Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.233/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_233/2015

Urteil vom 5. Oktober 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Sozialversicherungen BSV, Geschäftsfeld Invalidenversicherung,
Effingerstrasse 20, 3003 Bern.

Gegenstand
Öffentlichkeitsprinzip; Parteientschädigung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 31. März 2015 des Bundesverwaltungsgerichts,
Abteilung I.

Sachverhalt:

A. 
Am 19. August 2013 ersuchte A.________ das Bundesamt für Sozialversicherungen
(BSV) um Einsicht in die gesamtschweizerische Liste der Ärztinnen und Ärzte der
Regionalen Ärztlichen Dienste (RAD). Nachdem das Bundesamt dies vorerst
abgelehnt hatte, gelangte A.________ mit einem Schlichtungsantrag an den
Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), der dem
Bundesamt mit Empfehlung vom 4. Februar 2014 im Wesentlichen nahe legte, den
Zugang zur verlangten Liste zu gewähren, soweit eine solche existiere. Am 21.
Mai 2014 lehnte das Bundesamt das Gesuch ab mit der hauptsächlichen Begründung,
es gebe keine zentrale Liste, wie der Gesuchsteller annehme; hingegen gewährte
das Bundesamt den Zugang zu einer Liste der vom Bildungszentrum der
Invalidenversicherung in Vevey zertifizierten RAD-Ärztinnen und -Ärzte.

B. 
Dagegen führte A.________ Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Im Verlauf
des Verfahrens vor dem Gericht teilte das Bundesamt mit, A.________ inzwischen
die Listen der RAD-Ostschweiz, der RAD-beider Basel, der RAD-Zentralschweiz,
der RAD-Rhône (Wallis), der SMR-Sud (Tessin), der RAD-Mittelland, der RAD-Bern/
Freiburg/Solothurn und der SMR-Suisse-Romande (insbesondere Waadt) zugestellt
zu haben. Mit Urteil vom 31. März 2015 fällte das Bundesverwaltungsgericht den
folgenden Entscheid:

"1.       Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten und
das                     Verfahren nicht als gegenstandslos geworden
abgeschrieben wird.
        2.       Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. ...
        3.       Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen."

C. 
Mit als Beschwerde bezeichneter Eingabe vom 29. April 2015 an das Bundesgericht
beantragt A.________, Ziff. 3 des Dispositivs des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 2015 aufzuheben und dieses zu
verpflichten, ihm eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen. Zur
Begründung macht er im Wesentlichen geltend, das Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht hätte nicht als teilweise gegenstandslos abgeschrieben
werden dürfen, sondern er habe insoweit obsiegt, weshalb ihm in diesem Rahmen
eine Parteientschädigung zustehe. Im Übrigen habe das Bundesamt das Verfahren
verschleppt.
Das Bundesamt bestreitet in seiner Vernehmlassung vom 21. Mai 2015 nicht, dass
es zu Verzögerungen im Verfahren gekommen sei, weist aber entsprechende
Vorwürfe zurück. Im Übrigen verweist es darauf, dass nach der üblichen Praxis
Rechtsanwälten in eigener Sache in der Regel keine Parteientschädigung zustehe.
Das Bundesverwaltungsgericht verzichtete auf eine Stellungnahme.
A.________ führte in seiner Replik vom 27. Mai 2015 aus, die vom Bundesamt
angerufene Praxis sei ihm durchaus bekannt. Wohl sei er im eigenen Namen
aufgetreten, er habe aber im Auftrag und im Interesse der hiesigen Anwaltschaft
gehandelt. Überdies sei es ihm zuwider, die eigene Sache gegen aussen durch
Benützung des Geschäftspapiers und der Unterschrift eines Anwaltskollegen
formell zur rechtlich vertretenen Angelegenheit zu wandeln, wie dies
üblicherweise geschehe, um zu einer Parteientschädigung zu gelangen.
Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht liessen sich nicht mehr
vernehmen.
A.________ reichte am 3. und 23. Juli sowie am 28. August 2015 weitere
Unterlagen ein.

Erwägungen:

1.

1.1. Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen letztinstanzlichen
Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit der Anwendung
des Prinzips der Öffentlichkeit der Bundesverwaltung. Dagegen steht
grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht offen (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG
in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2004 über
das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung, Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ; SR
152.3). Die hier einzig den Streitgegenstand bildende prozessuale Frage der
Parteientschädigung folgt dabei dem Rechtsweg der Hauptsache. Der
Beschwerdeführer nahm am vorinstanzlichen Verfahren teil und ist vom
angefochtenen Entscheid bzw. der damit verbundenen Weigerung der Zusprechung
einer Parteientschädigung direkt betroffen und daher zur Beschwerde legitimiert
(vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, erhoben worden oder beruhe auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG).

1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden
(Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber
grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern
geltend gemacht und begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte
Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten
(unter Einschluss der Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung) geltend
gemacht wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit
Hinweisen).

2. 
Der Beschwerdeführer rügt über weite Strecken in seiner Beschwerdeschrift, das
Bundesverwaltungsgericht habe die von ihm vor der Vorinstanz erhobene
Beschwerde zu Unrecht teilweise als gegenstandslos abgeschrieben, und leitet
daraus seinen angeblichen Anspruch auf eine Parteientschädigung ab. Der
Beschwerdeführer macht dazu geltend, er habe obsiegt, soweit das Bundesamt ihm
nachträglich die strittigen Dokumente herausgegeben habe, weshalb die
Beschwerde insofern gutzuheissen gewesen wäre, was wiederum seinen Anspruch auf
eine zumindest teilweise Parteientschädigung begründe. In seinem Rechtsbegehren
beantragt der Beschwerdeführer lediglich die Aufhebung von Ziff. 3 des
Dispositivs des angefochtenen Entscheids, worin ihm keine Parteientschädigung
zugesprochen wurde, und die Festsetzung einer angemessenen Parteientschädigung.
Ziff. 1 des Dispositivs, worin das Bundesverwaltungsgericht auf teilweise
Abschreibung wegen Gegenstandslosigkeit erkannt hat, ficht er hingegen nicht
an. Dies schadet ihm allerdings nicht (vgl. E. 3 hiernach).

3.

3.1. Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG, soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz
wie hier nichts anderes bestimmt. Nach Art. 64 Abs. 1 VwVG kann die
Beschwerdeinstanz der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen
oder auf Begehren hin eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und
verhältnismässig hohe Kosten zusprechen. Gemäss der Rechtsprechung besteht ein
Anspruch auf Parteientschädigung, wenn die Voraussetzungen einer solchen
erfüllt sind ( MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem
Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl., 2013, Rz. 4.65). Dies wird bekräftigt durch
Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und
Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE; SR 173.320.2), wonach
obsiegende Parteien Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen
erwachsenen notwendigen Kosten haben. Obsiegt die Partei nur teilweise, ist die
Parteientschädigung entsprechend zu kürzen (Art. 7 Abs. 2 VGKE). Bei
Gegenstandslosigkeit hat diejenige Partei eine Parteientschädigung
auszurichten, deren Verhalten die Gegenstandslosigkeit bewirkt hat (Art. 15 in
Verbindung mit Art. 5 VGKE; dazu MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 4.71).
Sind die Kosten verhältnismässig gering, kann von einer Parteientschädigung
abgesehen werden (Art. 7 Abs. 4 VGKE; dazu MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Rz. 4.69).
Gemäss Art. 8 VGKE umfasst die Parteientschädigung die Kosten der Vertretung
sowie allfällige weitere Auslagen der Partei. Ob der Beizug eines
rechtskundigen Vertreters notwendig ist, hängt von den Umständen des
Einzelfalles ab ( MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 4.68). Beim in eigener
Sache handelnden Anwalt besteht keine Vertretung, weshalb in solchen Fällen das
Bundesverwaltungsgericht in Analogie zu der vom Bundesgericht zu Art. 68 Abs. 2
BGG entwickelten Praxis in bundesgerichtlichen Verfahren (dazu etwa Urteile des
Bundesgerichts 1B_163/2014 vom 18. Juli 2014 E. 3, 4A_76/2014 vom 19. Juni 2014
E. 5 und 2C_807/ 2008 vom 19. Juni 2009 E. 4.3 sowie BGGE 133 III 439 E. 4 S.
446, 129 II 297 E. 5 S. 304, 119 Ib 412 E. 3 S. 415 und schon BGE 110 V 132)
nur ausnahmsweise, bei Vorliegen spezieller Verhältnisse, d.h. bei besonderem
Aufwand, eine Parteientschädigung zuspricht ( MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O.,
Rz. 4.77 f.; vgl. auch BVGE 2011/19 E. 60; Urteil des Bundesgerichts 2C_350/
2011 vom 17. Oktober 2011 E. 3.4).

3.2. Die Vorinstanz begründete die Verweigerung einer Parteientschädigung
damit, es sei nicht "ersichtlich, dass dem nicht anwaltlich vertretenen
Beschwerdeführer für das vorliegende Verfahren Kosten entstanden sind, die die
Geringfügigkeit überschreiten würden". Dabei handelt es sich einerseits um eine
Tatsachenfeststellung über die Höhe der entstandenen Kosten und andererseits um
eine rechtliche Würdigung dieser Kosten als geringfügig und damit für eine
allfällige Parteientschädigung nicht relevant. Das Bundesverwaltungsgericht
wandte mithin sinngemäss und vor dem Hintergrund von Art. 64 Abs. 1 VwVG Art. 7
Abs. 4 VGKE sowie seine Praxis zur Entschädigung eines in eigener Sache
prozessierenden Anwalts an.

3.3. Der Beschwerdeführer legt nicht rechtsgenüglich dar, dass die Feststellung
der Höhe der entstandenen Kosten offensichtlich unrichtig sei, weshalb das
Bundesgericht daran gebunden ist (vgl. E. 1.2 und 1.3). Selbst vor
Bundesgericht behauptet er im Übrigen lediglich, es sei ihm tatsächlich ein
erheblicher Aufwand angefallen, ohne dass dies detailliert dargetan und belegt
wird. Zwar macht der Beschwerdeführer geltend, er sei nicht als Anwalt in
eigener Sache aufgetreten, sondern habe die Anwaltschaft als Ganzes vertreten.
Das ändert aber nichts daran, dass er die Beschwerde vor der Vorinstanz - wie
im Übrigen auch vor dem Bundesgericht - in eigenem Namen führte und keinen
entsprechenden Vertretungsnachweis, insbesondere etwa eine Vollmacht des
Anwaltsverbandes, vorlegte. Eigentliche Vertretungskosten werden insoweit auch
gar nicht geltend gemacht. Sodann stellt der Beschwerdeführer die
Rechtsprechung in Frage, wonach dem in eigener Sache prozessierenden Anwalt
keine Parteientschädigung zusteht, indem er auf die angebliche Gepflogenheit
hinweist, entsprechende Beschwerden würden wegen der Parteientschädigung von
einem Anwaltskollegen unterzeichnet, der sie gar nicht verfasst habe, was ihm
zuwider sei. Falls der Beschwerdeführer damit eine Praxisänderung anregen
möchte, führt er jedoch nicht aus, weshalb die dafür geltenden Voraussetzungen
(dazu BGE 141 V 281 E. 3.5 S. 294; 138 III 359 E. 6.1 S. 361; je mit weiteren
Hinweisen) erfüllt sein sollten und der angefochtene Entscheid deswegen
Bundesrecht verletzen würde. Er beruft sich auch nicht auf eine andere
Begründung für eine allfällige Bundesrechtswidrigkeit der beschriebenen Praxis
zum Anwalt in eigener Sache, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist (vgl.
E. 1.3). Fehlt es demnach bereits am erforderlichen notwendigen Aufwand für
eine Parteientschädigung, kann dahin gestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer
obsiegt hat und ob dies überhaupt wesentlich ist, nachdem eine
Parteientschädigung bei massgeblichem Aufwand auch dann derjenigen Partei
aufzuerlegen wäre, welche die allfällige Gegenstandslosigkeit bewirkt hat.
Damit braucht auch nicht darüber entschieden zu werden, wieweit die dem
Bundesgericht nach Ablauf der Beschwerdefrist nachgereichten Unterlagen, die
angeblich für ein Obsiegen sprechen, entgegenzunehmen und nicht als verspätet
(vgl. Art. 100 BGG) bzw. als unzulässige Noven (Art. 99 BGG) aus dem Recht zu
weisen wären.

4. 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Damit wird der
unterliegende Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Sozialversicherungen
BSV, Geschäftsfeld Invalidenversicherung, und dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Oktober 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Uebersax

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