Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.339/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_339/2015

Urteil vom 7. März 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Misic.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Andrin Perl,

gegen

Carrosserie B.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Schmid,

Stadt Chur, Poststrasse 33, Postfach 660, 7002 Chur.

Gegenstand
Baueinsprache,

Beschwerde gegen das Urteil vom 20. Mai 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 5. Kammer.

Sachverhalt:

A. 
Am 5. September 2014 stellte die Einzelfirma Carrosserie B.________ bei der
Stadt Chur ein Baugesuch. Danach soll die bestehende Reparatur-Werkstatt auf
der Parzelle Nr. 2455 an der Kasernenstrasse 37 in Chur abgebrochen und ein
Mehrfamilienhaus gebaut werden. Das Grundstück steht im Eigentum des
Einzelfirmainhabers C. B.________ und befindet sich gemäss Zonenplan in der
Gemischten Zone G4.
Die Eigentümerin der benachbarten Parzelle 2454, A.________, erhob gegen das
Baugesuch am 30. September 2014 Einsprache. Sie machte geltend, beim geplanten
Bauprojekt sei die Westfassade unzutreffenderweise als Hauptfassade festgelegt
worden. Damit seien die Grenz- und Gebäudeabstände nicht eingehalten. Am 2.
Dezember 2014 wies der Stadtrat von Chur die Einsprache ab und erteilte die
Baubewilligung. Diesen Entscheid focht A.________ am 26. Januar 2015 mit
Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden an. Am 11. Mai 2015
führte dieses in Anwesenheit der Parteien einen Augenschein vor Ort durch. Mit
Urteil vom 20. Mai 2015 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.

B. 
Mit Eingabe vom 22. Juni 2015 erhebt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt die vollumfängliche
Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts. Eventualiter sei die
Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, oder es sei
das Baugesuch vollumfänglich abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht, die Stadt Chur und die Beschwerdegegnerin schliessen
auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die
Beschwerdeführerin hält in ihrer Replik an ihren Anträgen fest.
Mit Verfügung vom 14. August 2015 hat der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch von A.________
um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, der eine
Baubewilligung bestätigt. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d
und 90 BGG). Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren
teilgenommen und ist als unmittelbare Nachbarin von der Baubewilligung
besonders betroffen. Damit ist sie zur Beschwerdeführung berechtigt (Art. 89
Abs. 1 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.3.1 f. S. 252 f.). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich
einzutreten.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht und kantonalen verfassungsmässigen
Rechten geltend gemacht werden (Art. 95 lit. a-c BGG). Die Verletzung des
übrigen kantonalen Rechts kann (abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen)
vor Bundesgericht nicht gerügt werden. Zulässig ist jedoch die Rüge, die
Anwendung dieses Rechts führe zu einer Verletzung von Bundesrecht, namentlich
des Willkürverbots (Art. 9 BV; BGE 138 I 143 E. 2 S. 149 f.). Nach ständiger
Praxis liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht
bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere
Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (
BGE 141 I 70 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung
kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG).

1.4. Im bundesgerichtlichen Verfahren dürfen neue Tatsachen und Beweismittel
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Dabei hat die Partei, die sich auf diese
Ausnahmeregel beziehen will, klar aufzuzeigen, dass die gesetzlichen
Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil 2C_937/2012 vom 31. Mai 2013 E. 2.3). Dies
ist in Bezug auf das Besonnungsdiagramm, dass die Beschwerdeführerin erstmals
vor Bundesgericht ins Recht legt, nicht der Fall. Die Vorinstanz hat die Frage
der Besonnung nicht neu aufgeworfen. Diese war bereits im
Baueinspracheverfahren und im Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht
thematisiert worden. Darauf ist nicht einzutreten.

1.5. Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Bezüglich der
Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gilt eine qualifizierte Rügepflicht.
Das Bundesgericht tritt auf solche Rügen nur ein, wenn sie in der Beschwerde
präzise vorgebracht und begründet worden sind (Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art.
106 Abs. 2 BGG). Wird eine Verletzung des Willkürverbots geltend gemacht, muss
anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern
der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (vgl.
BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Auf Rügen, mit denen bloss allgemein gehaltene,
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geübt wird, tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262; 136 II 489 E. 2.8; 137 V
57 E. 1.3 S. 60; je mit Hinweisen).
Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge der Gehörsverletzung (Art. 29 Abs.
2 BV) ist nicht rechtsgenüglich substanziiert und erfüllt insoweit die
Anforderungen der Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG nicht. Es
genügt nicht, wenn die Beschwerdeführerin lediglich behauptet, die Vorinstanz
habe ihre Begründungspflicht verletzt. Dies ist mit Blick auf den ausführlich
begründeten Entscheid auch nicht ersichtlich. Darauf ist nicht einzutreten.

1.6. Das Verwaltungsgericht hat einen Augenschein durchgeführt. Die Sachlage
ist ausführlich dokumentiert (vgl. Protokoll des Augenscheins vom 11. Mai 2015
mit Fotoaufnahmen). Damit erübrigt sich eine erneute Besichtigung der Parzelle
Nr. 2455 sowie der direkt angrenzenden Grundstücke. Die Stellung der
Nachbargebäude (insbesondere die von der Beschwerdeführerin erwähnten Parzellen
Nr. 2722 [recte wohl: 2721], 3618 und 6500) ergibt sich bereits aus dem in den
Akten liegenden Katasterplan zur Baueingabe und lässt sich (in Bezug auf die
Parzellen Nr. 2465 und 6233) durch Konsultation des öffentlich zugänglichen
digitalen Grundbuchplans der Stadt Chur eruieren. Aus diesen Gründen ist im
bundesgerichtlichen Verfahren kein weiterer Augenschein vorzunehmen. Der
entsprechende Antrag der Beschwerdeführerin ist daher abzuweisen.

2.

2.1. Art. 64 Abs. 1 des Baugesetzes der Stadt Chur vom 26. November 2006
(Gesetzessammlung Nr. 611; BauG/Chur) definiert den Grenzabstand bei Gebäuden,
die den gewachsenen Boden überragen, als die kürzeste, waagrecht gemessene
Entfernung zwischen der Umfassungswand des Gebäudes und der Grundstücksgrenze.
Nach Art. 57 BauG/Chur ist zwischen dem vorderen, hinteren und seitlichen
Grenzabstand zu unterscheiden. Gemäss Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BauG/Chur ist der
vordere Grenzabstand von der Hauptfassade aus zu ermitteln. Diese bestimmt sich
in erster Linie aufgrund der Haupträume und im Zweifel aufgrund der Stellung
der Nachbargebäude sowie der topographischen Lage (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BauG/
Chur).

2.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 64 Abs. 2 BauG/Chur
willkürlich ausgelegt. Das Verwaltungsgericht hätte die Südfassade (und nicht
die Westfassade) des geplanten Mehrfamilienhauses als Hauptfassade bezeichnen
müssen.

2.3. Die Vorinstanz verweist auf ihre Rechtsprechung, wonach als Haupträume
nicht ohne Weiteres alle dem Wohnen, Arbeiten und Schlafen dienenden Räume zu
verstehen seien. Massgebend seien vielmehr jene Räume, die von den Bewohnern am
häufigsten benützt würden. Als Haupträume resp. Hauptwohnräume i.S.v. Art. 64
Abs. 2 Satz 2 BauG/Chur seien grundsätzlich nur Wohn- und Esszimmer sowie
andere Aufenthaltsorte zu qualifizieren.

2.4. Die Beschwerdeführerin wendet im Wesentlichen ein, die von der Vorinstanz
vertretene Definition des Hauptwohnraums sei "völlig technisch" und "zu eng
gedacht". Sie beruhe auf einer falschen Sachverhaltsfeststellung und entspreche
auch nicht mehr einem modernen Verständnis des Wohnens. In der heutigen
Wohngesellschaft seien nicht nur die dem Wohnen, Essen und Kochen dienenden
Räumlichkeiten, sondern auch die übrigen Räume (Kinder-, Studier-, Arbeits-
oder Schafzimmer) als Haupträume i.S.v. Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BauG/Chur zu
qualifizieren. Diese Zimmer seien im Erdgeschoss und dem ersten bis dritten
Obergeschoss gleichmässig entlang der Süd- und Nordfassade verteilt, während
die Nebenräume (Bäder, Duschen, Korridore, Personenlift und Treppenhaus) mitten
im Gebäude angeordnet seien. Werde nach Laufmetern gemessen, so seien diese so
bezeichneten Hauptwohnräume schwergewichtig an der Südfassade festzustellen.
Die entsprechenden Laufmeter seien an der Westfassade (verglichen mit der
Südfassade) geringer. Sodann seien die Balkone resp. Gartenterrassen im
Erdgeschoss in den vier Gebäudeecken angeordnet und verfügten über einen
grossen Gartenraum, der sich insbesondere entlang der Süd- und der Ostfassade
erstrecke. Die Balkone in den drei darüber liegenden Geschossen seien ebenfalls
in den vier Gebäudeecken angeordnet und würden daher auch in je zwei
Himmelsrichtungen weisen. Zudem seien die Hauptwohnräume im Attikageschoss
hauptsächlich nach Süden ausgerichtet. Die Gebäudeöffnungen seien
schwergewichtig auf der Südseite (40 Türen mit zweiflügeliger Ausführung) sowie
der Nordseite (grosser Eingangsbereich zum Treppenhaus im Erdgeschoss)
auszumachen, während in der West- und Ostfassade je 24 zweiflügelige Türen
vorhanden seien. Im Ergebnis sei daher die Südfassade zweifelsfrei als
Hauptfassade zu betrachten.

2.5. Dagegen sieht die Vorinstanz keinen Anlass, von ihrer Praxis abzuweichen,
zumal die Beschwerdeführerin die von ihr behauptete Rechtsauslegung unbelegt
gelassen habe. Nicht zu hören sei daher ihr Vorbringen, Art. 64 Abs. 2 Satz 2
BauG/Chur umschreibe "bloss den Kerngehalt" zur Ermittlung der Hauptfassade,
weshalb im Rahmen einer "Gesamtwürdigung sämtliche geeigneten Kriterien"
einzubeziehen seien. Gleiches gelte für ihren Versuch, mit der Fassadenlänge
oder mit der Anzahl Gebäudeöffnungen zu argumentieren und die Nordfassade
aufgrund der Erschliessungssituation als "hinten" und die Südfassade deshalb
als "vorne" zu qualifizieren. Aus der Lage von Gartensitzplätzen, Balkonen und
Dachterrassen, welche allesamt in gewissem Ausmass in mehrere Richtungen zeigen
und von den Parteien sehr unterschiedlich interpretiert würden, wären auch dann
keine zwingenden Schlüsse zu ziehen, wenn deren Ausrichtung für die Bestimmung
der Hauptfassade relevant wäre.

2.6.

2.6.1. Da es um die Anwendung kantonalen Rechts geht, obliegt die
Rechtsauslegung in erster Linie den kantonalen Behörden. Diese beschränken den
Begriff des Hauptraums i.S.v. Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BauG/Chur auf das Wohn- und
Esszimmer sowie andere Aufenthaltsorte. Diesbezüglich können sie auf eine
Gerichtspraxis verweisen, die der Beschwerdeführerin bekannt sein dürfte (vgl.
Urteile des Verwaltungsgerichts Graubünden R 11 42 vom 14. Juli 2011 und R 13
133 vom 1. Oktober 2013 E. 6b; je mit Hinweis). Auch in Gemeinden mit
vergleichbaren gesetzlichen Grundlagen behandelt die Rechtsprechung die Fälle
in gleicher Weise (vgl. HANS HAGMANN, Kommentar zur Bauordnung der Stadt Zug,
1998, Rz. 3 zu § 19 S. 50).

2.6.2. Den Akten ist zu entnehmen, dass der projektierte Neubau auf den ersten
vier Stockwerken sowohl im Osten als auch im Westen über je zwei Hauptwohnräume
verfügt, im Attikageschoss über je einen Hauptwohnraum (im Osten und im
Westen). Hinsichtlich der Anordnung der Haupträume enthält die Ost- und
Westseite des geplanten Mietshauses auf den ersten vier Stockwerken
ausschliesslich Haupträume. Dagegen befinden sich auf der Süd- und Nordseite
auf einer grösseren Länge lediglich Zimmer und (auf der Nordseite im
Erdgeschoss) die Erschliessung des Gebäudes. Entgegen der Ausführungen der
Beschwerdeführerin kann von einer gleichmässigen Verteilung der Haupträume in
allen Stockwerken entlang der Aussenfassaden keine Rede sein. Einzig im
Attikageschoss kann der ostseitige Hauptraum aufgrund des Balkons als
mehrheitlich nach Süden ausgerichtet betrachtet werden. Der westseitige
Hauptraum ist angesichts der grosszügigen Fenster- und Türöffnungen jedoch nach
Westen ausgerichtet, auch wenn sich die Dachterrasse sowohl über die gesamte
West- als auch die gesamte Südfassade erstreckt. Zwar ist der
Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass man von den an den Gebäudeecken
angeordneten Terrassen resp. Balkonen in alle Himmelsrichtungen blicken kann.
Dennoch erscheint es aufgrund der Situierung der Haupträume nicht als
willkürlich, die Westfassade als Hauptfassade zu qualifizieren. Im Übrigen ist
es auch nicht willkürlich, die Westausrichtung gegenüber der baulich ähnlichen
Ostausrichtung zu bevorzugen, zumal sich die Erschliessungsachse mit Lift und
Treppenhaus tendenziell im östlichen Gebäudeteil befindet und die flächenmässig
grösseren Hauptwohnungsräume im westlichen Teil liegen.

2.6.3. Es liegt auch kein Zweifelsfall vor, wie die Vorinstanz zutreffend
feststellt, weshalb auf deren Eventualbegründung unter Berücksichtigung der
Hilfskriterien von Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BauG/Chur (Stellung der Nachbargebäude
und die topographische Lage) nicht näher eingegangen werden muss.

2.6.4. Damit erweist sich die vorinstanzliche Qualifikation der Westfassade als
Hauptfassade als nicht offensichtlich falsch oder schlechthin unhaltbar.
Weshalb die Vorinstanz diesbezüglich in Willkür verfallen sein soll, ist nicht
ersichtlich, zumal die Beschwerdeführerin vornehmlich appellatorische Kritik
übt und es dabei belässt, den Erwägungen der Vorinstanz bloss ihre eigene Sicht
der Dinge entgegenzusetzen, ohne aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene
Entscheid willkürlich und im Ergebnis unhaltbar sein soll. Für das
Bundesgericht besteht im Rahmen einer Willkürprüfung (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17
f.; 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen) daher kein Anlass, von der
Beurteilung des Verwaltungsgerichts abzuweichen.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die geltenden
Abstandsvorschriften (Grenzabstand und Gebäudeabstand) seien "in jedem Fall"
verletzt.

3.2. Die Vorinstanz hat festgehalten, dass sämtliche Grenzabstände entweder
eingehalten wurden, oder - wo dies nicht der Fall war - schriftliche
Näherbaurechtsvereinbarungen vorlägen und keine überwiegenden öffentlichen
Interessen tangiert seien.

3.3. Die Beschwerdeführerin nennt keine Gründe, welche die vorinstanzlichen
Feststellungen in Bezug auf den Grenzabstand willkürlich erscheinen lassen.
Solche sind auch nicht ersichtlich. Wie bereits ausgeführt, ist die Westfassade
als Hauptfassade zu betrachten. Damit ist für die Südfassade der seitliche
Grenzabstand von 5 m massgebend (Art. 57 BauG/Chur). Die Gebäudelänge des
projektierten Mehrfamilienhauses beträgt auf der Südseite 28.11 m. In diesem
Fall ist aufgrund der Gebäudelänge von über 15 m ein Mehrlängenzuschlag
vorzunehmen (Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BauG/Chur). Die Parteien stimmen überein,
dass dieser 2.62 m beträgt. Der seitliche Grenzabstand gegenüber dem Grundstück
Nr. 2454 der Beschwerdeführerin ist eingehalten und entspricht exakt den
gesetzlich vorgeschriebenen 7.62 m. Von der West- und Ostfassade aus werden die
Grenzabstände von 11 m (vorne) bzw. 7 m (hinten) mit 14.13 m bzw. 7.03 m
ebenfalls eingehalten.
Soweit die gesetzlichen Grenzabstände zu Nachbargrundstücken Dritter
unterschritten werden, ist auf Art. 77 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes für den
Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) zu verweisen. Danach kann die kommunale
Baubehörde Unterschreitungen der gesetzlich festgelegten Bauabstände
bewilligen, wenn eine Vereinbarung zwischen den Betroffenen vorliegt und keine
überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Mit den Eigentümern der
Grundstücke Nr. 2721 und Nr. 3618 bestehen schriftliche Vereinbarungen. Die
Parzelle Nr. 6726 steht im Eigentum der Beschwerdegegnerin, weshalb keine
Vereinbarung erforderlich ist. Im Rahmen der Interessenabwägung hat die
Vorinstanz ausgeführt, die Zufahrt zum geplanten Bauprojekt sei für Rettungs-
und Brandbekämpfungseinsätze ausreichend. Mit Blick auf gesundheitspolizeiliche
Interessen werden der Lichteinfall, die Fernsicht und der Bewegungsfreiraum der
Beschwerdeführerin nicht massgeblich beeinträchtigt. Zwischen ihrem Haus und
der geplanten Baute werde zudem eine beachtliche Grünfläche erstellt werden.
Angesichts der sorgfältigen Begründung der Vorinstanz kann die
Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht bloss vorbringen, das beabsichtigte
Bauvorhaben negiere die entgegenstehenden öffentlichen Interessen "in einem
nicht mehr zu tolerierenden Mass". Sie kann es nicht bei der Forderung
belassen, dem öffentlich-rechtlichen Interesse müsse Genüge getan werden. Der
pauschale Hinweis auf das öffentliche Interesse an ausreichender Belichtung,
Besonnung, Wohn- und Arbeitshygiene, sowie auf Forderungen der Ortsplanung und
dem ausreichendem Schutz von Mietern respektive Nutzern genügt nicht. Damit
vermag die Beschwerdeführerin nicht darzulegen, inwieweit die vorinstanzlichen
Ausführungen qualifiziert unrichtig sein sollen.

3.4. Gemäss Art. 64 Abs. 3 BauG/Chur entspricht der Gebäudeabstand der Summe
der beiden gesetzlichen Grenzabstände. Nach der Praxis der Vorinstanz bemisst
sich der neurechtliche Gebäudeabstand gegenüber Altbauten, die den
zonengemässen Grenzabstand nicht einhalten, jedoch aus der Summe des
tatsächlichen Grenzabstands der Altbaute und dem in der Bauzone geltenden
Grenzabstand der Neubaute, sofern nicht zu Gunsten der Altbaute ein
Näherbaurecht besteht oder ein überwiegendes öffentliches Interesse die
Einhaltung des neurechtlichen Gebäudeabstands gebietet (PVG 2010 Nr. 23). Aus
dieser Rechtsprechung folgt, dass gegenüber Altbauten, die zu nahe an der
Grenze stehen, lediglich der gesetzliche Grenzabstand einzuhalten ist (vgl.
auch Urteil 1C_199/2010 vom 30. Juni 2010 E. 3.2). Wie die Vorinstanz ausführt,
sind diese Voraussetzungen beim vorliegenden Bauvorhaben erfüllt. Die Rüge der
Beschwerdeführerin, wonach die altrechtlichen Gebäude auf den
Nachbargrundstücken Nr. 6726 und Nr. 3618 die massgeblichen (heutigen)
Gebäudeabstände nicht einhielten, ist nicht rechtsgenüglich substantiiert.

4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der anwaltlich
vertretenen privaten Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die in ihrem amtlichen Wirkungskreis
handelnde Gemeinde hat keinen Anspruch auf eine solche Entschädigung (Art. 68
Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Stadt Chur und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. März 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Misic

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