Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.200/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_200/2015

Urteil vom 7. Dezember 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Chaix,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
Rechtsanwalt Manfred Küng,
für die von ihm vertretenen Geschädigten im Verfahren B-1/2013/83 der Zürcher
Staatsanwaltschaft III,
Beschwerdeführer,

gegen

1. A.________,
Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich,
Weststrasse 70, Postfach 9717, 8036 Zürich,
2. B.________,
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,
Molkenstrasse 15/17, Postfach 2251, 8026 Zürich,
Beschwerdegegner,

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. Februar 2015 des Obergerichts des
Kantons Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A. 
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 an die Oberstaatsanwaltschaft Zürich
erstattete Rechtsanwalt Manfred Küng im Namen von rund 450 Personen Anzeige
gegen die Staatsanwälte A.________ und B.________. Er führte aus, bei den von
ihm vertretenen Personen handle es sich um Geschädigte im Strafverfahren B-1/
2013/83 der Zürcher Staatsanwaltschaft III gegen C.________, D.________ und
E.________ wegen Betrug und Veruntreuung. Er habe im Rahmen dieses Verfahrens
wiederholt Gesuche um Akteneinsicht gestellt. Die Gesuche seien zunächst
abgelehnt worden, später habe man ihm mitgeteilt, dass das Verfahren an die
Staatsanwaltschaft Mailand abgetreten worden sei. Der zuständige italienische
Staatsanwalt habe in der Folge erklärt, die Anklage beschränke sich auf die
Tatbestände der Geldwäscherei und der Beteiligung an einer kriminellen
Organisation, wobei man die Akten aus der Schweiz nicht benötige. In Italien
sei mithin kein Strafverfahren wegen Betrug und Veruntreuung eröffnet worden.
Es sei deshalb unklar, weshalb die Akten von der Zürcher Staatsanwaltschaft
nach Italien geliefert worden seien, ausser man wollte die Vermutung
aufstellen, jemand habe die Verdächtigen begünstigen oder die Akten in Italien
vergraben wollen, damit die Unzulänglichkeiten in der Untersuchung nicht ans
Licht kämen. Abschliessend hielt Rechtsanwalt Küng fest, er sei der Auffassung,
dass die Staatsanwälte A.________ und B.________ eine Begünstigung (Art. 305
StGB) begangen hätten, indem sie die Untersuchung nicht fortführten. Weil die
der Staatsanwaltschaft Mailand überlassenen Akten Beweismittel darstellten, sei
auch der Tatbestand der Unterdrückung von Urkunden (Art. 254 StGB) in Betracht
zu ziehen. Er ersuche deshalb die Oberstaatsanwaltschaft, gegen die beiden
Staatsanwälte eine Strafuntersuchung einzuleiten.
Die Oberstaatsanwaltschaft überwies die Sache am 15. Januar 2015 ans
Obergericht des Kantons Zürich zum Entscheid über die Ermächtigung zur
Durchführung einer Strafuntersuchung gegen die angezeigten Staatsanwälte. Die
Oberstaatsanwaltschaft beantragte, die Ermächtigung nicht zu erteilen, weil
kein deliktsrelevanter Anfangsverdacht auf Begünstigung oder Unterdrückung von
Urkunden vorliege. Mit Eingabe vom 13. Februar 2015 machte Rechtsanwalt Küng im
Namen der Geschädigten von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme
Gebrauch.
Am 30. Juni 2014 beschloss das Obergericht die Ermächtigung zur Strafverfolgung
nicht zu erteilen. Zur Begründung führte es aus, die Staatsanwaltschaft Zürich
sei nicht verpflichtet gewesen, die Strafverfahren weiterzuführen. Zudem hätten
zusammen mit der Abtretung der Strafverfahren an Italien auch die Akten
übermittelt werden müssen. Aus diesen Gründen bestehe kein hinreichender
Anfangsverdacht der Begünstigung oder der Unterdrückung von Urkunden. Weiter
hielt das Obergericht fest, die Gesuchsteller würden in ihrer Stellungnahme vom
13. Februar 2015 zahlreiche neue Vorwürfe gegen die Staatsanwälte A.________
und B.________ sowie nun auch gegen den früheren Staatsanwalt F.________
erheben. Da die Vorbringen über den Verfahrensgegenstand hinausgingen, sei
darauf nicht einzutreten.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom
16. April 2015 beantragen die von Rechtsanwalt Küng vertretenen Personen, der
Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Angelegenheit sei zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, ebenso Staatsanwalt
B.________. Die Oberstaatsanwaltschaft und Staatsanwalt A.________ beantragen
die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführer haben dazu Stellung
genommen.

Erwägungen:

1.

1.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen letztinstanzlichen
kantonalen Endentscheid in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (vgl. BGE
137 IV 269 E. 1.3.1 S. 272 mit Hinweisen). Eine Ausnahme von der Zulässigkeit
der Beschwerde nach Art. 83 BGG besteht nicht, da lit. e dieser Bestimmung nur
auf die obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden anwendbar ist und die
Beschwerdegegner nicht in diese Kategorie fallen (BGE 137 IV 269 E. 1.3.2 S.
272 f. mit Hinweis). Die Beschwerdeführer beschränken sich in ihrer Beschwerde
auf die Rüge, die Vorinstanz habe ihre Eingabe vom 13. Februar 2015 nicht
berücksichtigt und damit das Rechtsverweigerungsverbot verletzt. Damit machen
sie eine Verletzung von Parteirechten geltend, wozu sie nach Art. 89 Abs. 1 BGG
ohne Weiteres berechtigt sind (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5; 138 IV 78 E. 1.3
S. 79 f.; je mit Hinweisen).

1.2. In ihrer Replik stellen die Beschwerdeführer den Antrag, es seien
Strafuntersuchungen gegen die Staatsanwälte A.________, B.________ und
C.________ wegen Unterdrückung von Urkunden, Amtsmissbrauch, Vermögensdelikten,
Prozessbetrug und Begünstigung zu bewilligen. Entgegen ihrer einleitenden
Bemerkung, damit am ursprünglichen Antrag festzuhalten, handelt es sich dabei
um ein neues und deshalb unzulässiges Begehren (BGE 134 IV 156 E. 1.7 S. 162
mit Hinweis). Darauf ist nicht einzutreten.

1.3. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist unter dem genannten Vorbehalt einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerdeführer rügen eine formelle Rechtsverweigerung. Sie sind der
Auffassung, das Obergericht hätte ihre Eingabe vom 13. Februar 2015 nicht
unberücksichtigt lassen dürfen. Es gelte gemäss § 7 des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG; LS
175.2) der Untersuchungsgrundsatz. Das Obergericht habe zudem als erste Instanz
entschieden. Da die Voraussetzungen für die Ermächtigung im Zeitpunkt des
Entscheids gegeben sein müssen, könne sich der Sachverhalt während des
Verfahrens weiterentwickeln. Der Umweg über die Oberstaatsanwaltschaft sei
deshalb eigentlich auch nicht notwendig gewesen. Genauso gut hätten sie ihr
Gesuch um Ermächtigung zur Strafverfolgung direkt beim Obergericht einreichen
können. Was die Oberstaatsanwaltschaft dem Obergericht vorgelegt habe, sei
mithin nicht von Bedeutung.

2.2. Nach Art. 7 Abs. 1 StPO sind die Strafbehörden verpflichtet, im Rahmen
ihrer Zuständigkeit ein Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wenn ihnen
Straftaten oder auf Straftaten hinweisende Verdachtsgründe bekannt werden.
Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone allerdings vorsehen, dass
die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden
wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer
nicht richterlichen oder richterlichen Behörde abhängt. Die Ausgestaltung des
Ermächtigungsverfahrens richtet sich im Rahmen der bundesrechtlichen Schranken
nach kantonalem Recht (vgl. BGE 137 IV 269 E. 2.2 S. 275 f. und E. 2.6 S. 278
mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft die Anwendung kantonalen Rechts nur auf
Willkür (Art. 9 BV).

2.3. Das Obergericht beschränkte den Verfahrensgegenstand auf die in der
Strafanzeige vom 15. Dezember 2014 erhobenen Vorwürfe. Dies verletzt den
Untersuchungsgrundsatz nicht. Der Untersuchungsgrundsatz bedeutet, dass die
Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen abklärt. Er verlangt nicht, dass die
Ermächtigungsbehörde das Prozessthema aufgrund neuer Vorbringen in der
Vernehmlassung des Anzeigers erweitert. Die sinngemäss erhobene Rüge der
willkürlichen Anwendung von § 7 VRG erweist sich deshalb als unbegründet.

2.4. Indem das Obergericht im Ergebnis verlangte, dass die Beschwerdeführer
ihre neuen Vorwürfe zunächst gegenüber den Strafverfolgungsbehörden erheben,
damit diese ihm die Sache zum Entscheid über die Ermächtigung vorlegen und
gleichzeitig dazu Stellung nehmen können, verletzte es auch nicht das Verbot
der formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 BV; vgl. BGE 134 I 229 E. 2.3 S. 232
f. mit Hinweisen). Dieses Vorgehen beruht auf sachlichen Gründen und ist nicht
überspitzt formalistisch.

3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht
zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Dezember 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold

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