Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.262/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_262/2015

Urteil vom 23. September 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch
Fürsprecher Friedrich Kramer,

gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern.

Gegenstand
Führerausweisentzug,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 7. Januar 2015 der Rekurskommission des
Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern.

Sachverhalt:

A.

 Laut Anzeigerapport der Kantonspolizei Bern vom 29. April 2014 war bei ihrer
Einsatzzentrale am 15. April 2014, um 20.54 Uhr, die Meldung eingegangen, bei
der Landi-Tankstelle in Worb versuche eine offensichtlich betrunkene Frau in
ein Auto zu steigen. Beim Eintreffen der Polizei war die Frau bereits
weggefahren. Anhand des Kontrollschildes fuhren die Polizeibeamten zu ihrem
Wohnort in Enggistein. Vor dem Haus fanden sie den Personenwagen mit den
fraglichen Kontrollschildern mit stark erwärmter Motorhaube. Sie klingelten an
der Wohnungstür und wurden von A.________ eingelassen, bei der sie einen
schwankenden Gang und Atemalkoholgeruch feststellten. Nach der Einschätzung der
Polizei stand sie unter massivem Alkoholeinfluss. Sie habe sich sehr aggressiv
und unkooperativ verhalten, und ein normales Gespräch sei nicht möglich
gewesen. Sie habe sowohl einen Atemlufttest als auch eine Blutentnahme im
Spital strikte abgelehnt. Sie habe indessen zunächst zugegeben, Alkohol
getrunken zu haben und anschliessend mit dem Personenwagen nach Hause gefahren
zu sein. In der Folge kam es zu einem Gerangel zwischen A.________ und den
Beamten, und sie widerrief ihr Geständnis. Ihr Führerausweis wurde mitgenommen
und ihr tags darauf am späteren Vormittag, nach einem negativen Atemlufttest,
wieder zurückgegeben.

 Mit Strafbefehl vom 19. Mai 2014 verurteilte die Staatsanwaltschaft des
Kantons Bern A.________ wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der
Fahrunfähigkeit im Sinn von Art. 91a Abs. 1 SVG zu einer (unbedingten)
Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 60 Franken. Der Strafbefehl blieb
unangefochten.

 Am 31. Juli 2014 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons
Bern A.________ den Führerausweis in Anwendung von Art. 16 Abs. 1 lit. c und
Abs. 2 SVG für 12 Monate.

 Am 7. Januar 2015 wies die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen
gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern (im Folgenden:
Rekurskommission) die Beschwerde von A.________ gegen diese Entzugsverfügung
ab.

B.

 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
diesen Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und die Sache zur weiteren
Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C.

 Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt und die Rekurskommission verzichten
unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid auf Vernehmlassung.

 Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragt unter Hinweis auf den
angefochtenen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1.

 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine
Administrativmassnahme im Strassenverkehr. Dagegen steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein
Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Die Beschwerdeführerin rügt die
Verletzung von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 lit. a, Art. 97 Abs. 1
BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die
Beschwerde einzutreten ist.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin wurde wegen des Vorfalls vom 15. April 2014 in
strafrechtlicher Hinsicht wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der
Fahrunfähigkeit verurteilt. Der Strafbefehl ist in Rechtskraft erwachsen. Sie
muss ihn sich damit entgegenhalten lassen. Es ist mit Treu und Glauben nicht
vereinbar, einen Strafbefehl in Rechtskraft erwachsen zu lassen und im
anschliessenden Administrativverfahren dessen tatsächliche Grundlage in Frage
zu stellen (BGE 123 II 97 E. 3c/aa; Urteile 1C_618/2012 vom 29. April 2013 E.
2.3; 1C_249/2012 vom 27. März 2013 E. 2.1.2; 1C_191/2012 vom 21. August 2012 E.
3). Dies gilt für die Beschwerdeführerin umso mehr, als ihr der Fahrausweis
bereits fünfmal wegen Trunkenheitsfahrten entzogen worden war, sodass ihr die
geltende Regelung, wonach ein solcher Vorfall zunächst straf- und anschliessend
verwaltungsrechtlich beurteilt wird, bestens vertraut sein musste.

2.2. Die Beschwerdeführerin führt dazu zwar aus, beim fraglichen Vorfall seien
die Polizeibeamten gegen ihren Willen gewaltsam in ihre Wohnung eingedrungen
und hätten sie an die Wand geschlagen, so dass sie sich blutende Verletzungen
zugezogen habe. Sie sei von diesem Vorgehen derart geschockt und traumatisiert
gewesen, dass sie sich im Strafverfahren nicht habe verteidigen können. Sie
strebe deswegen zur Zeit eine Revision des Strafbefehls an, was indessen für
das vorliegende Administrativverfahren nicht von Bedeutung sei.

 Letzteres trifft zu. Solange der Strafbefehl nicht aufgehoben bzw. revidiert
wird, muss ihn sich die Beschwerdeführerin entgegenhalten lassen. Im Übrigen
wäre der Einwand, sie sei wegen der angeblich widerrechtlich gegen sie
angewandten Polizeigewalt ausserstande gewesen, den Strafbefehl fristgerecht
anzufechten, in einem Verfahren zu Wiederherstellung der Frist nach Art. 94
StPO vorzubringen und nicht mit einem Revisionsbegehren (vgl. BGE 85 II 145;
Urteil 1C_491/2008 vom 10. März 2009 E. 1.2). Der Einwand erscheint zudem wenig
überzeugend, nachdem die angebliche schwere und andauernde Traumatisierung die
Beschwerdeführerin nicht daran gehindert hat, sich am Tag nach dem Vorfall
allein auf den Posten der angeblich gewalttätigen Polizei zu begeben, um ihren
Führerausweis wieder abzuholen.

2.3. Damit ist nach der strafrechtlichen Verurteilung davon auszugehen, dass
sich die Beschwerdeführerin vorsätzlich einer Blutprobe und einer
Atemalkoholprobe widersetzte, was eine schwere Widerhandlung im Sinn von Art.
16c Abs. 1 lit. d SVG darstellt. Den (im Übrigen ohnehin unbegründeten)
Einwand, die Polizei sei nicht befugt gewesen, an ihrer Haustüre zu klingeln
und, nachdem sie Anzeichen auf eine starke Angetrunkenheit feststellte, einen
Atemalkoholtest oder eine Blutprobe anzuordnen, richtet sich gegen die
strafrechtliche Verurteilung und ist damit unzulässig. Nach einer schweren
Widerhandlung ist der Führerausweis für mindestens 12 Monate zu entziehen, wenn
der Betroffenen der Ausweis in den vorangegangenen 5 Jahren wegen einer
schweren Widerhandlung entzogen worden war (Art. 16c Abs. 2 lit. c SVG). Das
ist vorliegend unbestritten der Fall, war doch der Beschwerdeführerin der
Führerausweis mit Verfügung vom 13. August 2013 wegen einer Trunkenheitsfahrt
vom 23. Juni 2013 mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,78
Gewichtspromillen für 6 Monate entzogen worden. Die Beschwerde ist offenkundig
unbegründet.

3.

 Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt
die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Strassenverkehrs- und
Schifffahrtsamt des Kantons Bern, der Rekurskommission des Kantons Bern für
Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern und dem Bundesamt
für Strassen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. September 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi

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