Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.17/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_17/2015

Urteil vom 16. Dezember 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
1. Pro Natura,
Schweizerischer Bund für Naturschutz,
2. Pro Natura Thurgau,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch
Rechtsanwalt Humbert Entress,

gegen

A. und B. C.________,
Beschwerdegegner, beide vertreten durch
Rechtsanwältin Caroline Kürzi Schmid,

Politische Gemeinde Amlikon-Bissegg,
Junkholz-Frauenfelderstrasse 8, 8514 Amlikon-Bissegg,
handelnd durch den Gemeinderat,
dieser vertreten durch Rechtsanwalt Frank Zellweger,

Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau,
Verwaltungsgebäude, Promenade,
Postfach, 8510 Frauenfeld,

Amt für Raumentwicklung des Kantons Thurgau,
Verwaltungsgebäude, Promenade, 8510 Frauenfeld.

Gegenstand
Baubewilligung,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 29. Oktober 2014 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A. 
A. und B. C.________ betreiben einen landwirtschaftlichen Betrieb. Bis vor
kurzem nutzten sie hierfür Wohn- und Ökonomiegebäude auf Parzelle Nr. 192 in
der Dorfzone von Thundorf. Im Jahr 2008 wurde ein Baugesuch für die Aussiedlung
des Hofs auf die Liegenschaft Nr. 199 in der Landwirtschaftszone von Thundorf
nicht bewilligt, u.a. aus Gründen des Landschaftsschutzes.

B. 
Zwischenzeitlich haben sie die Liegenschaften in der Dorfzone von Thundorf
verkauft und die Parzelle Nr. 3263 in Wolfikon, Gemeinde Amlikon-Bissegg,
erworben. Diese liegt in einem Gebiet mit Vorrang Landschaft und besonderen
Vernetzungsfunktionen gemäss kantonalem Richtplan. Hier soll eine neue
landwirtschaftliche Siedlung entstehen: Vorgesehen sind in der ersten Bauphase
Stallungen für 40 Mutterkühe und Nachzucht, 16 Pferde und 10 Fohlen sowie
Lager- und Einstellraum für Futtervorräte und Maschinen. In einer zweiten
Bauphase ist die Errichtung eines Wohnhauses geplant.

B.a. Ein erstes Baugesuch lag vom 30. November 2011 bis 19. Dezember 2011
öffentlich auf. Dagegen erhoben u.a. die Vereine Pro Natura Schweiz und Pro
Natura Thurgau Einsprache und, nach Abweisung der Einsprache und Erteilung der
Baubewilligung, Rekurs an das Departement Bau und Umwelt des Kantons Thurgau
(DBU). Dieses hiess den Rekurs am 14. Februar 2013 im Sinne der Erwägungen gut
und hob die Entscheide der Vorinstanzen auf, im Wesentlichen mit der
Begründung, das Bauvorhaben sei überdimensioniert und die längerfristige
Existenzfähigkeit des Betriebs nicht hinreichend geklärt.

B.b. Am 7. Juni 2013 reichten die Eheleute C.________ ein zweites,
überarbeitetes Baugesuch für die gleiche Parzelle ein, diesmal mit reduzierter
Gebäudelänge und unter Vorlage eines Generationenvertrags mit ihrem Sohn
D.________. Das Thurgauer Amt für Raumentwicklung und die Politische Gemeinde
Amlikon-Bissegg genehmigten das Gesuch am 16. August bzw. 16. September 2013.

C. 
Den dagegen erhobenen Rekurs der Pro Natura Schweiz und Thurgau wies das DBU am
25. April 2014 ab. Auch die dagegen erhobene Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau blieb erfolglos.

D. 
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid vom 29. Oktober 2014 (zugestellt
am 24. November 2014) erhoben Pro Natura Schweiz und Thurgau am 8. Januar 2015
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. Sie
beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei den
Beschwerdegegnern die Baubewilligung für ihr Projekt auf Parzelle Nr. 3263,
Reckholzstrasse, Wolfikon, zu verweigern. Sie stellen verschiedene
Verfahrensanträge, unter anderem auf Aktenbeizug und Durchführung eines
Augenscheins.

E. 
A. und B. C.________ (im Folgenden: die Beschwerdegegner) schliessen auf
Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) beantragt, die Angelegenheit sei an die
Vorinstanz zurückzuweisen, um die betriebliche Notwendigkeit der Bauten und
Anlagen und die längerfristige Existenzfähigkeit des fraglichen Betriebs
aufgrund der konkreten Betriebsverhältnisse vertieft zu prüfen. Die Aussiedlung
dürfe überdies nicht etappenmässig, sondern müsse als Einheit (Wohn- und
Ökonomiegebäude) beurteilt werden. Schliesslich sei eine umfassende
Interessenabwägung im Sinne von Art. 34 Abs. 4 lit. b RPV vorzunehmen.
Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, sich zur Vernehmlassung des ARE zu
äussern.

F. 
Das Gesuch von Pro Natura um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wurde am 18.
Februar 2015 abgewiesen.

Erwägungen:

1. 
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts
steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ans Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG).

1.1. Die Bewilligung von landwirtschaftlichen Bauten in der Landwirtschaftszone
stellt eine Bundesaufgabe i.S.v. Art. 2 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966
über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) dar, handelt es sich doch um
eine bundesrechtlich (in Art. 16 ff. RPG [SR 700] und Art. 34 ff. RPV [SR
700.1]) geregelte Materie, die einen engen Bezug zum Natur- und
Landschaftsschutz aufweist, vergleichbar der Erteilung einer
raumplanungsrechtlichen Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG (vgl. dazu
grundlegend BGE 112 Ib 70 E. 4b S. 74 ff.). Die Beschwerdeführerin 1 ist als
gesamtschweizerisch tätige Naturschutzorganisation nach Art. 12 Abs. 1 lit. b
NHG zur Beschwerde legitimiert. Es kann daher offenbleiben, ob daneben auch die
kantonale Organisation zur Beschwerde ermächtigt ist (Art. 12 Abs. 5 NHG).

1.2. Die Beschwerdegegner machen geltend, dass über die Frage der
Zonenkonformität des Bauvorhabens in der Landwirtschaftszone bereits
rechtskräftig im Rekursentscheid des DBU vom 14. Februar 2013 entschieden
wurde. Dort sei (in E. 5c) ausdrücklich festgehalten worden, dass der Standort
grundsätzlich bewilligungsfähig sei; dieser Entscheid sei von den
Beschwerdeführern nicht angefochten worden, weshalb insofern eine ius iudicata
vorliege. Das zweite Baugesuch unterscheide sich vom ersten nur insoweit, als
die Remise von 42 m auf 36 m gekürzt und der Generationenvertrag schriftlich
eingereicht worden sei.
Das DBU hat jedoch die erste Baubewilligung aufgehoben, ohne die Sache zu neuem
Entscheid an die Gemeinde zurückzuweisen. In den Erwägungen (E. 4f S. 10) wurde
festgehalten, dass die Beschwerdegegner, sollten sie am Bauvorhaben festhalten
wollen, gehalten seien, das Baugesuch inklusive der von der Vorinstanz
verlangten Änderungen neu einzureichen. Bei den nachfolgenden Ausführungen (E.
5 und 6) handelt es sich somit um obiter dicta, die für eine neues
Baugesuchsverfahren nicht verbindlich sind. Die Beschwerdeführer, die im ersten
Rekursverfahren vollständig obsiegten, wären mangels formeller Beschwer auch
nicht legitimiert gewesen, den ersten Rekursentscheid des DBU anzufechten. Sie
konnten daher im zweiten Rekurs- und Beschwerdeverfahren erneut die
Zonenkonformität des Bauvorhabens in Frage stellen. Davon ging auch das
Verwaltungsgericht aus, behandelte es doch im angefochtenen Entscheid sämtliche
Rügen der Beschwerdeführer materiell.
Der Entscheid des DBU wäre aber selbst dann nicht in Rechtskraft erwachsen,
wenn man ihn als verbindlichen Entscheid über eine Vorfrage (die
Zonenkonformität) für ein künftiges Baugesuch betrachten würde: Diesfalls läge
ein Zwischenentscheid vor (BGE 135 II 30 E. 1 S. 31 ff.), den die
Beschwerdeführer noch zusammen mit dem Endentscheid (Baubewilligung) anfechten
könnten (Art. 93 Abs. 3 BGG).

1.3. Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG) ist daher
einzutreten.

2. 
In der Landwirtschaftszone zonenkonform sind Bauten und Anlagen, die zur
landwirtschaftlichen Bewirtschaftung nötig sind (Art. 16a Abs. 1 RPG); sie
müssen der bodenabhängigen Bewirtschaftung oder der inneren Aufstockung eines
bodenabhängigen Betriebs dienen (Art. 34 Abs. 1 RPV). Voraussetzung für die
Erteilung der Bewilligung ist nach Art. 34 Abs. 4 RPV, dass die Baute oder
Anlage für die in Frage stehende Bewirtschaftung nötig ist (lit. a), ihr am
vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b)
und der Betrieb voraussichtlich längerfristig bestehen kann (lit. c).
Das Verwaltungsgericht bejahte die betriebliche Notwendigkeit der geplanten
Aussiedlung, weil am bisherigen Betriebszentrum in der Dorfzone von Thundorf
(Parzelle Nr. 192) aufgrund der angrenzenden Wohnliegenschaften bei einer
Erweiterung mit Immissionsklagen zu rechnen gewesen wäre; dies sei den
Beschwerdegegnern nicht zuzumuten gewesen. Dies ist unstreitig, ebenso wie das
Fehlen von Erweiterungsmöglichkeiten in der Dorfzone von Wolfikon (vgl.
Rekursentscheid 2014 des DBU E. 6d S. 10 oben).

2.1. Die Beschwerdeführer machen jedoch geltend, dass die Beschwerdegegner über
eine grosse Parzelle am Siedlungsrand von Thundorf (Nr. 869) verfügt hätten,
die sich bestens für ein neues Betriebszentrum geeignet hätte. Diese Parzelle
hätten sie jedoch verkauft; heute sei sie mit einem Reitsportzentrum überbaut
und von der Landwirtschaftszone in eine besondere Sportzone umgezont worden.
Sie rügen in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil
alle Vorinstanzen ihren Antrag auf Beizug der Verkaufsakten für die Parzelle
Nr. 869 verweigert hätten. Sie vermuten, dass die Ausnahmebewilligung für die
Realteilung (§ 58 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht vom
4. Oktober 1991 [BGBB; SR 211.412.11]) von den Beschwerdegegnern mit der
Begründung erwirkt wurde, sie wollten ihren Landwirtschaftsbetrieb aufgeben
bzw. benötigten die Parzelle definitiv nicht mehr für den Betrieb. In beiden
Fällen sei es rechtsmissbräuchlich, nunmehr einen neuen Standort in der
Landwirtschaftszone für die Existenzsicherung ihres Hofs zu beanspruchen.

2.2. Das Verwaltungsgericht erachtete die Motive für den damaligen Verkauf als
irrelevant; entscheidend sei, dass der Erlös des Verkaufs für den Erwerb der
Parzelle Nr. 3263 in Wolfikon eingesetzt worden und damit letztlich wieder dem
Landwirtschaftsbetrieb zugute gekommen sei. Dies mag unter dem Blickwinkel des
BGBB zutreffen; vorliegend interessiert aber in erster Linie die Frage, ob die
Parzelle Nr. 869 als Alternativstandort für neue Ökonomiebauten geeignet
gewesen wäre. Diesfalls hätten die Beschwerdeführer ihren Betrieb am
Siedlungsrand von Thundorf erweitern können, anstatt hierfür unüberbautes Land
in Wolfikon zu beanspruchen. Zwar steht diese Option heute nicht mehr zur
Verfügung. Dennoch kann es für die Beurteilung der betrieblichen Notwendigkeit
der Aussiedlung und die gebotene Interessenabwägung (Art. 34 Abs. 4 lit. a und
b RPV) eine Rolle spielen, ob die Beschwerdegegner ihre heutige Zwangslage
selbst herbeigeführt haben.

2.3. Die Abweisung des Beweisantrags verletzt somit den Anspruch der
Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör. Dies führt bereits zur Gutheissung der
Beschwerde und zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Diese Rückweisung
könnte allerdings unterbleiben, wenn die Baubewilligung bereits aus anderen
Gründen aufzuheben wäre. Es rechtfertigt sich daher, noch die weiteren Einwände
der Beschwerdeführer und des ARE zu prüfen.

3. 
Die Beschwerdeführer rügen weiter eine Verletzung von Art. 16a RPG i.V.m. Art.
34 Abs. 4 lit. b RPV, weil die projektierten Bauten einen schweren Eingriff in
eine schutzwürdige Landschaft darstellten. Es handle sich - trotz der
bestehenden kleinen Scheune - um eine unversehrte Geländekammer, wie sie im
immer zersiedelteren Kanton Thurgau nur noch selten anzutreffen seien. Vom hier
aus biete sich ein spektakulärer Blick aufs Lauchetal und auf den ganzen
Alpstein.

3.1. Die Parzelle Nr. 3263 befindet sich etwa auf halbem Weg zwischen den
Weilern Wolfikon im Osten und Lustdorf im Westen. Darauf steht eine alte
Scheune (38.6 m2); ansonsten ist die grosse Liegenschaft und ihre unmittelbare
Umgebung nicht überbaut. Die geplanten neuen Bauten (Laufstall von 56.6 x 24.6
m; Remise 36 x 12 m; Pferdestall 42 x 12 m) mit Zufahrten und Kiesplatz würden
somit zum Verlust von Kulturland führen und einen Eingriff in eine kaum
überbaute Geländekammer bedeuten.
Es handelt sich um ein Gebiet mit Vorrang Landschaft sowie Vernetzungsfunktion
gemäss kantonalem Richtplan. Das Verwaltungsgericht beschränkte die Bedeutung
dieses Eintrags in erster Linie auf den Ausschluss von
Intensivlandwirtschaftszonen (vgl. E. 3.6.4 des angefochtenen Entscheids). Dies
greift indessen zu kurz, gelten doch gemäss Ziff. 2.3 des Richtplantextes
"spezielle Beurteilungsmassstäbe im Bereich Landschaft" und "erhöhte
Anforderungen an den Standort und an die Gestaltung von bewilligungspflichtigen
baulichen Eingriffen".
Wie der Internetseite des Thurgauer Amts für Raumentwicklung zu entnehmen ist,
beruht der Richtplaneintrag auf dem Konzept Landschaftsentwicklung des Kantons
Thurgau (LEK), das zwischen 1997 und 2001 erarbeitet wurde. Durch den
Richtplaneintrag wurde ein behördenverbindlicher Auftrag zur Umsetzung des
Landschaftsentwicklungsprojekts gegeben. Das "Konzept Landschaft" will die
natur- und kulturgeschichtlich einzigartigen und besonders schönen Landschaften
des Kantons (Gebiete mit Vorrang Landschaft) erhalten und fördern; das "Konzept
Lebensräume" hingegen hat zum Ziel, die Landschaft als Lebensraum für Tiere und
Pflanzen zu bewahren, aufzuwerten und durchlässig zu erhalten. Die Gebiete mit
Vernetzungsfunktion entsprechen den Korridoren, welche die Thurgauer
Naturschutzgebiete untereinander vernetzen sollen.
Die Vorinstanzen haben sich mit den in Wolfikon geplanten Konzepten Landschaft
und Lebensraum nicht näher befasst. Insbesondere die Vernetzungsfunktion wurde
überhaupt nicht berücksichtigt: Weder wurde geprüft, welche Funktion die
Parzelle Nr. 3263 für die Verbindung von Lebensräumen hat (oder nach
Aufwertungsmassnahmen haben könnte), noch inwiefern die geplanten Bauten diese
Funktion beeinträchtigen können. Bereits unter diesem Blickwinkel erweist sich
die Interessenabwägung als unvollständig.

3.2. Hinzu kommt, dass sich die Standortevaluation auf die beiden
landschaftlich heiklen Parzellen Nr. 3263 in Wolfikon (Vorrang Landschaft und
Vernetzungsfunktion) und Nr. 199 in Thundorf (ebenfalls Vernetzungsfunktion) im
Eigentum der Beschwerdegegner beschränkte. Der Vertreter des kantonalen ARE
bevorzugte am Augenschein des DBU vom 15. Januar 2014 den Standort in Wolfikon,
weil dort bereits eine Scheune stehe, wogegen die Landschaft in Thundorf noch
unberührt sei. Dies erachtete das Verwaltungsgericht als nicht
rechtsverletzend. Nicht geprüft wurden allfällige andere, landschaftlich
weniger heikle Standorte, wo bestehende Bausubstanz genutzt werden könnte.
Landwirtschaftszonen sollen von Bauten und Anlagen möglichst freigehalten
werden (Art. 16 Abs. 1 RPG). Dieser im öffentlichen Interesse liegende
Grundsatz ist im Rahmen der Interessenabwägung, welche bei der Standortwahl für
Bauten und Anlagen in der Landwirtschaftszone vorzunehmen ist, zu
berücksichtigen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gebietet das
öffentliche Interesse an der Vermeidung der Zersiedelung, landwirtschaftliche
Ökonomiebauten möglichst beim Betriebszentrum zu errichten; ein Standort
ausserhalb des bereits besiedelten Gebiets kann in Frage kommen, wenn für die
neue Nutzung bereits bestehende, nicht mehr benötigte Bauten verwendet oder
ersetzt werden können (Urteile 1C_144/2013 vom 29. September 2014 E. 4.3-4.6
mit Hinweisen, in: ZBl 116/2015 S. 210; 1C_550/2009 vom 9. September 2010 E.
6.4.1 und 6.4.2; Urteil 1C_565/2008 vom 19. Juni 2009 E. 5.5).
Soll ein bestehender Betrieb erweitert werden, ist die Standortwahl naturgemäss
begrenzt. Eine andere Ausgangslage besteht, wenn ein Betrieb ausgesiedelt
werden soll, und hierfür die bisherigen Wohn- und Ökonomiegebäude verkauft
werden. Hier müssen verschiedene Optionen geprüft werden, sofern der Betrieb
nicht auf einen ganz bestimmten Standort angewiesen ist. Dies ist vorliegend
nicht der Fall, zumal das Eigen- und Pachtland der Beschwerdegegner verstreut
im Raum Thundorf/Frauenfeld/Wolfikon liegt.
Wie das ARE zutreffend darlegt, werden infolge des Strukturwandels immer mehr
Bauernhöfe in der Landwirtschaftszone aufgegeben. Diese dürfen (wenn überhaupt)
nur umgenutzt werden, wenn sie für die Landwirtschaft nicht mehr benötigt
werden (Art. 43a lit. a RPV). Vor der Errichtung neuer Betriebszentren auf
unüberbautem Kulturland in einem sensiblen Landschaftsgebiet muss deshalb
geprüft werden, ob es leerstehende Ökonomiebauten in der Region gibt, die
übernommen werden können (z.B. durch einen Landtausch; eventuell unter
Vermittlung von Kanton und Gemeinde). Sodann sind Standorte am Siedlungsrand zu
bevorzugen, um eine Zersiedlung zu vermeiden. Soweit überhaupt unüberbaute bzw.
landschaftlich empfindliche Gebiete als Standort in Betracht fallen, kann es
sich rechtfertigen, die Bewilligung mit einem Zweckänderungsverbot (vgl.
Entscheid des Regierungsrats Aargau vom 12. September 2001, ZBl 104/2003 S. 157
ff., insbes. S. 163 f.) oder mit einer auflösenden Bedingung (Art. 16b Abs. 2
RPG i.V.m. Art. 44 Abs. 1 lit. b RPV) zu verbinden.

4. 
Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der Betrieb voraussichtlich längerfristig
bestehen kann (Art. 34 Abs. 4 lit. c RPV).

4.1. Dieses Kriterium soll sicherstellen, dass in der Landwirtschaftszone nicht
neue Bauten und Anlagen errichtet werden, die infolge Betriebsaufgabe schon
nach kurzer Zeit wieder leer stehen (ARE, Erläuterungen zur RPV, Bern 2000, S.
32). Diesem Anliegen kommt besonderes Gewicht zu, wenn bisher unüberbautes
Kulturland in einem landschaftlich empfindlichen Gebiet in Anspruch genommen
werden soll.
Nach der Rechtsprechung ist eine vertiefte Prüfung der Wirtschaftlichkeit des
Betriebs jedenfalls bei der Bewilligung grösserer Vorhaben erforderlich (BGE
133 II 370 E. 5 S. 378 mit Hinweisen; Urteil 1C_27/2008 vom 25. Juni 2008 E.
2.2; vgl. auch ARNOLD MARTI, Bemerkungen der Redaktion, ZBl 3/2003 S. 163). Um
ein solches Vorhaben handelt es sich hier, wird doch der Mittelbedarf für die
neuen Ökonomiebauten auf 1.23 Mio. Franken veranschlagt; mit dem geplanten
neuen Wohnhaus sind es sogar über 1.5 Millionen Franken.
Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die längerfristige Existenzfähigkeit des
Betriebs aufgrund des Alters der Beschwerdegegner nur bejaht wurde, weil ihr
Sohn bereit sei, spätestens im Jahr 2017 den Tierhaltungsbetrieb zu übernehmen
und hierfür sein Baugeschäft bzw. seine Anstellung in einem Bauunternehmen
aufzugeben (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.8 S. 17 und Rekursentscheid DBU
2014 E. 7c S. 11). Diese Planung ist aber nur realistisch, wenn der geplante
Betrieb ein genügendes Auskommen gewährleistet.

4.2. Das ARE kritisiert zu Recht, dass die Wirtschaftlichkeit des geplanten
Betriebs unter Berücksichtigung des Generationenwechsels und der gebotenen
Investitionen nicht vertieft geprüft wurde. Zwar findet sich in den Beilagen
zum Baugesuch ein Betriebskonzept und ein Budget für das Jahr 2013; darin wird
ein Gesamteinkommen von jährlich Fr. 56'250.-- berechnet. Davon stammen Fr.
37'500.-- aus den Renten der Eltern, d.h. der Ertrag aus der Landwirtschaft
beläuft sich auf weniger als Fr. 20'000.-- pro Jahr. Die Beschwerdegegner
erläutern in ihrer Stellungnahme vom 9. September 2015, dass in diesem Budget
noch Fremdkosten (Mietkosten für Futterlage, Fremdunterbringung der Tiere usw.)
enthalten seien, die bei einem Neubau entfallen würden. Dies mag sein; hierfür
bedarf es aber erheblicher Investitionen, die nur zum Teil durch Eigenmittel
gedeckt sind. Es fehlt eine eingehendere Berechnung, ob der Betrieb unter
Berücksichtigung der für Zins und Tilgung erforderlichen Beträge längerfristig
wirtschaftlich betrieben werden und eine Existenzgrundlage für die
Beschwerdegegner und ihren Sohn bilden kann. Ansonsten besteht die Gefahr, dass
der Betrieb alsbald aufgegeben bzw. zweckentfremdet wird.
Die Bemerkung des kantonalen Amts für Raumplanung, wonach die Gesuchsteller
nicht in eine Aussiedlung investieren würden, wenn nicht eine längerfristige
Existenzabsicht bestünde, bestätigt, dass allein auf die subjektiven
Erwartungen/Hoffnungen der Beschwerdegegner abgestellt wurde, ohne diese
objektiv zu überprüfen, wie dies Art. 34 Abs. 4 lit. c RPV gebietet.

5. 
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde schon gegen die bewilligte
Aussiedlung des Betriebsstandorts (ohne Wohnbaute) als begründet. Die Einwände
des ARE zur Zulässigkeit der in einer zweiten Bauetappe geplanten Wohnbaute
brauchen nicht mehr geprüft zu werden.
Auf der Grundlage der bestehenden Unterlagen kann das Bauvorhaben nicht
bewilligt werden. Es ist Sache der kantonalen Instanzen und nicht des
Bundesgerichts, die gebotenen Abklärungen vorzunehmen. Die Beweisanträge der
Beschwerdeführer vor Bundesgericht sind daher abzuweisen.
Die Sache ist somit an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Sofern die
Beschwerdegegner an ihrem Baugesuch festhalten, müssen die Umstände des
Verkaufs der Parzelle Nr. 869 in Thundorf ermittelt werden (oben E. 2). Die
längerfristige Existenzfähigkeit des Betriebs ist vertieft zu prüfen (oben E.
4). Des Weiteren muss die Interessenabwägung vervollständigt werden. Dabei ist
einerseits der Richtplaneintrag (Vorrang Landschaft, Vernetzungsfunktion) zu
würdigen (oben E. 3.1); andererseits ist zu prüfen, ob für das
Aussiedlungsvorhaben landschaftlich unempfindlichere Standorte in der Region
bestehen, insbesondere funktionslos gewordene bestehende Ökonomiebauten genutzt
werden können (oben E. 3.2).

6. 
Damit erweist sich die Beschwerde im Wesentlichen als begründet. Gutzuheissen
ist zwar nicht der Hauptantrag auf Abweisung des Baugesuchs, wohl aber der
Eventualantrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der
Sache an die Vorinstanz.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegen die privaten Beschwerdegegner.
Diese werden kosten- und entschädigungspflichtig, für das Verfahren vor
Bundesgericht (Art. 66 und 68 BGG) wie für die vorinstanzlichen Verfahren.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 29. Oktober 2014 wird aufgehoben.
Die Sache wird zu ergänzender Abklärung und neuem Entscheid im Sinne der
Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Im Übrigen wird die
Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Kosten von Fr. 2'000.-- werden den privaten Beschwerdegegnern auferlegt.

3. 
Die privaten Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführerinnen für das
bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Amlikon-Bissegg, dem
Departement für Bau und Umwelt, dem Amt für Raumentwicklung und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Raumentwicklung
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Dezember 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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