Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.26/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_26/2015

Urteil vom 23. Juni 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Pedretti.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

Strassenverkehrsamt des Kantons Zug, Hinterbergstrasse 41, 6312 Steinhausen.

Gegenstand
Entzug des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder,

Beschwerde gegen das Urteil vom 26. November 2014 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer.

Sachverhalt:

A.

 Das Strassenverkehrsamt des Kantons Zug erteilte der A.________ AG am 25.
Januar 2013 einen Kollektiv-Fahrzeugausweis sowie das Händlerschild ZG xxx U
zur Führung von Motorwagen in Zusammenhang mit dem an der Strasse U.________ in
Unterägeri betriebenen Autohandel gestützt auf Art. 23 der
Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959 (VVV; SR 741.31). Als
verantwortliche Person, welche über die fachlichen Kenntnisse gemäss Anhang 4
der VVV verfügt, wurde B.________ bezeichnet. Unter Ziff. 5 der Verfügung wurde
zudem ausgeführt, dass der Kollektiv-Fahrzeugausweis und das Händlerschild dem
Strassenverkehrsamt zurückzugeben sind, sobald die Voraussetzungen für die
Erteilung gemäss Art. 23 VVV wegfallen.

B.

 Mit Verfügung vom 29. Juli 2014 entzog das Strassenverkehrsamt der A.________
AG den Kollektiv-Fahrzeugausweis mit Kontrollschild und begründete dies damit,
dass an der Strasse U.________ in Unterägeri kein Fahrzeughandel mehr
stattfinde, sondern sich dort nur noch der Firmensitz befinde. Es sei
festgestellt worden, dass am Wohnort von B.________ an der Strasse V.________
in Weggis seit längerer Zeit ein reger Handel mit Motorfahrzeugen betrieben
werde. Daher seien die Voraussetzungen für den Besitz des Händlerschildes ZG
xxx U nicht mehr gegeben. Falls der Fahrzeughandel weiterhin in Weggis
stattfinde, sei für die Bewilligung des Händlerschildes der Kanton Luzern
gestützt auf Art. 74 Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen und
Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51)
zuständig.

C.

 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug
mit Urteil vom 26. November 2014 ab.

D.

 Mit Beschwerde vom 9. Januar 2015 gelangt die A.________ AG an das
Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts
vom 26. November 2014.
Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werden könne. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragt, die
Beschwerde sei abzuweisen. Das Strassenverkehrsamt hat sich nicht vernehmen
lassen.
Die Beschwerdeführerin hält in der Replik an ihrem Antrag fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über einen
Entzug eines Kollektiv-Fahrzeugausweises mit Händlerschild. Dagegen steht die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG
offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten
ist.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (
iura novit curia; Art. 106 Abs. 1 BGG). Es kann daher eine Beschwerde aus
anderen als den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Gründen gutheissen
oder den Entscheid mit einer von der Vorinstanz abweichenden Begründung
bestätigen (BGE 133 V 196 E. 1.4 S. 200; BGE 122 V 34 E. 2b S. 36 mit
Hinweisen). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den
die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG).

2.

 Strittig ist, ob das Strassenverkehrsamt der Beschwerdeführerin den
Kollektiv-Fahrzeugausweis und das Händlerschild zu Recht entzogen hat.

2.1. Das Verwaltungsgericht bejahte dies mit der Begründung, die
Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin habe sich nach Weggis verlagert und
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zug sei für ausserkantonale Sachverhalte
nicht zuständig. Es stellte dabei auf Art. 74 Abs. 3 VZV ab, wonach der
Kollektiv-Fahrzeugausweis vom Kanton, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat,
auf das Unternehmen oder dessen verantwortlichen Leiter ausgestellt wird. Unter
dem Begriff des Unternehmenssitzes sei entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung
nicht der formelle Sitz der Gesellschaft - welcher hier unbestrittenermassen in
Unterägeri liegt - zu verstehen, sondern der Ort, an welchem sich der
tatsächliche Geschäftsbetrieb befinde. Wenn die Beschwerdeführerin ihren
Fahrzeughandel - dauernd oder vorübergehend - in Weggis betreibe, sei der
Kanton Luzern für die Erteilung des Kollektiv-Fahrzeugausweises mit
Händlerschild zuständig. Das Hoheitsgebiet eines jeden Strassenverkehrsamtes
erstrecke sich nur bis zu den jeweiligen Kantonsgrenzen. Bei einer Verlegung
der Geschäftstätigkeit in einen anderen Kanton, könne der Kanton Zug gar nicht
mehr überprüfen, ob die Voraussetzungen für den Kollektiv-Fahrzeugausweis
erfüllt seien.
Das Verwaltungsgericht befand mit anderen Worten den Entzug des
Fahrzeugausweises mit Kontrollschild für rechtmässig, weil aufgrund der
Verlegung des Autohandels nach Weggis der Kanton Luzern für dessen Erteilung
zuständig sei.

2.2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht
vorgenommene Auslegung von Art. 74 Abs. 3 VZV widerspreche dem klaren Wortlaut
dieser Bestimmung und entbehre jeglicher gesetzlichen Grundlage. Die Regelung
erweise sich nicht als unvollständig, weshalb keine ausfüllungsbedürftige Lücke
vorliege. Ausserdem sei die Regelung gesetzes- bzw. verfassungskonform und
beruhe auf einer zulässigen Kompetenzdelegation an den Bundesrat, welcher eine
interkantonale Zuständigkeitsordnung festgelegt habe.
Gemäss Art. 74 Abs. 3 VZV sei ausdrücklich der Firmensitzkanton für die
Erteilung eines Kollektiv-Fahrzeugausweises zuständig. Auf den Ort der
Geschäftstätigkeit komme es nicht an. Der Kanton Luzern könne ihr somit
aufgrund des fehlenden Firmensitzes im Kantonsgebiet keinen
Kollektiv-Fahrzeugausweis ausstellen. Sie sei für den Fahrzeughandel aber auf
diesen und das Händlerschild angewiesen. Ein Entzug habe für sie schwerwiegende
logistische und finanzielle Folgen und gefährde ihre Geschäftstätigkeit.

2.3. Nach Art. 25 Abs. 2 lit. d SVG erlässt der Bundesrat Vorschriften über
Ausweise und Kontrollschilder, inbegriffen kurzfristig gültige für geprüfte
oder nicht geprüfte Motorfahrzeuge und Anhänger sowie für Unternehmen des
Motorfahrzeuggewerbes. Gestützt auf (unter anderem) diese Bestimmung hat der
Bundesrat die VVV erlassen, welche in den Art. 22 bis 26 die Abgabe von
Kollektiv-Fahrzeugausweisen und Händlerschilder regelt. Am 1. Juli 1992 ist die
VVV teilweise geändert worden, wobei es darum ging, die persönlichen und
sachlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Kollektiv-Fahrzeugausweisen
mit Händlerschildern zu verschärfen (vgl. BGE 120 Ib 317 E. 2a S. 319; BGE 106
Ib 252 E. 2a S. 254). Während ein Fahrzeugausweis grundsätzlich für ein
bestimmtes immatrikuliertes Fahrzeug gilt, gestatten Kollektiv-Fahrzeugausweise
dem Inhaber, die dazugehörigen Kontrollschilder an verschiedenen Fahrzeugen
anzubringen, die nicht immatrikuliert und nicht amtlich geprüft sein müssen.

2.4. Gemäss Art. 23a Abs. 1 VVV sind Kollektiv-Fahrzeugausweise zu entziehen,
wenn die Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr erfüllt sind. Nach Art.
23 VVV werden Kollektiv-Fahrzeugausweise an Betriebe abgegeben, welche den
Anforderungen in Abs. 1 entsprechen. Danach sind unter anderem die im Anhang 4
aufgeführten (Mindest-) Voraussetzungen zu erfüllen. Unter Ziff. 3 dieses
Anhangs werden die Bedingungen für die Ausweiserteilung an einen
Fahrzeughandelsbetrieb geregelt. Dabei muss der Betrieb insbesondere über
ausreichende Räumlichkeiten (Raum für Fahrzeugaufbereitung und
Fahrzeugpräsentation von mindestens 50 m ^2 Fläche, Abstellplatz für mindestens
weitere zehn Fahrzeuge und Büro mit Telefon) und Betriebseinrichtungen
(Einrichtungen und Werkzeugsortiment für die Bereitstellung von Fahrzeugen,
Lift oder Grube, Batterieladegerät, Wagenheber, optisches Lichteinstellgerät,
typengeprüftes Abgasmessgerät) verfügen.

2.5. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 26. Juli 2014 bzw. in ihrer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. Juli 2014 darauf hingewiesen, dass die
bisher für den Autohandel am Firmensitz in Unterägeri benutzte Liegenschaft für
ihre Zwecke nicht mehr geeignet sei und sie deshalb die Vereinbarung über die
Geschäftsräumlichkeiten aufgehoben habe. Man sei nun auf der Suche nach besser
geeigneten Räumlichkeiten in der Gemeinde Unterägeri. Sobald ein entsprechender
Mietvertrag vorliege, werde dieser dem Strassenverkehrsamt zugeschickt.
Damit räumt die Beschwerdeführerin selber ein, dass sie die Voraussetzungen für
die Erteilung eines Kollektiv-Fahrzeugausweises aufgrund fehlender
Räumlichkeiten und Betriebseinrichtungen nicht mehr erfüllt. Ob diese am neuen
Standort an der Strasse W.________ in Unterägeri vorhanden sind, ist nicht
bekannt und auch nicht weiter massgeblich. Bereits aus der Verfügung vom 25.
Januar 2013 über die Ausweiserteilung ergibt sich, dass der
Kollektiv-Fahrzeugausweis und das Händlerschild aufgrund der Beurteilung des
Betriebs an der Strasse U.________ ausgestellt worden sind und somit von diesem
abhängen (vgl. Ziff. 1). In Ziff. 3 ist denn auch ausdrücklich vermerkt, dass
das Kontrollschild gestützt auf die vorhandenen Räumlichkeiten und
Betriebseinrichtungen ausgehändigt worden ist. Der Verfügung ist zudem nicht zu
entnehmen, dass der Beschwerdeführerin diesbezüglich eine Ausnahme im Sinne von
Art. 23 Abs. 2 VVV bewilligt wurde. Danach kann die kantonale Behörde von den
Voraussetzungen des Anhangs 4 zu Gunsten des Bewerbers oder Inhabers
ausnahmsweise abweichen, wenn die Gesamtbeurteilung des Betriebes ergibt, dass
die Händlerschilder ohne Gefahr für die Verkehrssicherheit und die Umwelt
abgegeben werden können. Ausserdem weisen die Bestimmungen der VVV keine
Sonderregeln für den vorübergehenden Standortwechsel eines Fahrzeugbetriebs
auf, welche es erlauben würden, den Kollektiv-Fahrzeugausweis und das
Kontrollschild weiter zu führen.

2.6. Dem Wortlaut von Art. 23 VVV zufolge müssen die darin genannten
Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (vgl. BGE 109 Ib 43 E. 3 S. 46). Fallen
einzelne davon weg, ist der Kollektiv-Fahrzeugausweis und damit auch das
Händlerschild zu entziehen (Art. 23a Abs. 1 VVV; vgl. Art. 106 Abs. 1 und Abs.
3 i.V.m. Art. 73 lit. d VZV; vgl. Weisungen und Erläuterungen betreffend
Kollektiv-Fahrzeugausweise mit Händlerschildern des Eidg. Justiz- und
Polizeidepartements vom 5. August 1994 Ziff. 1.9). Bei den Räumlichkeiten und
Betriebseinrichtungen handelt es sich um zentrale Elemente eines
Fahrzeughandelsbetriebs. Werden diese aufgegeben, ist der auf (unter anderem)
dieser Grundlage erteilte Kollektiv-Fahrzeugausweis und das Handelsschild zu
entziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts begründet der
Kollektiv-Fahrzeugausweis keine subjektiven Rechte. Dem öffentlichen Interesse
an der gleichmässigen Anwendung und rechtsgleichen Durchsetzung des objektiven
Rechts kommt der Vorrang vor dem Interesse des bisherigen Inhabers an der
Weiterbelassung des Kollektiv-Fahrzeugausweises zu (BGE 120 Ib 317 E. 3a S.
320; vgl. BGE 106 Ib 252 E. 2b S. 255). Daran vermag auch der Einwand nichts zu
ändern, dass der Ausweisentzug schwerwiegende Folgen für die Beschwerdeführerin
haben kann. Ihr steht es zudem frei, ein neues Gesuch für den Standort an der
Strasse W.________ in Unterägeri zu stellen.

2.7. Der vorinstanzliche Entscheid ist demnach nicht bundesrechtswidrig, denn
der Kollektiv-Fahrzeugausweis mit Händlerschild ist der Beschwerdeführerin
mangels ausreichender Räumlichkeiten und Betriebseinrichtungen zu Recht
entzogen worden. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der
Ausweis und das Kontrollschild auch gestützt auf Art. 74 Abs. 3 VZV hätten
entzogen werden können. Daher erübrigt es sich, auf die weiteren Rügen der
Beschwerdeführerin einzugehen.

3.

 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Die Beschwerdeführerin trägt
die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG) und ihr steht keine Parteientschädigung
zu (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Strassenverkehrsamt, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, und dem
Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 23. Juni 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Pedretti

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