Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.40/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_40/2015

Urteil vom 18. September 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Pedretti.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________ AG,
2. Bergbahnen B.________ AG,
Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent Augustin,

gegen

Helvetia Nostra,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Rudolf Schaller,

Gemeinde Disentis/Mustér,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger.

Gegenstand
Baueinsprache,

Beschwerde gegen das Urteil vom 9. September 2014 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 5. Kammer.

Sachverhalt:

A.

 Die Bergbahnen B.________ AG ist Eigentümerin der Parzelle Nr. xxx auf dem
Gebiet der Gemeinde Disentis/Mustér. Das Grundstück befand sich teilweise in
der Wohnzone 2, 2. Nutzungsetappe.

 In den Jahren 2008/2009 wurde in der Gemeinde die Ortsplanung revidiert, wobei
ca. 9'000 m ^2 der Parzelle Nr. xxx neu der Wohnzone 2, 1. Nutzungsetappe,
zugeteilt wurden.

 Am 8. bzw. 14. Oktober 2008 schlossen die Bergbahnen B.________ AG und die
Gemeinde eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung über die Abschöpfung des aus
dieser Einzonung resultierenden Mehrwerts ab. Darin verpflichtete sich die
Bergbahnen B.________ AG, den Mehrwert von Fr. 2'700'000.-- zu 30 %, ausmachend
Fr. 810'000.--, im Sinne von Art. 19 Abs. 3 des Raumplanungsgesetzes für den
Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) auszugleichen, sofern die Einzonung
rechtskräftig werde. An Zahlungs statt sollte sie berechtigt sein, diesen
Betrag in den nächsten zehn Jahren in betriebseigene Beschneiungsanlagen sowie
alle die Attraktivität des Skigebiets erhaltende oder stärkende Gegenstände des
Anlagevermögens zu investieren.

 Mit Schreiben vom 16. August 2011 teilte die Bergbahnen B.________ AG der
Gemeinde mit, sie habe gemäss Vereinbarung Investitionen in werterhaltende und
-steigernde Anlagen in der Höhe von rund einer Million Franken getätigt.

B.

 Am 19. Juni 2012 beurteilte die Gemeinde ein Vorentscheidgesuch der Bergbahnen
B.________ AG, vertreten durch die A.________ AG, über ein Überbauungskonzept
auf der Parzelle Nr. xxx. Sie führte aus, das Zweitwohnungsprojekt dieser
Grössenordnung könne gemäss ihrer Richtlinie nur bewilligt werden, wenn eine
öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur Sicherung der Mittel abgeschlossen
werde. Selbstverständlich bestehe diese Möglichkeit aber nur dann und insoweit,
als sie noch mit den einschlägigen Bestimmungen des Bundesrechts vereinbar sei.
Zu erwähnen sei dabei die bundesrätliche Zweitwohnungsverordnung (nachfolgend:
ZwV; SR 702), welche die hier vorgesehenen Zweitwohnungen aller
Wahrscheinlichkeit nicht mehr zulasse.

C.

 Am 26. Oktober 2012 reichte die A.________ AG als Bauherrin und Vertreterin
der Bergbahnen B.________ AG ein Baugesuch um Erstellung der Überbauung
U.________ mit Ein- und Mehrfamilienhäusern auf der Parzelle Nr. xxx ein. Die
Basis hierfür sollte der Quartierplan mit den entsprechenden Vorschriften
bilden. Das Baugesuch wurde vom 26. Oktober bis 15. November 2012 öffentlich
aufgelegt.

 Dagegen erhob unter anderem Helvetia Nostra am 14. November 2012 Einsprache in
italienischer Sprache mit dem sinngemässen Antrag, die Baubewilligung sei zu
verweigern. Daraufhin wies sie das Bauamt der Gemeinde darauf hin, dass in der
Gemeinde Rätoromanisch Amtssprache sei, allenfalls Deutsch als Zweitsprache.
Die Einsprache sei in einer dieser Sprachen einzureichen. Am 20. November 2012
reichte Helvetia Nostra die Einsprache auf Deutsch nach.

 Die Gemeinde trat mit Entscheid vom 7. Dezember 2012 mangels
Einsprachelegitimation nicht auf die Einsprache ein. Zuvor genehmigte sie am 3.
Dezember 2012 den Quartierplan U.________, der unangefochten in Rechtskraft
erwachsen ist.

D.

 Ebenfalls am 7. Dezember 2012 schlossen die Bergbahnen B.________ AG und die
Gemeinde eine zweite öffentlich-rechtliche Vereinbarung. Darin verpflichtete
sich Erstere, den den Buchwert von Fr. 513'228.-- übersteigenden Gewinn aus der
Veräusserung der unbewirtschafteten Zweitwohnungen auf der Parzelle Nr. xxx
ausschliesslich für den Ausbau und den Betrieb ihres Skigebiets zu verwenden.
Damit gemeint sind die Finanzierung einer Beschneiungsanlage oder einer
Zubringeranlage von Sedrun ins Disentiser Skigebiet oder die Anschaffung und
Herstellung von Anlagevermögen.

E.

 Am 19. Dezember 2012 erteilte die Gemeinde der A.________ AG die
Baubewilligung.

F.

 Sowohl gegen den Einspracheentscheid vom 7. Dezember 2012 als auch gegen die
Baubewilligung vom 19. Dezember 2012 erhob Helvetia Nostra Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses wies die Beschwerden ab mit
der Begründung, Helvetia Nostra sei nicht beschwerdelegitimiert. Die dagegen
erhobenen Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hiess das
Bundesgericht gut (Urteile 1C_220/2013 und 1C_312/2013 vom 30. August 2013).

G.

 Am 24. Oktober 2013 teilte die A.________ AG mit, am Baugesuch und an der
Baubewilligung festhalten zu wollen. Das Verwaltungsgericht vereinigte
daraufhin die beiden Verfahren R 13 15A (betreffend Einspracheentscheid) und R
13 60A (betreffend Baubewilligungserteilung) und lud die Bergbahnen B.________
AG zum Verfahren bei. Mit Urteil vom 9. September 2014 hiess es die Beschwerde
R 13 15A der Helvetia Nostra gut, soweit darauf eingetreten werde, und hob den
Einspracheentscheid sowie die Baubewilligung auf. Auf die Beschwerde R 13 60A
trat es nicht ein.

H.

 Dagegen erhoben die A.________ AG und die Bergbahnen B.________ AG am 16.
Januar 2015 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei
aufzuheben, soweit es sich auf die Beschwerdesache vor Vorinstanz R 13 15A
beziehe (also nicht Disp.-Ziff. 1 Satz 3) und die Sache sei der Vorinstanz zu
neuem Entscheid unter Gewährung des rechtlichen Gehörs zurückzuweisen.
Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und festzustellen, dass Helvetia Nostra
keine rechtsgenügliche Einsprache vor der Gemeinde erhoben habe und folglich
die erteilte Baubewilligung in Rechtskraft erwachsen sei.
Das Verwaltungsgericht und Helvetia Nostra (Beschwerdegegnerin) schliessen auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Gemeinde Disentis/
Mustér hat sich nicht vernehmen lassen. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE)
beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdeführerinnen halten in der Replik an ihren Anträgen fest.

Erwägungen:

1.

 Da alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde
grundsätzlich einzutreten.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die
Verletzung von Bundesrecht und von kantonalem Verfassungsrecht gerügt werden
(Art. 95 lit. a und lit.c BGG). Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht
grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von
Grundrechten - einschliesslich die willkürliche Anwendung von kantonalem Recht
- prüft es dagegen nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde
vorgebracht und genügend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I
229 E. 2.2 S. 232; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; je mit Hinweisen).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerinnen machen zunächst eine Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend, da die Vorinstanz ihre Rüge
nicht beurteilt habe, wonach die Einsprache der Beschwerdegegnerin
rechtsungültig sei. Im Wesentlichen bringen sie vor, die Beschwerdegegnerin
habe ihre Einsprache gegen das Baugesuch nicht in rätoromanischer Sprache, der
Amtssprache der Gemeinde Disentis/Mustér, eingereicht, sondern auf Italienisch.
Auch die nachgereichte Einsprache erfülle dieses Kriterium nicht, da sie auf
Deutsch verfasst worden sei. Darüber hinaus sei sie verspätetet bei der
Gemeinde eingetroffen.

 Die gleiche Verfahrensrüge wird im Zusammenhang mit der Frage erhoben, ob die
Ortsplanungsrevision und der Quartierplan eine besondere Vertrauensgrundlage
darstellten.

2.2. Das Verwaltungsgericht führte hierzu aus, es sei an die rechtlichen
Erwägungen des Rückweisungsentscheids des Bundesgerichts gebunden. Die
Verbindlichkeit beschlage sowohl Erwägungen, die das Bundesgericht selber
entschieden habe, als auch solche, die den Rückweisungsauftrag umschrieben.
Gemäss Letzterem sei einzig zu prüfen, ob die beiden öffentlich-rechtlichen
Verträge geeignet seien, eine Vertrauensgrundlage zu schaffen. Die Behandlung
des Nichteintretensentscheids wegen der Sprachen-Problematik werde davon ebenso
wenig erfasst wie Ortsplanungsrevision oder der Quartierplan. Es sei ihm
deshalb verwehrt, dies zu prüfen. Im Übrigen hätten die Beschwerdeführerinnen
vor Bundesgericht beantragen können, auf die Beschwerde sei mangels
fristgerechter Einreichung einer Einsprache auf Rätoromanisch nicht
einzutreten.

2.3. Die Beschwerdeführerinnen wenden dagegen ein, die Bindungswirkung des
bundesgerichtlichen Urteils beschlage nur die Legitimation der
Beschwerdegegnerin und die rechtliche Bedeutung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV.
Davon nicht erfasst würden das Sprachenerfordernis für die Einsprache und die
Thematik der Vertrauensgrundlage hinsichtlich der Ortsplanungsrevision und des
Quartierplans. Das Bundesgericht habe sich weder positiv noch negativ dazu
geäussert. Sie hätten bereits im früheren Verfahren vor Bundesgericht die
Rückweisung an das Verwaltungsgericht damit begründet, erst dadurch werde
ermöglicht, die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen zu prüfen. Dazu gehörten
die frist- und formgerechte Einspracheerhebung, auf die ohnehin von Amtes wegen
einzugehen sei. Indem die Vorinstanz erneut die Beurteilung der
Sprachen-Thematik verweigert habe, verletze sie den Gehörsanspruch.

2.4. Nach der Rechtsprechung sind die Erwägungen eines bundesgerichtlichen
Rückweisungsurteils für die Behörde verbindlich, an welche die Angelegenheit
zurückgeht. Das kantonale Gericht darf sich deshalb in seinem neuen Entscheid
nicht auf Erwägungen stützen, welche das Bundesgericht im Rückweisungsurteil
ausdrücklich oder sinngemäss verworfen hat. Hingegen darf der neuerliche
Gerichtsentscheid mit Erwägungen begründet werden, welche im letztinstanzlichen
Rückweisungsurteil noch nicht angeführt wurden oder zu denen sich das
Bundesgericht noch nicht geäussert hat (BGE 133 III 201 E. 4.2 S. 208; 131 III
91 E. 5.2 S. 94; 112 Ia 353 E. 3c/bb S. 354; je mit Hinweisen).

2.5. Das Bundesgericht führte im Rückweisungsurteil 1C_220/2013 und 1C_312/2013
lediglich aus, dass Natur- und Heimatschutzverbände im Bereich des
Zweitwohnungsbaus beschwerdeberechtigt sind und dass Baubewilligungen für
solche Bauten in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 %, die
zwischen dem 11. März und 31. Dezember 2012 erteilt wurden, auf Beschwerde hin
aufzuheben sind (E. 2 f.). Es hat sich demnach ebenso wenig zum
Sprachenerfordernis für Einsprachen geäussert wie zur Frage, ob die
Ortsplanungsrevision und der Quartierplan besondere Vertrauensgrundlagen
darstellen. Der Einfluss der beiden öffentlich-rechtlichen Verträge auf das
Verfahren war vor Bundesgericht lediglich für die Frage massgebend, ob die
Sache an das Verwaltungsgericht oder an die Gemeinde zurückgewiesen werden
müsse (E. 4). Damit sollte der neuerliche Gerichtsentscheid aber nicht auf die
Prüfung dieser Vereinbarungen beschränkt werden. Indem das Verwaltungsgericht
sich daran gebunden sah, unterschritt es seine Prüfungspflichten und beging
damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

3.

3.1. Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann
ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit
erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den
Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 140 III 159,
nicht publizierte E. 3.2; 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f.; 136 V 117 E. 4.2.2.2 S.
126 f.; 133 I 201 E. 2.2 S. 204 f.; je mit Hinweisen).

3.2. Das Bundesgericht verfügt im Verfahren der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hinsichtlich der sich vorliegend
stellenden Rechtsfragen über eine genügend umfassende Kognition, handelt es bei
den Sprachenartikeln (Art. 70 BV und Art. 3 der Verfassung des Kantons
Graubünden; SR 131.226) und beim Vertrauensschutz (Art. 9 BV) doch um
Verfassungsrecht (vgl. oben E. 1). Seine beschränkte Kognition in
Sachverhaltsfragen (Art. 105 Abs. 2 BGG) und hinsichtlich der nachgeordneten
kantonalen und kommunalen Sprachregelungen hindert im vorliegenden Fall eine
Heilung nicht. Dies wird denn auch von den Beschwerdeführerinnen nicht geltend
gemacht. Eine Heilung bietet sich an, da es sich nicht um einen schwerwiegenden
Mangel handelt, die Beschwerdeführerinnen sich auch materiell zu den Rügen
geäussert haben, die Gemeinde ihre Handhabung der Sprachenregelung aufgezeigt
und das Verwaltungsgericht daran keinen Anstoss genommen hat und die
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz unter diesen Umständen bloss als
unnötige Verfahrensverlängerung erscheint und einer beförderlichen Behandlung
der Rechtsfragen entgegenstünde.

 Nachfolgend ist deshalb zu prüfen, ob die Einsprache in rätoromanischer
Sprache hätte eingereicht werden müssen (nachfolgend E. 4) und ob die
Ortsplanungsrevision resp. der Quartierplan eine besondere Vertrauensgrundlage
darstellen (nachfolgend E. 5). Letztere Frage stellt sich auch in Bezug auf die
beiden öffentlich-rechtlichen Verträge (nachfolgend E. 6).

4.

4.1. Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, Eingaben müssten aufgrund des
Sprachgebietsprinzips (Art. 70 Abs. 2 BV), des Sprachengesetzes des Kantons
Graubünden (SpG/GR; BR 429.100) und des kommunalen Sprachenreglements
(Reglament davart il lungatg ufficial communal, Vischnaunca da Mustér, 1996
[nachfolgend: SpR/Gemeinde Disentis/Mustér]) in rätoromanischer Sprache bzw. im
surselvischen Idiom erfolgen, weil dies die Amtssprache der einsprachigen
Gemeinde Disentis/Mustér sei. Diesem zwingenden Erfordernis sei die
Beschwerdegegnerin mit ihrer innert Frist erhobenen Einsprache in Italienisch
nicht nachgekommen. Das Schreiben des Bauamts der Gemeinde vom 16. November
2012, das bestätige, dass einzig Rätoromanisch Amtssprache sei, eine Einsprache
aber auch in Deutsch eingereicht werden könne, ändere nichts an dieser
Beurteilung. Das Bauamt sei nicht befugt gewesen, Eingaben auf Deutsch zu
legitimieren. Das Schreiben stelle einen unzulässigen Verbesserungsauftrag dar
und sei nicht geeignet, auf Seiten der Beschwerdegegnerin eine schützenswerte
Vertrauensgrundlage zu schaffen. Letztere habe von der auf rätoromanisch
erfolgten Publikation des Baugesuchs Kenntnis gehabt und hätte sich
entsprechend verhalten müssen. Die verspätete Nachreichung der Einsprache auf
Deutsch sei für die Gemeinde unbeachtlich und ihr Nichteintretensentscheid
rechtens, ohne dabei den Vorwurf des überspitzten Formalismus auf sich zu
ziehen. Die Nachreichung könne auch nicht mit dem Argument legitimiert werden,
sie gelte als am Tag der ersten Einsprache als eingegangen. Die zweite
Einsprache verletze zudem den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels.

4.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt die Sprachenfreiheit
(Art. 18 BV) nicht absolut. Sie wird durch das Amtssprachen- und
Territorialitätsprinzip eingeschränkt: Kantone bestimmen ihre Amtssprachen,
wobei sie das Einvernehmen zwischen den Sprachgemeinschaften wahren, auf die
herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete achten und auf die
angestammten sprachlichen Minderheiten Rücksicht nehmen (Art. 70 Abs. 2 BV).
Der Einzelne hat kein Recht, mit den Behörden in einer beliebigen Sprache zu
verkehren, sondern muss - unter Vorbehalt besonderer, vorliegend nicht weiter
interessierender Ansprüche (z.B. Art. 31 Abs. BV; Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs.
3 lit. a EMRK) - die jeweilige Amtssprache benützen (BGE 139 I 229 E. 5.5 S.
234 f.; 138 I 123 E. 5.2 S. 126; 136 I 149 E. 4.3 S. 153; 124 III 205 E. 4 S.
207).

4.2.1. Die Amtssprachen des Kantons Graubünden sind Deutsch, Rätoromanisch und
Italienisch (Art. 3 Abs. 1 KV/GR). Nach Art. 3 Abs. 3 KV/GR haben aber auch die
Gemeinden Kompetenzen zur Festlegung ihrer Amtssprache: Sie bestimmen ihre
Amtssprache im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und im Zusammenwirken mit dem
Kanton. Dabei achten sie auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung und
nehmen Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten. Demnach gilt
nach kantonalem Recht für die Festlegung der Amtssprache das
Territorialitätsprinzip (BGE 141 I 36 E. 5.5.2 S. 44; Art. 16 Abs. 1 SpG/GR).

4.2.2. In der Gemeinde Disentis/Mustér ist die Amtssprache Rätoromanisch (Art.
6 Abs. 1 der Gemeindeverfassung 2014). Daraus ergibt sich aber trotz
Territorialiätsprinzip nicht notwendigerweise, dass die Eingabe der
Beschwerdegegnerin in rätoromanischer Sprache hätte eingereicht werden müssen.
Art. 17 SpG/GR, der den Geltungsbereich der Amtssprachen in den Gemeinden
regelt, bestimmt lediglich, dass einsprachige Gemeinden ihrerseits verpflichtet
sind, in gewissen Bereichen von ihrer Amtssprache Gebrauch zu machen (Abs. 1).
Welcher Sprache sich Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Gemeinde zu bedienen
haben, wird dadurch nicht festgelegt. Abs. 3 der Bestimmung führt dazu aus,
dass die Gemeinden die Einzelheiten über den Anwendungsbereich der Amtssprache
im Zusammenwirken mit der Regierung regeln.

 Die Gemeinde Disentis/Mustér sieht in ihrem Sprachenreglement vor, dass in der
Gemeinde domizilierte Privatpersonen ihre Eingaben grundsätzlich auf
Rätoromanisch vorzunehmen haben (Art. 8 SpR/Gemeinde Disentis/Mustér). Damit
gilt das Amtssprachenprinzip nicht absolut, denn die Bestimmung lässt sogar für
die einheimische Bevölkerung Raum für Ausnahmen. Müssen nicht einmal die in der
Gemeinde ansässigen Personen ihre Eingaben zwingend in rätoromanischer Sprache
einreichen, so kann dies entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen umso
weniger für Externe gelten.

 Vor diesem Hintergrund kann die innert Frist eingereichte Einsprache der
Beschwerdegegnerin in italienischer Sprache - einer Amtssprache des Kantons
(Art. 3 Abs. 1 KV/GR) - nicht als unzulässig abgeschrieben werden. Dies war
offenbar auch nicht die Auffassung der Gemeindebehörde: In ihrem Schreiben vom
16. November 2012 führte das Bauamt aus, dass Institutionen und Personen, die
der rätoromanischen Amtssprache nicht mächtig sind, berechtigt sind, ihre
Anliegen in deutscher Sprache einzubringen. Es forderte die Beschwerdegegnerin
deshalb auf, eine Einsprache in der Amtssprache oder in der Zweitsprache
Deutsch nachzureichen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung, von der
vorliegend nicht abzuweichen ist, handelte es damit rechtmässig und nicht
überspitzt formalistisch (BGE 106 Ia 299 E. 2b/cc S. 306; 102 Ia 35 E. 1 S. 37
f.). Indem die Beschwerdegegnerin die Einsprache wenige Tage danach in
deutscher Sprache nachreichte, gilt sie als form- und fristgerecht erfolgt.

5.

5.1. Die Beschwerdeführerinnen bringen weiter vor, die Ortsplanungsrevision und
der Quartierplan stellten besondere Vertrauensgrundlagen im Sinne von Art. 9 BV
dar. Sie hätten deshalb auf den Bau von unbewirtschafteten Zweitwohnungen
vertrauen dürfen. Die damit verbundenen Rügen, das Verwaltungsgericht habe auch
insoweit das rechtliche Gehör und das Willkürverbot verletzt, decken sich mit
dem Vorbringen der Verletzung des Vertrauensschutzes und haben neben diesem
keine selbständige Bedeutung.

5.2. Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer
Person unter anderem einen Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in
behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes
Verhalten der Behörden. Voraussetzung für eine Berufung auf den
Vertrauensschutz ist, dass die betroffene Person sich berechtigterweise auf die
Vertrauensgrundlage verlassen durfte und gestützt darauf nachteilige
Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig machen kann. Die
Berufung auf Treu und Glauben scheitert sodann, wenn ihr überwiegende
öffentliche Interessen entgegenstehen (BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f.; 131 II
627 E. 6.1 S. 636 f.; 129 I 161 E. 4.1 S. 170; je mit Hinweisen).

5.3. Die Beschwerdeführerinnen vermögen nicht aufzuzeigen, weshalb durch die
Ortsplanungsrevision resp. den Quartierplan besondere Vertrauensgrundlagen
geschaffen worden sein sollten. Sie räumen denn auch ein, dass die
Ortsplanungsrevision keine Zusicherung für die Überbauung mit Zweitwohnungen
enthalte und dass keine dieser Planungen explizit ausführe, dass die Erzielung
eines ausserordentlichen Erlöses bezweckt werde; doch stelle dieses Ziel, das
nur durch den Bau unbewirtschafteter Zweitwohnungen realisiert werden könne,
eine implizite, rechtswesentliche Grundlage dar.

 Insoweit ist der Folgerung der Vorinstanz zuzustimmen, wonach diese
Bestrebungen zur Gewinnerzielung nicht genügen. Um bei den
Beschwerdeführerinnen eine vertrauensbegründende Erwartung hervorzurufen,
hätten bereits die Planungen eine Nutzung als (unbewirtschaftete)
Zweitwohnungen vorsehen müssen. Dies wird zu Recht aber nicht geltend gemacht
und ist auch nicht ersichtlich. So sehen die Quartierplanvorschriften
beispielsweise bloss vor, dass die Parzelle Nr. xxx soweit erfasst werde, als
sie in der Wohnzone H2 liege (Art. 2). Damit wird unverändert jegliche Nutzung
zu Wohnzwecken erlaubt; eine nähere Aufschlüsselung im Sinne einer
Zweitwohnungsnutzung ist nicht vorgesehen. Der Quartierplan kann somit auch
nicht als baurechtsähnlicher (Vor-) Entscheid (vgl. BGE 116 Ib 185 E. 4b S.
188) über die Erstellung neuer, unbewirtschafteter Zweitwohnungen eingestuft
werden. Ebenso unerheblich ist der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin es
unterliess, den Quartierplan anzufechten, zumal dieser Erstwohnungen nicht
ausschliesst und sie gegen das Baugesuch Einsprache resp. gegen die
Baubewilligung für Zweitwohnungen Beschwerde erhoben hat. Obwohl der
Quartierplan projektbezogen ist und einen gewissen Detaillierungsgrad aufweist,
fällt er nicht unter die Ausnahme von Art. 8 Abs. 1 ZwV. Danach können
Baubewilligungen für neue Zweitwohnungen nach bisherigem Recht gestützt auf
einen projektbezogenen Sondernutzungsplan erteilt werden, wenn dieser vor dem
11. März 2012 genehmigt wurde und die wesentlichen Elemente der Baubewilligung
regelt (vgl. Urteil 1C_439/2014 vom 11. März 2015 E. 3). Der vorliegende
Quartierplan wurde erst am 3. Dezember 2012 und damit nach dem erwähnten
Stichtag genehmigt. Die Vorinstanz hat demnach zu Recht festgehalten, dass
weder die Ortsplanungsrevision noch der Quartierplan rechtsverbindliche
behördliche Zusicherungen für die Überbauung eines Teils der Parzelle Nr. xxx
mit unbewirtschafteten Zweitwohnungen enthalten.

6.

6.1. Die Beschwerdeführerinnen machen schliesslich geltend, die beiden
öffentlich-rechtlichen Verträge aus den Jahren 2008 resp. 2012 stellten
besondere Vertrauensgrundlagen im Sinne von Art. 9 BV dar.

6.2. Öffentlich-rechtliche Verträge sind grundsätzlich gleich wie
privatrechtliche nach Treu und Glauben (Vertrauensprinzip) auszulegen. Einer
Willensäusserung ist der Sinn zu geben, den ihr der Empfänger aufgrund der
Umstände, die ihm im Zeitpunkt des Empfangs bekannt waren oder hätten bekannt
sein müssen, in guten Treuen beilegen durfte und beilegen musste. Das
Bundesgericht prüft die Auslegung öffentlich-rechtlicher Verträge, die sich auf
kantonales Recht stützen, unter dem Blickwinkel des Willkürverbots (vgl. BGE
132 I 140 E. 3.2.4 S. 149; 122 I 328 E. 3a S. 333 f.).

6.3. Die Vorinstanz konnte willkürfrei annehmen, dass es sich bei der ersten
öffentlich-rechtlichen Vereinbarung (vgl. Sachverhalt Bst. A) formell um einen
Vertrag im Sinne von Art. 19 Abs. 3 KRG handelt. Danach können die Gemeinden
mit den Betroffenen vertraglich einen angemessenen Ausgleich festlegen, wenn
planerische Massnahmen zu erheblichen Vor- oder Nachteilen führen. Wie es sich
mit den getätigten Investitionen im Detail verhält, kann vorliegend offen
bleiben, denn aus der Vereinbarung lässt sich keine Zusicherung für den Bau von
Zweitwohnungen ableiten. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen
sollte nicht erst durch die Überbauung mit Zweitwohnungen ein Mehrwert
realisiert werden. Bereits durch die Überführung des Parzellenteils von der
zweiten in die erste Nutzungsetappe war mit einer erheblichen Wertsteigerung zu
rechnen, die abgeschöpft werden sollte (in Ziff. 3 der Vereinbarung wurde ein
Mehrwert von rund Fr. 2'700'000.-- veranschlagt). Ebenso wenig trifft die
Behauptung zu, dass der Parzellenteil erst durch die Einzonung effektiv einer
Wohnnutzung zugeführt worden sei, denn dieser lag bereits vorher in der
Wohnzone 2. Ausserdem beruhte diese Vereinbarung auf Freiwilligkeit. Da sich
der Vertrag mit keinem Wort zum Bau von Zweitwohnungen äussert, konnte er keine
dahingehenden Erwartungen wecken. Die Beteuerungen der Gemeinde, wonach die
Investitionen seitens der Beschwerdeführerinnen im Vertrauen darauf getätigt
worden seien, die eingezonte Fläche mit Zweitwohnungen überbauen zu dürfen,
ändern daran nichts.

6.4. Auch hinsichtlich der zweiten öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die
Verwendung etwaiger Gewinne aus der Veräusserung von unbewirtschafteten
Zweitwohnungen (vgl. Sachverhalt Bst. D) ist die Beurteilung der Vorinstanz
zutreffend, wenn sie darin keine explizite Zusicherung für den Bau solcher
Wohnungen erblickt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen ist ein
Vertrag über die Gewinnverwendung aus dem Zeitwohnungsverkauf nicht
gleichbedeutend mit einer Zusage, die vorgesehenen Zweitwohnungen erstellen zu
dürfen. Zwar besteht zwischen diesen ein gewisser Zusammenhang; der Vertrag ist
aber dem Zweitwohnungsbau nachgelagert und stellt keine Grundlage für diesen
dar. Die Beschwerdeführerinnen müssen sich ferner entgegenhalten lassen, dass
die öffentlich-rechtliche Vereinbarung vom 7. Dezember 2012 einige Monate nach
Inkrafttreten des Art. 75b BV (Art. 195 BV und Art. 15 Abs. 3 des
Bundesgesetzes über die politischen Rechte, BPR; SR 161.1) abgeschlossen wurde.
Von der in dieser Bestimmung festgelegten Plafonierung des Zweitwohnungsbaus,
die klassische Zweitwohnungen wie die hier vorgesehenen verbietet, hatten sie
demnach gewusst. Zudem war sowohl der Entwurf als auch der Inhalt der vom
Bundesrat am 22. August 2012 verabschiedeten Zweitwohnungsverordnung damals
bereits bekannt. Der Vorentscheid des Gemeindevorstands, auf den die
Vereinbarung Bezug nimmt, führt denn auch aus, dass die vorgesehenen
Zweitwohnungen nach den Vorschriften des Entwurfs nicht mehr möglich seien,
selbst wenn die aus dem Verkauf realisierten Erlöse für die Infrastruktur der
Bergbahnen verwendet würden (vgl. Ziff. 11 des Vorentscheids). Der Vorentscheid
legte zudem dar, dass die Möglichkeit der Überbauung mit Zweitwohnungen nur
unter Vorbehalt der einschlägigen bundesrechtlichen Bestimmungen bestehe, wozu
auch Art. 75b BV gehört. Schliesslich beschränkt sich die im Rahmen der
Vereinbarung von der Gemeinde abgegebene Zusage darauf, alles zu unternehmen,
um dem Bauprojekt zum Durchbruch zu verhelfen; insbesondere solle dieses
beförderlich behandelt werden. Angesichts der bestehenden Unsicherheiten und
der formulierten Vorbehalte lässt sich aus der Vereinbarung nach dem Grundsatz
von Treu und Glauben keine begründete Erwartung auf die Realisierung des
Überbauungsprojekts herleiten.

7.

 Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführerinnen die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG) und sie haben der privaten
Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68
BGG). Da vorliegend eine Gehörsverletzung durch das Bundesgericht geheilt
worden ist, rechtfertigt es sich aber, ihnen eine reduzierte Gerichtsgebühr
aufzuerlegen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten werden im Umfang von Fr. 2'000.-- den Beschwerdeführerinnen
auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerinnen haben die Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Disentis/Mustér, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, und dem Bundesamt für
Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. September 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Pedretti

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