Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.255/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_255/2015

Urteil vom 14. März 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Brändli,

gegen

1. B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Michel,
2. Gemeinderat Reichenburg,
Kanzleiweg, Postfach 242, 8864 Reichenburg,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Wolf,
Beschwerdegegner,

Amt für Raumentwicklung des Kantons Schwyz, Bahnhofstrasse 14, Postfach 1186,
6431 Schwyz,
Regierungsrat des Kantons Schwyz, Bahnhofstrasse 9, Postfach 1260, 6431 Schwyz.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 25. März 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz, Kammer III.

Sachverhalt:

A. 
B.________ ist Eigentümer der Liegenschaft Nr. 329 an der Kantonsstrasse 30 in
Reichenburg. Er ersuchte um die Bewilligung für die Neugestaltung des
Hausumschwungs; unter anderem sollen zwei Parkplätze erstellt und die Zufahrt
in die Kantonsstrasse erweitert werden. Gegen das Bauvorhaben erhob A.________,
Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft Nr. 235, Einsprache.
Am 10. Januar 2013 wies der Gemeinderat Reichenburg die Einsprache im Sinne der
Erwägungen ab und erteilte die nachgesuchte Baubewilligung. Gleichzeitig wurde
die kantonale Baubewilligung des Amts für Raumentwicklung vom 11. Dezember 2012
eröffnet, die folgende Auflagen enthält:

- Die in den Gesuchsunterlagen ausgewiesenen Sichtfelder der Einfahrt in die
Kantonsstrasse sind dauernd freizuhalten.
- Innerhalb sämtlicher Sichtfelder dürfen keine Fahrzeuge (parkierende Autos),
Rabatten, Sträucher, Hagungen, Reklametafeln oder andere Hindernisse, welche
höher als 0.60 Meter sind, die notwendige Sichtweite behindern.
- Das Einfahren in die Kantonsstrasse hat stets vorwärts zu erfolgen. Die
vorgesehene Manövrierfläche auf dem privaten Grundstück ist stets freizuhalten.
- Die Grundstückseinfahrt ist auf einer Tiefe von mindestens 5 Metern ab
Strassenrand so zu befestigen, dass eine Verschmutzung der Strasse vermieden
wird.

Die freizuhaltenden Sichtfelder liegen teilweise auf der Nachbarparzelle Nr.
235 von A.________, auf welcher ein Fuss- und Fahrwegrecht (Grunddienstbarkeit)
zugunsten der Parzelle Nr. 329 von B.________ besteht.

B. 
Gegen diesen Beschluss erhob A.________ am 14. Februar 2013
Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Schwyz. Dieser wies die
Beschwerde am 16. September 2014 im Sinne der Erwägungen ab. Die Auflage, die
Grundstückseinfahrt auf einer Tiefe von mindestens 5 Metern zu befestigen,
wurde aufgehoben. Die Verfahrenskosten wurden vollständig dem Beschwerdeführer
auferlegt.

C. 
Am 10. Oktober 2014 erhob A.________ Beschwerde an das Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz. Dieses wies die Beschwerde am 25. März 2015 ab.

D. 
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat A.________ am 12. Mai 2015
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben.
Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, das ihm zugrunde
liegende Baugesuch vom 29. Juni 2012 abzuweisen und die Baubewilligung zu
verweigern. Eventuell seien ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem
Regierungsrat des Kantons Schwyz nur im Umfang von Fr. 600.-- aufzuerlegen und
die der Gemeinde Reichenburg und B.________ zugesprochenen
Parteientschädigungen auf Fr. 480.-- bzw. Fr. 600.-- zu reduzieren.

E. 
Das Verwaltungsgericht und die Gemeinde Reichenburg schliessen auf Abweisung
der Beschwerde. B.________ und der Regierungsrat Schwyz beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
In seiner Replik hält der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest.
Es wurde keine Duplik eingereicht.

Erwägungen:

1. 
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts
steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ans Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG).
Der Beschwerdeführer ist als Nachbar, dessen Grundstück durch das Bauvorhaben
berührt wird, mehr als jedermann betroffen und somit zur Beschwerde legitimiert
(Art. 89 Abs. 1 BGG). Ob ihm die Baubewilligung Verpflichtungen auferlegt, die
über die bereits bestehenden Einschränkungen im Strassenabstand gemäss §§ 41
und 38 des Schwyzer Strassengesetzes vom 15. September 1999 (StrG; LS 442.110)
hinausgehen, ist nicht schon beim Eintreten zu prüfen, sondern, soweit nötig,
bei der materiellen Beurteilung der Beschwerde.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere
die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens - gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet
das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die
Verletzung von Grundrechten (einschliesslich die willkürliche Anwendung von
kantonalem Recht) prüft es dagegen nur insoweit, als eine solche Rüge in der
Beschwerde vorgebracht und genügend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und
Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG).

2. 
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art.
29 Abs. 2 BV), weil der Regierungsrat seine Eingabe vom 9. September 2014 nicht
berücksichtigt habe. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass
die am 10. September 2014 beim verfahrensleitenden Sicherheitsdepartement
eingegangene Eingabe vom Regierungsrat noch zur Kenntnis genommen worden sei.
Damit habe es den Sachverhalt qualifiziert falsch festgestellt, werde doch
unter Buchstabe F des Beschwerdeentscheids nur die Eingabe vom 1. September,
nicht aber diejenige vom 9. September 2014 erwähnt. Letztere sei den anderen
Parteien auch erst mit Schreiben des Rechts- und Beschwerdedienstes vom 15.
September 2014 zur Kenntnis gebracht worden. Zumindest aber hätte das
Verwaltungsgericht den vom Beschwerdeführer beantragten Auskunftsbericht
einholen müssen, um abzuklären, ob der Regierungsrat tatsächlich in Kenntnis
der Eingabe entschieden habe.

2.1. Der Regierungsrat hält in seiner Vernehmlassung fest, er habe zwischen dem
Eingang der unaufgefordert eingereichten Stellungnahme des Beschwerdeführers am
10. September 2014 und seinem Entscheid vom 16. September 2014 "ausreichend
Gelegenheit gehabt", die Eingabe zur Kenntnis zu nehmen. Dagegen äussert er
sich nicht zur streitigen Frage, ob diese zum Zeitpunkt der Entscheidfällung
schon bei den Akten lag. Der Beschwerdeführer bestreitet dies in seiner Replik
und macht geltend, nach der Geschäftsordnung des Regierungsrats hätten die
Akten schon am 11. September 2014 der Staatskanzlei abgegeben werden müssen.

2.2. Die Frage kann offenbleiben, weil eine allfällige Verletzung des
rechtlichen Gehörs im Verfahren vor Verwaltungsgericht geheilt worden wäre:
Dieses hat den Inhalt der Stellungnahme in seinem Urteil wiedergegeben (E. 1.2)
und sie (in E. 3.2, im Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit der Zufahrt)
berücksichtigt. Es verfügte bei der Beurteilung der streitigen Sach- und
Rechtsfragen über die gleiche Kognition wie der Regierungsrat. Der
Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern seine Stellungnahme vom 9. September
2014 noch in anderem Zusammenhang relevant sein könnte; dies ist auch nicht
ersichtlich.

3. Materiell ist in erster Linie streitig, ob die Zufahrt zu den beiden
geplanten Parkplätzen auf Parzelle Nr. 329 durch das bestehende Fuss- und
Fahrwegrecht rechtlich genügend gesichert ist, insbesondere ob diese
Grunddienstbarkeit auch die Freihaltung der in der Baubewilligung festgelegten
Sichtfelder auf Parzelle Nr. 235 umfasst.

3.1. Das Verwaltungsgericht bejahte dies. Es ging davon aus, dass sich Inhalt
und Umfang des Rechts bei einer ungemessenen Dienstbarkeit nach den
Bedürfnissen des berechtigten Grundstücks richte, bei gemessenen
Dienstbarkeiten hingegen nach den entsprechenden Bestimmungen im Grundgeschäft.
Ein Wegrecht sei in der Regel ungemessen, könne aber auch aufgrund der Regelung
im Dienstbarkeitsvertrag insofern gemessen sein, als es z.B. nur zu einer
bestimmten Anzahl an Fahrten oder nur zur Fahrten während bestimmter
Tageszeiten berechtige.
Aufgrund der Massangaben im Grunddienstbarkeitsvertrag und der dieser
beiliegenden Planskizze sei von einer gemessenen Dienstbarkeit auszugehen, was
die befahr- und begehbare Fläche betreffe. Diese richte sich offensichtlich
nach der Überbauungssituation der verbliebenen Parzelle Nr. 235. Darüber hinaus
enthalte das Grundgeschäft aber keine Bestimmungen; dies gelte nicht nur für
die Nutzungsintensität, sondern auch für die ausserhalb der Fahrbahnfläche
erforderlichen Sichtfelder. Diesbezüglich sei deshalb von einer ungemessenen
Dienstbarkeit auszugehen.
Zweck der Wegrechtseinräumung sei es gewesen, für die Liegenschaft Nr. 329, die
1942 von der Stammliegenschaft Nr. 235 zu Bauzwecken abparzelliert und verkauft
worden sei, eine rechtlich gesicherte Ein- und Ausfahrt in die Kantonsstrasse
und mithin eine hinreichende öffentlich-rechtliche Erschliessung über die auf
Parzelle Nr. 235 befindliche "Durchfahrt" zu garantieren. Hierzu gehöre
zweifellos auch die Gewährleistung einer möglichst gefahrenfreien,
verkehrsgerechten und insbesondere bewilligungsfähigen Ein- und Ausfahrt in die
Kantonsstrasse, andernfalls die Dienstbarkeit ihren Zweck nicht erfüllen
könnte. Daran ändere der Umstand nichts, dass wegen des geringeren
Verkehrsaufkommens diesem Aspekt früher weniger Bedeutung zugemessen werden
musste und man insbesondere keine konkreten Vorschriften betreffend
Sichtfeldern kannte. Darin sei keine unzumutbare Mehrbelastung zu erblicken,
zumal die Ein- und Ausfahrt auch von der belasteten Liegenschaft aus
beansprucht werde, was wiederum die Einhaltung der Verkehrssicherheit bedinge.

3.2. Der Beschwerdegegner rügt zunächst, das Verwaltungsgericht habe die in
Art. 738 ZGB vorgegebene Rangfolge nicht berücksichtigt, wonach der
Grundbucheintrag massgeblich sei, soweit sich Rechte und Pflichten daraus
deutlich ergeben (Abs. 1), und auf den Erwerbsgrund, d.h. den
Dienstbarkeitsvertrag, nur zurückgegriffen werden dürfe, wenn der Wortlaut des
Eintrags unklar sei (Abs. 2).
Der Grundbucheintrag für die Parzelle Nr. 329 lautet:

"Fuss- und Fahrwegrecht z.L. No. 408 [heute: 325], laut Kaufvertrag vom 10.
Sept. 1942".

Dieser Eintrag enthält lediglich die Aussage, dass es sich um ein Fuss- und
Fahrwegrecht handelt; dessen Inhalt und Umfang lässt sich dagegen dem Eintrag
allein nicht entnehmen, weshalb das Verwaltungsgericht zu Recht auf die
Dienstbarkeitsvereinbarung (im Kaufvertrag vom 10. September 1942) zurückgriff.
Dieser lautet:

"Auf der östlich zu GB Nr. 408 [heute: 235] z. "Alten Raben" des Sebastian
Romer gehörenden Durchfahrt erhält das Grundstück Nr. 677 [heute: Nr. 329] des
Karl Glaus das dauernde dingliche Fuss- und Fahrwegrecht. Die Durchfahrt ist
gemäss Planskizze 2.70 m breit und geht von der Kantonsstrasse bis zum
südwestlichen Ecken des Bauplatzes GB Nr. 677."

3.3. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, es handle sich um eine gemessene
Dienstbarkeit, weil die Durchfahrt im Vertrag und der diesem beiliegenden
Skizze ausdrücklich auf eine Breite von 2.70 m beschränkt worden sei.
Weitergehende Benützungsrechte bzw. Eigentumsbeschränkungen seien nicht
vereinbart worden. Insbesondere sei die Freihaltung von Sichtfeldern nicht
vorgesehen worden; diese würden auch im kantonalen Recht (auf das Art. 740 ZGB
verweise) nicht als Inhalt des Wegrechts erwähnt (§ 64 des Schwyzer
Einführungsgesetzes zum schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 14. September 1978
(EGzZGB/SZ; SRSZ 210.100) und entsprächen nicht dem Ortsgebrauch (i.S.v. Art.
738 Abs. 2 ZGB). Es könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass im Jahr 1942
bei der Begründung der Dienstbarkeit die Freihaltung von Sichtfeldern
mitvereinbart worden sei, obwohl damals keine konkreten Vorschriften dazu
bestanden.
Der Beschwerdeführer verkennt, dass das Fuss- und Fahrwegrecht, wie jede
Dienstbarkeit, das Grundstück als Ganzes belastet (BGE 138 III 742 E. 2.1 S.
743). Die Festlegung der Breite der Durchfahrt von 2.70 m gemäss Vertrag und
Planskizze bestimmt nur die Ausübung des Wegrechts örtlich, d.h. die befahrbare
Fläche. Im Übrigen bestimmen sich Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit
grundsätzlich nach deren Zweck (BETTINA HÜRLIMANN-KAUP, Die Ermittlung des
Zwecks einer Grunddienstbarkeit, SJZ 102/2006 S. 6).

3.4. Ergibt sich der Zweck der Dienstbarkeit nicht aus dem Eintrag im
Grundbuch, ist er durch Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags zu ermitteln.
Stehen sich - wie hier - nicht die ursprünglichen Begründungsparteien
gegenüber, ist der Zweck massgebend, der aus dem Dienstbarkeitsvertrag selber
hervorgeht oder objektiv erkennbar ist. Zu fragen ist, welche Interessen bei
objektiver Betrachtung zur Zeit der Errichtung aufgrund der Bedürfnisse des
herrschenden Grundstücks vernünftigerweise von Bedeutung sein konnten (BGE 138
III 650 E. 5.3 S. 655 f. mit Hinweisen).
Diese Grundsätze wurden vom Verwaltungsgericht beachtet. Der Vorwurf des
Beschwerdeführers, es habe auf angebliche (de facto nicht erwiesene) Motive der
damaligen Vertragsparteien abgestellt, trifft nicht zu. Aufgrund des - objektiv
erkennbaren - Zusammenhangs der Grunddienstbarkeit mit dem Verkauf der Parzelle
Nr. 329 "zu Bauzwecken" und der Lage der Ein- und Ausfahrt an der
Kantonsstrasse durfte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass es Zweck des
Fuss- und Fahrwegrechts war, eine hinreichende Erschliessung der Parzelle Nr.
329 ab der Kantonsstrasse zu gewährleisten.
Die Erschliessung des berechtigten Grundstücks über die eingeräumte Zufahrt
setzt zwingend die Möglichkeit voraus, in die Kantonsstrasse einbiegen zu
können, ohne die eigene und die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer zu
gefährden. Gemäss Art. 737 Abs. 3 ZGB muss der Belastete alles unterlassen, was
die Ausübung der Dienstbarkeit behindert. Schon 1942 hätte der Eigentümer des
herrschenden Grundstücks sich deshalb z.B. dagegen wehren können, dass ihm die
Einsicht in die Kantonsstrasse versperrt wird (z.B. durch das Aufstellen von
Sichtblenden ausserhalb der Wegrechtsfläche), wenn dies das Ausfahren auf die
Kantonsstrasse verhinderte oder erschwerte.
Seit 1942 haben sich die Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks im Hinblick
auf die notwendigen Sichtweiten durch die technische Entwicklung verändert
(grösseres Verkehrsaufkommen, schnellere Vorbeifahrten); die notwendigen
Sichtweiten werden heute durch die VSS-Normalien konkretisiert. Diese
Bestimmungen dürfen bei der Ermittlung der Bedürfnisse des herrschenden
Grundstücks grundsätzlich berücksichtigt werden (BGE 139 III 404 E. 7.4.2 S.
409).

3.5. Praxisgemäss ist dem Dienstbarkeitsbelasteten eine Mehrbelastung zumutbar,
die auf eine objektive Veränderung der Verhältnisse, wie etwa die Entwicklung
der Technik, zurückgeht, d.h. nicht auf einer willentlichen Änderung der
bisherigen Zweckbestimmung beruht, und die zweckentsprechende Benützung des
belasteten Grundstücks nicht behindert oder wesentlich mehr als bisher
einschränkt (vgl. BGE 138 III 650 E. 6.4 S. 657 mit Hinweisen).
Anders wäre wohl zu entscheiden, wenn die örtlichen Verhältnisse, insbesondere
bestehende Bauten und Anlagen in den Sichtbereichen, deren Freihaltung
ausschliessen würden. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist davon
auszugehen, dass die Grunddienstbarkeit im Rahmen der bestehenden Anlagen
ausgeübt werden soll (BGE 137 III 145 E. 3.3.3 S. 149 mit Hinweisen; Urteil
5C.71/2006 vom 19. Juli 2006 E. 2.3). Deren Beseitigung würde in aller Regel
auch eine unzumutbare Mehrbelastung im Sinne von Art. 739 ZGB bedeuten.
Vorliegend betreffen die streitigen Sichtfelder jedoch unüberbaute Flächen, die
aufgrund ihrer Nähe zur Kantonsstrasse auch in Zukunft nicht überbaut werden
dürfen (vgl. § 41 Abs. 1 lit. a StrG/SZ).
Der Beschwerdeführer beruft sich pauschal auf bestehende "Rabatten mit
Pflanzungen", ohne darzulegen, inwiefern diese 60 cm überschreiten und damit
den notwendigen Sichtbereich beschränken. Im Übrigen nutzt er selbst die
Ausfahrt in die Kantonsstrasse und ist deshalb für das verkehrssichere
Einbiegen ebenfalls auf eine genügende Sichtweite angewiesen.

3.6. Unter diesen Umständen durfte das Verwaltungsgericht ohne Verletzung von
Bundesrecht davon ausgehen, dass die nach den VSS-Normalien für Zufahrten in
eine Kantonsstrasse erforderlichen Sichtweiten durch die Grunddienstbarkeit
gewährleistet seien. Es kann daher offenbleiben, ob sich die entsprechenden
Beschränkungen bereits aus dem für jedermann geltenden Strassengesetz
(insbesondere § 38 Abs. 1 StrG/SZ) ergeben.

4. 
Streitig ist weiter, ob die Verkehrssicherheit der Zufahrt genügend abgeklärt
worden ist. Regierungsrat und Verwaltungsgericht hatten diese gestützt auf den
Auskunftsbericht des kantonalen Tiefbauamts vom 16. Juni 2014 bejaht und
weitergehende Abklärungen, insbesondere die Einholung eines verwaltungsexternen
Gutachtens, nicht für erforderlich gehalten.
Der Beschwerdeführer rügt, das kantonale Tiefbauamt habe in seinem
Auskunftsbericht die Einfahrt des Kanzleiwegs in die Kantonsstrasse und den
zweiten Fussgängerstreifen bei der Bahnhofstrasseneinfahrt nicht
berücksichtigt. Mit diesen - schon vorinstanzlich vorgebrachten - Einwänden
habe sich das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht auseinandergesetzt und habe
damit das rechtliche Gehör und den Beweisführungsanspruch des Beschwerdeführers
verletzt (Art. 29 Abs. 2 BV). Eine ergänzende Abklärung sei umso mehr geboten
gewesen, als das Tiefbauamt in einer ersten Fassung seines Fachberichts vom 5.
Juli 2012 (für den internen Gebrauch) die Verkehrssicherheit verneint habe.
Das Verwaltungsgericht liess jedoch die Einwände des Beschwerdeführers
(Berücksichtigung Kanzleiweg-Einfahrt und Fussgängerstreifen bei
Bahnhofstrasse-Einfahrt, Gesamtbetrachtung mit den wechselseitigen Wirkungen
der Sicherheitseinflüsse) nicht ausser Acht; es verneinte die Notwendigkeit
eines verwaltungsexternen Gutachtens und der geforderten Gesamtbetrachtung mit
Rücksicht auf das geringe Verkehrsaufkommen der fraglichen Ein- und Ausfahrt in
die Kantonsstrasse: Zu den zwei Parkplätzen auf der Parzelle Nr. 329 komme nur
noch die Nutzung durch den Beschwerdeführer selbst. Damit hat sich die
Vorinstanz (zumindest kurz) mit den Vorbringen und dem Beweisantrag des
Beschwerdeführers auseinandergesetzt.
Das Tiefbauamt räumte in seiner Vernehmlassung ein, dass die Situation der
Zufahrt im Bereich eines Fussgängerstreifens und der schräg gegenüberliegenden
Einmündung der Bahnhofstrasse in die Kantonsstrasse nicht optimal sei und eine
rückwärtige Erschliessung des Grundstücks Nr. 329 via Kanzleiweg und Parkplatz
der Parzelle Nr. 235 (des Beschwerdeführers) besser wäre. Es hielt die Zufahrt
aber aus Sicht der Verkehrssicherheit für zulässig, unter Berücksichtigung der
besonderen örtlichen Verhältnisse (Mündung des Fussgängerstreifens auf einem
Trottoir; keine toten Winkel bei der Ausfahrt aus Parzelle Nr. 329; Versetzung
von mehr als 10 m zur Einmündung der Bahnhofstrasse). Der Kanzleiweg und der
zweite Fussgängerstreifen bei der Bahnhofstrasse wurden nicht erwähnt. Es ist
aber nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt,
weshalb sich dies aufgedrängt hätte: Die Einmündung des Kanzleiwegs liegt noch
weiter von der Zufahrt entfernt als diejenige der Bahnhofstrasse; der zweite
Fussgängerstreifen befindet sich auf der Bahnhof- und nicht auf der
Kantonsstrasse. Unter Berücksichtigung des geringen zusätzlichen
Verkehrsaufkommens, das durch die zwei neuen Parkplätze generiert wird, ist es
nachvollziehbar und jedenfalls nicht willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht
die Notwendigkeit weiterer Abklärungen verneinte und den Beweisantrag des
Beschwerdeführers in antizipierter Beweiswürdigung abwies.

5. 
Der Beschwerdeführer erachtet die in der Baubewilligung verfügten Auflagen zu
den Sichtfeldern als unzulässig, soweit sie sich auch auf sein Grundstück
beziehen. Auflagen in einer Baubewilligung dienten der Behebung untergeordneter
Mängel und müssten selbstständig erzwingbar sein (BGE 129 II 361 E. 4.2 S.
370). Vorliegend treffe beides nicht zu: Die ungenügende Verkehrserschliessung
eines Grundstücks sei ein schwerwiegender Mangel, der nicht mittels einer
Auflage im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geheilt werden könne (Urteil
1C_192/2009 vom 17. November 2009 E. 2.4). Nicht erzwingbar seien die Auflagen,
weil sie sich auf ein fremdes Grundstück beziehen und damit die Mitwirkung
eines am Baubewilligungsverfahren nicht beteiligten Dritten erforderten. Der
Beschwerdeführer hätte zumindest als Beigeladener ins Bewilligungsverfahren
miteinbezogen werden müssen.
Die Zulässigkeit von Auflagen in Baubewilligungsverfahren ist in erster Linie
eine Frage des kantonalen Rechts, welches das Bundesgericht nur unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten überprüft. Willkür wird vom
Beschwerdeführer nicht rechtsgenügend gerügt; eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs ist ebenfalls nicht ersichtlich, war der Beschwerdeführer doch als
Einsprecher am Baubewilligungs- und den nachfolgenden Rechtsmittelverfahren
beteiligt, ohne dass es hierfür einer Beiladung bedurft hätte.
Das vom Beschwerdeführer angerufene Urteil 1C_192/2009 unterscheidet sich in
mehrfacher Hinsicht vom vorliegenden Fall und ist daher nicht einschlägig: Die
streitigen Auflagen wurden erst vor Verwaltungsgericht angeordnet und die für
die Erschliessung erforderlichen Rechte mussten erst noch erworben werden,
während vorliegend bereits eine genügende Grunddienstbarkeit besteht (oben E.
3). Die diesbezüglichen Rügen sind daher abzuweisen, soweit darauf überhaupt
eingetreten werden kann.

6. 
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer die Kostenverteilung im
Beschwerdeentscheid des Regierungsrats: Ihm seien sämtliche Verfahrens- und
Parteikosten auferlegt worden, obwohl er teilweise obsiegt habe, weil der
Regierungsrat die Auflage Disp.-Ziff. 3.2, 4. Lemma der Baubewilligung
aufgehoben habe. Dies sei willkürlich.
Das Verwaltungsgericht führte aus, Zweck der aufgehobenen Auflage (Befestigung
der Grundstückseinfahrt auf einer Tiefe von 5 m) sei es lediglich gewesen,
einer Verschmutzung der Kantonsstrasse vorzubeugen; damit sei die technische
Erschliessung und mithin die Bau- bzw. Einfahrtsbewilligung nicht in Frage
gestellt worden. Unter diesen Umständen sei die regierungsrätliche Kosten- und
Entschädigungsregelung vertretbar.
Diese Begründung lässt keine Willkür erkennen. In seiner Verwaltungsbeschwerde
hatte der Beschwerdeführer die Aufhebung der Bau- und Einfahrtsbewilligung
verlangt und dabei insbesondere die Auflagen zu den Sichtfeldern beanstandet;
die Auflage zur Befestigung der Einfahrt wurde nicht thematisiert. Der
Regierungsrat durfte daher willkürfrei davon ausgehen, dass die Aufhebung
dieser Auflage nicht zu einem Obsiegen des Beschwerdeführers führe oder aber zu
geringfügig sei, um sich auf die Kostenverteilung auszuwirken.

7. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 und 68 BGG). Die anwaltlich vertretene
Gemeinde Reichenburg obsiegt in ihrem amtlichen Wirkungsbereich und hat daher
keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Der Beschwerdeführer hat den privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Amt für Raumentwicklung des Kantons
Schwyz, dem Regierungsrat des Kantons Schwyz und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz, Kammer III, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. März 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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