Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.156/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_156/2015

Urteil vom 15. Juni 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Pedretti.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Albert Rüttimann,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zug, Regierungsgebäude am Postplatz, Seestrasse 2,
Postfach 156, 6301 Zug.

Gegenstand
Nichtigkeit der Einbürgerung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 27. Januar 2015 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (geb. 1992) stellte am 16. Oktober 2009 beim Zivilstands- und
Bürgerrechtsdienst des Kantons Zug ein Gesuch um Erteilung der eidgenössischen
Einbürgerungsbewilligung. Diesem entsprach das Bundesamt (heute:
Staatssekretariat) für Migration am 15. März 2011.
Der Bürgerrat der Stadt Zug verlieh A.________ am 19. Dezember 2011 das
Gemeindebürgerrecht, nachdem die Zuger Polizei attestiert hatte, dass er bei
ihr nicht verzeigt sei.
Am 25. Dezember 2011 unterzeichnete A.________ eine Erklärung, in welcher er
bestätigte, in den letzten fünf Jahren die Rechtsordnung der Schweiz beachtet
zu haben. Die Erklärung enthielt auch den Hinweis, dass nur eingebürgert werden
könne, wer die Rechtsordnung beachte, bzw. eine erfolgte Einbürgerung im Falle
von falschen Angaben als nichtig erklärt werden könne. Daraufhin erteilte ihm
der Regierungsrat am 24. Januar 2012 das Kantonsbürgerrecht.

B. 
Ebenfalls am 24. Januar 2012 ging bei der Zuger Polizei eine Strafanzeige gegen
A.________ wegen Diebstahls ein. Das Strafverfahren wurde im August 2012
eröffnet. Mit Strafbefehl vom 25. Oktober 2012 wurde er des gewerbsmässigen
Diebstahls, des mehrfachen Hausfriedensbruchs und der mehrfachen geringfügigen
Sachbeschädigung schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe sanktioniert.
Gemäss Strafbefehl beging A.________ diese Delikte im Zeitraum zwischen März
2011 und Januar 2012.

C. 
Am 30. Januar 2014 beantragte der Zivilstands- und Bürgerrechtsdienst bei der
Direktion des Innern des Kantons Zug die Nichtigerklärung der Einbürgerung von
A.________ gestützt auf Art. 41 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Erwerb und
Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0). Die
Direktion des Innern gewährte A.________ mit Schreiben vom 5. März 2014 das
rechtliche Gehör.
Der Regierungsrat erklärte die Erteilung des Kantonsbürgerrechts an A.________
am 12. August 2014 für nichtig. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Urteil vom 27. Januar 2015 ab.

D. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer
Verfassungsbeschwerde vom 16. März 2015 an das Bundesgericht beantragt
A.________ die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar
2015. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht wird um unentgeltliche Rechtspflege
ersucht.
Der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
Der Beschwerdeführer hält in der Replik an seinen Anträgen fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein Endentscheid einer
letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Ihm liegt ein
Beschwerdeverfahren über eine Nichtigerklärung einer Einbürgerung und damit
eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit zugrunde. Die Ausnahme der
ordentlichen Einbürgerung gemäss Art. 83 lit. b BGG erstreckt sich nicht auf
die Nichtigerklärung der Einbürgerung (Urteil 1C_578/2008 vom 11. November 2009
E. 1.1). Der Beschwerdeführer ist als direkter Adressat der Nichtigerklärung,
der am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, zur Beschwerdeführung
legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten. Die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde erweist sich daher als ausgeschlossen (vgl. Art. 113
BGG).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die zweijährige Frist zur Geltendmachung
der Nichtigkeit durch die zuständige Behörde im Sinne von Art. 41 Abs. 1bis BüG
sei bereits abgelaufen. Gemäss dieser Bestimmung sei entscheidend, wann die
Behörde über ein strafrechtlich bedeutsames Verhalten des Eingebürgerten
informiert werde. Vorliegend habe die Direktion des Innern am 25. Januar 2012
eine Meldung der Zuger Polizei über das Vorliegen einer Strafanzeige gegen den
Beschwerdeführer wegen Diebstahls erhalten. Der Antrag auf Nichtigerklärung der
Einbürgerung vom 5. März 2014 sei deshalb nach Ablauf der zweijährigen Frist am
25. Januar 2014 und damit zu spät erfolgt.

2.2. Gemäss Art. 41 BüG kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit Zustimmung der
Behörde des Heimatkantons nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche
Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist (Abs.
1). Die Einbürgerung kann innert zwei Jahren, nachdem das Bundesamt vom
rechtserheblichen Sachverhalt Kenntnis erhalten hat, spätestens aber innert
acht Jahren nach dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts nichtig erklärt werden.
Nach jeder Untersuchungshandlung, die der eingebürgerten Person mitgeteilt
wird, beginnt eine neue zweijährige Verjährungsfrist zu laufen. Die Fristen
stehen während eines Beschwerdeverfahrens still (Abs. 1 ^bis ). Unter den
gleichen Voraussetzungen kann die Einbürgerung nach den Art. 12-17 BüG
(ordentliche Einbürgerung) von der kantonalen Behörde nichtig erklärt werden
(Abs. 2).

2.3. Dem Beschluss des Regierungsrats vom 12. August 2014 ist zu entnehmen,
dass nach ständiger Praxis des Staatssekretariats für Migration
Nichtigkeitsverfahren bei ordentlichen Einbürgerungen von den kantonalen
Einbürgerungsbehörden durchzuführen sind. Vorliegend ist nicht strittig, dass
die Direktion des Innern bzw. der Regierungsrat die im Sinne von Art. 41 Abs. 2
BüG zuständige kantonale Behörde für die Nichtigerklärung ist. Ebenso blieb vor
Bundesgericht unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer die Einbürgerung
durch die bewusste Angabe falscher bzw. durch die Verheimlichung erheblicher
Tatsachen erschlichen hat, indem er die Behörde nicht über die bereits während
des Einbürgerungsverfahrens begangenen Straftaten informiert hat. Zu prüfen ist
deshalb nur, welches der rechtserhebliche Sachverhalt darstellt, dessen
Kenntnisnahme durch die zuständige Behörde die zweijährige Frist nach Art. 41
Abs. 1 ^bis BüG auslöst. Der Beschwerdeführer sieht das massgebende Ereignis in
der polizeilichen Meldung der Strafanzeige an die Direktion des Innern, von der
Letztere am 25. Januar 2012 Kenntnis genommen habe. Demgegenüber befand die
Vorinstanz, die Mitteilung der Zuger Polizei stelle keine Kenntnisgabe eines
tatsächlich bestehenden, strafrechtlich bedeutsamen Verhaltens dar, sei doch
eine Strafanzeige erst Auslöser von polizeilichen Ermittlungen. Der blosse
Tatverdacht könne nicht als fristauslösender Moment für die Nichtigerklärung
gelten. Ebenso wenig komme hierfür der Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls
im Oktober 2012 in Frage, da dieser innerhalb der kantonalen Verwaltung nur dem
Amt für Migration mitgeteilt worden sei. Tatsächlich habe die Direktion des
Innern erst am 30. Januar 2014 Kenntnis vom Strafbefehl erhalten, als der
Zivilstands- und Bürgerrechtsdienst die Einleitung des Verfahrens auf
Nichtigerklärung der Einbürgerung beantragt habe. Erst in diesem Zeitpunkt habe
der Fristenlauf begonnen, weshalb der Beschluss des Regierungsrats fristgerecht
erfolgt sei.

2.4. Gemäss Art. 41 Abs. 1 BüG in der Fassung vom 29. September 1952 (AS 1952
1087) betrug die Frist für die Nichtigerklärung einer Einbürgerung fünf Jahre.
Mit der Teilrevision des Bürgerrechtsgesetzes vom 25. September 2009, in Kraft
seit 1. März 2011, erfuhr Art. 41 BüG eine Änderung. Die Fristenregelung wurde
aus Abs. 1 herausgelöst und zum Gegenstand eines neuen Abs. 1 ^bis gemacht. Die
neue absolute Frist von acht Jahren löst die frühere fünfjährige Frist ab (BGE
140 II 65 E. 2.3 S. 68). Mit dieser Fristverlängerung wollte der Gesetzgeber
der Problematik von krassen Missbrauchsfällen Rechnung tragen, die erst kurz
vor Ablauf der Frist bekannt werden und bei denen eine Nichtigerklärung der
Einbürgerung unter Umständen wegen der Komplexität des Verfahrens nicht mehr
rechtzeitig erfolgen kann (Bericht der Staatspolitischen Kommission des
Nationalrats vom 30. November 2007, BBl 2008 1284 f. Ziff. 2 f.). Durch die
Gesetzesänderung wurde auch eine relative zweijährige Frist eingeführt, welche
kein Gegenstück im alten Recht kennt. Der Gesetzgeber wollte damit verhindern,
dass Nichtigkeitsverfahren unnötig verzögert werden. Die zuständige Behörde
sollte solche Verfahren nach Möglichkeit innert zwei Jahren abschliessen,
nachdem sie vom rechtserheblichen Sachverhalt Kenntnis erhalten hat (BBl 2008
1284 f. Ziff. 3). Der Komplexität der Verfahren wurde aber auch in diesem
Zusammenhang Rechnung getragen: Nach jeder Untersuchungshandlung, die der
eingebürgerten Person mitgeteilt wird, beginnt eine neue zweijährige
Verjährungsfrist zu laufen. Als Untersuchungshandlung gilt dabei jede durch die
Behörde getroffene Instruktionsmassnahme im Hinblick auf die Untersuchung eines
Falles. Da nur die der Partei eröffneten Untersuchungshandlungen massgebend
sind, umfasst der Kreis der relevanten Handlungen insbesondere die Massnahmen
zur Feststellung des Sachverhalts im Sinne von Art. 12 ff. VwVG (SR 172.021)
sowie Massnahmen, die es der Partei ermöglichen, sich im Rahmen der Ausübung
ihres rechtlichen Gehörs zu äussern (BBl 2008 1284 f. Ziff. 3; Urteil 1C_540/
2014 vom 5. Januar 2015 E. 3.2).

2.5. Während für den Beginn der achtjährigen Verwirkungsfrist auf den Zeitpunkt
des Erwerbs des Schweizer Bürgerrechts abgestellt wird (vgl. Urteil 1C_336/2010
vom 28. September 2010 E. 3 für die Berechnung der altrechtlichen fünfjährigen
Frist), beginnt die relative zweijährige Frist mit der Kenntnisnahme des
rechtserheblichen Sachverhalts durch die zuständige Behörde. Was darunter zu
verstehen ist, führen die Gesetzesmaterialien nicht näher aus. Aus Art. 41 BüG
lässt sich jedoch schliessen, dass damit die Kenntnisnahme eines
Nichtigkeitsgrundes gemeint ist. Ob die Einbürgerung tatsächlich durch ein
unlauteres oder täuschendes Verhalten erwirkt worden ist, muss im
anschliessenden Verfahren der Nichtigerklärung geprüft werden. Im Allgemeinen
dürfte dabei die Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung im Sinne von
Art. 26 f. i.V.m. Art. 41 BüG im Vordergrund stehen. Danach ist die
Einbürgerung einer ausländischen Person infolge Eheschliessung mit einem
Schweizer Bürger nichtig zu erklären, wenn die Vermutung nicht mit plausiblen
Gründen entkräftet werden kann, dass bei der Einbürgerung keine stabile, auf
die Zukunft gerichtete eheliche Gemeinschaft mehr bestand (vgl. BGE 135 II 161
E. 3 S. 166; BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 485 f.; je mit Hinweisen). Diese
tatsächliche Vermutung lässt sich insbesondere dadurch begründen, dass zwischen
der erleichterten Einbürgerung einerseits und der Trennung bzw. Scheidung
andererseits eine kurze Zeitspanne liegt (vgl. Urteile 1C_496/2014 vom 11. Mai
2015 E. 4.2.1; 1C_627/2014 vom 3. März 2015 E. 2.3; 1C_569/2014 vom 27. Januar
2015 E. 2.3). Erhält die zuständige Behörde demnach Kenntnis von solchen
Umständen, beginnt die relative zweijährige Frist zu laufen. Dies entspricht im
Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das auf den
Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Ehescheidung, Trennung, Wiederverheiratung oder
der Geburt eines ausserehelichen Kindes der eingebürgerten Person abstellt
(Urteile des BVGer C-4676/2014 vom 24. März 2015 E. 5.1; C-2637/2014 vom 17.
März 2015 E. 5.1; C-5377/2012 vom 8. April 2014 E. 5.2; C-3587/2013 vom 16.
Dezember 2014 E. 5.2; C-2466/2013 vom 18. November 2014 E. 5; C-3532/ 2013 vom
30. Juli 2014 E. 5.1.1; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 1C_540/2014 vom 5.
Januar 2015 E. 3.2).

2.6. Aufgrund dieser Überlegungen kann der Auffassung des Beschwerdeführers,
wonach die zweijährige Frist im Sinne von Art. 41 Abs. 1 ^bis BüG mit der
Kenntnisnahme der Strafanzeige beginne, nicht gefolgt werden. Vielmehr ist
derjenige Zeitpunkt ausschlaggebend, in welchem die zuständige Behörde von
Umständen erfährt, welche mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf
schliessen lassen, dass die Einbürgerung durch falsche Angaben oder durch die
Verheimlichung erheblicher Tatsachen über die Beachtung der schweizerischen
Rechtsordnung nach Art. 14 lit. c BüG (bzw. Art. 26 Abs. 1 lit. b BüG)
erschlichen worden ist. Diesen Anforderungen vermag eine Strafanzeige nicht zu
genügen, denn eine solche kann jederzeit und von jeder Person gegen jede
beliebige andere Person eingereicht werden (vgl. Art. 299 StPO). Mit ihr werden
lediglich Sachverhalte, welche möglicherweise deliktsrelevant sein können, den
Strafverfolgungsbehörden zur Kenntnis gebracht. Diese haben sodann Erhebungen
zu tätigen und Beweise zu sammeln, um festzustellen, ob gegen den Beschuldigten
ein Strafbefehl zu erlassen, Anklage zu erheben oder aber das Verfahren
einzustellen ist (vgl. Art. 299 ff. StPO). In diesem Verfahrensstadium kann der
beschuldigten Person daher noch nicht vorgeworfen werden, sie habe die
schweizerische Rechtsordnung missachtet, liegt doch bestenfalls bloss ein
Tatverdacht vor.
Folgte man der Ansicht des Beschwerdeführers, wären Doppelspurigkeiten schwer
zu vermeiden. Aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren geltenden
Untersuchungsgrundsatzes (vgl. BGE 135 II 161 E. 3 S. 165 f. mit Hinweisen),
wonach der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ist, müsste die
Einbürgerungsbehörde im Hinblick auf die Wahrung der zweijährigen Frist
Abklärungen über die vorgeworfenen Delikte vornehmen. Dies fällt jedoch
klarerweise in die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörde. Ausserdem würde
das Abstellen auf die Strafanzeige auch ein gewisses Missbrauchspotential mit
sich bringen, da es in den Händen des Anzeigeerstatters läge, ein
Nichtigkeitsverfahren gegen einen (unliebsamen) Eingebürgerten einzuleiten.

2.7. Demnach ist für den Beginn der zweijährigen Frist im Sinne von Art. 41
Abs. 1 ^bis BüG nicht die Strafanzeige massgeblich. Unter den vorliegenden
Umständen ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Strafbefehls
abzustellen. Dieser ist am 25. Oktober 2012 in Rechtskraft erwachsen und wurde
dem kantonalen Amt für Migration mitgeteilt. Die Direktion des Innern hat davon
erst am 30. Januar 2014 erfahren. Ob sich Letztere die Kenntnisnahme des
Strafbefehls durch das Amt für Migration anrechnen lassen muss, kann
dahingestellt bleiben, da beide Ereignisse innerhalb von zwei Jahren vor der
Nichtigerklärung der Einbürgerung durch den Regierungsrat am 12. August 2014 zu
liegen kommen. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass das Schreiben der
Direktion des Innern vom 5. März 2014, mit welchem dem Beschwerdeführer
Gelegenheit zur Stellungnahme zur Nichtigerklärung eingeräumt wurde, eine
Untersuchungshandlung im Sinne von Art. 41 Abs. 1 ^bis Satz 2 BüG darstellt, da
ihm damit das rechtliche Gehör gewährt wurde (vgl. vorne E. 2.4). Die
zweijährige Verjährungsfrist hat demnach von Neuem begonnen und wurde
vorliegend gewahrt.
Wie es sich in anderen Fällen verhält, in denen vor der Einbürgerung begangene
Straftaten verheimlicht worden sind, kann hier offen bleiben. Welches in
solchen Verfahren der rechtserhebliche Sachverhalt darstellt, mit dessen
Kenntnisnahme durch die zuständige Behörde die zweijährige Frist im Sinne von
Art. 41 Abs. 1bis BüG zu laufen beginnt, ist anhand der Umstände des konkreten
Straffalls zu beurteilen.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, Art. 41 Abs. 1 BüG sei eine
"Kann-Bestimmung" und räume der zuständigen Behörde ein Ermessen ein. Die
Nichtigerklärung der Einbürgerung stehe in einem krassen Missverhältnis zu den
privaten Interessen des Beschwerdeführers. Dieser habe die Straftaten als
Jugendlicher begangen und habe sich hierfür entschuldigt. Seither sei er nicht
mehr straffällig geworden. Er wolle und könne ein geregeltes Leben führen und
möchte den Militärdienst absolvieren.

3.2. Die Vorinstanz erwog, der Regierungsrat habe mit der Nichtigerklärung sein
Ermessen weder missbraucht noch überschritten. Die Voraussetzungen für die
Nichtigerklärung seien gegeben. Auch wenn diese massiv in die Rechtsstellung
des Beschwerdeführers eingreife, müsse beachtet werden, dass es ihm offen
stehe, ein neues Einbürgerungsgesuch zu stellen.

3.3. Die Ausführungen der Vorinstanz sind nicht zu beanstanden. Eine
Ermessensüberschreitung des Regierungsrats kommt von vornherein nicht in
Betracht, da Art. 41 BüG der zuständigen Behörde hinsichtlich der
Nichtigerklärung ein Entschliessungsermessen einräumt. Dieses wurde auch nicht
missbräuchlich gehandhabt: Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich der
Regierungsrat von unsachlichen oder zweckfremden Erwägungen hätte leiten
lassen. Sein Entscheid basiert vielmehr auf dem Umstand, dass der
Beschwerdeführer Straftaten begangen und diese verheimlicht hat. Dass der
Regierungsrat dem öffentlichen Interesse an der Nichtigerklärung von
Einbürgerungen wegen Missachtung der schweizerischen Rechtsordnung ein höheres
Gewicht einräumt, als den privaten Interessen des Beschwerdeführers, stellt
keine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit dar. Der
Beschwerdeführer hat sich während des Einbürgerungsverfahrens wiederholt
strafbar gemacht, darunter auch wegen gewerbsmässigen Diebstahls im Sinne von
Art. 139 Ziff. 2 StGB. Dieser Tatbestand weist eine nicht unerhebliche
Tatschwere auf. Zudem war der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt bereits
volljährig. Demgegenüber wiegt sein Interesse an der Beibehaltung der
Staatsbürgerschaft, insbesondere zur Absolvierung des Militärdienstes,
vergleichsweise weniger schwer. Der Entscheid des Regierungsrats bzw. der
Vorinstanz basiert demnach auf einer nachvollziehbaren Gesamtwürdigung der
massgebenden Umstände.

4. 
Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, sein Anspruch auf rechtliches
Gehör sei verletzt worden, da er sich bis Anfang 2014 nicht zu den erhobenen
Vorwürfen habe äussern können.
Dieses Vorbringen erweist sich als unbegründet. Der Beschwerdeführer legt nicht
dar, inwiefern die Direktion des Innern bereits im Oktober 2012 vom Strafbefehl
gewusst haben soll, obwohl ihr dieser nachweislich nicht zugestellt worden ist.
Den Akten und dem angefochtenen Entscheid ist zu entnehmen, dass dem
Beschwerdeführer sowohl seitens der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug
(hinsichtlich des Akteneinsichtsgesuchs) als auch seitens der Direktion des
Innern wegen des Antrags auf Nichtigerklärung der Einbürgerung Gelegenheit zur
Stellungnahme eingeräumt worden ist. Von Letzterer hat er bzw. sein
Rechtsvertreter mit Schreiben vom 30. April 2014 denn auch Gebrauch gemacht.

5. 
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten abzuweisen. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht
einzutreten.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da er
seine finanzielle Bedürftigkeit ausreichend glaubhaft macht (vgl. auch die
Zwischenverfügung der Vorinstanz vom 2. Oktober 2014), die Beschwerde nicht zum
Vornherein aussichtslos erschien und er auf die Vertretung durch einen Anwalt
angewiesen war, ist dem Gesuch stattzugeben (Art. 64 BGG). Es werden deshalb
keine Kosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine
angemessene Entschädigung ausgerichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. Die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Albert Rüttimann, wird aus
der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 15. Juni 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Pedretti

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