Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.151/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_151/2015

Urteil vom 1. Juli 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Karlen,
Gerichtsschreiberin Pedretti.

Verfahrensbeteiligte
A.________ Immobilien AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ulrich Grauer,

gegen

Politische Gemeinde Kradolf-Schönenberg,
Thurbruggstrasse 11a, 9215 Schönenberg an der Thur,
handelnd durch den Gemeinderat Kradolf-Schönenberg,
Thurbruggstrasse 11a, 9215 Schönenberg an der Thur,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau,
Verwaltungsgebäude, Promenade, 8510 Frauenfeld.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 26. November 2014 des Verwaltungsgerichts
des Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A. 
Die A.________ Immobilien AG ist Eigentümerin der Liegenschaften Nr. xxx und
Nr. xxx an der B.________strasse in Kradolf-Schönenberg, welche je mit einem
Mehrfamilienhaus überbaut sind. Nachdem an diesen Umbauarbeiten vorgenommen
wurden, forderte die Politische Gemeinde Kradolf-Schönenberg die A.________
Immobilien AG am 13. April 2010 auf, ein Baugesuch einzureichen.

 Gemäss diesem (ersten) Baugesuch vom 7. (recte: 5.) Mai 2010 sollten beim
Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. xxx fünf zusätzliche Wohnungen, beim
Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. xxx sechs zusätzliche Wohnungen
eingebaut werden. Zudem waren in den Untergeschossen, welche zuvor nicht zu
Wohnzwecken genutzt worden waren, je zwei Wohnungen geplant.

 Mit Entscheid vom 21. September 2010 wies die Gemeinde das Baugesuch für die
Umbauarbeiten ab. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Departement für Bau und
Umwelt des Kantons Thurgau (DBU) am 24. März 2011 ebenfalls ab. Dieser
Entscheid ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

B. 
Am 12. Mai 2011 reichte die A.________ Immobilien AG ein zweites Baugesuch ein.
Neu sollten je Mehrfamilienhaus zwei zusätzliche Wohnungen eingebaut werden.
Die Gemeinde erteilte hierfür am 23. August 2011 eine Baubewilligung unter der
Auflage, dass das Dachgeschoss nur zwei Wohnungen aufweisen dürfe.

C. 
Eine Baukontrolle am 29. März 2012 ergab, dass im Mehrfamilienhaus auf dem
Grundstück Nr. xxx entgegen der Baubewilligung drei zusätzliche
1½-Zimmerwohnungen eingebaut worden waren. Die Gemeinde verfügte daraufhin
einen Baustopp.
Die von der A.________ Immobilien AG eingereichten geänderten Pläne, mit
welchen die drei zusätzlichen Wohnungen durch Verbindungstüren zu den
bestehenden Wohnungen geöffnet und somit aufgehoben werden sollten, bewilligte
die Gemeinde am 17. April 2012. Insgesamt sahen die rechtskräftigen Pläne für
das Mehrfamilienhaus auf der Liegenschaft Nr. xxx zehn bzw. für das
Mehrfamilienhaus auf der Liegenschaft Nr. xxx acht Wohnungen vor.
Die am 3. Dezember 2012 durchgeführte Schlussabnahme ergab, dass die Umbauten
gemäss den bewilligten Plänen vorgenommen worden waren.

D. 
Nachdem sich beim Einwohneramt der Gemeinde Personen unter den Adressen der
Mehrfamilienhäuser angemeldet hatten, welche nicht eindeutig den einzelnen
Wohnungen zugewiesen werden konnten, wurde am 26. Februar 2013 erneut eine
Kontrolle durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass in Abweichung der
rechtskräftigen Baubewilligung zusätzlich vier Wohnungen erstellt worden waren.
Am 4. Juni 2013 reichte die A.________ Immobilien AG für diese vier
zusätzlichen Wohnungen ein nachträgliches Baugesuch ein. Darüber hinaus
beantragte sie den Einbau von zwei weiteren Wohnungen, womit im Vergleich zu
dem am 17. April 2012 bewilligten Bauvorhaben insgesamt sechs neue Wohnungen
vorgesehen waren. Dieses Baugesuch lehnte der Gemeinderat mit Entscheid vom 20.
August 2013 ab. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das DBU am 15. Mai 2014 ab.
Ebenso wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die dagegen eingereichte
Beschwerde am 26. November 2014 ab.

E. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 11. März 2015
gelangt die A.________ Immobilien AG an das Bundesgericht und beantragt, es sei
festzustellen, dass das Verwaltungsgericht die Beschwerde zu Unrecht abgewiesen
habe. Dieser Entscheid sei aufzuheben und die nachgesuchte Baubewilligung sei
zu erteilen bzw. die Vorinstanz sei anzuweisen, diese zu erteilen. Eventuell
sei festzustellen, dass die Beschwerdeführung an das Verwaltungsgericht nicht
rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei
aufzuheben und es sei anzuweisen, die Beschwerde unter baurechtlichen Aspekten
zu prüfen und zu entscheiden.
Die Gemeinde Kradolf-Schönenberg, das DBU und das Verwaltungsgericht schliessen
auf Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin hat auf eine Replik verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über eine
Baubewilligung. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausschlussgrund ist nicht
gegeben (Art. 83 BGG). Die Beschwerdeführerin ist als direkt betroffene
Bauherrin, die am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, zur
Beschwerdeführung legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich
einzutreten.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Dieses wendet das Bundesgericht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs.
1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten - einschliesslich die willkürliche
Anwendung von kantonalem und kommunalem Recht - wird vom Bundesgericht aber nur
insoweit geprüft, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Hierzu gelten qualifizierte
Begründungsanforderungen (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 f. mit Hinweisen). Das
Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich,
belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt
es nicht ein.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, der geplante und bereits
vorgenommene Umbau unterliege weder nach kantonalem Recht (§ 98 des Planungs-
und Baugesetzes vom 21. Dezember 2011 des Kantons Thurgau [PBG, RB 700]) noch
nach Bundesrecht (Art. 22 RPG [SR 700]) der Bewilligungspflicht.

2.2. Diese Rüge ist unzulässig. Indem die Beschwerdeführerin um die Erteilung
einer Baubewilligung ersucht, geht sie selbst davon aus, dass das Vorhaben
bewilligungspflichtig ist. Der Einwand der fehlenden Bewilligungspflicht ist
somit widersprüchlich. Es erübrigt sich, weiter darauf einzugehen.

3. 
Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, sie habe durch die Einreichung
eines nachträglichen Baugesuchs für den Einbau zusätzlicher Wohnungen nicht im
Sinne von Art. 2 ZGB rechtsmissbräuchlich gehandelt.

3.1. Die Vorinstanz erwog, es sei offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin
immer wieder durch verschiedenste Abänderungen versucht habe, in unzulässiger
Weise mehr Wohnungen in die Mehrfamilienhäuser einzubauen als bewilligt worden
seien. Anlässlich einer Baukontrolle am 29. März 2012 sei festgestellt worden,
dass im Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. xxx entgegen den bewilligten
Plänen abweichende Bauarbeiten durchgeführt worden seien. Vergleiche man die
Pläne des nachträglichen Baugesuchs vom 4. Juni 2013 mit denjenigen des ersten
Baugesuchs vom 5. Mai 2010, falle zudem auf, dass einmal mehr genau bzw. im
Wesentlichen das eingereicht worden sei, was die Gemeinde bereits am 21.
September 2010 abgelehnt und das DBU mit rechtskräftigem Rekursentscheid vom
21. März 2011 bestätigt hatte. Die Beschwerdeführerin habe methodisch versucht,
einen fait accompli zu schaffen, bevor sie um eine entsprechende Baubewilligung
ersucht habe. Dies sei krass rechtsmissbräuchlich.

3.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet die vorinstanzliche Feststellung nicht,
wonach das Baugesuch vom 4. Juni 2013 genau bzw. im Wesentlichen demjenigen
entspricht, welches sie bereits am 5. Mai 2010 eingereicht hatte und
rechtskräftig abgelehnt worden ist. Aus den Akten ist ersichtlich, dass das
neue Baugesuch genau gleich viele Wohnungen vorsieht, wie das abgewiesene
Bauvorhaben in den oberirdischen Geschossen. Daher läuft das nachträgliche
Baugesuch im Grunde genommen darauf hinaus, eine Wiedererwägung einer in
formelle Rechtskraft erwachsenen Bewilligungsverweigerung zu erwirken. Die
Wiedererwägung ist nicht beliebig zulässig; sie darf namentlich nicht bloss
dazu dienen, rechtskräftige Verwaltungsentscheide immer wieder infrage zu
stellen (BGE 136 II 177 E. 2.1 S. 181; 120 Ib 42 E. 2b S. 47 mit Hinweisen).

 Die Beschwerdeführerin bringt vorliegend keine Gründe vor, welche ein
Rückkommen auf die Bewilligungsverweigerung gestützt auf Art. 29 BV
rechtfertigen würden. Solche bestehen, wenn die Umstände sich seit dem ersten
Entscheid wesentlich geändert haben oder wenn die Gesuchstellerin erhebliche
Tatsachen und Beweismittel namhaft macht, die ihr im früheren Verfahren nicht
bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für sie rechtlich oder
tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand (BGE 138 I 61 E. 4.3
S. 72 f.; 136 II 177 E. 2.1 S. 181; 124 II 1 E. 3a S. 6; je mit Hinweisen).
Daher ist die Bewilligungsverweigerung nicht schon deshalb ursprünglich
fehlerhaft, weil die Beschwerdeführerin sich im früheren
Baubewilligungsverfahren nicht hat juristisch beraten lassen. Gleichermassen
unbehelflich ist das Argument, sie sei nach erfolgter juristischer Beratung der
Auffassung, der Einbau zusätzlicher Wohnungen sei nicht bewilligungspflichtig
bzw. auf jeden Fall bewilligungsfähig. Darin ist keine wesentliche Veränderung
der Rechts- oder Sachlage zu erblicken. Zudem geht es nicht an, dass die
Beschwerdeführerin aufgrund eigener Einschätzungen nicht bewilligte, aber - wie
in E. 2.3 ausgeführt - bewilligungspflichtige Umbauarbeiten vornimmt und
hierfür erst im Nachhinein um eine Bewilligung ersucht. Sinn und Zweck der
Baubewilligungspflicht ist, ein Bauvorhaben vor seiner Ausführung auf die
Einhaltung der bau- und nutzungsrechtlichen Vorschriften hin zu überprüfen
(vgl. E. 2.2). Schliesslich stellt auch der Einwand der Beschwerdeführerin, sie
sei für die Verstösse gegen die Bauvorschriften bestraft worden, keinen
anerkannten Rückkommensgrund dar. Eine allfällige strafrechtliche Verurteilung
wegen Ausführens von Bauarbeiten ohne Baubewilligung ist vom
verwaltungsrechtlichen Verfahren zu trennen. Abgesehen davon, dass einer
Baubewilligungsverweigerung kein pönaler Charakter zukommt, bringt die
Beschwerdeführerin nicht in rechtsgenüglicher Weise vor (Art. 42 Abs. 2 BGG),
weshalb die Parallelität von Straf- und Verwaltungsverfahren den Grundsatz ne
bis in idem verletzen soll (vgl. dazu BGE 137 I 363 E. 2 S. 364 ff. mit
Hinweisen). Inwiefern sie durch die Abweisung des Baugesuchs stärker bestraft
werde als ein anderer Bauherr, der kein neues Baugesuch stellt, leuchtet nicht
ein. In beiden Fällen ist über einen Rückbau der in Abweichung der
Baubewilligung erstellten Umbauten zu befinden.
Die Beschwerdeführerin vermag nicht aufzuzeigen, weshalb auf die rechtskräftige
Abweisung des Baugesuchs zurückzukommen ist. Im Übrigen räumt sie ein, mehrfach
in Abweichung von den bewilligten Plänen gebaut zu haben. Ihr Verhalten ist
deshalb auch als widersprüchlich einzustufen, weshalb es keinen Rechtsschutz
findet.

4. 
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Bei
diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin für das Gerichtsverfahren
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG) und ihr steht keine Parteientschädigung zu
(Art. 68 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Politischen Gemeinde
Kradolf-Schönenberg, dem Departement für Bau und Umwelt und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Juli 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Pedretti

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