Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.285/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_285/2015

Urteil vom 19. November 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________ und B.A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Wasserfallen,

gegen

C.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gian Sandro Genna,

Gemischte Gemeinde Aeschi b. Spiez,
handelnd durch den Gemeinderat,
Kanton Bern,
handelnd durch das Amt für Migration und Personenstand,
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern.

Gegenstand
Baubewilligungspflicht Durchgangszentrum für Asylsuchende,

Beschwerde gegen das Urteil vom 22. April 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.

Sachverhalt:

A.
C.________ (vormals D.________) ist Eigentümerin des in der Gemischten Gemeinde
Aeschi b. Spiez auf der Parzelle Gbbl. Nr. 646 gelegenen Ferienzentrums
Aeschiried. Das Zentrum befindet sich im Wirkungsbereich der Überbauungsordnung
"Stiftung Blaukreuzheim Aeschiried" vom 28. Mai 1999, bestehend aus dem
Überbauungsplan und den Überbauungsvorschriften. Die Planung umfasst das
Grundstück Gbbl. Nr. 646 mit dem Ferienheim und einen kurzen Abschnitt der
Zufahrtsstrasse (Allmigässli).
Das Ferienheim besteht aus zwei Gebäuden, dem "Seeblick" und dem "Chalet". Mit
Vertrag vom 22./24. September 2014 vermietete die Stiftung ab dem 1. Oktober
2014 den Trakt "Seeblick" an den Kanton Bern zur Nutzung als
Kollektivunterkunft für die dem Kanton zugewiesenen Asylbewerberinnen und
Asylbewerber (nachfolgend auch: Durchgangszentrum). Der Trakt "Chalet" wurde
mit Ausnahme der Wäscherei nicht vermietet, wird jedoch ebenfalls nicht mehr
weiter als Ferienheim betrieben.
 Mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 ersuchten A.A.________ und B.A.________,
Eigentümer des in der Nähe des Ferienheims gelegenen Grundstücks Gbbl. Nr. 657,
beim Regierungsstatthalteramt Frutigen-Niedersimmental um Akteneinsicht im
Baubewilligungsverfahren betreffend das Durchgangszentrum. Für den Fall, dass
kein Bewilligungsverfahren durchgeführt werde, beantragten sie die Eröffnung
eines solchen. Nachdem die stellvertretende Regierungsstatthalterin ihnen
mitgeteilt hatte, dass kein Baugesuch eingegangen sei, ersuchte die Gemischte
Gemeinde Aeschi b. Spiez das Regierungsstatthalteramt am 28. Oktober 2014 um
Klärung der Baubewilligungspflicht.
Mit Feststellungsverfügung vom 14. November 2014 entschied das
Regierungsstatthalteramt, dass für den Betrieb des Durchgangszentrums bei einer
Beschränkung auf maximal 100 Betten kein Baubewilligungsverfahren durchzuführen
sei; für jede darüber hinausgehende Aufstockung der Betten sei jedoch eine
Baubewilligung erforderlich. Gleichzeitig wies das Regierungsstatthalteramt ein
Gesuch von A.A.________ und B.A.________ um Erlass eines vorsorglichen
(superprovisorischen) Verbots ab, das Ferienzentrum als Durchgangszentrum zu
nutzen. Einer allfälligen Beschwerde gegen die Verfügung entzog das
Regierungsstatthalteramt die aufschiebende Wirkung.
Die von A.A.________ und B.A.________ am 20. November 2014 gegen diese
Verfügung erhobene Beschwerde wies die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des
Kantons Bern mit Entscheid vom 22. Dezember 2014 ab. Gleichzeitig entzog sie
einer allfälligen Beschwerde gegen ihren Entscheid die aufschiebende Wirkung.
A.A.________ und B.A.________ fochten diesen Entscheid am 28. Januar 2015 mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern an.
Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 22. April 2015 ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 26. Mai 2015
beantragen A.A.________ und B.A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts
sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass die Umnutzung des Ferienzentrums
Aeschiried in ein Durchgangszentrum für Asylsuchende baubewilligungspflichtig
sei. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion und das Verwaltungsgericht stellen
Antrag auf Beschwerdeabweisung. C.________ beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Amt für Migration und
Personenstand des Kantons Bern hat eine Vernehmlassung eingereicht, ohne
ausdrücklich Anträge zu stellen. Die Gemischte Gemeinde Aeschi b. Spiez und das
Bundesamt für Raumentwicklung ARE verzichten auf eine Stellungnahme. Die
Beschwerdeführer halten an ihrem Standpunkt und an ihren Anträgen fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Streitgegenstand bildet die Baubewilligungspflicht der Umnutzung eines
Ferienzentrums in ein Durchgangszentrum für Asylsuchende. Dabei handelt es sich
um eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art 82 lit. a BGG). Ein
Ausschlussgrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Die Vorinstanz hat als letzte
kantonale Instanz entschieden (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG).
Das Grundstück der Beschwerdeführer liegt rund 120 Meter vom Ferienheim
entfernt (vgl. Entscheid der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion vom 22.
Dezember 2014) und wird über dieselbe Zufahrtsstrasse, das Allmigässli,
erschlossen. Damit ist die räumliche Beziehungsnähe zu bejahen (vgl. auch
Urteil 1C_40/2010 vom 9. März 2010 E. 2.4, wo das Bundesgericht zum Schluss
kam, der Eigentümer einer rund 150 bis 200 m von einem geplanten
Asylbewerberzentrum entfernten Liegenschaft sei zur Beschwerdeerhebung
berechtigt). Die Beschwerdeführer gelten folglich als Nachbarn im
baurechtlichen Sinn und sind legitimiert, sämtliche Rügen vorzubringen, die die
vorliegend umstrittene Frage der Baubewilligungspflicht betreffen.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können
Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1
S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten - einschliesslich der
willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV) - gilt eine qualifizierte Rügepflicht
(Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 281 f.; 136 I 229 E. 4.1 S.
235).
Willkür liegt nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts vor, wenn der
angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid
jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis
unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar
zutreffender erscheint, gen ügt nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 S. 319 mit
Hinweis).

2.

2.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz habe ihren Antrag auf
Durchführung eines Augenscheins und weitere Beweisanträge (Edition der
Betriebsbewilligung des Ferienheims und der Akten des damaligen
Baubewilligungsverfahrens betreffend den Neubau des Gebäudes "Chalet") zu
Unrecht abgewiesen. Zudem sei die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nicht
hinreichend nachgekommen. Es liege eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV vor.

2.2. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV ergibt
sich für die Parteien das Recht, Beweisanträge zu stellen, und für die Behörden
die Pflicht, rechtzeitig und formgültig angebotene Beweisbegehren
entgegenzunehmen und zu berücksichtigen. Keine Verletzung des rechtlichen
Gehörs liegt indes vor, wenn ein Gericht auf die Abnahme beantragter
Beweismittel verzichtet, weil es aufgrund der bereits abgenommenen Beweise
seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener
Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere
Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.2 und 5.3 S. 236 f.).
Der Entscheid darüber, ob ein Augenschein angeordnet wird, steht im
pflichtgemässen Ermessen der anordnenden Behörde. Eine dahin gehende Pflicht
besteht nur, wenn die tatsächlichen Verhältnisse auf andere Weise nicht
abgeklärt werden können (vgl. Urteil 1C_76/2012 vom 6. Juli 2012 E. 2.3 mit
Hinweis).
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt für die Behörde weiter die
Pflicht, ihren Entscheid zu begründen. Dies bedeutet indes nicht, dass sie sich
mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand
auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid
wesentlichen Punkte beschränken (BGE 136 I 229 E. 5.2 und 5.3 S. 236 f.).

2.3. Die Sachlage ist in den Akten ausführlich dokumentiert. Die Vorinstanz
konnte ohne Willkür in antizipierter Beweiswürdigung davon ausgehen, dass eine
Edition weiterer Unterlagen oder die Durchführung eines Augenscheins nichts am
Beweisergebnis ändern würde.
Die Vorinstanz hat ihr Urteil eingehend begründet und sich mit sämtlichen
entscheiderheblichen Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt. Eine
Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör ist auch
insoweit zu verneinen.

3.
Nach Art. 22 Abs. 1 RPG dürfen Bauten und Anlagen nur mit behördlicher
Bewilligung errichtet oder geändert werden. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung unterstehen grundsätzlich auch reine Umnutzungen ohne bauliche
Massnahmen der Baubewilligungspflicht. Eine ohne bauliche Vorkehren auskommende
Zweckänderung unterliegt der Bewilligungspflicht nur dann nicht, wenn erstens
auch der neue Verwendungszweck der in der fraglichen Zone zuzulassenden Nutzung
entspricht (vgl. nachfolgend E. 4) und zweitens sich die Änderung hinsichtlich
ihrer Auswirkungen auf Umwelt und Planung als ausgesprochen geringfügig erweist
(BGE 113 Ib 219 E. 4d S. 223; vgl. ferner BGE 139 II 134 E. 5.2 S. 139 f.).
Sind die mit der neuen Nutzung verbundenen Auswirkungen intensiver als die
bisherigen, so ist von einer bewilligungspflichtigen Nutzungsänderung
auszugehen. Dies ist insbesondere bei einer deutlichen Zunahme der Immissionen
der Fall (vgl. Urteil 1C_347/2014 vom 16. Januar 2015 E. 3.2; siehe nachfolgend
E. 5).
Der bundesrechtliche Begriff der bewilligungspflichtigen Bauten und Anlagen
kann von den Kantonen weiter, nicht aber enger gefasst werden (Urteil 1C_658/
2013 vom 24. Januar 2014 E. 4.1). Nach bernischem Recht gelten im Wesentlichen
die gleichen Anforderungen wie nach Art. 22 RPG (vgl. insbesondere Art. 1a und
1b des kantonalen Baugesetzes vom 9. Juni 1985 [BauG/BE; BSG 721.0] sowie Art.
6 des kantonalen Dekrets vom 22. März 1994 über das Baubewilligungsverfahren
[Baubewilligungsdekret, BewD/BE; BSG 725.1]). Eine spezifische Regelung enthält
das kantonale Recht in Bezug auf die Brandsicherheit. Gemäss Art. 6 Abs. 1 lit.
d BewD/BE bedürfen bauliche Änderungen im Gebäudeinnern, die nicht mit einer
baubewilligungspflichtigen Nutzungsänderung verbunden sind und nicht die
Brandsicherheit betreffen, grundsätzlich keiner Baubewilligung (vgl. hierzu
nachfolgend E. 6).

4.

4.1. Nach Ansicht der Beschwerdeführer ist die Nutzung des Ferienzentrums als
Durchgangszentrum nicht zonenkonform und deshalb bewilligungspflichtig. Sie
werfen der Vorinstanz eine willkürliche Auslegung und Anwendung der
Überbauungsvorschriften zur Überbauungsordnung "Stiftung Blaukreuzheim
Aeschiried" vor. Die Auslegung widerspreche dem Wortlaut der
Überbauungsvorschriften; ein Ferienzentrum sei kein Asylzentrum.

4.2. Die Vorinstanz hat ausgeführt, in Art. 4 der Überbauungsvorschriften werde
die zulässige Nutzung mit "Ferienheim und öffentliches Café/Restaurant"
umschrieben. Art. 5 der Überbauungsvorschriften erkläre sodann die Vorschriften
der Wohnzone W3 gemäss kommunalem Baureglement für ergänzend anwendbar. Die
Überbauungsordnung diene folglich in erster Linie dem Wohnen bzw. der
Unterbringung von Personen. Ein Zentrum für Asylbewerbende ermögliche den
zeitlich befristeten Aufenthalt einer bestimmten Personengruppe und weise damit
eine dem Ferienheim vergleichbare Nutzung auf. Zwar unterschieden sich ein
Ferien- und ein Durchgangszentrum hinsichtlich der beherbergten Personengruppe.
Im Blaukreuzheim hätten sich jedoch typischerweise Gäste mit einer leichten
geistigen und/oder körperlichen Behinderung wie auch Personen mit einer
Sucht-Vergangenheit aufgehalten; Ferien hätten namentlich Insassen
verschiedener Alters- und Pflegeheime sowie von Wohnheimen für Senioren bzw.
Menschen mit Handicap verbracht. Das Ferienheim habe mithin immer auch Menschen
beherbergt, welche aus verschiedenen Gründen (Gesundheit, Alter,
Lebenssituation) auf besondere Betreuung angewiesen gewesen seien. Entsprechend
sei Art. 4 der Überbauungsvorschriften in einem weiten Sinn dahingehend zu
verstehen, dass im Perimeter der Überbauungsordnung die Unterbringung besonders
schutzwürdiger Personen mit speziellen Bedürfnissen zulässig sei. Wie die
bisherigen Gäste des Ferienheims seien auch Asylsuchende Menschen, die sich -
wenn auch aus anderen Gründen - in einer besonderen Lebenssituation befänden
und besonders schutz- und betreuungsbedürftig seien.

4.3. Der Gemeinderat der Gemischten Gemeinde Aeschi b. Spiez hat im Verfahren
vor der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion mit Eingabe vom 8. Dezember 2014
Stellung genommen und ausgeführt, die Überbauungsordnung sei immer weit
ausgelegt worden. Die Nutzung des Ferienzentrums als Durchgangszentrum für
Asylsuchende entspreche der Überbauungsordnung. Diese Auffassung hat der
Gemeinderat im vorinstanzlichen Verfahren bekräftigt.
Die Gemeinde ist in ihrer Ortsplanung im Rahmen der Gesetzgebung und der
übergeordneten Planung autonom (vgl. Art. 65 Abs. 1 BauG/ BE). Wo eine Gemeinde
zur Rechtsetzung zuständig ist, steht ihr auch bei der Anwendung und Auslegung
der erlassenen Normen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Diesen hat die
Gemeinde nicht verletzt. Die die Auffassung des Gemeinderats bestätigende
vorinstanzliche Auslegung der Überbauungsvorschriften, wonach die
Überbauungsordnung der Unterbringung besonders schutz- und
betreuungsbedürftiger Personen diene, orientiert sich am Sinn und Zweck der
Bestimmungen und ist ohne Weiteres vertretbar. Das Ferienzentrum war kein
konventioneller, rein renditeorientierter Hotel-Betrieb, sondern eine
Organisation, die sich im Rahmen ihres Betriebs für sozial Schwächere und
Randgruppen einsetzte.
Die Auslegung der kommunalen und kantonalen Behörden steht auch in Einklang mit
der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung und Meinungen in der Lehre.
So schützte das Bundesgericht mit Urteil 1C_40/2010 vom 9. März 2010 die
Auslegung des Gemeinderats von Eggersriet (SG), welcher die Zweckänderung von
einem Beherbergungsbetrieb mit Unterkunfts-, Tagungs- und Schulungsräumen in
ein Asylbewerberzentrum mit der Begründung als nicht baubewilligungspflichtig
eingestuft hatte, das Asylbewerberzentrum sei in einer Kurzone zonenkonform.
Nach der Lehre ist des Weiteren etwa auch die Umnutzung eines früheren
Personalhauses eines Spitals in ein Durchgangszentrum für Asylsuchende in einer
gemischten Wohn- und Gewerbezone zonenkonform (vgl. Arnold Marti, in: ZBl 116/
2015 S. 339 mit Hinweis auf einen Entscheid des Verwaltungsgerichts
Basel-Landschaft vom 4. September 2002).

5.

5.1. Die Beschwerdeführer stellen sich auf den Standpunkt, die neue Nutzung als
Durchgangszentrum habe intensivere Auswirkungen als die bisherige und sei
deshalb bewilligungspflichtig.

5.2. Die Vorinstanz hat ausgeführt, die Umnutzung des Ferienzentrums habe keine
erhebliche Mehrnutzung zur Folge. Das gesamte Ferienheim habe ein maximale
Kapazität von 102 Betten aufgewiesen (73 im Trakt "Seeblick" und 29 im Trakt
"Chalet"), wobei die Betriebsbewilligung auf maximal 90 Betten beschränkt
gewesen sei. Das Durchgangszentrum solle nun mit maximal 100 Betten betrieben
werden. Die Steigerung um zehn Betten falle nicht entscheidend ins Gewicht.
Gleiches gelte für den Umstand, dass die Asylsuchenden besonderer Betreuung
bedürften, seien doch schon bisher Personen mit besonderem Betreuungsbedarf im
Ferienheim beherbergt worden. Eine stärkere Frequentierung der
Erschliessungsstrasse sei ebenfalls nicht wahrscheinlich, da die Asylsuchenden
in der Regel keine Motorfahrzeuge besässen und keinen erheblichen
Besucherverkehr auslösten. Auch im Übrigen sei aufgrund der Nutzungsänderung
keine Zunahme an Immissionen zu erwarten.

5.3. Die Nutzung als Durchgangszentrum wurde verbindlich auf 100 Betten
beschränkt; jede darüber hinausgehende Aufstockung der Betten ist vom
Regierungsstatthalteramt ausdrücklich für bewilligungspflichtig erklärt worden.
Die Würdigung der Vorinstanz, die Erhöhung um zehn Betten im Vergleich zur
bisherigen Betriebsbewilligung wirke sich nicht massgeblich aus, ist
vertretbar. Bei dieser Beurteilung hat die Vorinstanz zu Recht die bisher
zulässige mit der neu erlaubten Nutzung verglichen. Die Beschwerdeführer hatten
keinen Anspruch darauf, dass die Betreiber des Ferienheims die zulässige
Nutzung nicht ausschöpften. Gemäss Betriebsbewilligung hätte das Ferienheim das
ganze Jahr mit 90 Betten betrieben werden können. Aus den Tatsachen, dass das
Ferienzentrum im Winter Betriebsferien hatte und die Betten im übrigen Teil des
Jahres nicht voll ausgelastet waren, können die Beschwerdeführer nichts für
ihren Standpunkt ableiten.
Nicht zu beanstanden ist auch die Einschätzung der Vorinstanz, es sei aufgrund
der Umnutzung nicht mit Mehrverkehr zu rechnen (vgl. hierzu auch Urteil 1C_40/
2010 vom 9. März 2010 E. 3). Hinsichtlich des Verkehrsaufkommens ist zudem zu
beachten, dass bisher im Ferienzentrum ein öffentliches Restaurant betrieben
wurde, das nun geschlossen ist. Die durch die Gäste des Restaurants
verursachten Fahrten fallen mithin weg. Da von keinem Mehrverkehr auszugehen
ist, erübrigt es sich, auf die Vorbringen der Beschwerdeführer einzugehen,
welche auf der Annahme einer erhöhten Nutzung der Erschliessungsstrasse
beruhen. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die neue Nutzung zu einer
Zunahme der Immissionen führt.

6.

6.1. Die Beschwerdeführer rügen, die Baubewilligungspflicht sei zu bejahen,
weil mit der Umnutzung bauliche Änderungen verbunden seien, welche die
Brandsicherheit betreffen würden. Die Gebäudeversicherung des Kantons Bern habe
in ihrem vom Regierungsstatthalteramt eingeholten Bericht vom 3. November 2014
neu eine "Vollüberwachung" verlangt. Eine solche Erweiterung sei entgegen der
Auffassung der Vorinstanz keine blosse bewilligungsfreie Renovation. Hinzu
komme, dass sich die Brandgefahr durch die Mehrbelegung des Gebäudes mit 100
statt mit maximal 73 Personen erhöhe.

6.2. Die Vorinstanz hat erwogen, bauliche Änderungen, welche die
Brandsicherheit betreffen würden, seien baubewilligungspflichtig (vgl. Art. 6
Abs. 1 lit. d BewD/BE e contrario; siehe auch E. 3 hiervor). Um eine unter die
Bewilligungspflicht fallende bauliche Änderung handle es sich, wenn ein Umbau,
ein Ausbau oder eine Erneuerung vorgenommen und dabei das übliche Mass einer
Renovation überschritten werde. Nicht erfasst würden demgegenüber reine
Unterhaltsarbeiten oder kleinere Reparaturen. Im zu beurteilenden Fall habe die
Gebäudeversicherung des Kantons Bern verlangt, dass die bestehende
Brandmeldeanlage erweitert und den neuen Gegebenheiten angepasst werde
(Vollüberwachung), sowie dass die Fluchtwege und Ausgänge mit
sicherheitsbeleuchteten Rettungszeichen zu kennzeichnen seien. Damit, so hat
die Vorinstanz geschlossen, stünden keine Massnahmen zur Diskussion, welche in
ihren Auswirkungen über blosse Unterhaltsarbeiten oder kleinere Reparaturen
hinausgingen. So halte sich insbesondere auch die Erweiterung der
Brandmeldeanlage zur Vollüberwachung im Rahmen einer üblichen Renovation.
Des Weiteren hat die Vorinstanz auf die kantonale Praxis verwiesen, wonach eine
die Brandgefahr erhöhende Nutzungsänderung insbesondere dann gegeben sei, wenn
die neue Nutzung Funken erzeugende Arbeiten oder den Umgang mit brennbaren
Flüssigkeiten oder gefährlichen Stoffen und Staubentwicklungen beinhalte. Der
zu beurteilende Fall sei anders gelagert. Der Trakt "Seeblick" habe mit einer
Kapazität von 73 Betten bereits bisher der Beherbergung einer nicht
unerheblichen Anzahl Personen gedient. Die Infrastruktur könne auch von 100
Personen genutzt werden, ohne dass damit eine Erhöhung der Brandgefahr
verbunden sei. Dies gelte auch mit Blick auf den Betrieb der Grossküche. Selbst
wenn die Asylsuchenden diese selber betreiben sollten, blieben Aussagen über
unsachgemässe bzw. die Brandgefahr erhöhende Handlungen spekulativ.
Die Umnutzung sei daher auch mit Blick auf die Brandsicherheit nicht
baubewilligungspflichtig.

6.3. Die vorinstanzliche Auslegung des kantonalen Rechts (Art. 6 Abs. 1 lit. d
BewD/BE) und ihre Beweiswürdigung erweisen sich als haltbar. Die von der
Gebäudeversicherung des Kantons Bern in ihrem Bericht vom 3. November 2014
verlangten Anpassungen erfordern keine baulichen Massnahmen, sondern nur das
Anbringen von zusätzlichen Brandmeldern und Notausgangszeichen. Die
Einschätzung der Vorinstanz, dass sich die Erweiterung der Brandmeldeanlage zur
Vollüberwachung im Rahmen einer üblichen Renovation bewege, ist ebenso
vertretbar wie ihre Schlussfolgerung, dass die Erhöhung der Belegung von 73 auf
100 Personen nicht per se zu einer höheren Brandgefahr führt.

7.
Die Beschwerdeführer berufen sich schliesslich auf Art. 26a des Asylgesetzes
vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31). Nach dieser Bestimmung können Anlagen und
Bauten des Bundes ohne kantonale oder kommunale Bewilligungen für maximal drei
Jahre zur Unterbringung von Asylsuchenden genutzt werden, wenn die
Zweckänderung keine erheblichen baulichen Massnahmen erfordert und keine
wesentliche Änderung in Bezug auf die Belegung der Anlage oder Baute erfolgt.
Art. 26a AsylG stellt eine Spezialregelung für Bundesbauten dar und ist daher
vorliegend nicht einschlägig. Die Bestimmung äussert sich nicht zur Umnutzung
von privaten Bauten und Anlagen und schliesst nicht aus, dass auch eine solche
unter bestimmten Voraussetzungen baubewilligungsfrei möglich ist.

8.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang haben die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG) und der Beschwerdegegnerin eine angemessene
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1, 2 und 4 BGG). Den in ihrem
amtlichen Wirkungskreis obsiegenden Behörden steht keine Parteientschädigung zu
(Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren pauschal mit Fr. 3'000.-- zuentschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemischten Gemeinde Aeschi b. Spiez, dem
Kanton Bern, der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem
Bundesamt für Raumentwicklung ARE schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. November 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Stohner

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