Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.166/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_166/2015

Urteil vom 26. März 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Schawalder,

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.

Gegenstand
Auslieferung an Bosnien und Herzegowina,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 5. März 2015 des Bundesstrafgerichts,
Beschwerdekammer.

Sachverhalt:

A. 
Am 27. Dezember 2013 und mit Ergänzung vom 6. Februar 2014 ersuchte das
bosnische Justizministerium um Auslieferung des bosnischen Staatsangehörigen
A.________. Laut dem Haftbefehl des Bezirksgerichts Banja Luka, auf den sich
das Auslieferungsersuchen stützt, soll A.________ während des Kriegs in Bosnien
als Mitglied einer paramilitärischen Einheit am 29. August 1992 mit weiteren
Mittätern aus einem Hinterhalt heraus mit einer Schusswaffe mehrfach auf ein
Zivilfahrzeug geschossen und dabei eine unbewaffnete Zivilperson namens
B.________ getötet haben. Danach sollen er und seine Mittäter das Fahrzeug samt
Leiche angezündet haben.
Auf Ersuchen des Bundesamts für Justiz (BJ) legte das Eidgenössische
Departement für auswärtige Angelegenheiten in einer Stellungnahme vom 28. April
2014 dar, dass Auslieferungen an Bosnien und Herzegowina verbunden mit
entsprechenden Garantien grundsätzlich möglich seien. Daraufhin ersuchte das BJ
die bosnischen Behörden um verschiedene Garantien, welche in der Folge vom
Bezirksgericht Banja Luka abgegeben und dem BJ durch das bosnische
Justizministerium übermittelt wurden.
Mit Auslieferungshaftbefehl vom 21. August 2014 verfügte das BJ die
Auslieferungshaft und am 17. September 2014 wurde A.________ in Eriswil
festgenommen.
Mit Auslieferungsentscheid vom 23. Oktober 2014 bewilligte das BJ die
Auslieferung von A.________ für die dem Auslieferungsersuchen zu Grunde
liegenden Straftaten. Eine von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das
Bundesstrafgericht mit Entscheid vom 5. März 2015 ab.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom
20. März 2015 beantragt A.________ in erster Linie, die Entscheide des
Bundesstrafgerichts und des BJ seien aufzuheben, die Auslieferung sei zu
verweigern und er selbst sei sofort aus der Haft zu entlassen.
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in
Strafsachen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unter
den in Art. 84 BGG genannten Voraussetzungen zulässig. Im vorliegenden Fall
geht es um eine Auslieferung und damit um ein Sachgebiet, bei dem die
Beschwerde nach Art. 84 Abs. 1 BGG insoweit möglich ist. Weiter ist
erforderlich, dass es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt.
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im
Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 134 IV 156 E. 1.3.1
S. 160 mit Hinweisen). Ein besonders bedeutender Fall ist mit Zurückhaltung
anzunehmen (BGE 136 IV 139 E. 2.4 S. 144 mit Hinweis).
Ein besonders bedeutender Fall kann auch bei einer Auslieferung nur
ausnahmsweise angenommen werden. In der Regel stellen sich insoweit keine
Rechtsfragen, die der Klärung durch das Bundesgericht bedürfen, und kommt den
Fällen auch sonst wie keine besondere Tragweite zu (BGE 134 IV 156 E. 1.3.4 S.
161).
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist,
steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 134 IV 156 E.
1.3.1 S. 160 mit Hinweis).
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über
Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall
vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet und es kann ganz
oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).

1.2. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, es liege ein besonders
bedeutender Fall vor, da unklar sei, welche Anforderungen Art. 12 des
Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (SR 0.353.1; im
Folgenden: EAUe) an die Wiedergabe des Sachverhalts im Auslieferungsersuchen
stelle. Weiter sei die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob Art. 53 IRSG (SR
351.1) zum Alibibeweis analog anzuwenden sei, wenn bewiesen werden könne, dass
ein objektives Tatbestandsmerkmal nicht vorliege. Er habe nämlich vor den
Vorinstanzen bewiesen oder zumindest Indizien beigebracht, dass das Opfer im
Zeitpunkt des angeblichen Übergriffs keine Zivilperson, sondern ein Kombattant
gewesen sei. Eine schwere Verletzung der Genfer Konventionen gemäss Art. 264c
Abs. 1 lit. a StGB falle deshalb ausser Betracht. Damit komme lediglich ein
Tötungsdelikt in Frage, wobei mangels der qualifizierenden Voraussetzungen des
Tatbestands des Mordes von einer vorsätzlichen Tötung nach Art. 111 StGB
auszugehen sei. Dieses Delikt sei aber bereits verjährt. Ein besonders
bedeutender Fall liege weiter deshalb vor, weil es noch keine Rechtsprechung
betreffend Auslieferungen nach Bosnien und Herzegowina gebe und weil eine
willkürliche Rechtsanwendung des zuständigen bosnischen Gerichts absehbar sei.

1.3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind diese Vorbringen im
Lichte der auch bei Auslieferungen restriktiven Rechtsprechung nicht geeignet,
einen besonders bedeutenden Fall darzutun.
Gemäss konstanter Rechtsprechung zum massgebenden Art. 12 EAUe hat der
Rechtshilferichter weder Tat- noch Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich
auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen. Er ist vielmehr an die
Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen gebunden, soweit sie nicht durch
offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche entkräftet wird (BGE 133 IV 76
E. 2.2 S. 79 mit Hinweisen). Diesen Anforderungen genügt die Darstellung im
Rechtshilfeersuchen. Art. 52 IRSG ist nicht anwendbar, zumal der
Beschwerdeführer keinen Alibibeweis geltend macht. Die von ihm vorgebrachten
Beweise zur Frage, ob das Opfer Zivilperson oder Kombattant war, werden vom
Sachrichter zu würdigen sein. Der Beschwerdeführer bringt nicht substanziiert
vor, weshalb aufgrund des Kontextes (bewaffneter Konflikt) im vorliegenden Fall
erhöhte Anforderungen an das Rechtshilfeersuchen zu stellen wären (vgl. a.a.O.,
E. 2.3 S. 79 f. mit Hinweisen). Die Erwägungen im angefochtenen Entscheid
stützen sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und überzeugen. Darauf
kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).
Die angeblich zu erwartende willkürliche Rechtsanwendung durch das zuständige
bosnische Gericht leitet der Beschwerdeführer aus dem Umstand ab, dass dieses
in den Strafverfahren gegen zwei aufgrund desselben Sachverhalts Angeklagte
fälschlicherweise angenommen habe, das Opfer sei eine Zivilperson gewesen. In
dieser Hinsicht kann auf das bereits Ausgeführte zur Beweiswürdigung durch den
Rechtshilferichter verwiesen werden. Die weiteren in diesem Zusammenhang
behaupteten "massiven" prozessualen Fehler in den erwähnten Verfahren werden
vom Beschwerdeführer nicht weiter substanziiert.
Ob es bereits Rechtsprechung zur Auslieferung an einen bestimmten Staat gibt,
ist schliesslich für die Frage des besonders bedeutenden Falls grundsätzlich
nicht relevant.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich somit nicht. Auch sonst
ist der Fall nicht von aussergewöhnlicher Tragweite. Für das Bundesgericht
besteht daher kein Anlass, die Sache an die Hand zu nehmen.

2. 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Das Gesuch des Beschwerdeführers um
aufschiebende Wirkung für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens wird
damit gegenstandslos.
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Prozessführung und
Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann
dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.

2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

2.2. Rechtsanwalt Alexander Schawalder wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand
ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse
mit Fr. 1'500.-- entschädigt.

3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich
Auslieferung, und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 26. März 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold

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