Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.451/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_451/2015

Urteil vom 24. November 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Valentin Pfammatter,

gegen

Einwohnergemeinde Ernen,
Hengert, 3995 Ernen,
Staatsrat des Kantons Wallis,
Regierungsgebäude, Postfach 478, 1951 Sitten.

Gegenstand
Raumplanung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 24. Juli 2015 des Kantonsgerichts Wallis,
Öffentlichrechtliche Abteilung.

Sachverhalt:

A. 
Die Einwohnergemeinden Steinhaus, Mühlebach, Ernen und Ausserbinn fusionierten
am 1. Oktober 2004 zur neuen Einwohnergemeinde Ernen. Am 31. Oktober 2012
genehmigte die Urversammlung der Gemeinde Ernen eine Gesamtrevision der
Nutzungsplanung für das Gebiet Steinhaus sowie ein revidiertes Bau- und
Zonenreglement. A.________, dem eine Reihe von Parzellen auf dem Gebiet von
Steinhaus gehören, erhob dagegen Beschwerde beim Staatsrat des Kantons Wallis.
Er machte geltend, die Bauzone sei überdimensioniert. Zudem kritisierte er,
dass nun in Art. 92 BZR keine Vorschriften mehr über Stellung, Grösse, Lage und
Ausgestaltung von landwirtschaftlichen Bauten enthalten seien. Dies verletze
die Interessen der benachbarten Grundeigentümer.
Der Staatsrat hiess die Beschwerde am 27. August 2014 teilweise gut. Er folgte
der Auffassung von A.________, dass die Bauzone zu gross sei. Hingegen
erachtete er die Kritik am Bau- und Zonenreglement als unbegründet.
Entsprechend homologierte er das Bau- und Zonenreglement, nicht jedoch die
Revision des Nutzungsplans Steinhaus.
Eine dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Wallis
mit Entscheid vom 24. Juli 2015 ab.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom
14. September 2015 beantragt A.________ die Aufhebung des Entscheids des
Kantonsgerichts.
Das Kantonsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Staatsrat hat
auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Gemeinde schliesst sich in ihrer
Vernehmlassung der Auffassung des Kantonsgerichts an. Der Beschwerdeführer hat
dazu Stellung genommen.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen kantonal
letztinstanzliche Entscheide betreffend kantonale Erlasse ist zulässig (Art. 82
lit. b sowie Art. 86 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 87 Abs. 2 BGG). Der Begriff des
kantonalen Erlasses gemäss Art. 82 lit. b BGG umfasst auch kommunale Erlasse
wie das hier umstrittene Bau- und Zonenreglement der Gemeinde Ernen (Urteil
2C_88/2009 19. März 2010 E. 1.1 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer ist
Eigentümer verschiedener Parzellen auf Gemeindeboden und damit ohne Weiteres
zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG; BGE 137 I 77 E. 1.4 S. 81 mit
Hinweis). Unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen ist auf die Beschwerde
einzutreten.

2. 
Der angefochtene Entscheid enthält Ausführungen zur Planungsgeschichte der
Gemeinde Ernen bzw. ihrer Teilgebiete (der früheren Gemeinden Steinhaus,
Mühlebach, Ernen und Ausserbinn). Das Kantonsgericht legt dar, das nach der
Gemeindefusion am 13. Dezember 2005 verabschiedete Bau- und Zonenreglement der
Gemeinde Ernen in seiner Fassung vom 19. Februar 2008 sei für das gesamte
Gemeindegebiet anwendbar. Dass die Revision des Zonenplans für das Gebiet
Steinhaus bisher nicht habe rechtskräftig abgeschlossen werden können, stehe
dem nicht entgegen. Der Beschwerdeführer kritisiert diese Erwägung als
willkürlich (Art. 9 BV). Er macht aber nicht geltend, dass der angefochtene
Entscheid in dieser Hinsicht auch im Ergebnis willkürlich sei, was jedoch
Voraussetzung ist (vgl. BGE 138 I 305 E. 4.3 S. 319 mit Hinweis). Vor allem
aber übersieht er, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die am 31.
Oktober 2012 von der Urversammlung der Gemeinde Ernen genehmigte Revision des
Bau- und Zonenreglements ist, nicht das davor geltende Recht. Auf die Rüge ist
nicht einzutreten.

3. 
Weiter rügt der Beschwerdeführer als willkürlich, dass der "Perimeter
Freihaltezone LW-Bauten" in der bisherigen Planung leider viel zu klein
ausgefallen sei. Inwiefern der angefochtene Entscheid deshalb im Ergebnis
unhaltbar sein soll, geht aus dieser Rüge jedoch nicht hervor, weshalb auch in
dieser Hinsicht auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Dasselbe gilt für die
weiteren hiermit zusammenhängenden Ausführungen in der Beschwerde, wonach die
Nutzungsplanung und das Bau- und Zonenreglement aufeinander abgestimmt werden
müssten. Weshalb es Bundesrecht verletzen soll, wenn ein Bau- und
Zonenreglement unabhängig vom Zonenplan revidiert wird, legt der
Beschwerdeführer nicht dar.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, nach Art. 13 Abs. 1 und 2 des
Ausführungsgesetzes des Kantons Wallis vom 23. Januar 1987 zum Bundesgesetz
über die Raumplanung (SGS 701.1; im Folgenden: kRPG) müssten die Gemeinden in
einem Bau- und Zonenreglement die innerhalb der verschiedenen Zonen zulässigen
Nutzungen im Detail regeln. Insbesondere müssten sie Art und Ausmass der
baulichen Nutzung, die Bauabstände sowie die Gestalt und Form der Bauten
bestimmen. In Art. 92 BZR werde jedoch stattdessen der Erlass der notwendigen
Anordnungen bezüglich Stellung, Grösse, Lage und Ausgestaltung der Bauten der
Baubehörde überlassen. Dies verstosse zum einen in krasser Weise gegen Art. 13
kRPG. Zum andern verletze es das Legalitätsprinzip, weil das kRPG keine
Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen vorsehe.

4.2. Die beiden Bestimmungen, auf die der Beschwerdeführer seine Argumentation
stützt (Art. 13 kRPG und Art. 92 BZR), haben, soweit vorliegend von Interesse,
folgenden Wortlaut:
Art. 13 kRPG - Reglement
1 Die Gemeinden bestimmen in einem Zonen- und Baureglement die innerhalb der
verschiedenen Zonen zulässigen Nutzungen.
2 Das Reglement bestimmt namentlich:
a) Art und Ausmass der baulichen Nutzung;
b) Bauabstände und Möglichkeit der geschlossenen Bauweise;
c) Erschliessung (Art. 19 RPG);
d) Gestalt und Form der Bauten;
e) Anordnung und Gestaltung der Aussenräume (Bepflanzung, Spielplätze,
Radfahrwege, Fusswege, Bodenbelag, Verkehrs- und Parkierungsflächen);
f) Landschaft-, Ortsbild- und Objektschutz;
g) Ersatzleistungen;
h) Gebühren.
3 [...]

Art. 92 BZR - Landwirtschaftszone
Landwirtschaftszonen werden im Nutzungsplan, je nach Geländeform,
Bodenbeschaffenheit oder Erschliessungsgrad und klimatischen Verhältnissen, in
Flächen 1. und 2. Priorität dargestellt.
In diesen Zonen werden Bauten und Anlagen sowie Meliorationen und
Bodenverbesserungen nur bewilligt, soweit sie für die landwirtschaftliche
Nutzung des Bodens erforderlich sind, der Aufzucht von Tieren und Pflanzen, den
Wohnbedürfnissen der bäuerlichen Bevölkerung und ihrer Mitarbeiter sowie der
Sicherung existenzfähiger Landwirtschaftsbetriebe dienen.
Für landwirtschaftlich begründete Wohnbauten gelten die Bestimmungen über die
Wohnzone W2.
Bauten in der Landwirtschaftszone haben sich gut in die Landschaft einzufügen.
Die Baubehörde trifft im Baubewilligungsverfahren, unter Berücksichtigung der
Betriebswirtschaftlichkeit, die notwendigen Anordnungen bezüglich Stellung,
Grösse, Lage und Ausgestaltung der Bauten. Zusätzlich müssen die im
Koordinationsblatt E.7/2 "Landwirtschaftliche Bauten" des kantonalen
Richtplanes festgelegten Grundsätze und Vorgehen beachtet werden.

Die Zuständigkeit für die Erteilung der Baubewilligung liegt bei den kantonalen
Instanzen.
[...]

4.3. Das Kantonsgericht legt dar, aus Art. 13 kRPG folge nicht, dass im Bau-
und Zonenreglement zwingend die maximal zulässige Länge und Höhe von
Ökonomiegebäuden in der Landwirtschaftszone sowie spezifische
Abstandsvorschriften festgelegt werden müssten. Zudem seien verschiedene
Abstandsvorschriften anwendbar, so insbesondere der allgemeine Grenzabstand
gemäss Art. 22 des Baugesetzes des Kantons Wallis vom 8. Februar 1996 (SGS
705.1; im Folgenden: BauG), der Gebäudeabstand gemäss Art. 10 Abs. 2 Satz 2
BauG, der Abstand vom Wald gemäss Art. 23 BauG und der Strassenabstand gemäss
Art. 24 Abs. 1 BauG.
Zudem verweise Art. 92 BZR auf das Koordinationsblatt E.7/2 des kantonalen
Richtplans, welches für landwirtschaftliche Bauprojekte unter anderem verlange,
dass Ökonomiegebäude einem Bedürfnis entsprächen und eine rationelle
Bodenbewirtschaftung ermöglichten, dass landwirtschaftliche Neubauten
funktionell seien und die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere der
Raumplanung, der Landwirtschaft sowie des Tier-, Gewässer-, Umwelt-, Natur- und
Ortsbildschutzes einhalten. Zu achten sei zudem auf den Standort und die
Integration der Neubauten ins Landschafts- und Siedlungsbild.
Weiter ergebe sich aus Art. 16a RPG und Art. 34 RPV, welche Bauten und Anlagen
in der Landwirtschaftszone zulässig seien. Kantonale Ausführungsvorschriften
seien diesbezüglich nicht notwendig. Die Bestimmungen des Bau- und
Zonenreglements betreffend die Landwirtschaftszone müssten nicht bloss mit Art.
13 Abs. 2 kRPG konform sein, wie es der Beschwerdeführer verlange, sondern in
erster Linie die genannten bundesrechtlichen Bestimmungen respektieren.
Schliesslich geht das Kantonsgericht davon aus, dass eine generelle
Beschränkung der maximal zulässigen Gebäudemasse in der Landwirtschaftszone mit
Art. 16 ff. RPG nur ausnahmsweise vereinbar sei. Dies käme vorliegend dann in
Frage, wenn sie lokal auf den an eine geschützte Gebäudegruppe angrenzenden
Teil der Landwirtschaftszone im Gebiet Steinhaus beschränkt würde. An den vom
Beschwerdeführer gewünschten generellen Beschränkungen bestehe dagegen kein
öffentliches Interesse, zudem wären sie mit dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit nicht vereinbar.

4.4. Inwiefern sich aus Art. 16 ff. RPG ergeben soll, dass eine Beschränkung
der zulässigen Gebäudemasse in der Landwirtschaftszone grundsätzlich weder im
öffentlichen Interessen liegt noch verhältnismässig ist, ist nicht
nachvollziehbar. Insbesondere kann aus Vorschriften zur Zonenkonformität nicht
abgeleitet werden, dass zonenkonforme Bauten keinen Grössenbeschränkungen
unterworfen werden dürften.
Aus der Zulässigkeit einer gesetzlichen Regelung der maximalen Gebäudemasse
ergibt sich freilich nicht, dass umgekehrt deren Fehlen rechtswidrig wäre. Das
Kantonsgericht ist in dieser Hinsicht, wie erwähnt, der Auffassung, Art. 13
kRPG verlange nicht, dass für sämtliche Zonen die zulässigen Gebäudemasse im
Bau- und Zonenreglement festgehalten werden. Diese Auslegung erscheint nicht
als willkürlich. Art. 13 kRPG ist zwar nicht als Kann-Vorschrift ausgestaltet
und schreibt somit den Gemeinden zwingend vor, ein Bau- und Zonenreglement zu
erlassen und darin die in den verschiedenen Zonen zulässigen Nutzungen
festzulegen. Es scheint jedoch vertretbar, davon auszugehen, dass die in Abs. 2
enthaltene Aufzählung nicht verlangt, in allen Zonen sämtliche genannten
Aspekte zu regeln. Dies wird insbesondere vor dem Hintergrund von lit. e
deutlich, wonach die Anordnung und Gestaltung der Aussenräume (Bepflanzung,
Spielplätze, Radfahrwege, Fusswege, Bodenbelag, Verkehrs- und
Parkierungsflächen) zu regeln ist. Eine Bestimmung im Bau- und Zonenreglement
als unvollständig zu bezeichnen, weil sie nicht für alle Zonen eine Anordnung
zu Bepflanzung und Spielplätzen enthält, ginge offensichtlich zu weit.
Die Gemeinde Ernen hat im revidierten Bau- und Zonenreglement für verschiedene
Zonen Vorschriften zur Gebäudehöhe und -länge erlassen (vgl. Art. 80 ff. BZR).
Soweit es um landwirtschaftliche Wohnbauten geht, gelten solche auch in der
Landwirtschaftszone (vgl. den Verweis auf die Bestimmungen der Wohnzone W2 in
Art. 92 Abs. 3 BZR). Dass sie für landwirtschaftliche Ökonomiebauten fehlen,
bedeutet nicht, dass beliebig grosse Bauten zulässig wären. Das Kantonsgericht
weist zu Recht darauf hin, dass aufgrund des kantonalen Baugesetzes
insbesondere eine Reihe von Abstandsvorschriften zu beachten sind. Zudem
verlangt Art. 92 Abs. 4 BZR, dass sich die Bauten in der Landwirtschaftszone
gut in die Landschaft einfügen. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht
behaupten, aufgrund der fehlenden generell-abstrakten Regelung der zulässigen
Gebäudedimensionen für Ökonomiebauten im Bau- und Zonenreglement seien der
Willkür Tür und Tor geöffnet.
Die Rüge der Verletzung von Art. 9 BV ist somit unbegründet.
Ebenfalls unbegründet ist die Kritik, die Gemeinde habe mit der Bau- und
Zonenordnung die bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen an die
Gesetzesdelegation missachtet. Art. 92 BZR überträgt keine
Gesetzgebungskompetenzen, sondern räumt der rechtsanwendenden Behörde Ermessen
ein. Dass solches unter den vorliegenden Umständen bundesrechtswidrig ist,
macht der Beschwerdeführer nicht geltend.

5. 
Die Beschwerde ist aus den genannten Gründen abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht
zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Einwohnergemeinde Ernen, dem
Staatsrat und dem Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. November 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold

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