Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.35/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 1/2}
                   
1C_35/2015

Urteil vom 28. Oktober 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
Islamischer Zentralrat Schweiz (IZRS),
handelnd durch Nicolas Blancho,
Beschwerdeführer,
und dieser vertreten durch Fürsprecher Michael Burkard,

gegen

Oberamtmann des Saanebezirks,
Reichengasse 51, Postfach 1622, 1701 Freiburg.

Gegenstand
Meinungs- und Versammlungsfreiheit,

Beschwerde gegen das Urteil vom 25. November 2014 des Kantonsgerichts Freiburg,
III. Verwaltungsgerichtshof.

Sachverhalt:

A. 
Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) ist ein Verein mit Sitz in Bern. Laut
Handelsregistereintrag bezweckt er u.a. die aktive Förderung islamischer
Bildungsprojekte in der Schweiz, die aktive Verbreitung von islamischem Wissen
in der Schweiz mit dem Ziel, Vorurteile in der Bevölkerung gegen den Islam
abzubauen und die Konstitution eines islamischen Selbstverständnisses auf der
Basis des Qur'ans, der authentischen Prophetentradition (Sunna) sowie der
klassischen Jurisprudenz (Fiqh) im rechtlichen Rahmen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft.
Am 3. Juni 2014 ersuchte der Präsident des IZRS, Nicolas Blancho, den
Oberamtmann des Saanebezirks um die Bewilligung (Patent K), am 29. November
2014 im Forum Freiburg die Jahreskonferenz 2014 unter dem Motto "Hijra - Beginn
einer Revolution" abzuhalten.
Am 10. November 2014 wies der Oberamtmann das Gesuch ab. Er war zum Schluss
gekommen, die Durchführung der Jahreskonferenz des IZRS, bei welcher
entgeltlich Getränke und Speisen abgegeben würden, bedürfe nach dem Gesetz über
die öffentlichen Gaststätten vom 24. September 1991 (ÖGG) der nachgesuchten
temporären Bewilligung (Patent K), doch seien für deren Erteilung die
Voraussetzungen nicht erfüllt.
Am 25. November 2014 wies das Kantonsgericht des Kantons Freiburg die
Beschwerde des IZRS ab.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der IZRS,
dieses Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben.

C. 
Das Kantonsgericht verzichtet auf eine Stellungnahme und beantragt unter
Verweis auf sein Urteil, die Beschwerde abzuweisen. Der Oberamtmann beantragt,
die Beschwerde abzuweisen.

D. 
Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung hat die Angelegenheit am 28. Oktober
2015 in öffentlicher Sitzung beraten und entschieden.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG)
Entscheid über die Verweigerung eines Gastwirtschaftspatentes; der
Streitgegenstand ist mithin eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne
von Art. 82 lit. a BGG. Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG besteht nicht,
womit die Beschwerde gegeben ist. Der Beschwerdeführer, dem die Bewilligung
verweigert wurde, der die Interessen seiner Mitglieder vertritt und der als
Gesuchsteller bzw. Beschwerdeführer am kantonalen Bewilligungs- und
Beschwerdeverfahren teilgenommen hat, ist zur Beschwerdeführung berechtigt
(Art. 89 Abs. 1 BGG; BGE 136 II 539 E. 1.1 S. 542).
Der Beschwerdeführer verfügt freilich über kein aktuelles Interesse an der
Beurteilung seiner Beschwerde mehr. Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise
auf dieses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen
Umständen jederzeit wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im
Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren
grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (BGE 137 I 23 E.
1.3.1 S. 25 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der
Beschwerdeführer hat ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung, dass ihm
ein Patent für die Durchführung seiner Jahreskonferenz hätte erteilt werden
müssen. Er rügt die Verletzung verschiedener verfassungsmässiger Rechte, was
zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben
zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer wollte seinen Jahreskongress 2014 in den Räumen des
"Forum Freiburg" durchführen, eines Ausstellungs- und Kongresszentrums. Es geht
somit, wovon auch das Kantonsgericht ausgeht, um die Durchführung einer
Veranstaltung eines privatrechtlichen Vereins in den zu diesem Zweck nach
Privatrecht angemieteten Räumlichkeiten eines Ausstellungs- und
Kongresszentrums. Im Streit liegt daher nicht, womit sich die
bundesgerichtliche Praxis bis anhin praktisch ausschliesslich zu beschäftigen
hatte, ob und unter welchen Voraussetzungen sich aus der Versammlungsfreiheit
ein grundrechtlicher Anspruch auf die Benützung von öffentlichem Grund im Sinne
eines gesteigerten Gemeingebrauchs ableiten lässt. Thema des Verfahrens ist
einzig, ob und unter welchen Voraussetzungen es mit der Versammlungsfreiheit
vereinbar ist, eine zwar publikumsoffene, aber von Privaten auf privatem Grund
bzw. in dafür privatrechtlich angemieteten Räumlichkeiten durchzuführende
Veranstaltung zu verbieten.

2.2. Der Beschwerdeführer rügt insbesondere die Verletzung seiner
Versammlungsfreiheit. Diese wird durch Art. 24 der Verfassung des Kantons
Freiburg vom 16. Mai 2004 (KV), Art. 22 BV sowie Art. 11 EMRK und Art. 21
UNO-Pakt II (SR 0.103.2) gewährleistet. Massgebend ist dabei vorab Art. 22 BV
bzw. die Rechtsprechung des Bundesgerichts dazu, da die Garantien von KV, EMRK
und UNO-Pakt II in Bezug auf den Inhalt und den Umfang des Schutzes nicht über
die Gewährleistung der Bundesverfassung hinausgehen. Wie jedes Grundrecht kann
auch die Versammlungsfreiheit nach Massgabe von Art. 36 BV - gestützt auf eine
gesetzliche Grundlage, im öffentlichen Interesse und unter Wahrung der
Verhältnismässigkeit sowie des Kerngehaltes - eingeschränkt werden.

2.3. Das Versammlungsverbot bezweckt die Gewährleistung der öffentlichen
Sicherheit und liegt damit klarerweise im öffentlichen Interesse. Zu prüfen
bleibt daher im Wesentlichen, ob es sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen
kann und verhältnismässig ist.

3. 
Das Kantonsgericht stützt das Versammlungsverbot - bzw. die Verweigerung des
Patentes K - auf das ÖGG, hilfsweise auf die allgemeine Polizeiklausel und das
Gesetz über die Oberamtmänner (vom 20. November 1975).

3.1. Das ÖGG regelt das Hotellerie- und Restaurationsgewerbe; es bezweckt,
nebst der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen
Wohls, u.a. eine ausgewogene Entwicklung des Hotellerie- und
Restaurationsgewerbes, die Jugend zu schützen und gesellschaftliche Kontakte zu
erleichtern (Art. 1). Bewilligungspflichtig ist u.a. die - auch nur kurzzeitige
- entgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken an die Öffentlichkeit zur
Konsumation an Ort und Stelle (Art. 2 Abs. 1 lit. a i.V .m. Art. 14 ÖGG). Die
gastwirtschaftsrechtliche Bewilligungspflicht knüpft somit einzig an die
entgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken zur Konsumation an Ort und Stelle
an. Mit der Ablehnung des Gesuchs des Beschwerdeführers um die Erteilung eines
Patentes K konnte diesem damit formell nur untersagt werden, an seinem
Jahreskongress vom 29. November 2014 im Forum Freiburg die Teilnehmer gegen
Entgelt zu bewirten. Ein Verbot, sich (ohne Bewirtung der Teilnehmer oder mit
einer Bewirtung durch den Betreiber des Kongresszentrums bzw. eines externen
Caterers) zum Jahreskongress im Forum Freiburg zu versammeln, lässt sich
dagegen nicht auf das ÖGG stützen. Gastwirtschaftsrechtliche Kriterien - etwa
Fragen der Lebensmittelhygiene, der Fachkompetenz der für die Verpflegung
Verantwortlichen etc. - spielten für die Verweigerung des Patentes denn auch
keine Rolle. Das Kantonsgericht geht indessen ausdrücklich davon aus, dass mit
der Verfügung des Oberamtmanns, welche es mit dem angefochtenen Entscheid
schützte, nicht nur das Begehren des Beschwerdeführers um Erteilung eines
gastwirtschaftsrechtlichen Patentes verweigert, sondern ihm auch verboten
wurde, seine Jahreskonferenz vom 29. November 2014 im Forum Freiburg
durchzuführen (angefochtener Entscheid S. 3 E. 3a erster Satz). Ein solches
Versammlungsverbot lässt sich nicht auf das ÖGG stützen.

3.2. Nach Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes über die Oberamtmänner ist der
Oberamtmann für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verantwortlich.
Diese Bestimmung bietet dem Oberamtmann eine ausreichende Handhabe, für eine
Versammlung, von der eine unmittelbare und ernsthafte Bedrohung für die
öffentliche Ordnung ausgeht, Auflagen anzuordnen oder sie gegebenenfalls zu
verbieten. Die Bestimmung genügt, jedenfalls zusammen mit der polizeilichen
Generalklausel (unten E. 3.3), als gesetzliche Grundlage für ein solches, rein
polizeilich motiviertes Versammlungsverbot.

3.3. Die polizeiliche Generalklausel kann nach Art. 36 Abs. 1 BV eine fehlende
gesetzliche Grundlage ersetzen und - selbst schwerwiegende - Eingriffe in
Grundrechte legitimieren, wenn und soweit die öffentliche Ordnung und
fundamentale Rechtsgüter des Staates oder Privater gegen schwere und zeitlich
unmittelbar drohende Gefahren zu schützen sind, die unter den konkreten
Umständen nicht anders abgewendet werden können als mit gesetzlich nicht
ausdrücklich vorgesehenen Mitteln; diese müssen allerdings mit den allgemeinen
Prinzipien des Verfassungs- und Verwaltungsrechts, insbesondere dem Grundsatz
der Verhältnismässigkeit, vereinbar sein (BGE 126 I 112 E. 4b S. 118; 121 I 22
E. 4b/aa S. 27 f.; 111 Ia 246 E. 2 und 3a mit Hinweisen). Der Anwendungsbereich
der polizeilichen Generalklausel ist grundsätzlich auf unvorhersehbare Notfälle
beschränkt. Geht es indessen um die Abwehr einer ernsten, unmittelbaren und
nicht anders abwendbaren Gefahr für fundamentale Rechtsgüter im Sinn von Art.
36 Abs. 1 Satz 3 BV, darf der Staat nicht untätig bleiben und seine
Schutzpflichten verletzen, nur weil der Gesetzgeber es unterlassen hat, über
die erforderlichen Massnahmen rechtzeitig zu legiferieren, sondern kann (und
muss) ausnahmsweise gestützt auf die polizeiliche Generalklausel die für die
Gefahrenabwehr notwendigen Massnahmen treffen (BGE 137 II 431 E. 3.3.2 S. 445;
136 IV 97 E. 6.3.2 S. 114; Zusammenfassung der Rechtsprechung im Urteil 2C_166/
2009 vom 30. November 2009, E. 2.3.2.1, in: ZBl 111/2010 S. 469; vgl. zum
Ganzen auch Andreas Zünd/Christoph Errass, Die polizeiliche Generalklausel, in
ZBJV 147/2011 S. 261 ff.).

3.4. Die Einführung einer generellen Bewilligungspflicht für bestimmte
Versammlungen auf privatem Grund, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit
potentiell ernsthaft bedrohen, ist einer gesetzlichen Regelung zugänglich. Die
Thematik war den Freiburger Behörden zudem bekannt, führte der Beschwerdeführer
doch bereits seinen Jahreskongress 2012 im Forum Freiburg durch. Es liegt damit
eine typische und erkennbare Gefährdungslage vor, die von den Freiburger
Behörden trotz Kenntnis der Problematik nicht normiert wurde. Das schliesst es
aus, gestützt auf die Polizeiklausel, deren Anwendung grundsätzlich auf
unvorhersehbare Notfälle beschränkt ist (oben E. 3.3), Versammlungen auf
privatem Grund einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen.
Hingegen bleibt es gestützt auf die polizeiliche Generalklausel möglich, eine
Versammlung in einem konkreten Fall zu verbieten, wenn von ihrer Durchführung
eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, für Leib und
Leben der Teilnehmer oder Dritter ausgeht. Dies wäre etwa der Fall, wenn
konkrete Hinweise auf mögliche unfriedliche Gegendemonstrationen gewaltbereiter
islamfeindlicher Kreise oder radikaler Anhänger abweichender islamischer
Glaubensrichtungen oder ernstzunehmende Terrordrohungen vorlägen (vgl. BGE 107
Ia 292 E. 6 S. 300 f.). Das umstrittene Versammlungsverbot könnte sich unter
solchen Umständen auf die polizeiliche Generalklausel sowie das Gesetz über die
Oberamtmänner (oben E. 3.2) und damit auf eine ausreichende gesetzliche
Grundlage stützen.

4.

4.1. Versammlungen auf privatem Grund dürfen nach Lehre und Praxis
grundsätzlich nicht von einer vorgängig einzuholenden Bewilligung abhängig
gemacht werden und nur aus besonders schwerwiegenden Gründen, bei Vorliegen
einer konkreten Gefahr für die öffentliche Ordnung, verboten werden (BGE 107 Ia
292 E. 6 S. 300; 103 Ia 310 E. 3b; Christoph Errass in: Ehrenzeller et al.
[Hrsg.], St. Galler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung, 3. A. 2014,
N. 71 zu Art. 22; Auer/Malinverni/Hottelier, Droit constitutionnel suisse, vol
II, 3. éd. 2013, N. 697). Unzulässig ist nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung zudem, von den Veranstaltern vorgängig eine Liste aller Redner
einzuverlangen, da dadurch spontane Äusserungen verunmöglicht würden und dies
wie eine Vorzensur wirken könnte, was mit der Meinungsäusserungsfreiheit nicht
vereinbar wäre (BGE 107 Ia 292 E. 4 S. 297 f.).

4.2. Entgegen der unzutreffenden Auffassung des Kantonsgerichts bietet die
Kantonsverfassung keine Handhabe, die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit
stärker einzuschränken als dies die Bundesverfassung zulässt. Nach Art. 24 Abs.
1 KV hat jedermann das Recht, Versammlungen und Demonstrationen zu organisieren
und daran teilzunehmen. Abs. 2 bestimmt, dass Versammlungen und Demonstrationen
auf öffentlichem Grund durch Gesetz einer Bewilligung unterstellt werden
könnten. Nach Abs. 3 sind Versammlungen und Demonstrationen zu bewilligen,
sofern die Interessen der anderen Benützenden nicht unverhältnismässig
beeinträchtigt werden und ein geordneter Ablauf sichergestellt ist.
Das Kantonsgericht geht ohne Begründung davon aus, nach Art. 24 Abs. 3 KV
unterstünden Versammlungen auf privatem Grund generell einer
Bewilligungspflicht (angefochtener Entscheid S. 4 E. 4b). Das ist nicht
nachvollziehbar und mit der angeführten Rechtsprechung nicht vereinbar. Einmal
ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 3 KV, dass er sich auf
Versammlungen auf öffentlichem Grund bezieht, weil er eine Abwägung der
Interessen der Versammlungswilligen mit den Interessen der übrigen potentiellen
Nutzer vorschreibt, was sich nur auf den öffentlichen Grund beziehen kann. Zum
andern unterliegen nach Abs. 2 auch Versammlungen auf öffentlichem Grund nur
insoweit einer Bewilligungspflicht, als dies gesetzlich vorgesehen ist. Eine
generelle, uneingeschränkte Bewilligungspflicht für Versammlungen auf privatem
Grund bzw. in privaten Räumlichkeiten beträfe z.B. auch Mitgliederversammlungen
von Parteien, Jahresversammlungen von lokalen Vereinen oder selbst die
Durchführung von Pfadfinderlagern in Pfadfinderheimen. Eine solche Auslegung
von Art. 24 KV gegen seinen Wortlaut ist mit Sinn und Zweck der Bestimmung
nicht vereinbar; sie ist willkürlich und würde auch der bundesrechtlich
garantierten Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV) widersprechen.

4.3. Das Bundesgericht hat der Versammlungsfreiheit, der als ideelles
Grundrecht in einem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat für die
Meinungsbildung zentrale Bedeutung zukommt, seit jeher, besonders auch in
politisch unruhigen Zeiten, einen hohen Stellenwert beigemessen. So hat es
beispielsweise 1908 die strafrechtliche Verurteilung von Mormonen aufgehoben,
denen vorgeworfen wurde, öffentlich für die Polygamie Propaganda betrieben zu
haben (BGE 34 I 254). 1932 hob es ein Versammlungsverbot der Neuenburger
Regierung gegen den Kommunisten Humbert-Droz auf, welcher in seinen Reden die
bewaffnete Revolution nach bolschewistischem Vorbild befürwortete, bei der das
Blut der Bürgerlichen fliessen sollte (BGE 58 I 54). In beiden Fällen war für
das Gericht entscheidend, dass die Versammlungsteilnehmer nicht direkt zur
Begehung von Gewaltakten oder anderen deliktischen Handlungen aufgefordert
wurden. Auch während der Jura-Unruhen hat das Gericht in Bezug auf die
Versammlungsfreiheit bekräftigt, dass die Freiheit die Regel, deren
Beschränkung die Ausnahme sein muss, und dass das Verbot einer Versammlung in
privaten Räumen nur aus besonders schwerwiegenden polizeilichen Gründen, bei
einer konkreten Gefahr für die öffentliche Ordnung, in Betracht kommt (BGE 107
Ia 292 E. 6 S. 300; 103 Ia 310 E. 3b S. 312). Während der besonders Lausanne
und Zürich betreffenden Jugendunruhen der frühen 80-erJahre hat das
Bundesgericht zwei Demonstrationsverbote geschützt, weil es bei
gleichgelagerten Manifestationen zuvor gehäuft zu Betäubungsmitteldelikten (bei
der "Fête du Cannabis" der Bewegung "Lôzane bouge", BGE 108 Ia 300) bzw. zu
schweren Ausschreitungen (im Rahmen von Demonstrationen der sogenannten Zürcher
Jugendbewegung, BGE 111 Ia 322) gekommen war und die Behörden davon ausgehen
mussten, dass sich die Vorfälle wiederholen würden. Verschiedentlich zu
beschäftigen hatte sich das Bundesgericht mit den Auseinandersetzungen um die
Durchführung des Weltwirtschaftsforums in Davos; dabei hat es anerkannt, dass
sich die Versammlungsfreiheit in Bezug auf Demonstrationen auf öffentlichem
Grund nicht in reinen Abwehrrechten erschöpft, sondern in gewissen Grenzen auch
Leistungselemente beinhaltet, etwa auf Überlassung von öffentlichem Grund und
Gewährung eines ausreichenden Polizeischutzes (BGE 127 I 164 E. 3b; Urteil
1P.53/2001 vom 20. September 2001 E. 3b, in: Pra 2002 Nr. 19 S. 83). Dies hat
das Bundesgericht in seiner neueren Praxis stets bestätigt (BGE 132 I 256 E. 3;
Urteile 1C_225/2012 vom 10. Juli 2013 E. 3.3 und 1C_140/2008 vom 17. März 2009
E. 5, in ZBl 111/2010 S. 42).

4.4. Im Folgenden ist das hier angefochtene Versammlungsverbot auf seine
Verhältnismässigkeit zu überprüfen, und zwar, wie sich aus der dargelegten
Bundesgerichtspraxis ergibt, nach einem strengen, der besonderen Bedeutung der
Versammlungsfreiheit als ideellem Grundrecht gebührend Rechnung tragenden
Massstab.
Das Kantonsgericht nimmt nicht an, dass vom Beschwerdeführer selber bzw. von
den Versammlungsteilnehmern eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und
Sicherheit ausgeht (E. 5f S. 8). Die Jahresversammlung des Beschwerdeführers
2012 führte offenbar zu kleineren Protestdemonstrationen, die indessen keine
ernsthaften Sicherheitsprobleme aufwarfen. Für die Behörden hat sich indessen
die Sicherheitslage seither dramatisch verschärft. Dies soll sich einerseits
aus der allgemeinen Weltlage - etwa dem Aufkommen von islamistischen
Terrorgruppierungen und dem "Islamischen Staat" - und anderseits aus einem
Bericht der Kantonspolizei ergeben. Dieser wurde offenbar in einem versiegelten
Umschlag zu den Akten gereicht. Nach Art. 64 des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 23. Mai 1991 (VRG) ist es zwar
ausnahmsweise zulässig, in einem Verfahren die Akteneinsicht zu verweigern,
wenn ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse dies erfordert.
Solche geheim gehaltene Akten dürfen indessen nur dann zum Nachteil einer
Partei verwendet werden, wenn diese über deren wesentlichen Inhalt unterrichtet
wurde und sie Gelegenheit hatte, sich dazu zu äussern (Art. 65 VRG). Ob und wie
dieser Bericht dem Beschwerdeführer eröffnet wurde, ist nicht ersichtlich. In
den Akten findet sich jedenfalls keine Zusammenfassung des wesentlichen
Inhalts, die es dem Bundesgericht erlauben würde, ihn auf seine Plausibilität
hin zu überprüfen. Unter diesen Umständen muss dieser geheim gehaltene
Polizeibericht für das Bundesgericht unbeachtlich bleiben.

4.5. Damit lässt sich das Versammlungsverbot einzig mit der allgemeinen
Sicherheitslage begründen, die sich in Westeuropa seit der Durchführung des
Jahreskongresses 2012 insbesondere mit dem Aufkommen des "Islamischen Staates"
verschärft haben soll. Diese Einschätzung wurde durch jüngste Ereignisse
bestätigt. Da Terror grenzüberschreitend ausgeübt wird, muss wohl auch für die
Schweiz von einer erhöhten Gefährdung ausgegangen werden. Allerdings sind weder
konkrete Hinweise dafür ersichtlich, dass der Kanton Freiburg davon besonders
betroffen wäre, noch dass von der Durchführung der verbotenen Versammlung eine
unmittelbare Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgegangen wäre, die sich mit
sachdienlichen Auflagen und dem grundrechtlich gebotenen Einsatz polizeilicher
Mittel nicht hätte beherrschen lassen. Damit erweist sich das
Versammlungsverbot als unverhältnismässig.

5. 
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und es ist festzustellen, dass die
Jahresversammlung 2014 des Beschwerdeführers zu Unrecht verboten bzw. ihm das
dafür erforderliche gastwirtschaftsrechtliche Patent unrechtmässig verweigert
wurde.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben, und der Kanton
Freiburg hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine
angemessene Entschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 4, Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG).
Die Kosten des kantonalen Verfahrens stehen fest und können vom Bundesgericht
ohne Rückweisung selber neu verlegt werden. Die Kosten des
(gastwirtschaftsrechtlichen) Bewilligungsverfahrens von Fr. 115.-- hat der
Beschwerdeführer unabhängig von dessen Ausgang zu tragen; sie verbleiben ihm
daher. Das Kantonsgericht hätte die Beschwerde gutheissen müssen, weshalb seine
Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- der Kanton Freiburg zu tragen hat. Es hätte dem
Beschwerdeführer zudem eine angemessene Parteientschädigung zusprechen müssen.
Mit Blick darauf wird im bundesgerichtlichen Verfahren eine höhere
Entschädigung zugesprochen, als das sonst der Fall wäre, womit auf die
Rückweisung der Akten an die Vorinstanz zur neuen Festsetzung der
Entschädigungsfolgen des kantonsgerichtlichen Verfahrens verzichtet werden
kann.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des
Kantonsgerichts vom 25. November 2014 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass
das Kantonsgericht die Durchführung der Jahreskonferenz des Beschwerdeführers
im Forum Freiburg am 29. November 2014 zu Unrecht untersagt hat.

2. 
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.
Der Kanton Freiburg trägt die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens von Fr.
1'000.--.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten der Verfügung des Oberamtmanns des
Saanebezirks vom 10. November 2014 in der Höhe von Fr. 115.--.

3. 
Der Kanton Freiburg hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche und das
vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 4'000.-- zu
bezahlen.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Oberamtmann des Saanebezirks und
dem Kantonsgericht Freiburg, III. Verwaltungsgerichtshof, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 28. Oktober 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi

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