Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.436/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_436/2015

Urteil vom 25. April 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.B.________ und C. B.________
3. D.C.________ und E. C.________,
4. D.________,
5. F.E.________ und G. E.________,
6. H.F.________ und I. F.________,
7. J.G.________ und K. G.________,
8. H.________,
9. L.I.________ und M. I.________,
10. J.________,
11. N.K.________ und O. K.________,
12. P.L.________ und Q. L.________,
13. R.M.________ und S. M.________,
14. N.________,
15. T.O.________ und U. O.________,
16. V.P.________ und W. P.________,
Beschwerdeführer,
alle vertreten durch H. F.________, A.________ und J. G.________, c/o H.
F.________,

gegen

Q.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Samuel Lemann,

Einwohnergemeinde Utzenstorf,
Baubewilligungsbehörde,
Hauptstrasse 28, Postfach 139, 3427 Utzenstorf,
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern,
Rechtsamt, Reiterstrasse 11, 3011 Bern.

Gegenstand
Baubewilligung für drei Mehrfamilienhäuser und Einstellhalle,

Beschwerde gegen das Urteil vom 6. August 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.

Sachverhalt:

A. 
Am 8. Dezember 2011 reichte die Q.________ AG bei der Einwohnergemeinde
Utzensdorf ein Gesuch ein für den Neubau von drei Mehrfamilienhäusern und einer
Einstellhalle auf der in der Wohnzone W2 im Gewässerschutzbereich AU gelegenen
Parzelle Gbbl. Nr. 1736. Dagegen erhoben 16 Beschwerdeführer Einsprache.
Am 10. April 2012 erteilte das Regierungsstatthalteramt Emmental (RSA) der
Q.________ AG die Baubewilligung. Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des
Kantons Bern (BVE) hob diese am 28. August 2012 auf Beschwerde von den 16
Beschwerdeführern hin auf und wies das Verfahren ans RSA zurück. Die Q.________
AG beantragte vom RSA eine Ausnahmebewilligung für Bauten unter dem mittleren
Grundwasserspiegel und nahm Projektänderungen vor. Dagegen erhoben die 16
Beschwerdeführer wiederum Einsprache.
Mit Gesamtentscheid vom 12. September 2013 erteilte das RSA der Q.________ AG
die Baubewilligung und wies die Einsprachen ab.
Die 16 Beschwerdeführer erhoben wiederum Beschwerde an die BVE. Die Q.________
AG reichte zwei Projektänderungen ein. Am 17. Juni 2014 wies die BVE die
Beschwerden ab, bewilligte eine Projektänderung und bestätigte im Übrigen den
Gesamtentscheid des RSA vom 12. September 2013.
Die 16 Beschwerdeführer erhoben Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons
Bern, wobei sie den Entscheid der BVE in der Sache sowie die Kosten- und
Entschädigungsregelung kritisierten.
Am 6. August 2015 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde teilweise gut und
korrigierte die Kosten- und Entschädigungsregelung. Im Übrigen - in der Sache -
wies es die Beschwerde ab.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. September 2015
beantragen die 16 Beschwerdeführer dieses Urteil des Verwaltungsgerichts
aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen
oder eventuell dem Bauvorhaben den Bauabschlag zu erteilen.

C. 
Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde
abzuweisen. Denselben Antrag stellt die BVE. Die Gemeinde Utzensdorf verzichtet
auf Vernehmlassung und verweist auf das angefochtene Urteil. Die Q.________ AG
beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das BAFU
teilt mit, das angefochtene Urteil stehe im Einklang mit den bundesrechtlichen
Gewässerschutzvorschriften.
Die 16 Beschwerdeführer halten in ihrer Replik an der Beschwerde fest.
Die Q.________ AG hält an ihrer Vernehmlassung fest, verzichtet auf weitere
Ausführungen und reicht die Kostennote ihres Anwalts ins Recht.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Dagegen steht die Beschwerde nach Art.
82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Er
schliesst das Verfahren ab, womit es sich um einen Endentscheid im Sinn von
Art. 90 BGG handelt. Gerügt wird die Verletzung von Bundesrecht, was zulässig
ist. (Art. 95 lit. a BGG). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten, wenn den
Beschwerdeführern die erforderliche Legitimation zukommt.
Die Beschwerdebefugnis nach Art. 89 Abs. 1 BGG setzt neben der formellen
Beschwer (lit. a) voraus, dass die Beschwerdeführer über eine spezifische
Beziehungsnähe zur Streitsache verfügen (lit. b) und einen praktischen Nutzen
aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids ziehen (lit. c).
Die Nähe der Beziehung zum Streitgegenstand muss bei Bauprojekten insbesondere
in räumlicher Hinsicht gegeben sein. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor,
wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den
Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann. Vorliegend ist die
erforderliche Beziehungsnähe, jedenfalls für das Gros der Beschwerdeführer,
deren Grundstücke unmittelbar ans Baugrundstück grenzen oder von diesem nur
durch eine Strasse getrennt sind und die dementsprechend von einem Bauabschlag
profitieren würden, erfüllt. Ob dies auch für diejenigen Beschwerdeführer gilt,
deren Grundstücke in der weiteren Umgebung liegen, kann unter diesen Umständen
offen bleiben. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. 
Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht vor, es habe die
Bewilligungsfähigkeit der Versickerungsanlage willkürlich bejaht und ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es die von ihnen beantragten
zusätzlichen Beweismassnahmen abgelehnt habe.

2.1.

2.1.1. Der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)
abgeleitete Anspruch auf Abnahme rechtserheblicher Beweise ist nicht absolut
und schliesst die antizipierte Beweiswürdigung nicht aus. Eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs liegt deshalb nicht vor, wenn ein Gericht auf die Abnahme
beantragter Beweismittel verzichtet, weil es aufgrund der bereits abgenommenen
Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür annehmen kann, dass
diese durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 134 I 140 E. 5.3
S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157; 124 I 208 E. 4a S. 211, je mit Hinweisen).

2.1.2. Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht
bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere
Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (
BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51; 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 136 I 316 E. 2.2.2 S. 318 f.).

2.2. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligungsfähigkeit der
Versickerungsanlage aufgrund der vom AWA akzeptierten Berechnungen der Werner
und Partner AG, Ingenieure und Umweltfachleute, bejaht (angefochtenes Urteil E.
2 S. 5 ff.). Strittig war dabei, ob der sogenannte "trockene Minimalabstand" -
der Abstand zwischen der Unterkante der Versickerungsanlage (Aushubkote) und
dem zehnjährigen Höchstgrundwasserspiegel - die für die ausnahmsweise
Bewilligung erforderlichen 50 cm erreicht. Die Beschwerdeführer bringen vor, es
bestünden massive Zweifel an diesen Berechnungen, welche auf behaupteten, nicht
konkret offen gelegten Messdaten und generell auf einer zu schwachen
Sachverhaltsbasis beruhten.

2.3. Die Versickerungsanlage wurde von der Werner und Partner AG, einem nach
der unwiderlegten Einschätzung der BVE fachlich ausgewiesenen Ingenieurbüro mit
spezifischem Fachwissen über die örtlichen Grundwasserverhältnisse,
projektiert. Deren Berechnungen wurden vom AWA als zuständiger kantonaler
Fachstelle geprüft und akzeptiert. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen
Entscheid wie zuvor schon die BVE die Berechnungen und Prüfungsberichte
eingehend auf ihre Plausibilität hin überprüft und ist zum Schluss gekommen,
dass es keine stichhaltigen Gründe gebe, an den Angaben des Ingenieurbüros und
der fachlichen Beurteilung des AWA zu zweifeln. Diese Einschätzung des
Verwaltungsgerichts wird durch die eingehende Vernehmlassung des BAFU
bestätigt. Danach beruht die von der Werner und Partner AG vorgenommene
Korrelationsberechnung auf einer "komfortablen Datenlage" und entspricht
gängiger Praxis. Die darauf sowie auf die Grundwasserkarte des Kantons Bern
gestützte Plausibilisierung der Daten ist für das BAFU nachvollziehbar. Die
Korrelationsberechnung sei fachgerecht, und die dadurch bestimmten Werte für
den mittleren Grundwasserspiegel und den 10-jährigen Höchstgrundwasserstand
lägen tiefer als die für das Projekt verwendeten Werte, welche damit "auf der
sicheren Seite seien".
Die umstrittenen Berechnungen der Werner und Partner AG wurden somit von zwei
Fachinstanzen unabhängig voneinander geprüft und für schlüssig befunden. Dabei
wurde insbesondere auch der Einwand widerlegt, sie würden auf einer
ungenügenden bzw. ungesicherten Datenlage beruhen. Konnte somit das
Verwaltungsgericht die Bewilligungsfähigkeit der Versickerungsanlage
willkürfrei aufgrund der Berechnungen der Werner und Partner AG bejahen, war es
verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, weitere Beweise abzunehmen. Die
Willkür- und die Gehörsverweigerungsrüge sind unbegründet.

3. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Die Beschwerdeführer tragen ausgangsgemäss
die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG) und haben der Beschwerdegegnerin eine
angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Die sechzehn Beschwerdeführer haben der Beschwerdegegnerin eine
Parteientschädigung von je Fr. 204.50, insgesamt Fr. 3'272.--, zu bezahlen,
unter solidarischer Haftbarkeit für den ganzen Betrag.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Utzenstorf,
Baubewilligungsbehörde, der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons
Bern, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. April 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi

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