aus den Akten ergibt sich keineswegs, dass der Beschwerdeführer zuwenig
Deutsch versteht, um behördliche Schreiben zu verstehen. Vielmehr wurden,
soweit ersichtlich, sämtliche Kontakte mit Polizei und Behörden in den diversen
Straf- und Verwaltungsverfahren, in die der Beschwerdeführer verwickelt war,
mündlich wie schriftlich auf Deutsch abgewickelt. Hinweise auf
Verständigungsschwierigkeiten fehlen; dem Beschwerdeführer werden gegenteils
gute Deutschkenntnisse bescheinigt (Ermittlungsbericht der Kantonspolizei vom
25. März 2008), und in den Akten findet sich ein Schreiben von ihm ans
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt vom 26. Januar 2011, welches in zwar
grammatikalisch nicht perfektem, aber sehr gut verständlichem Deutsch abgefasst
ist. Das Problem des Beschwerdeführers mit behördlichen Schreiben besteht
offensichtlich nicht darin, dass er sie nicht versteht, sondern dass er sie
nicht oder jedenfalls nicht immer liest, wie er gegenüber der Polizei
anlässlich der Einvernahme vom 28. Januar 2015 selber erklärt hat. Daraus kann
er selbstredend nichts zu seinen Gunsten ableiten.
Es ergibt sich zusammenfassend, dass das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt
dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. Februar 2015 Gelegenheit gab, zu der
von ihm ins Auge gefassten Massnahme - Entzug des Führerausweises für immer -
Stellung zu nehmen. Damit hat es seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt.
Der Beschwerdeführer hat es selber zu vertreten, dass er sich nicht vernehmen
liess und auch nicht beantragte, mündlich angehört zu werden. Es ist nicht
ersichtlich, aus welchen Gründen das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt
verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen wäre, ihn von sich aus mündlich
anzuhören.

2.3.2. Ebensowenig dargetan ist, aus welchen Gründen die Rekurskommission
verpflichtet gewesen wäre, den Beschwerdeführer mündlich anzuhören, und sie
konnte auch ohne Verfassungsverletzung seine Beweisanträge auf Durchführung
einer verkehrsmedizinischen Begutachtung und weiteren Sachverhaltsabklärungen
abweisen. Nach der dargestellten gesetzlichen Regelung war die schwere
Widerhandlung vom 13. Januar 2015 zwingend mit einem Führerausweisentzug für
immer zu sanktionieren, auch ein für den Beschwerdeführer positiv ausfallendes
medizinisches Gutachten oder weitere Abklärungen hätten daran nichts ändern
können. Es ist mit Art. 29 Abs. 2 BV vereinbar, Beweisanträge abzuweisen, die
für den Ausgang des Verfahrens von vornherein unerheblich sind (BGE 136 I 229
E. 5.3; 124 I 208 E. 4a, je mit Hinweisen). Im Übrigen hat der
Beschwerdeführer, der durch eigenes Fehlverhalten seinen Führerausweis verlor,
ohnehin keinen Anspruch darauf, dass der Staat die Kosten der Gutachten
übernimmt, die er allenfalls für den Nachweis seiner (erneuten)
Fahrtauglichkeit benötigt. Die Gehörsverweigerungsrüge ist offensichtlich
unbegründet.

3. 
Der Beschwerdeführer rügt, die Rekurskommission habe sein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege willkürlich abgewiesen. Diese hat dazu ausgeführt,
nach Art. 111 des auf ihr Verfahren anwendbaren Berner
Verwaltungsrechtspflegegesetzes (vom 23. Mai 1989) sei einer Partei, die nicht
über die für das Verfahren erforderlichen Mittel verfüge, und deren
Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheine, unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren. Der Beschwerdeführer habe seine Prozessarmut nicht nachgewiesen, und
sein Begehren erscheine aussichtslos, weshalb sie dem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege nicht entspreche.
Wie sich aus den Ausführungen in E. 2 ergibt, war die Anfechtung der
Entzugsverfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts von vornherein
aussichtslos, die entsprechende Einschätzung der Rekurskommission ist
keineswegs willkürlich, sondern vielmehr zutreffend (vgl. unten E. 4). Sie
konnte daher das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ohne
Bundesrechtsverletzung abweisen.

4. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da
die Beschwerde aussichtslos war (Art. 66 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und
Schifffahrtsamt des Kantons Bern, der Rekurskommission des Kantons Bern für
Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern und dem Bundesamt
für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Dezember 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi

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