Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.322/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 1/2}
                   
1C_322/2015

Urteil vom 19. August 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Verfahrensbeteiligte
Stefan Thöni,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zug, Regierungsgebäude am Postplatz,
Seestrasse 2, Postfach 156, 6301 Zug.

Gegenstand
NR/CN-2015 - Gesamterneuerungswahl des Nationalrates vom 18. Oktober 2015,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 9. Juni 2015
des Regierungsrats des Kantons Zug.

Sachverhalt:

A. 
Im Amtsblatt vom 29. Mai 2015 schrieb die Staatskanzlei des Kantons Zug die
Nationalratswahl vom 18. Oktober 2015 für die Amtsperiode 2016-2019 aus. Im
Ausschreibungstext wird unter anderem festgehalten, dass drei Mitglieder für
den Nationalrat zu wählen sind, dass der Kanton Zug einen Wahlkreis bildet und
dass die Wahl im Proporzverfahren stattfindet.

B. 
Mit Eingabe vom 1. Juni 2015 erhob Stefan Thöni beim Regierungsrat des Kantons
Zug Wahlbeschwerde gegen die Gesamterneuerungswahl des Nationalrates. Er
beantragte, dass die Nationalratswahl nach dem Verfahren des Doppelproporzes zu
erfolgen habe bzw. eventuell festzustellen sei, dass die erfolgte Ausschreibung
der Nationalratswahl im Punkt der Sitzverteilung rechtswidrig sei. Am 9. Juni
2015 trat der Regierungsrat des Kantons Zug auf die Beschwerde nicht ein.

C. 
Am 15. Juni 2015 reichte Stefan Thöni eine als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und ergänzende subsidiäre
Verfassungsbeschwerde bezeichnete elektronische Eingabe beim Bundesgericht ein.
Darin stellt er den Hauptantrag, den Entscheid des Regierungsrates des Kantons
Zug aufzuheben und diesen anzuweisen, "die erfolgte Ausschreibung der
Nationalratswahl dahingehend zu korrigieren, dass die Nationalratswahl nach dem
Verfahren des Doppelproporzes erfolgt"; eventuell sei unter Aufhebung des
regierungsrätlichen Entscheides festzustellen, dass die erfolgte Ausschreibung
"im Punkt der Sitzverteilung rechtswidrig" sei; subeventuell sei die
Angelegenheit zu neuer Entscheidfindung an den zugerischen Regierungsrat
zurückzuweisen. Jedenfalls sei festzustellen, dass das Sitzzuteilungsverfahren
zur Nationalratswahl 2015 vor dem Völkerrecht nicht standhalte, und es sei der
Gesetzgeber aufzufordern, ein völkerrechtskonformes Wahlrecht zu schaffen. In
prozessualer Hinsicht wurde um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ersucht.

 Zur Begründung führt Stefan Thöni im Wesentlichen aus, der Entscheid des
Regierungsrates des Kantons Zug verstosse gegen das Menschenrecht der freien
und gleichen Wahl bzw. der korrekten Berücksichtigung politischer Minderheiten
bei Wahlen in öffentliche Ämter nach Art. 25 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1
UNO-Pakt II. Für kleinere Parteien sei es im Kanton Zug praktisch aussichtslos,
einen Vertreter ins nationale Parlament zu wählen, weil das natürliche Quorum
für die Nationalratswahl im Kanton Zug mit seinen drei Sitzen 25 % betrage. Im
Kanton Zürich sei das natürliche Quorum mit 2,86 % fast zehnmal tiefer, was auf
eine unzulässige Ungleichbehandlung der Wahlberechtigten nach dem Wohnort und
der politischen Anschauung hinauslaufe. Die fraglichen Bestimmungen des
UNO-Pakts II seien direkt anwendbar und für die schweizerischen Behörden auch
dann beachtlich, wenn das Bundesgesetzesrecht damit nicht im Einklang stünde.
Da die Verfassung die Kantone als Wahlkreise vorschreibe und Wahlkreisverbände
der föderalen Struktur der Schweiz nicht entsprächen, biete sich als
naheliegendste Möglichkeit das System des Doppelproporzes an. Ergänzend wird
eine formelle Rechtsverweigerung geltend gemacht, weil der Regierungsrat auf
die bei ihm erhobene Beschwerde nicht eingetreten ist.

D. 
Die Bundeskanzlei beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten bzw. sie
eventuell abzuweisen. Der Kanton Zug verzichtete auf eine Stellungnahme. Ebenso
verzichtete Stefan Thöni darauf, sich nochmals zur Sache zu äussern.

E. 
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 10. Juli 2015 wies der
Instruktionsrichter der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts
das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab.

F. 
Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat am 19. August
2015 in einer öffentlichen Beratung über die Beschwerde entschieden.

Erwägungen:

1.

1.1. Nach Art. 77 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die
politischen Rechte (BPR; SR 161.1) kann bei der Kantonsregierung unter anderem
Beschwerde geführt werden wegen Verletzung des Stimmrechts
(Stimmrechtsbeschwerde; lit. a) und wegen Unregelmässigkeiten bei der
Vorbereitung und Durchführung der Nationalratswahlen (Wahlbeschwerde; lit. c).
Gegen den Entscheid des kantonalen Regierungsrates steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 80 Abs. 1 BPR in Verbindung
mit Art. 82 lit. c und Art. 88 Abs. 1 lit. b BGG).

1.2. Die Ausschreibung der Nationalratswahl im Kanton Zug durch die kantonale
Staatskanzlei betrifft eine Vorbereitungshandlung zur Gesamterneuerungswahl des
Nationalrates vom 18. Oktober 2015. Mängel von Vorbereitungshandlungen im
Vorfeld von Wahlen sind nach der Rechtsprechung sofort und vor Durchführung des
Urnenganges zu rügen (Urteil des Bundesgerichts 1C_127/2010 vom 20. Dezember
2010 E. 3.1, nicht publ. in BGE 136 I 376, mit Hinweisen). Diese Voraussetzung
ist im vorliegenden Fall erfüllt, weshalb die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als Stimmrechtsbeschwerde zulässig ist.
Damit erweist sich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG
als ausgeschlossen, weshalb auf die vorliegende Beschwerde insoweit nicht
eingetreten werden kann, als der Beschwerdeführer ergänzend die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde erhebt.

1.3. Da jede stimm- bzw. wahlberechtigte Person zur Beschwerde zugelassen ist
(vgl. Art. 89 Abs. 3 BGG sowie BGE 130 I 292 E. 1.2), steht dem im Kanton Zug
stimmberechtigten Beschwerdeführer unabhängig davon, ob er selbst Kandidat ist,
die Beschwerdelegitimation zu (vgl. im Zusammenhang mit den Nationalratswahlen
das Urteil des Bundesgerichts 1C_521/2011 vom 23. November 2011 E. 1.1, nicht
publ. in BGE 138 II 13).

1.4. Mit der Beschwerde an das Bundesgericht kann, von hier nicht
interessierenden weiteren Möglichkeiten abgesehen, die Verletzung von
Bundesrecht und von Völkerrecht gerügt werden (vgl. Art. 95 lit. a und b BGG).
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG),
prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf
Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern geltend gemacht und
begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die
Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). In Wahl- und
Stimmrechtsangelegenheiten entscheidet das Bundesgericht mit freier Kognition
(vgl. BGE 139 I 292 E. 5.2 S. 295).

1.5. Sachverhaltsrügen erhebt der Beschwerdeführer nicht. Auch sind
massgebliche Mängel im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG nicht ersichtlich. Damit
erweisen sich die im angefochtenen Entscheid enthaltenen tatsächlichen
Feststellungen des Regierungsrates als für das Bundesgericht verbindlich (Art.
105 Abs. 1 BGG).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine formelle Rechtsverweigerung nach Art. 29
Abs. 1 und 2 BV, weil der Regierungsrat auf die bei ihm erhobene Beschwerde
nicht eingetreten ist.

2.2. Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen
Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung, auf Beurteilung innert
angemessener Frist sowie auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV). Eine
Gehörsverletzung im Sinne einer formellen Rechtsverweigerung liegt nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn eine Behörde auf eine ihr frist-
und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber
entscheiden müsste. In welcher Form und in welchem Umfang die diesbezüglichen
Verfahrensrechte zu gewährleisten sind, lässt sich nicht generell, sondern nur
im Hinblick auf den konkreten Fall beurteilen (vgl. BGE 134 I 229 E. 2.3 S. 232
f. mit Hinweisen).

2.3. Der Regierungsrat des Kantons Zug hielt in E. 4 des angefochtenen
Entscheides im Wesentlichen fest, die Staatskanzlei habe gestützt auf § 29 des
zugerischen Wahl- und Abstimmungsgesetzes vom 28. September 2006 (WAG; BGS
131.1) die Erneuerungswahlen für den Nationalrat vom 18. Oktober 2015
(Amtsperiode 2016-2019) im Amtsblatt vom 29. Mai 2015 ausgeschrieben. Die bei
ihm eingereichte Beschwerde richte sich inhaltlich gegen das
Sitzzuteilungsverfahren bei den Nationalratswahlen überhaupt. Die
Wahlausschreibung gebe nur die einschlägigen rechtlichen Vorgaben des
Bundesrechts wieder, so namentlich die notwendigen Angaben zur Vorbereitung und
Durchführung der Nationalratswahlen wie die Anzahl der Mandate, die Grösse des
Wahlkreises, das Datum der Wahl usw. Ein eigentlicher inhaltlicher Zusammenhang
zwischen der behaupteten Stimmrechtsverletzung und der Wahlausschreibung liege
nicht vor. Mangels Anfechtungsobjekts könne daher auf die Beschwerde insoweit
nicht eingetreten werden. Auch das damals erhobene Eventualbegehren auf
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nationalratswahlen habe denselben Gehalt.
Angesichts des gesamtschweizerischen Sachverhalts müsste der Zuger
Regierungsrat einen Feststellungsentscheid über die behauptete Rechtswidrigkeit
des Sitzzuteilungsverfahrens bei der Nationalratswahl treffen, wofür er nicht
zuständig sei.

2.4. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung fällt in eidgenössischen
Stimmrechtsangelegenheiten die direkte Beschwerde an das Bundesgericht auch
dann ausser Betracht, wenn Unregelmässigkeiten in Frage stehen, die nicht auf
das Gebiet eines Kantons beschränkt sind (BGE 137 II 177 E. 1.2.3 S. 180 f. mit
Präzisierung von BGE 136 II 140 E. 2.5.3 S. 141). Gestützt auf Art. 77 BPR sind
denn auch bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen alle die Verletzung des
Stimm- und Wahlrechts betreffenden Beschwerden zunächst bei der
Kantonsregierung zu erheben. Dies gilt nicht anders, wenn die angerufene
Kantonsregierung für die Behandlung der vorgebrachten Rügen nicht zuständig
ist, namentlich weil sie Rechtsfragen beschlagen, die über das Gebiet des
fraglichen Kantons hinausreichen. In einer gegen den Entscheid der
Kantonsregierung gerichteten Beschwerde lassen sich aber in der Folge mit Blick
auf Art. 29 und 29a BV dem Bundesgericht auch Rügen unterbreiten, welche die
Kantonsregierung mangels Zuständigkeit nicht behandeln konnte, sofern sie auf
kantonaler Ebene bereits aufgeworfen wurden. Dabei können sowohl das
Nichteintreten als auch der inhaltliche Entscheid der Kantonsregierung
angefochten sowie die im kantonalen Verfahren aufgeworfenen Fragen nochmals
gestellt werden, auf welche die Kantonsregierung mangels Zuständigkeit nicht
eintreten konnte (vgl. BGE 137 II 177 E. 1.2.3 S. 180 f.). Diese für
eidgenössische Abstimmungen ergangene Rechtsprechung muss gleichermassen für
die Nationalratswahlen gelten.

2.5. In Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung trat der
Regierungsrat des Kantons Zug auf die bei ihm erhobene Beschwerde nicht ein,
soweit damit Fragen aufgeworfen wurden, deren Tragweite sich nicht auf das
Gebiet des Kantons Zug beschränkte. Die ergänzende Begründung des zugerischen
Regierungsrates, die Wahlausschreibung bilde kein Anfechtungsobjekt im
kantonalen Beschwerdeverfahren, ist unzutreffend, da die Wahlausschreibung eine
Vorbereitungshandlung zu den Wahlen darstellt, die aufgrund dieses engen
Sachzusammenhanges als solche anfechtbar ist. Dies zeitigt im vorliegenden Fall
jedoch keine Auswirkungen auf den Verfahrensausgang. Auf die einzig
vorgebrachten Rügen hinsichtlich der Zulässigkeit des gesamteidgenössischen
Wahlsystems hätte der kantonale Regierungsrat nämlich ohnehin nicht eintreten
können. Hingegen kann der Beschwerdeführer nunmehr alle bei der
Kantonsregierung aufgeworfenen Fragen dem Bundesgericht unterbreiten. Die
Wahlausschreibung als Vorbereitungshandlung bietet dafür die
Beschwerdegrundlage (vgl. vorne E. 1.2). Die prozessualen Rechte des
Beschwerdeführers wurden demnach im Ergebnis nicht beschnitten. Insgesamt
verweigerte die Kantonsregierung dem Beschwerdeführer das Recht nicht und
verstiess insbesondere nicht gegen Art. 29 BV.

3.

3.1. In den letzten Jahren prüfte das Bundesgericht verschiedentlich kantonale
oder kommunale Wahlsysteme auf Übereinstimmung mit dem sich aus Art. 34 BV
ergebenden Prinzip der Wahlrechtsgleichheit bzw. Erfolgswertgleichheit. Es
gelangte dabei zum Ergebnis, dass natürliche Quoren, welche die Limite von 10 %
übersteigen, in einem kantonalen Proporzwahlverfahren grundsätzlich unzulässig
sind (vgl. etwa BGE 140 I 107, 394; 139 I 195; Urteil des Bundesgerichts 1C_369
/2014 vom 28. November 2014 in: ZBl 116/2015 S. 77). Als Alternativen bieten
sich verschiedene Möglichkeiten wie die Einführung eines Einheitswahlkreises,
die Einrichtung von Wahlkreisverbänden oder die Anwendung eines Doppelproporzes
(insbesondere nach Prof. Pukelsheim, sog. "doppelter Pukelsheim") an.

3.2. Die Nationalratswahlen sind in der Bundesverfassung und im Bundesgesetz
über die politischen Rechte geregelt. Nach Art. 149 Abs. 2 BV werden die
Abgeordneten im Nationalrat vom Volk in direkter Wahl nach dem Grundsatz des
Proporzes bestimmt, wobei alle vier Jahre eine Gesamterneuerung stattfindet.
Jeder Kanton bildet einen Wahlkreis (Art. 149 Abs. 3 BV), und die Sitze werden
nach der Bevölkerungszahl auf die Kantone verteilt, wobei jedem Kanton
mindestens ein Sitz zusteht (Art. 149 Abs. 4 BV). Das Gesetz legt im
Wesentlichen eine Sitzzuteilung nach dem Verteilsystem Hagenbach-Bischoff fest
(so insbesondere nach Art. 40 ff. BPR; vgl. zu diesem Sitzzuteilungssystem BGE
129 I 185 E. 7.1.1 S. 197). Das im Bundesgesetz vorgesehene Wahlsystem
entspricht möglicherweise den Anforderungen des Bundesgerichts an ein
Wahlsystem bei kantonalen und kommunalen Proporzwahlen gemäss Art. 34 BV nicht.
Es fragt sich immerhin, ob das geltende Wahlverfahren des einfachen Proporzes
nicht bereits in Art. 149 BV verbindlich vorbestimmt ist und diese
Verfassungsnorm Art. 34 BV als lex specialis vorgeht (vgl. dazu GIOVANNI
BIAGGINI, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Kommentar,
2007, Art. 149 N. 16). Wieweit sich die bundesgerichtlichen Anforderungen für
kantonale und kommunale Proporzwahlen auf die eidgenössischen
Nationalratswahlen übertragen lassen, braucht im vorliegenden Verfahren jedoch
nicht entschieden zu werden.

3.3. Der Beschwerdeführer beruft sich vor Bundesgericht nicht ausdrücklich auf
Art. 34 BV und macht nicht geltend, die verfassungsrechtlichen Bestimmungen
über die Nationalratswahlen, d.h. insbesondere Art. 149 BV, seien im Lichte
dieser besonderen Grundrechtsnorm über die Gewährleistung der politischen
Rechte auszulegen und umzusetzen. Darauf braucht daher schon mangels
rechtsgenüglicher Rüge nicht näher eingegangen zu werden (vgl. vorne E. 1.4).
Im Übrigen wäre das Bundesgericht mit Blick auf Art. 190 BV ohnehin an die
gesetzliche Regelung gebunden, was dem Beschwerdeführer durchaus bekannt und
bewusst zu sein scheint und weshalb er vermutlich auch Art. 34 BV gar nicht
anruft.

4.

4.1. Hingegen rügt der Beschwerdeführer einen Verstoss gegen Art. 25 lit. a in
Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 UNO-Pakt II.

 Art. 2 Abs. 1 dieses Abkommens lautet wie folgt:

"Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die in diesem Pakt anerkannten Rechte
zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner
Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen ohne Unterschied wie insbesondere der
Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der
politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft,
des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status zu gewährleisten."
Art. 25 UNO-Pakt II hat folgenden Wortlaut:

"Jeder Staatsbürger hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach
den in Artikel 2 genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen
a)       an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder
durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen;
b)       bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen
Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu
wählen und gewählt zu werden;
c)       unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen
Ämtern seines Landes Zugang zu haben."

4.2. Nach der insofern gefestigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung geht der
Schutz der politischen Rechte gemäss dem UNO-Pakt II inhaltlich weniger weit
als derjenige des nationalen Rechts. Die politischen Rechte sind im UNO-Pakt II
bewusst als kleinster gemeinsamer Nenner konzipiert, um möglichst vielen, auch
weniger demokratischen Staaten die Teilnahme zu ermöglichen (BGE 129 I 185 E. 5
S. 192 f.; 125 I 289 E. 7d S. 298 f.).

4.3. Die Einschätzung des Bundesgerichts wird durch die Fachliteratur zum
UNO-Pakt II bestätigt. Gemäss ACHERMANN/CARONI/KÄLIN verlangt dieses Abkommen
zwar nach dem Gebot der Gleichheit der Stimmen, dass die Stimmen sämtlicher
Wählerinnen und Wähler das gleiche Gewicht haben; da der Pakt aber kein
bestimmtes Wahlsystem (insbesondere Majorz- oder Proporzwahlen) vorschreibe,
bedeute das Gebot des gleichen Gewichts jeder Stimme einzig, dass die einzelnen
Stimmen das gleiche numerische Gewicht haben, d.h. gleich viel zählen (
ACHERMANN/CARONI/KÄLIN, Die Bedeutung des UNO-Paktes über bürgerliche und
politische Rechte für das schweizerische Recht, in: Kälin/Malinverni/Nowak, Die
Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Aufl., 1997, S. 227). Garantiert
ist mithin die Zählwertgleichheit und nicht die Erfolgswertgleichheit (vgl. zu
dieser Differenzierung BGE 129 I 185 E. 7.3 S. 199 f.; Urteil des
Bundesgerichts 1C_369/2014 vom 28. November 2014 E. 5.3 in: ZBl 116/2015 S. 77/
80 f.; je mit Hinweisen). Auch NOWAK unterstreicht in seinem Kommentar zum
UNO-Pakt II, dass dieser die numerische Gleichheit der Stimmen gewährleiste,
dabei aber eine Vielzahl von Wahlsystemen zulasse. Ungleichheiten, die sich als
Auswirkungen des Wahlsystems ergäben, wie sie insbesondere bei den verbreitet
angewandten Majorz- oder gemischten Majorz-Proporz-Wahlsystemen vorkommen
würden, verletzten Art. 25 UNO-Pakt II grundsätzlich nicht. NOWAK schliesst
eine Ausnahme (im Sinne der Gleichheit der Stimmkraft bzw. der
Erfolgswertgleichheit) immerhin nicht aus bei besonders krassen
Unregelmässigkeiten (vgl. MANFRED NOWAK, U.N. Covenant on Civil and Political
Rights, CCPR Commentary, 2. Aufl., 2005, Rz. 1 ff., insb. Rz. 11 ff. und 31 ff.
zu Art. 25). In ähnlicher Weise erachten KÄLIN/KÜNZLIeine Wahlkreiseinteilung
allenfalls dann als unzulässig, wenn diese zur Folge hat, dass das Gewicht der
einzelnen Stimmen höchst unterschiedlich ist ( KÄLIN/KÜNZLI, Universeller
Menschenrechtsschutz, 3. Aufl., 2013, Rz. 1418).

 Die genannten Autoren stützen sich dabei auf die Mitteilung des
Menschenrechtskomitees Nr. 923/2000 vom 22. Juli 2002 i.S. Mátyus c. Slowakei.
In Ziff. 9.2 dieser Mitteilung wird erwogen, dass das damals anwendbare Gesetz
eine zur Anzahl der Bevölkerung proportionale Wahlkreiseinteilung und das
Verfassungsrecht die Gleichwertigkeit der Wahlrechte vorsehe und dass von
Seiten der Behörden keinerlei Gründe genannt würden, welche die im konkreten
Fall festgestellten Unterschiede zwischen der Anzahl der Bevölkerung oder
eingetragenen Wahlberechtigten und der Sitze pro Wahlkreis zu rechtfertigen
vermöchten. Davon unterscheidet sich die Ausgangslage für die schweizerischen
Nationalratswahlen deutlich und in massgeblicher Weise. Die Bundesverfassung
legt in Art. 149 Abs. 3 BV ausdrücklich die traditionell-föderal bestimmten
Kantonsgebiete als Wahlkreise fest. Diese Einteilung geht auf die Einführung
des Proporzwahlsystems für die Nationalratswahlen in der Volksabstimmung vom
13. Oktober 1918 zurück (vgl. BBl 1918 III 485 und 1918 V 95), weist damit
einen ausgeprägten historischen sowie bundesstaatlichen Bezug auf und verfügt
dementsprechend über eine hohe Legitimität. Überdies legen die Art. 40 ff. BPR
den Wahlmodus eindeutig nach dem Verfahren gemäss Hagenbach-Bischoff fest und
regeln ihn ausführlich.

 Dass schliesslich das schweizerische Wahlsystem im Allgemeinen oder dessen
Umsetzung im Kanton Zug durch die erfolgte Ausschreibung der Nationalratswahl
im Besonderen die Zählwertgleichheit verletzt, macht auch der Beschwerdeführer
nicht geltend und trifft offenkundig nicht zu.

4.4. Das Wahlsystem für die Nationalratswahlen verstösst demnach nicht gegen
den UNO-Pakt II.

5. 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann.

 Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenplichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat des Kantons Zug, der
Bundeskanzlei, dem Generalsekretariat der Bundesversammlung und den
Parlamentsdiensten, Generalsekretariat, Bern, und den Parlamentsdiensten,
Rechtsdienst, Bern, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. August 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Uebersax

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