Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.41/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_41/2015

Urteil vom 24. März 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
A. und B. C.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt August Hafner,

gegen

D.________,
Beschwerdegegnerin 1,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Joachim Breining,

E.________,
Beschwerdegegnerin 2,

Einwohnergemeinde Schaffhausen,
vertreten durch den Stadtrat Schaffhausen,
Stadthaus, Postfach 1000, 8201 Schaffhausen,
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen,
Beckenstube 7, Postfach, 8201 Schaffhausen.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 28. November 2014 des Obergerichts des
Kantons Schaffhausen.

Sachverhalt:

A. 
Mit Beschluss vom 10. Februar 2014 bewilligte der Stadtrat Schaffhausen
D.________, Eigentümerin des Grundstücks Gbbl. Nr. 2'650, und E.________,
Eigentümerin des Grundstücks Gbbl. Nr. 2'657, die bisherige Stützmauer auf der
gemeinsamen Grenze der beiden Grundstücke und des Grundstücks Gbbl. Nr. 2'649
zu ersetzen. Gegen diesen Beschluss rekurrierten A. und B. C.________,
Miteigentümer des Grundstücks Gbbl. Nr. 2'649, an den Regierungsrat des Kantons
Schaffhausen. Am 17. Juni 2014 wies der Regierungsrat den Rekurs ab.
Am 3. Juli 2014 erhoben A. und B. C.________ gegen den Rekursentscheid des
Regierungsrats Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Obergericht des Kantons
Schaffhausen. Dieses wies die Beschwerde mit Entscheid vom 28. November 2014
ab.

B. 
Mit Eingabe vom 16. Januar 2015 führen A. und B. C.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem Antrag auf
Aufhebung des Entscheids des Obergerichts.
D.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten
sei; E.________ hat sich nicht vernehmen lassen. Das Obergericht verzichtet auf
eine Stellungnahme. Der Regierungsrat beantragt, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen. Der Stadtrat schliesst auf
Abweisung der Beschwerde.
In einer weiteren Eingabe halten die Beschwerdeführer an ihrem Standpunkt fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Dem angefochtenen Entscheid liegt ein Beschwerdeverfahren über eine
baurechtliche Bewilligung zugrunde. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten nach Art. 82 lit. a BGG steht auf dem Gebiet des Raumplanungs-
und Baurechts zur Verfügung. Angefochten ist ein Entscheid einer letzten
kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Die Beschwerdeführer haben am
vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, sind als Miteigentümer der Gegenstand
des Baugesuchs bildenden Stützmauer (vgl. Art. 670 ZGB) durch den angefochtenen
Entscheid besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen
Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die frist- und formgerecht
erhobene Beschwerde ist einzutreten.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können
Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1
S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten - einschliesslich der
willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung - gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2
BGG; vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 281 f; 136 I 229 E. 4.1 S. 235). Willkür
liegt nach der bundesgerichtlichen Praxis nur vor, wenn der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(vgl. BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5).

2. 
Die beiden Beschwerdegegnerinnen wollen die bisherige Stützmauer ersetzen; die
Beschwerdeführer lehnen dieses Vorhaben ab. Streitgegenstand bildet die Frage,
ob die Beschwerdegegnerinnen als Alleineigentümerinnen der Grundstücke Gbbl.
Nrn. 2'650 und 2'657 zur Einreichung des Baugesuchs für die Stützmauer
berechtigt waren.

2.1. Die Vorinstanz hat erwogen, Art. 58 Abs. 1 lit. b des Gesetzes vom 1.
Dezember 1997 über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht im Kanton
Schaffhausen (Baugesetz, BauG/SH; SHR 700.100) verlange, dass das Baugesuch die
Bevollmächtigung zur Einreichung des Baugesuchs enthalte. Diese Bestimmung
bezwecke insbesondere, dass die Behörden nicht wider besseres Wissen zu einem
Verfahren Hand bieten würden, welches geeignet sei, Eigentumsrechte Dritter zu
verletzen. Die Baubehörden hätten mithin (summarisch) zu prüfen, ob das
Bauvorhaben offenkundig Eigentumsrechte Dritter verletzen könnte. Hingegen sei
es nicht Aufgabe der Baubehörden, die Eigentumsverhältnisse - gleich wie der
Zivilrichter - im Einzelnen und endgültig abzuklären. Im Zweifel sei die
Zulässigkeit eines Baugesuchs zu bejahen.
Die Vorinstanz hat weiter ausgeführt, gemäss Art. 670 ZGB sowie Art. 94a Abs. 3
des kantonalen Gesetzes vom 27. Juni 1911 über die Einführung des
Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (EG ZGB/SH; SHR 210.100) werde an
Vorrichtungen zur Abgrenzung mehrerer Grundstücke Miteigentum der Nachbarn
vermutet. Die Miteigentumsanteilsberechtigungen an der Stützmauer seien
subjektiv-dinglich mit dem Eigentum an den benachbarten Grundstücken verbunden.
Miteigentümer der Stützmauer könnten nur die jeweiligen Grundstückseigentümer
sein. Die Stimmberechtigung bestimme sich daher alleine nach der Anzahl
benachbarter Grundstücke. Im zu beurteilenden Fall betrage das
Stimmenverhältnis 2 zu 1. Die beiden Alleineigentümerinnen der Grundstücke
Gbbl. Nrn. 2'650 und 2'657, welche zusammen den grösseren Teil der Sache
vertreten würden, stimmten dem Stützmauerprojekt zu; die Beschwerdeführer als
Miteigentümer des Grundstücks Gbbl. Nr. 2'649 lehnten es ab. Damit sei das
nötige Zustimmungsquorum sowohl für notwendige als auch für nützliche bauliche
Massnahmen erfüllt (vgl. Art. 647c und Art. 647d Abs. 1 ZGB). Zusammenfassend
habe die Baubehörde somit davon ausgehen dürfen, die beiden
Beschwerdegegnerinnen seien gemäss Art. 58 Abs. 1 lit. b BauG/SH zur
Einreichung des Baugesuchs für die Stützmauer berechtigt.

2.2. Die Beschwerdeführer rügen vorab eine Verletzung ihres Anspruchs auf
rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV, da die Vorinstanz auf einzelne
ihrer Vorbringen nicht eingegangen sei.
Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, gemäss Art. 647c und Art. 647d Abs.
1 ZGB bedürften sowohl notwendige als auch nützliche bauliche Massnahmen der
Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer nach Köpfen. Art. 670 ZGB sehe
keine Abweichung von dieser Regel vor. Die Stützmauer stehe im Miteigentum von
vier Personen, sodass das nötige Zustimmungsquorum der Mehrheit aller
Miteigentümer von vornherein nicht erfüllt sei. Für ein Abstellen auf die
Anzahl Grundstücke gebe es keinen sachlichen Grund. Die Vorinstanz habe deshalb
mit ihrem Entscheid Art. 647c und Art. 647d Abs. 1 ZGB und damit gleichzeitig
Art. 58 Abs. 1 lit. b BauG/SH verletzt.

2.3.

2.3.1. Die Rüge der Gehörsverletzung erweist sich als nicht stichhaltig. Die
Vorinstanz ist auf die entscheiderheblichen Argumente der Beschwerdeführer
eingegangen und hat sich insbesondere mit der von ihnen angeführten
Kommentierung (Christoph Brunner / Jürg Wichtermann, in: Basler Kommentar ZGB
II, 4. Aufl. 2011, Art. 647c und Art. 647d) auseinandergesetzt. Eine Verletzung
der Begründungspflicht als Ausfluss des Anspruchs der Beschwerdeführer auf
rechtliches Gehör liegt nicht vor.

2.3.2. Die Beschwerdeführer rügen keine willkürliche Anwendung kantonalen
Rechts, d.h. von Art. 58 Abs. 1 lit. b BauG/SH. Eine solche ist auch nicht
ersichtlich, weshalb die Beschwerde auch in diesem Punkt abzuweisen ist, soweit
überhaupt darauf einzutreten ist (vgl. E. 1.2 hiervor).
Die Auslegung von Art. 670 ZGB durch die Vorinstanz und ihre summarische
Prüfung der Miteigentumsverhältnisse sind plausibel. Ausgehend von der
subjektiv-dinglichen Verknüpfung des Miteigentums an der Stützmauer mit dem
Eigentum an den benachbarten Grundstücken ist es ohne Weiteres sachlich
begründbar, bei der Berechnung des Miteigentümerquorums auf die Anzahl
Grundstücke (und nicht auf die Anzahl der zufällig daran beteiligten Personen)
abzustellen. Hierfür spricht auch der Wortlaut von Art. 670 ZGB, der bei zwei
Grundstücken vom Miteigentum der beiden - d.h. der zwei - Nachbarn ausgeht; auf
die interne Eigentumsordnung bei den Grundstücken wird hingegen kein Bezug
genommen. Die zivilrechtliche Frage des massgeblichen Miteigentümerquorums
braucht hier indes nicht abschliessend geklärt zu werden; diese Entscheidung
ist dem Zivilgericht zu überlassen, welches die Beschwerdeführer ebenfalls
angerufen haben. Im vorliegenden Verfahren genügt es festzuhalten, dass die
Vorinstanz Art. 58 Abs. 1 lit. b BauG/SH nicht willkürlich angewendet hat,
indem sie geschlossen hat, die Beschwerdegegnerinnen seien als zur
Baugesuchseinreichung berechtigt anzusehen, da nicht offenkundig sei, dass das
Bauvorhaben Eigentumsrechte der Beschwerdeführer verletze.

3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Verfahrensausgang haben die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art.
66 Abs. 1 und 5 BGG) und der Beschwerdegegnerin 1 eine angemessene
Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1, 2 und 4 BGG). Die
Beschwerdegegnerin 2, die nicht anwaltlich vertreten ist und sich im Verfahren
vor Bundesgericht nicht hat vernehmen lassen, hat keinen Anspruch auf
Ausrichtung einer Parteientschädigung. Letzteres gilt auch für die kommunalen
und kantonalen Behörden (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführer haben der Beschwerdegegnerin 1 für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Schaffhausen, dem
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen und dem Obergericht des Kantons
Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. März 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Stohner

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