Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.274/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_274/2015

Urteil vom 12. August 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi,

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung,
Bundesrain 20, 3003 Bern.

Gegenstand
Auslieferung an die Türkei,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 7. Mai 2015 des Bundesstrafgerichts,
Beschwerdekammer.

Sachverhalt:

A.

A.a. Das 2. Schwurgericht von Gaziantep in der Türkei verurteilte A.________
mit Urteil vom 2. Mai 1989 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Der
türkische Staatsangehörige kurdischer Ethnie war schuldig befunden worden, am
9. November 1988 aus Blutrache B.________ erschossen zu haben. A.________ habe
sich mit dieser Tat für die Tötung seines Vaters durch den Sohn B.________s
gerächt. Das Urteil wurde von der Strafkammer des türkischen Kassationsgerichts
mit Beschluss vom 23. Oktober 1989 bestätigt und ist rechtskräftig.
Mit Note vom 5. Oktober 2011 wurde der Schweiz ein Auslieferungsersuchen der
Oberstaatsanwaltschaft Gaziantep vom 15. August 2011 übermittelt.
Das mit dem Gesuch befasste Bundesamt für Justiz (BJ) stellte daraufhin fest,
dass A.________ 1992 in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt hatte. Zur
Begründung hatte er damals vorgebracht, er habe als Sympathisant die PKK
unterstützt und sei deshalb mehrmals kurzzeitig festgenommen, verhört und
misshandelt worden. Im November 1988 seien er und seine beiden Brüder
festgenommen und beschuldigt worden, B.________ im Rahmen einer Blutfehde
getötet zu haben. Trotz seiner Unschuld sei er zu einer lebenslänglichen
Gefängnisstrafe verurteilt worden. Mit Hilfe seines Zwillingsbruders
C.________, mit dem er bei einem Gefängnisbesuch die Rollen getauscht habe, sei
ihm im Sommer 1990 jedoch die Flucht gelungen. Er habe sich in der Folge
versteckt und sei am 14. August 1992 ins Ausland gereist.
Mit Verfügung vom 26. August 1994 lehnte das damalige Bundesamt für Flüchtlinge
(BFF, später Bundesamt für Migration [BFM], heute Staatssekretariat für
Migration [SEM]) das Asylgesuch ab und ordnete den Vollzug der Wegweisung an.
Die von A.________ in der Folge eingereichte Beschwerde an die Schweizerische
Asylrekurskommission (ARK, heute Bundesverwaltungsgericht) und zwei
Revisionsgesuche blieben erfolglos. Indessen hiess das BFF am 17. September
1996 ein Wiedererwägungsgesuch teilweise gut. Es verweigerte zwar die
Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, da ein Ausschlussgrund nach Art. 1 (F)
lit. b des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
(SR 0.142.30; im Folgenden: Flüchtlingskonvention, FK) bestehe. Hingegen ging
es davon aus, dass A.________ bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit mit einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK rechnen
müsse und ordnete die vorläufige Aufnahme an. Eine hiergegen erhobene
Beschwerde wies die ARK mit Urteil vom 19. September 2002 ab. Am 8. Februar
2010 erteilte das BFM A.________ eine Aufenthaltsbewilligung wegen Vorliegen
eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls gemäss Art. 84 Abs. 5 i.V.m Art.
30 Abs. 1 lit. b AuG (SR 142.20). Gleichzeitig stellte es das Erlöschen der
vorläufigen Aufnahme fest.

A.b. Gestützt auf das Auslieferungsgesuch erliess das BJ am 7. Juni 2012 einen
Auslieferungshaftbefehl. Am 21. Juni 2012 wurde A.________ in Dübendorf
festgenommen, eine Woche später jedoch gegen eine Kaution von Fr. 100'000.--
und unter Anordnung einer Schriftensperre und einer Meldepflicht vom BJ wieder
entlassen.
A.________ nahm in verschiedenen Schreiben Stellung zum Auslieferungsgesuch und
erhob dabei die Einrede des politischen Delikts.
Mit Note vom 12. Juli 2012 ersuchte das BJ die türkische Botschaft in Bern um
verschiedene Ergänzungen. Es wollte wissen, seit wann die türkischen Behörden
über den Aufenthalt von A.________ in der Schweiz informiert waren und aus
welchen Gründen die Auslieferung nicht schon früher beantragt worden war.
Weiter wurde um Stellungnahme zur Erklärung von A.________ gebeten, wonach
seine Verurteilung einzig auf einer später widerrufenen Aussage seines jüngsten
Bruders, H.________, beruhe, welche unter Folter zustande gekommen sei. Sodann
wurde um Mitteilung gebeten, gestützt auf welche Beweismittel A.________ von
den türkischen Gerichten schuldig gesprochen worden war. Zudem ersuchte das BJ
um Abgabe von folgenden Garantien in ausdrücklicher und wortgetreuer Form:

"a) Die Haftbedingungen des Verfolgten werden nicht unmenschlich bzw.
erniedrigend sein und entsprechen den Anforderungen von Art. 3 EMRK.

b) Die physische und psychische Integrität des Verfolgten wird gewahrt werden
(Art. 3 EMRK und Art. 7, 10 und 17 UNO-Pakt II).

c) Die Haftbedingungen des Verfolgten werden während des Strafvollzugs nicht
wegen seiner politischen Anschauungen und Aktivitäten, wegen seiner
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus Gründen der Rasse,
Religion oder Volkszugehörigkeit erschwert werden.

d) Dem gesundheitlichen Zustand des Verfolgten während der Haft wird in
gebührendem Masse Rechnung getragen, namentlich durch eine angemessene
medizinische Betreuung.

e) Die Behörden der türkischen Republik gewähren dem Verfolgten während der
gesamten Dauer des Gefängnisaufenthalts einen uneingeschränkten und
unbeaufsichtigten Kontakt bzw. Zugang zu seinem gewählten Rechtsanwalt bzw. zu
seinem Pflichtverteidiger. Zudem hat der Verfolgte die Möglichkeit, im
Gefängnis Besuche aus seinem Familien- bzw. Bekanntenkreis zu erhalten.

f) Der Schweizerischen Botschaft in Ankara wird das Recht zugesichert,
Vertreter zu bezeichnen, die den Verfolgten nach dessen Auslieferung ohne
Überwachungsmassnahmen jederzeit besuchen können. Der Verfolgte hat jederzeit
das Recht, sich an diese Vertreter zu wenden."

Mit Schreiben vom 30. August 2012 erteilte die Oberstaatsanwaltschaft Gaziantep
die vom BJ verlangten Auskünfte. Mit Note vom 10. September 2012 wurde der
Schweiz zudem eine die angeforderten Garantien betreffende Erklärung des
türkischen Justizministeriums übermittelt.

A.c. Am 2. August 2012 reichte A.________ beim BFM ein neues Asylgesuch ein.
Dieses begründete er im Wesentlichen mit seinen exilpolitischen Aktivitäten.
Danach hat er als Chauffeur für hochrangige PKK-Funktionäre fungiert. Er soll
dabei den Bruder des PKK-Führers D.________ nach Belgien zu TV E.________
gefahren haben. Ebenso soll er in Deutschland einen hochrangigen
PKK-Funktionär, welcher dort unter Hausarrest gestanden sei, besucht haben.
Daneben habe er mit seiner Ehefrau zusammen bei verschiedenen Anlässen Tee und
Kaffee verkauft und für das kurdische Hilfswerk I.________ Spenden gesammelt.
A.________ gab sich in seinem Gesuch überzeugt, dass der türkische Geheimdienst
über seine umfangreichen exilpolitischen Tätigkeiten informiert sei. Die
Militärs würden seinen in der Türkei lebenden Bruder immer wieder nach ihm
fragen. Auch würden seine Angehörigen bei der Wiedereinreise in die Türkei am
Flughafen von den dortigen Sicherheitskräften nach ihm gefragt. Er brachte vor,
dass das erst nach seinem langjährigen Aufenthalt in der Schweiz von den
türkischen Behörden gestellte Auslieferungsersuchen wohl auf seine
exilpolitischen Aktivitäten zurückzuführen sei.

A.d. Das BJ wies die türkische Botschaft mit Note vom 14. Januar 2013 darauf
hin, dass die angeforderten Garantien nicht in ausdrücklicher und wortgetreuer
Form abgegeben worden seien. Die türkischen Behörden übermittelten darauf noch
zwei weitere Male unzureichende Garantien. Die vierte Erklärung, datierend vom
22. März 2013, entsprach schliesslich dem Geforderten.

A.e. Mit Asylentscheid vom 29. Januar 2014 stellte das BFM fest, es sei davon
auszugehen, dass die Vorbringen von A.________ geeignet seien, materiell die
Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Die massgebliche Sachlage habe sich seit
der Verfügung des BFF vom 17. September 1996 und dem Urteil der ARK vom 28.
(recte: 19.) September 2002 nicht geändert. A.________ könne jedoch nicht als
Flüchtling anerkannt werden, weil er in Anwendung von Art. 1 (F) lit. b FK von
der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen werde. Sein Asylgesuch sei deshalb
abzulehnen. A.________ sei damit grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet. Aus
den Akten würden sich jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ihm im
Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
eine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe oder Behandlung drohe. Der Vollzug der
Wegweisung in den Herkunfts- bzw. den Heimatstaat sei deshalb im gegenwärtigen
Zeitpunkt nicht zulässig. A.________ sei nach dem Eintritt der Rechtskraft des
Asylentscheides in der Schweiz vorläufig aufzunehmen.
Mit Verfügung vom 19. Februar 2014 korrigierte das BFM seinen Asylentscheid vom
29. Januar 2014. Es sei einem Irrtum erlegen. Da A.________ bereits über eine
Aufenthaltsbewilligung B in der Schweiz verfüge, sei eine Wegweisung im Rahmen
des Asylverfahrens von vornherein ausgeschlossen. Der Entscheid über die
Wegweisung falle in die Zuständigkeit der kantonalen Migrationsbehörden. Das
BFM beschränkte sich deshalb darauf, erstens festzustellen, dass A.________ die
Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, zweitens das Asylgesuch abzulehnen und
drittens davon Vormerk zu nehmen, dass A.________ über eine
Aufenthaltsbewilligung B verfüge. Dieser korrigierte Asylentscheid blieb
unangefochten.

A.f. Mit Auslieferungsentscheid vom 18. Juli 2014 bewilligte das BJ die
Auslieferung von A.________ an die Türkei für die dem Auslieferungsersuchen
zugrunde liegenden Straftaten. Der Auslieferungsentscheid erfolge unter
Vorbehalt des Entscheids des Bundesstrafgerichts über die Einrede des
politischen Delikts im Sinne von Art. 55 Abs. 2 IRSG (SR 351.1). Die
Haftkaution in der Höhe von Fr. 100'000.-- werde gestützt auf Art. 62 Abs. 2
IRSG zur Deckung der Kosten des Auslieferungsverfahrens verwendet, ein
allfälliger Überschuss zurückerstattet.
Mit Eingabe vom 6. August 2014 erhob A.________ Beschwerde beim
Bundesstrafgericht. Er beantragte insbesondere, der Auslieferungsentscheid des
BJ sei aufzuheben und das Auslieferungsgesuch abzulehnen. Im Rahmen des
Schriftenwechsels reichte er einen Arztbericht von Dr. med. F.________ vom 19.
August 2014 ein, wonach eine Auslieferung sowohl aus körperlicher wie auch
psychischer Sicht kontraindiziert wäre und wonach A.________ aus psychischer
Sicht "absolut nicht hafttauglich" sei.
Mit Entscheid vom 7. Mai 2015 vereinte das Bundesstrafgericht das Verfahren
betreffend die Einrede des politischen Delikts und das Beschwerdeverfahren
(Dispositiv-Ziffer 1) und wies sowohl die Einrede (Dispositiv-Ziffer 2) als
auch die Beschwerde (Dispositiv-Ziffer 3) ab.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom
22. Mai 2015 beantragt A.________ im Wesentlichen, der Entscheid des
Bundesstrafgerichts sei aufzuheben, die Einrede des politischen Delikts
gutzuheissen und der Auslieferungsentscheid des BJ aufzuheben. Zudem sei
festzustellen, dass die Auslieferung zwingenden völkerrechtlichen Bestimmungen
widerspreche und unzulässig sei. Weiter sei das BJ anzuweisen, ihm eine
Entschädigung für die Haft und eine Genugtuung zuzusprechen.
Das Bundesstrafgericht verweist in seiner Vernehmlassung auf den angefochtenen
Entscheid. Das BJ beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, weil kein
besonders bedeutender Fall gemäss Art. 84 BGG vorliege. Zum Verfahren im
Nachgang des Entscheids des Bundesstrafgerichts hält das BJ fest, es habe am
13. Mai 2015 einen Auslieferungshaftbefehl erlassen. Am 15. Mai 2015 sei
A.________ festgenommen und zwecks Abklärung seines Gesundheitszustands in die
Psychiatrische Klinik G.________ eingewiesen worden. Gegen den
Auslieferungshaftbefehl habe er Beschwerde beim Bundesstrafgericht erhoben. Aus
dem angeforderten amtsärztlichen Bericht vom 22. Mai 2015 ergebe sich, dass
A.________ grundsätzlich hafterstehungs- und transportfähig sei. Falls vom
Beschwerdeführer gewünscht, werde das BJ im Falle einer Auslieferung den
türkischen Behörden ein aktuelles Arztzeugnis einreichen und diese namentlich
auf eine mögliche Suizidgefahr und die notwendige Medikation hinweisen.
In seiner Replik bringt der Beschwerdeführer vor, die Strafe sei nach
türkischem Recht verjährt, da ein Amnestiegesetz erlassen worden sei. Dieses
gelte aufgrund eines Entscheids des türkischen Verfassungsgerichts auch im
vorliegenden Fall. Das BJ reicht in seiner Duplik ein Urteil des 2.
Schwurgerichts von Gaziantep vom 22. Juni 2015 ein, wonach die
Vollstreckungsverjährung nach türkischem Recht noch nicht eingetreten ist. Der
Beschwerdeführer hat dazu Stellung genommen und hält an seiner Auffassung fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Der angefochtene Entscheid des Bundesstrafgerichts betrifft das Gebiet der
internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Dagegen ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 84 und
Art. 86 Abs. 1 lit. b BGG).

1.2. Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der
internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn er unter anderem eine
Auslieferung betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt
(Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe
für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden
sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2).
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im
Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 133 IV 131 E. 3 S.
132 mit Hinweis). Ein besonders bedeutender Fall kann deshalb auch bei einer
Auslieferung nur ausnahmsweise angenommen werden. In der Regel stellen sich
insoweit keine Rechtsfragen, die der Klärung durch das Bundesgericht bedürfen,
und kommt den Fällen auch sonst wie keine besondere Tragweite zu (BGE 134 IV
156 E. 1.3.4 S. 161). Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders
bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht zudem ein weiter
Ermessensspielraum zu (BGE 134 IV 156 E. 1.3.1 S. 160 mit Hinweis).

1.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, von der Türkei aus politischen Motiven
verfolgt zu werden (Art. 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.
Dezember 1957 [SR 0.353.1; im Folgenden: EAUe]). Eine Auslieferung widerspräche
zudem Art. 3 EMRK. Die von der Türkei abgegebenen Garantien genügten nicht, um
der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung zu begegnen.
Die schweizerischen Asylbehörden sind in mehreren Entscheiden davon
ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen
Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine nach Art. 3 EMRK verbotene
Strafe oder Behandlung drohe. Da gleichzeitig ein Asylausschlussgrund bejaht
wurde, wurde die vorläufige Aufnahme angeordnet. Das Bundesstrafgericht ist in
Bezug auf die Einschätzung der Zumutbarkeit der Rückkehr bzw. der Auslieferung
von dieser Beurteilung der Asylbehörden abgewichen. Dasselbe gilt für die vom
Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Berichte, wonach er an einer
posttraumatischen Belastungsstörung leide, die zweifellos auf Foltererfahrungen
in der Türkei zurückzuführen sei und die eine Auslieferung aus medizinischer
Sicht als nicht verantwortbar erscheinen lasse.
Diese Hinweise auf eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung sind hinreichend
konkret und nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Es geht insoweit um
Leib und Leben und damit um das höchste Rechtsgut. Es besteht deshalb Anlass zu
einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Vorbringen des Beschwerdeführers
(vgl. BGE 134 IV 156 E. 1.3.3 S. 160 f.). Hierfür spricht auch, dass aufgrund
der gemäss dem Auslieferungsersuchen noch zu verbüssenden Restfreiheitsstrafe
von über 34 Jahren der Entscheid über die Auslieferung für den Beschwerdeführer
von erheblicher Tragweite ist (vgl. Urteil 1C_91/2007 vom 23. Oktober 2007 E.
1.3.3). Die Voraussetzung des besonders bedeutenden Falls ist somit erfüllt.

1.4. Der Beschwerdeführer hat vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen. Er
ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat ein
schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Er ist deshalb nach
Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt.

1.5. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist im Grundsatz einzutreten.

1.6. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde allerdings insoweit, als in der
Beschwerde eine Liste von angeblich verletzten Rechtsbestimmungen aufgeführt,
aber teilweise nicht näher dargelegt wird, weshalb diese durch den
angefochtenen Entscheid verletzt worden sein sollen (Art. 42 Abs. 2 und Art.
106 Abs. 2 BGG).

2. 
Für den Auslieferungsverkehr zwischen der Schweiz und der Türkei sind primär
das EAUe und dessen zweites Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 (SR 0.353.12)
massgebend. Soweit darin bestimmte Fragen nicht abschliessend geregelt sind,
findet auf das Verfahren der Auslieferung ausschliesslich das Recht des
ersuchten Staates Anwendung (Art. 22 EAUe), vorliegend also das IRSG und die
Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen
(Rechtshilfeverordnung, IRSV; SR 351.11). Das innerstaatliche Recht gelangt
nach dem Günstigkeitsprinzip auch dann zur Anwendung, wenn dieses geringere
Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (BGE 137 IV 33 E. 2.2.2 S. 40 f. mit
Hinweis). Vorbehalten bleibt die Wahrung der Menschenrechte (BGE 135 IV 212 E.
2.3 S. 215 mit Hinweis).

3.

3.1. Nach Massgabe des EAUe sind die Vertragsparteien grundsätzlich
verpflichtet, einander Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des
ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur
Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Massnahme gesucht werden (Art.
1 EAUe). Wird die Auslieferung wie hier aufgrund einer Verurteilung zu einer
Strafe im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staats verlangt, so muss diese
mindestens vier Monate betragen (Art. 2 Ziff. 1 EAUe).

3.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass eine auslieferungsfähige
strafbare Handlung in Frage steht, auch wenn er bestreitet, diese begangen zu
haben. Er ist jedoch der Ansicht, der Auslieferung stünden Ausschlussgründe
entgegen.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei in der Türkei gestützt auf einen
durch Folter erwirkten Beweis verurteilt worden, was die Auslieferung gemäss
Art. 2 lit. a IRSG ausschliesse. Das Bundesstrafgericht stelle zu Unrecht
erhöhte Anforderungen an das Glaubhaftmachen von Folter. Bereits in den
Asylverfahren sei festgestellt worden, dass ihm bei einer Rückkehr in die
Türkei Folter drohe. Das Bundesstrafgericht selbst gestehe ein, dass im
Zeitraum, als er in der Türkei festgenommen worden sei, Folter im
Polizeigewahrsam ein extrem weit verbreitetes Problem gewesen sei. Anerkannt
werde auch, dass der Hauptbelastungszeuge, H.________, ausgesagt habe, dass er
die belastenden Aussagen gemacht habe, um sich vor den Schlägen der Polizisten
zu retten. Dass die über Tage hinweg erlittene Folter keine Spuren hinterlassen
habe, spreche keineswegs gegen die Glaubhaftigkeit seiner Schilderungen. Zudem
sei notorisch, dass es schwierig sei, in der Türkei einen Arzt zu finden, der
die Folterspuren schriftlich bestätige. Schliesslich lägen nun auch neuere
fachärztliche Berichte vor, die eine Belastungsstörung diagnostizierten und
diese auf die erlittene Folter zurückführten.

4.2. Das Bundesstrafgericht legt dar, der pauschale Hinweis des
Beschwerdeführers auf notorische Berichte über Folter in türkischen
Strafverfahren reiche nicht. Im türkischen Strafverfahren habe H.________
zunächst die Verantwortung für die Tat übernommen, später dann aber den
Beschwerdeführer belastet. Würde man seiner sich aus den Gerichtsunterlagen
ergebenden Darstellung folgen, auf welche sich auch der Beschwerdeführer
stütze, so wäre er sowohl nach seinem Geständnis als auch nach der Belastung
seines Bruders weiter gefoltert worden, was keinen Sinn ergebe. Auch seien in
den Arztberichten, auf welche im türkischen Strafurteil verwiesen worden sei,
keine Spuren von Folterhandlungen bei den drei Angeklagten festgestellt worden.
Hierzu habe sich der Beschwerdeführer sowohl in den beiden Asylverfahren als
auch im Auslieferungsverfahren nicht geäussert. Dabei habe er im Asylverfahren
unter anderem ausgesagt, er sei unter den Füssen mit etwas Hartem geschlagen
worden und seine Füsse würden noch Spuren davon tragen. Er sei ausserdem hinter
seinen Ohren geschlagen worden und sein rechtes Ohr habe stark zu bluten
begonnen. Die Nähnarben seien noch zu sehen. Ausserdem habe man ihm am ganzen
Körper Elektroschocks verabreicht. Sein rechtes Handgelenk sei dabei verletzt
worden, als er bei gefesseltem Handgelenk stark zusammengezuckt sei. Er trage
davon noch Spuren. Weshalb der durch mehrere Rechtsvertreter verteidigte
Beschwerdeführer im türkischen Strafverfahren die geltend gemachten Folterungen
nicht ärztlich habe bestätigen lassen, leuchte nicht ein und erwecke ernste
Zweifel an seiner Darstellung. Schliesslich sei festzuhalten, dass die
eingereichten Arztatteste nicht geeignet sind, die geltend gemachten
Folterhandlungen zu belegen. Med. pract. I.________, Ärztin und
Psychotherapeutin, habe beim Beschwerdeführer eine (anhaltende)
posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Ihre Beurteilung, wonach die
aktuelle Einschränkung des psychischen Gesundheitszustandes "ohne Zweifel im
direkten Zusammenhang mit den Foltererfahrungen, die Herr A.________ während
seiner Inhaftierung in der Türkei in der Zeit vom 1988-1990 erlitten hat",
stehe, widerspiegle dabei indessen lediglich ihre - auf einer Eigenanamnese
beruhende - persönliche Meinung, welche nicht auf objektivierbaren Fakten,
sondern nur auf den sich als nicht glaubhaft erweisenden Angaben des
Beschwerdeführers beruhe.

4.3. Diese Ausführungen der Vorinstanz überzeugen. Eine mehrtägige Folter, die
angeblich auch dann fortgesetzt wird, wenn der Betroffene die geforderte
Aussage macht, erscheint nicht plausibel. Auch leuchtet nicht ein, dass der
Beschwerdeführer die angeblichen Spuren nicht hat dokumentieren lassen, weder
in der Türkei, wo er offenbar durch mehrere Rechtsvertreter verteidigt war,
noch später während des Asylverfahrens in der Schweiz. Widersprüchlich ist
auch, dass er sich in seiner Beschwerde ans Bundesgericht darauf beruft, es
gebe Folterungen, die keine Spuren hinterlassen würden, nachdem er in den
Asylverfahren noch vorgebracht hatte, es bestünden derartige Spuren. Zutreffend
ist schliesslich der Einwand des Bundesstrafgerichts, dass das Attest der
genannten Ärztin die Folter nicht beweisen kann, zumal davon auszugehen ist,
dass die Ärztin bei ihrem Bericht die Darstellung des Beschwerdeführers
ungeprüft als wahr unterstellt hat. Die Diagnose einer posttraumatischen
Belastungsstörung bildet zudem für sich allein keinen Beweis für eine
behauptete Misshandlung (BVGE D-5781/2012 vom 8. Mai 2015 E. 7 mit Hinweisen
auf die medizinische Fachliteratur).
Vor diesem Hintergrund erscheint die Erstellung eines weiteren Gutachtens, wie
es der Beschwerdeführer in seiner Replik beantragt, unnötig. Die Rüge der
Verletzung von Art. 2 lit. a IRSG ist unbegründet.

5.

5.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er werde aus politischen Gründen in
der Türkei zur Rechenschaft gezogen.

5.2. Gemäss Art. 3 Ziff. 1 EAUe wird die Auslieferung nicht bewilligt, wenn die
strafbare Handlung, derentwegen sie beantragt wird, vom ersuchten Staat als
eine politische oder als eine mit einer solchen zusammenhängende strafbare
Handlung angesehen wird.
Das EAUe definiert den Begriff des politischen Delikts nicht. Art. 3 Ziff. 1
EAUe verweist in dieser Hinsicht auf die Rechtsauffassung des ersuchten Staats
(BGE 108 Ib 408 E. 7b S. 409 mit Hinweis; vgl. auch BGE 106 Ib 297 E. 3 S. 299
bezüglich eines bilateralen Staatsvertrags). Dieser verfügt in dieser Frage
über ein weites Ermessen (BGE 130 II 337 E. 3.4 S. 344; Urteil 1C_559/2011 vom
7. März 2012 E. 3.4, in: SJ 2012 I S. 401). Das Bundesgericht prüft mit freier
Kognition, ob ein politisches Delikt vorliegt, das eine Auslieferung
ausschliesst (BGE 130 II 337 E. 3.4 S. 344 mit Hinweisen).

5.3. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 3 Ziff. 1 EAUe und
der entsprechenden innerstaatlichen Bestimmung von Art. 3 Abs. 1 IRSG ist
zwischen so genannt "absolut" politischen und "relativ" politischen Delikten zu
unterscheiden. Absolut politische Delikte stehen in unmittelbarem Zusammenhang
mit politischen Vorgängen. Darunter fallen namentlich Straftaten, welche sich
ausschliesslich gegen die soziale und politische Staatsorganisation richten,
wie etwa Angriffe gegen die verfassungsmässige Ordnung, Landes- oder
Hochverrat. Ein relativ politisches Delikt liegt nach der Rechtsprechung vor,
wenn einer gemeinrechtlichen Straftat im konkreten Fall ein vorwiegend
politischer Charakter zukommt. Der vorwiegend politische Charakter ergibt sich
aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter
zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters
vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die
Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem
Gegenstand dieses Kampfes stehen. Darüber hinaus müssen die fraglichen
Rechtsgüterverletzungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten
Zielen stehen, und die auf dem Spiel stehenden politischen Interessen müssen
wichtig und legitim genug sein, um die Tat zumindest einigermassen verständlich
erscheinen zu lassen (Urteil 1A.181/2006 vom 23. Januar 2007 E. 3.2, nicht
publ. in BGE 133 IV 76; BGE 130 II 337 E. 3.2 S. 342 f.; je mit Hinweisen).

5.4. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tötung eines Dorfwächters kann
nicht als absolut politisches Delikt betrachtet werden. Es handelt sich um eine
Straftat gegen Leib und Leben, also um einen Tatbestand, der nicht unmittelbar
dem Schutz der politischen und sozialen Ordnung des Staats dient (vgl. BGE 109
Ib 64 E. 6a S. 71 mit Hinweis). Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist
deshalb unter dem Titel des relativ politischen Delikts zu prüfen.

5.5. Konkret macht der Beschwerdeführer geltend, der wahre Hintergrund seiner
Verurteilung in der Türkei sei der Konflikt im Dorf um die Frage der so
genannten Dorfschützerthematik gewesen. Ein Teil der Bevölkerung habe
eingewilligt, mit dem Staat gemeinsame Sache zu machen und bewaffnet den Schutz
vor "terroristischen" Aktivitäten durchzusetzen. Ein anderer Teil der
Bevölkerung, so auch er selbst, habe sich auf die Seite der aufständischen PKK
bzw. des politischen Widerstandes geschlagen und habe diese tatkräftig
unterstützt. Bei Auseinandersetzungen zwischen diesen lokalen Gruppen sei es zu
den hier in Frage stehenden Tötungsdelikten gekommen. Es handle sich damit um
politische Delikte.

5.6. Das Bundesstrafgericht bezieht sich in seinen Erwägungen im Wesentlichen
auf die Entscheide der Asylbehörden, die in verschiedenen Verfahren zum Schluss
gekommen sind, dass der Beschwerdeführer nach Art. 1 (F) lit. b FK vom Asyl
ausgeschlossen sei. Nach dieser Bestimmung ist die Flüchtlingskonvention nicht
anwendbar auf Personen, für die ernsthafte Verdachtsgründe bestehen, dass sie
ein schweres Verbrechen des gemeinen Rechts ausserhalb des Gastlandes begangen
haben, bevor sie dort als Flüchtling aufgenommen worden sind. Dem
Beschwerdeführer hält das Bundesstrafgericht zudem vor, er argumentiere
widersprüchlich, wenn er zum einen das Delikt, dessen er schuldig gesprochen
worden sei, abstreite, und sich zum andern darauf berufe, es handle sich um ein
politisches Delikt.

5.7. Selbst wenn eine Person die ihr vorgeworfene Tat bestreitet, steht ihr
offen zu argumentieren, dass - sollte sie dennoch als Täter betrachtet werden -
die Tat jedenfalls eine politische sei und der Auslieferung entgegenstehe (BGE
106 Ib 297 E. 4a S. 302 mit Hinweis). Freilich kann es in Fällen, in denen der
Betroffene die Tat bestreitet, schwierig sein, deren politischen Charakter
darzutun, zumal nach dem Ausgeführten dafür neben der politischen Natur der
Umstände gerade auch die Beweggründe und Ziele des Täters wesentlich sind (vgl.
BGE 106 Ib 297 E. 4a S. 302). Im vorliegenden Fall ist dies jedoch nicht weiter
von Bedeutung. Wie aus der folgenden Erwägung hervorgeht, kann bereits anhand
der äusseren Umstände, wie sie im Auslieferungsersuchen und der ihm zu Grunde
liegenden Verurteilung des Beschwerdeführers zum Ausdruck kommen, ein relativ
politisches Delikt ausgeschlossen werden (vgl. zur Massgeblichkeit dieser
Unterlagen BGE 87 I 134 E. 2 S. 137 f.).

5.8. Ein Tötungsdelikt erfüllt die Voraussetzung der Verhältnismässigkeit nur
ausnahmsweise, so wenn ein direkter Konnex zu einem bewaffneten Konflikt
besteht oder wenn das betreffende Delikt (etwa im Fall eines "Tyrannenmords")
das einzig praktikable Mittel zur Erreichung wichtiger humanitärer Ziele
darstellt (BGE 130 II 337 E. 3.3 S. 343 mit Hinweisen). Die Tötung eines
sogenannten "Dorfwächters" (vgl. dazu BGE 133 IV 76) ohne erkennbaren direkten
Konnex zu einem bewaffneten Konflikt ist klarerweise nicht verhältnismässig in
diesem Sinn. Trotz des politischen Kontextes überwiegt deshalb der
gemeinrechtliche Charakter der Tat. Die vorinstanzliche Feststellung, die Tat
sei nicht als relativ politisches Delikt zu qualifizieren, ist deshalb im
Ergebnis nicht zu beanstanden.

6.

6.1.

6.1.1. Weiter stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen von Art. 3 Ziff. 2
EAUe gegeben sind. Nach dieser Vorschrift wird die Auslieferung in zwei Fällen
nicht bewilligt, nämlich dann, wenn der ersuchte Staat ernstliche Gründe zur
Annahme hat, dass das Auslieferungsersuchen wegen einer nach gemeinem Recht
strafbaren Handlung gestellt worden ist, um eine Person aus rassischen,
religiösen, nationalen oder auf politischen Anschauungen beruhenden Erwägungen
zu verfolgen oder zu bestrafen, oder dass die verfolgte Person der Gefahr einer
Erschwerung ihrer Lage aus einem dieser Gründe ausgesetzt wäre.

6.1.2. Die beiden Tatbestände bzw. Teilsätze der Ziff. 2 von Art. 3 EAUe
erweitern den Schutzbereich von Ziff. 1. Dieser "erweiterte Schutz"
("protection élargie", vgl. Urteil 1A.268/1994 vom 26. Januar 1995 E. 6a) wird
bisweilen unter dem Titel der "drohenden politischen Verfolgung"
zusammengefasst oder als "Diskriminierungsklausel" bzw.
"Nicht-Diskriminierungsklausel" bezeichnet ( STEFAN HEIMGARTNER,
Auslieferungsrecht, 2002, S. 123; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire
internationale en matière pénale, 4. Aufl. 2014, Rz. 629; MARTIN HEGER/KATHLEEN
WOLTER, in: Rechtshilferecht in Strafsachen, 2015, 2. Hauptteil Rz. 1112).
In Bezug auf den ersten Teilsatz sind gemäss HEIMGARTNER zwei Anwendungsfälle
denkbar: Entweder begehrt der ersuchende Staat die Auslieferung für ein vom
Verfolgten tatsächlich begangenes gemeinrechtliches Delikt, beabsichtigt ihn
aber auch wegen einer politischen Straftat zu verfolgen, oder der ersuchende
Staat begehrt die Auslieferung wegen einer vom Verfolgten nicht begangenen
Straftat, um ihn aus politischen Gründen zu behändigen (a.a.O., S. 123). In der
Rechtsprechung wird in dieser Hinsicht von einer rein politisch motivierten
bzw. fabrizierten Strafverfolgung gesprochen (BGE 122 II 373 E. 2c S. 378; 109
Ib 317 E. 16c S. 338; Urteil 1C_559/2011 vom 7. März 2012 E. 3.5).
Der Schutzzweck des zweiten Teilsatzes erfasst die "Lage" der betroffenen
Person im Allgemeinen, erstreckt sich auch auf Benachteiligungen ausserhalb des
Strafverfahrens und insbesondere auf die Gefahr drohender Folter ( HEGER/
WOLTER, a.a.O., 2. Hauptteil Rz. 1112). In dieser Hinsicht überschneidet sich
Art. 3 Ziff. 2 zweiter Teilsatz EAUe mit einer Reihe von Garantien des
Menschenrechtsschutzes (vgl. etwa bezüglich Art. 6 EMRK BGE 109 Ib 317 E. 16c
S. 337).

6.1.3. Die Schweiz prüft vor diesem Hintergrund die
Auslieferungsvoraussetzungen des EAUe auch im Lichte ihrer völkerrechtlichen
Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte. Danach sind insbesondere Folter
und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Bestrafung verboten (Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 EMRK, Art. 7 und Art. 10
Ziff. 1 UNO-Pakt II [SR 0.103.2]). Niemand darf in einen Staat ausgeliefert
werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher
Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 25 Abs. 3 BV; vgl. BGE 123 II 161 E. 6a
S. 167, 511 E. 5a S. 517; je mit Hinweisen). Auch behält sich die Schweiz die
Verweigerung von Rechtshilfe vor, wenn im ersuchenden Staat die Respektierung
eines Minimalstandards an Verfahrensrechten nicht gewährleistet erscheint,
zumindest soweit dieser, wie das Folterverbot, zum zwingenden Völkerrecht
gehört und damit sämtlichen völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen vorgeht
(vgl. Art. 53 und 64 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht
der Verträge [SR 0.111]; vgl. zum Ganzen: BGE 133 IV 76 E. 4.1 S. 86 mit
Hinweisen).

6.1.4. Hinweise auf eine politische Verfolgung im Sinne der beiden Tatbestände
von Art. 3 Ziff. 2 EAUe können sich gemäss AHLBRECHT, BÖHM UND ROSENTHAL aus
der besonderen Intensität von Verfolgungsmassnahmen, aus einem erhöhten
Strafmass (sogenannter "Politzuschlag"), aus der Manipulation des Tatvorwurfs,
gegebenenfalls mit der Fälschung von Beweismaterial und einer unzureichenden
Sachbehandlung ergeben ( HEIKO AHLBRECHT/KLAUS-MICHAEL BÖHM/MICHAEL ROSENTHAL,
in: Internationales Strafrecht in der Praxis, 2008, Rz. 692; ebenso: HEGER/
WOLTER, a.a.O., 2 Hauptteil Rz. 1112).

6.1.5. Der Rechtshilferichter hat bei der Prüfung der Voraussetzungen von Art.
3 Ziff. 2 EAUe besondere Vorsicht walten zu lassen, da die Bestimmung ein
Werturteil über die politischen und juristischen Verhältnisse eines Staats
erfordert (BGE 122 II 373 E. 2a S. 376 f. mit Hinweisen). Auf der anderen Seite
entbindet ihn auch etwa der Umstand, dass der ersuchende Staat Vertragspartei
der EMRK ist, nicht davon, die erwähnten Garantien zu beachten und insbesondere
zu überprüfen, ob die betroffene Person im Falle einer Auslieferung eine Art. 3
EMRK widersprechende Behandlung zu befürchten hätte (BGE 122 II 373 E. 2d S.
379).
Um den erweiterten Schutz von Art. 3 Ziff. 2 EAUe in Anspruch nehmen zu können,
kann sich die auszuliefernde Person nicht darauf beschränken zu behaupten, es
gehe für sie von der politisch-juristischen Situation im ersuchenden Staat eine
Bedrohung aus. Es obliegt ihr vielmehr darzutun, dass ein objektives und
ernsthaftes Risiko einer schweren Verletzung der Menschenrechte oder einer
Diskriminierung besteht (BGE 122 II 373 E. 2a S. 377 mit Hinweisen).

6.2.

6.2.1. Hinsichtlich Art. 3 Ziff. 2 erster Teilsatz EAUe ist der
Beschwerdeführer der Auffassung, er habe bereits in den Asylverfahren konkret
aufgezeigt, dass ihm im Fall der Rückführung in die Türkei Folter drohe. Dies
sei in jenen Verfahren auch anerkannt worden. Er und seine Brüder seien nach
ihrer Verhaftung am 20. November 1988 mehrere Tage von der türkischen Polizei
gefoltert worden. Dass Folter im Polizeigewahrsam zur damaligen Zeit ein
weitverbreitetes Problem gewesen sei, räume auch die Vorinstanz ein. Der
Hauptbelastungszeuge, sein Bruder H.________, habe angegeben, die belastenden
Aussagen gemacht zu haben, um sich von den Schlägen der Polizisten zu befreien.
Die Spuren der Folter in der Türkei feststellen zu lassen, sei schwierig
gewesen. Indessen gebe es mittlerweile verschiedene fachärztliche Berichte,
welche eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierten und diese auf
die erlittene Folter zurückführten. Die erlittene Folter sei eines der Indizien
für die politische Motivation der strafrechtlichen Verfolgung. Hinzu komme,
dass eine lebenslängliche Strafe für eine Blutrache im osttürkischen Kontext
geradezu exorbitant sei. Sein Engagement für die PKK und insbesondere der
Kontakt zur obersten Führungsriege würden ebenfalls nahelegen, dass die Türkei
aus politischen Gründen daran interessiert sei, seiner habhaft zu werden.
Darauf weise auch der Zeitpunkt des Auslieferungsbegehrens hin. Obwohl die
türkischen Behörden nachweislich schon 1992 von seinem Aufenthaltsort erfahren
hätten, hätten sie erst im Jahr 2011 ein Auslieferungsgesuch gestellt. Dieses
sei erfolgt, nachdem er den ranghöchsten PKK-Funktionär, der damals in
Deutschland unter Hausarrest gestanden sei, besucht habe. Offenbar sei sein
Auto mit Zürcher Kennzeichen dort dem türkischen Geheimdienst aufgefallen. Ein
weiterer Hinweis für eine politische Verfolgung sei, dass über ihn ein
politisches Datenblatt angelegt worden sei und sich dieses im Laufe des
Auslieferungsverfahrens plötzlich in ein gemeinrechtliches verwandelt habe.
Der Beschwerdeführer kritisiert, das Bundesstrafgericht setze sich mit seinem
Entscheid nicht nur über die genannten objektiven Anhaltspunkte für eine
politische Verfolgung, sondern auch über die Entscheide der schweizerischen
Asylbehörden hinweg. Diese seien jedoch auf diesem Gebiet fachkundig.

6.2.2. Das Bundesstrafgericht führt aus, die Asylbehörden seien zum Schluss
gekommen, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers rein strafrechtlichen
Charakter aufweise. Sie hätten erläutert, weshalb sich aus den eingereichten
Prozessakten schliessen lasse, dass der Prozess korrekt durchgeführt worden
sei. Der Beschwerdeführer sei damals auch von mehreren selbst bestimmten
Anwälten verteidigt und der Prozess bis zum Kassationshof weitergezogen worden.
Das Gerichtsverfahren könne nicht als von vornherein unfair bezeichnet werden.
Die Unschuldsbeteuerungen des Beschwerdeführers seien dagegen aufgrund
verschiedener Ungereimtheiten nicht glaubhaft. Diese Einschätzung stütze sich
unter anderem auf seine widersprüchlichen Aussagen zu seinem angeblichen Alibi
bezüglich des Tatzeitpunktes und den konkreten Umständen, wie er vom Mord und
von der gegen ihn erhobenen Anklage erfahren haben wolle. Gerade auch die vom
Beschwerdeführer geltend gemachten Zweifel, die der Oberste Gerichtshof der
Türkei in seinem Urteil an der Schuld des Beschwerdeführers gehegt habe, würden
aufzeigen, dass entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sein Fall vor der
Rechtsmittelinstanz unvoreingenommen geprüft und seine Verurteilung nicht
leichthin erfolgt oder bereits zum Vornherein festgestanden sei.

6.2.3. Zu Recht kommt das Bundesstrafgericht gestützt auf diese Erwägungen zum
Schluss, dass nicht davon auszugehen ist, das türkische Auslieferungsersuchen
sei lediglich konstruiert worden, um den Beschwerdeführer wegen seiner
politischen Anschauungen zu verfolgen. Was der Beschwerdeführer hiergegen
vorbringt, überzeugt dagegen nicht. So erscheint eine lebenslange
Freiheitsstrafe für ein Tötungsdelikt, das einer eigentlichen Exekution
gleichkommt, nicht als exorbitant. Auch das politische Engagement des
Beschwerdeführers, das erst spät erfolgte Auslieferungsgesuch und die Existenz
eines politischen Datenblatts reichen nicht aus für die Annahme, dass die
strafrechtliche Verfolgung lediglich vorgeschoben worden wäre, um eine
politische Verfolgung zu kaschieren. Der angefochtene Entscheid verletzt somit
Art. 3 Ziff. 2 erster Teilsatz EAUe nicht.

6.3.

6.3.1. Weiter ist zu prüfen, ob ernstlich angenommen werden muss, es bestehe
die Gefahr, dass die Lage des Beschwerdeführers aus rassischen und politischen
Gründen erschwert werden könnte. In dieser Hinsicht legt das Bundesstrafgericht
dar, es gebe hinreichende Gründe, von der Einschätzung der Asylbehörden
abzuweichen. Diese hätten verschiedene Aspekte unberücksichtigt gelassen. So
bestünden Unstimmigkeiten zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers und jenen
seines Bruders C.________, der ebenfalls in der Schweiz um Asyl ersucht habe.
Dies gelte etwa für das PKK-Propagandamaterial, welches der Beschwerdeführer
angeblich seinem Bruder übergeben habe, das von Letzterem in seinem
Asylverfahren aber nicht erwähnt worden sei. Der Beschwerdeführer habe zudem im
Asylverfahren vorgebracht, sein Bruder C.________ werde immer wieder von der
Polizei mitgenommen, geschlagen und wieder freigelassen. Nicht einsichtig sei
in dieser Hinsicht, weshalb dann die Hausdurchsuchung und Festnahme von
C.________ erst im Herbst 1994 stattgefunden habe, also mehr als zwei Jahre
nach der Einreise des Beschwerdeführers in die Schweiz. Auch habe C.________
über seine eigenen politischen Aktivitäten Angaben gemacht, die mit jenen des
Beschwerdeführers nicht übereinstimmten. Weiter sei unberücksichtigt geblieben,
dass gemäss den Abklärungen des BFF noch im Zeitpunkt des ersten Asylentscheids
vom 26. August 1994 keine politischen Datenblätter über den Beschwerdeführer,
seinen Vater und seinen Bruder H.________ bestanden. Aufgrund der Akten
erschienen demnach die Gründe, welche zum damaligen Eintrag des
Beschwerdeführers im politischen Datenblatt als "unbequeme Person" nach dessen
Einreise in die Schweiz geführt hätten, insgesamt als unklar. Entsprechend
lasse sich allein gestützt auf die Existenz dieses politischen Datenblatts das
in der Verfügung vom 17. September 1996 angenommene Interesse der türkischen
Behörden an der politischen Verfolgung des Beschwerdeführers nicht konkret
nachvollziehen.
Im letzten Asylverfahren sei zudem nicht erwähnt worden, dass über den
Beschwerdeführer gemäss den Abklärungen vom 23. Juli 2013 der Schweizerischen
Botschaft in Ankara kein politisches Datenblatt mehr existiere, sondern nur
noch ein gemeinrechtliches. Wenn das BFM zum Schluss komme, dass dem
Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Heimatstaat mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit eine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe oder Behandlung
drohe, so bleibe unklar, auf welche konkreten Anhaltspunkte es seine
Schlussfolgerung stütze.
Gegen diese Annahme spreche zunächst, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer
geltend gemachten exilpolitischen Tätigkeit nicht um ein bedeutendes
politisches Engagement handle und aktuell kein Eintrag über den
Beschwerdeführer in einem politischen Datenblatt existiere. Ebenfalls stehe
fest, dass seine in der Türkei lebenden Familienangehörigen und selbst seine
ferienhalber mehrmals in die Türkei gereiste Ehefrau zwar über seinen Verbleib
gefragt, aber darüber hinaus keinen staatlichen Repressalien ausgesetzt worden
seien. Die Frage, weshalb das Auslieferungsersuchen nicht früher gestellt
wurde, sei dagegen von sekundärer Bedeutung. Die auf ausdrückliche Nachfrage
hin von den türkischen Behörden abgegebene Antwort erwecke keine ernsthaften
Zweifel. Schliesslich habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können,
bereits vor seiner Flucht in die Schweiz vor mehr als 20 Jahren wegen seiner
angeblichen Unterstützungstätigkeit für die PKK staatlichen
Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt gewesen zu sein.
Auch wenn im Falle des Beschwerdeführers eine politische Komponente durchaus
bestehen möge, sei sie unter Berücksichtigung der geltend gemachten Umstände
nicht dergestalt, dass eine Auslieferung a priori als ausgeschlossen erscheine.
Insgesamt werde durch die von der Türkei abgegebenen Garantien der Gefahr, dass
der Beschwerdeführer bei seiner Auslieferung einer Art. 3 EMRK verletzenden
Behandlung und damit einer Erschwerung seiner Lage im Sinne von Art. 3 Ziff. 2
EAUe ausgesetzt sein könnte, hinreichend entgegengewirkt.
Das Bundesstrafgericht stellt schliesslich in Frage, ob sich der
Beschwerdeführer überhaupt auf Art. 3 Ziff. 2 EAUe berufen könne. Er sei
aufgrund des ihm angelasteten Verbrechens gemäss Art. 1 (F) lit. b FK vom
Schutz der Flüchtlingskonvention ausgeschlossen. Auch wenn das EAUe einen
solchen Ausschlussgrund nicht ausdrücklich vorsehe, leuchte mit Blick auf die
humanitäre Zielsetzung von Art. 3 Ziff. 2 EAUe nicht ein, weshalb einer Person,
welche wegen Schutzunwürdigkeit von der Flüchtlingskonvention rechtskräftig
ausgeschlossen wurde, dieser Schutz auslieferungsrechtlich gewährt werden
solle.

6.3.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung findet Art. 3 Abs. 2 EAUe
auch auf Personen Anwendung, welche im Verfolgerstaat ein schweres
nichtpolitisches Delikt verübt haben und deshalb nicht unter die
Schutzbestimmungen der Flüchtlingskonvention fallen (Urteil 1A.127/1990 vom 18.
Dezember 1990 E. 2c/aa). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der klare
Wortlaut der Bestimmung lässt in dieser Hinsicht keine Ausnahme zu. Zudem
besteht nach dem Ausgeführten eine Übereinstimmung des Schutzbereichs
insbesondere mit Art. 3 EMRK. Diese Norm verbietet es ebenfalls, Straftäter in
einen Staat auszuliefern, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und
unmenschlicher Behandlung oder Strafe drohen (BGE 134 IV 156 E. 6.3 S. 164 mit
Hinweis).

6.3.3. Art. 59 AsylG sieht vor, dass Personen, denen die Schweiz Asyl gewährt
hat oder die als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen wurden, gegenüber allen
eidgenössischen und kantonalen Behörden als Flüchtlinge gelten. Diese
formal-gesetzliche Bindungswirkung kommt im vorliegenden Fall nicht zur
Anwendung, da der Beschwerdeführer nach Art. 1 (F) lit. b FK von der
Flüchtlingseigenschaft wegen der Begehung eines schweren Verbrechens
ausgeschlossen ist. Auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 59 AsylG
sind widersprüchliche Entscheide im Asyl- und im Auslieferungsverfahren
indessen zu vermeiden. Der Auslieferungsrichter weicht deshalb, vorbehältlich
neuer Tatsachen, im Prinzip nicht von der Sachverhaltsfeststellung der
Asylbehörde ab und er weicht ohne Grund auch nicht von den Erwägungen ab,
welche zur Abweisung des Asylgesuchs geführt haben (BGE 132 II 469 E. 2.5 S.
473 mit Hinweisen).

6.3.4. Die von der Vorinstanz dargelegten Unstimmigkeiten zwischen den Aussagen
des Beschwerdeführers und denjenigen seines Bruders lassen als fraglich
erscheinen, inwieweit der Beschwerdeführer bis zu seiner Verurteilung in der
Türkei bereits politisch aktiv war. Dies ist jedoch nicht allein massgebend.
Für die Zeit seines Aufenthalts in der Schweiz macht der Beschwerdeführer ein
umfangreiches politisches Engagement geltend. Auch wenn dieses offensichtlich
nicht von grosser politischer Bedeutung ist, wurde über ihn ein politisches
Datenblatt mit dem Vermerk "unbequeme Person" angelegt. Aus diesem Grund und
weil der Beschwerdeführer von den türkischen Behörden mit der PKK in Verbindung
gebracht werde, erteilte ihm das BFF im Jahre 1996 die vorläufige Aufnahme. In
seinem Entscheid vom 29. Januar 2014 hielt das BFM in dieser Hinsicht
bestätigend fest, dass sich die massgebliche Sachlage nicht geändert habe.

6.3.5. Gemäss konstanter Praxis des Bundesverwaltungsgerichts ist bei
Asylbewerbern aus der Türkei, für die - im Zusammenhang mit einem
Strafverfahren - politische Datenblätter im so genannten Allgemeinen
Informationssystem GBTS (Genel Bildi Toplama Sistemi) angelegt worden sind, in
der Regel bereits aufgrund dieser Fichierung von einer begründeten Furcht vor
künftiger asylrechtlich relevanter staatlicher Verfolgung auszugehen. Das GBTS
sei für Polizei- und Gendarmeriestellen des ganzen türkischen Staatsgebiets,
insbesondere auch für an den Landesgrenzen tätige, für Ein- und
Ausreisekontrollen zuständige Einheiten zugänglich. Es sei mit Sicherheit davon
auszugehen, dass das politische Datenblatt bei der mit einer Wiedereinreise
verbundenen Kontrolle der betroffenen Person entdeckt werde, was bereits ein
Risiko staatlicher, in ihrer Intensität asylrechtlich potenziell relevanter
Verfolgungsmassnahmen darstelle. Sodann führe die Fichierung üblicherweise zu
einer - möglicherweise wenig intensiven, aber zeitlich andauernden -
behördlichen Überwachung. Zudem sei davon auszugehen, dass die betroffene
Person bei politisch relevanten Zwischenfällen in ihrer Wohngegend häufig
automatisch als potenziell tatverdächtig in Betracht gezogen und entsprechend
behandelt werde (BVGE 2010/9 E. 5.3 S. 120 ff.; 2013/25 E. 5.4.3 S. 365; Urteil
des BVGer D-586/2012 vom 3. März 2014 E. 4.4; vgl. auch Urteil des BVGer D-5228
/2013 vom 9. Oktober 2014 E. 5.5.1). Irrelevant ist nach dieser Praxis
schliesslich, ob die Strafe bereits (teilweise) verbüsst worden ist oder ob
behördliche Untersuchungsmassnahmen noch hängig sind (Urteil des BVGer E-6306/
2011 vom 18. Juli 2012 E. 5.2).

6.3.6. Nach dem Ausgeführten ist nur mit gutem Grund von den
Sachverhaltsfeststellungen und den rechtlichen Erwägungen der Asylbehörden
abzuweichen. Dies setzt, gerade auch mit Blick auf die in Frage stehenden
Rechtsgüter voraus, dass durch entsprechende Abklärungen allfällige Zweifel
ausgeräumt werden und feststeht, dass die Auffassung der Asylbehörden
tatsächlich unzutreffend ist. Im vorliegenden Fall kann diese Voraussetzung aus
folgenden Gründen zumindest im jetzigen Zeitpunkt nicht als erfüllt bezeichnet
werden.
Zum einen scheint wesentlich, wann und weshalb die Fichierung des
Beschwerdeführers als "unbequeme Person" erfolgt und wann und weshalb sie
aufgehoben wurde. Angesichts der Bedeutung dieses Eintrags für die Feststellung
einer staatlichen Verfolgung bzw. der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden
Behandlung hätte das BJ Anlass gehabt, von den türkischen Behörden eine
Auskunft über die Hintergründe der Fichierung und ihrer Löschung zu verlangen.
Wenn die Vorinstanz als massgeblich einzig ansieht, dass gegenwärtig kein
politisches Datenblatt mehr existiert, ist ihr nicht zu folgen.
Zum andern ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Zeitpunkt des
Auslieferungsersuchens gewisse Zweifel an dessen Motivation weckt. Das BJ hat
die Türkei um eine Erklärung hierzu ersucht. Die Antwort legt nahe, dass die
türkische Polizei bereits im Jahr 1995 davon ausging, dass sich der
Beschwerdeführer in der Schweiz befand, aber seine Adresse nicht kannte und in
den folgenden Jahren auch nicht eruieren konnte. Unklar bleibt freilich,
weshalb sie die Unkenntnis der genauen Adresse davon abhielt, ein
Auslieferungsgesuch zu stellen.

6.3.7. Um eine gesicherte Erkenntnisgrundlage zu schaffen, die ein allfälliges
Abweichen von den Entscheiden der Asylbehörden rechtfertigen könnte, hätte das
Bundesamt zu den genannten Fragen weitere Abklärungen treffen müssen (vgl.
Urteil 1A.129/2004 vom 8. Juli 2004 E. 3.1 mit Hinweisen). Sachdienliche
Hinweise hätte wohl insbesondere auch ein Amtsbericht des SEM geben können. Die
beschriebenen Unklarheiten erlauben es jedenfalls im jetzigen Zeitpunkt nicht,
eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung auszuschliessen. Es ist deshalb
angezeigt, die Sache an das BJ zurückzuweisen.

6.3.8. Aus Gründen der Prozessökonomie ist im Folgenden auch auf die weiteren
vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen einzugehen.

7.
Der Beschwerdeführer übt unter dem Titel von Art. 3 EMRK sowie Art. 3 des
Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame,
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (SR 0.105) weitere
Kritik am angefochtenen Entscheid. Soweit diese nicht bereits weiter oben
aufgenommen wurde, erweist sie sich jedoch nicht als stichhaltig. So ist dem
Beschwerdeführer nicht zu folgen, wenn er vorbringt, Garantien durch den
ersuchenden Staat seien allgemein untauglich. Es kann in dieser Hinsicht auf
die publizierte Rechtsprechung verwiesen werden (betreffend die Türkei: BGE 133
IV 76 E. 4 S. 85 ff. mit Hinweisen). Ebenfalls unbehelflich ist der Verweis des
Beschwerdeführers auf seinen Gesundheitszustand. Dieser bildet grundsätzlich
kein Auslieferungshindernis; zudem hat die Türkei die ausdrückliche Garantie
abgegeben, während der Haft eine angemessene medizinische Betreuung zu
gewährleisten (vgl. Urteil 1A.184/2002 vom 5. November 2002 E. 8, nicht publ.
in BGE 129 II 56). Der Gesundheitszustand des Betroffenen steht einer
Auslieferung nur unter ausserordentlichen Umständen entgegen, welche hier
offensichtlich nicht gegeben sind (vgl. Urteil des EGMR  A.S. gegen Schweiz vom
30. Juni 2015, Beschwerde-Nr. 39350/13, §§ 31-34). Die Erstellung eines
gerichtlichen Gutachtens, wie es der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 15.
Juni 2015 beantragt, erübrigt sich somit.

8.

8.1. In seiner Eingabe vom 15. Juni 2015 macht der Beschwerdeführer
schliesslich geltend, die Vollstreckung seiner Strafe sei nach türkischem Recht
verjährt, da eine entsprechende Amnestie erlassen worden sei. Die Auslieferung
sei deshalb nach Art. 10 EAUe nicht möglich. Er habe in der Türkei den
Rechtsweg beschritten, um die Verjährung feststellen zu lassen.

8.2. Nach Art. 10 EAUe wird die Auslieferung nicht bewilligt, wenn nach den
Rechtsvorschriften des ersuchenden oder des ersuchten Staats die
Strafverfolgung oder Strafvollstreckung verjährt ist. Nach der Rechtsprechung
ist es grundsätzlich nicht Aufgabe der schweizerischen Behörden zu prüfen, ob
die Verjährung nach dem Recht des ersuchenden Staats eingetreten ist. Ein
Rechtshilfegesuch kann allenfalls abgewiesen werden, wenn die Verjährung ausser
Zweifel steht (Urteil 1A.184/2005 vom 9. Dezember 2005 E. 2.11 mit Hinweisen).
Dies ist hier nicht der Fall. Mit Urteil vom 22. Juni 2015 hat das 2.
Schwurgericht von Gaziantep den Antrag des Beschwerdeführers abgelehnt und
dargelegt, weshalb die Verjährung noch nicht eingetreten sei. Auch wenn der
Beschwerdeführer diesen Entscheid als falsch bezeichnet und ein Rechtsmittel
dagegen eingelegt hat, kann gestützt darauf im jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt
werden, die Verjährung sei nach türkischem Recht zweifellos eingetreten. Die
Rüge der Verletzung von Art. 10 EAUe ist somit unbegründet.

9. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde teilweise gutzuheissen ist.
Dispositiv-Ziffer 3 des angefochtenen Entscheids ist aufzuheben und die Sache
zur Neubeurteilung an das BJ zurückzuweisen. Ebenfalls aufzuheben ist
Dispositiv-Ziffer 4 des angefochtenen Entscheids, wonach die Kosten des
Verfahrens vor Bundesstrafgericht von Fr. 3'000.-- dem Beschwerdeführer
auferlegt wurden. Die Vorinstanz wird über die Kostenliquidation in ihrem
Verfahren neu zu befinden haben. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens obsiegt der Beschwerdeführer zum Teil. Es
sind ihm reduzierte Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der
Beschwerdeführer hat zudem Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung
(Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 3 und 4 des
Entscheids des Bundesstrafgerichts vom 7. Mai 2015 werden aufgehoben. Die Sache
wird zur neuen Beurteilung an das Bundesamt für Justiz und zur Neuverlegung der
Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens an das Bundesstrafgericht
zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten werden im Umfang von Fr. 1'000.-- dem Beschwerdeführer
auferlegt.

3. 
Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat dem Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Entschädigung von Fr. 3'000.--
auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich
Auslieferung, und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 12. August 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold

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