Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 911/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_911/2014

Urteil vom 30. Januar 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 11. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die 1960 geborene A.________ meldete sich im Oktober 2010 bei der IV-Stelle des
Kantons St. Gallen zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die
IV-Stelle prüfte die medizinischen Verhältnisse und teilte der Versicherten am
7. März 2011 mit, dass keine beruflichen Eingliederungsmassnahmen angezeigt
seien und zur Erhebung der Einschränkungen im Haushalt eine Abklärung an Ort
und Stelle notwendig sei. Sie nahm den von A.________ am 3. April 2011
ausgefüllten Fragebogen zur Rentenabklärung betreffend Erwerbstätigkeit/
Haushalt zu den Akten. Vorbescheidsweise stellte die Verwaltung am 3. Januar
2012 die Ablehnung des Rentengesuchs in Aussicht. Auf den von der Versicherten
dagegen erhobenen Einwand hin führte sie am 21. Juni 2012 eine
Haushaltabklärung durch. In einem weiteren Vorbescheid vom 8. August 2012
stellte die IV-Stelle erneut die Verneinung des Rentenanspruches in Aussicht.
Am 2. November 2012 verfügte sie in diesem Sinne.
Die Versicherte erklärte am 10. November 2012, sie sei damit nicht
einverstanden, und reichte weitere medizinische Berichte ein. Die IV-Stelle
holte beim Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) eine Stellungnahme (erstattet am
15. November 2012) ein und teilte der Versicherten mit, das Schreiben vom 10.
November 2012 enthalte keinen Anlass zu einem Widerruf der Verfügung. Sie wies
darauf hin, dass gegen die Verfügung direkt beim Versicherungsgericht
Beschwerde erhoben werden könne.

B. 
Die von A.________ eingereichte Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen teilweise gut, hob die angefochtene Verfügung auf und wies
die Sache zur weiteren Abklärung und zur anschliessenden Neuverfügung im Sinne
der Erwägungen an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 11. Dezember 2014).

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid sei hinsichtlich
der verbindlichen Anordnung, wonach bei der Ermittlung der Invalidität im
Aufgabenbereich des Haushalts keine Schadenminderungspflicht zu berücksichtigen
sei, aufzuheben.

Erwägungen:

1.

1.1. Beim vorinstanzlichen Rückweisungsentscheid handelt es sich um einen
selbstständig eröffneten Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG,
gegen welchen die Beschwerde nur zulässig ist, wenn er einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführt und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(lit. b).

1.2. Die zweite Voraussetzung fällt von vornherein ausser Betracht. Auf die
Beschwerde kann daher nur eingetreten werden, wenn der kantonale
Rückweisungsentscheid einen irreparablen Nachteil bewirkt.

2.

2.1. Die Vorinstanz wies die Sache zur ergänzenden psychiatrischen Abklärung an
die IV-Stelle zurück, weil ihrer Auffassung nach die vorhandenen medizinischen
Unterlagen nicht ausreichten, um mit dem nötigen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit festzustellen, ob bzw. inwieweit die (unbestritten zu 100 %
als Hausfrau zu qualifizierende) Beschwerdeführerin aus psychischen Gründen bei
der Erledigung des Haushaltes eingeschränkt sei. Des Weitern ordnete das
kantonale Gericht an, dass die IV-Stelle, sobald die medizinische Situation
geklärt sei, eine weitere Abklärung an Ort und Stelle durchzuführen habe. Dabei
habe sie bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades im Haushalt mit Bezug auf
die Schadenminderungspflicht von Angehörigen zu beachten, dass die Invalidität
die behinderungsbedingte Einbusse der persönlichen Leistungsfähigkeit der
versicherten Person sei; es dürfe nicht darauf abgestellt werden, ob das
"Team", bestehend aus der versicherten Person und den schadenminderungsfähigen
Familienangehörigen, in der Lage sei, den Haushalt zu erledigen. Die
Invalidität sei deshalb unabhängig von der Verfügbarkeit mithelfender
Familienangehöriger zu ermitteln. Entgegen der konstanten bundesgerichtlichen
Rechtsprechung gebe es keine Schadenminderungspflicht von Angehörigen.

2.2. Ein derartiger Rückweisungsentscheid, mit welchem die Sache zur neuen
Abklärung (hier: ergänzende psychiatrische Abklärung und Abklärung an Ort und
Stelle) und zu einem neuen Entscheid an die Verwaltung zurückgewiesen wird,
bewirkt rechtsprechungsgemäss keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im
Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, führt er doch bloss zu einer dieses
Kriterium nicht erfüllenden Verlängerung des Verfahrens (BGE 133 V 477 E. 5.2.1
und 5.2.2 S. 483).

2.3. Am Fehlen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG vermag - entgegen der von der IV-Stelle vertretenen
Auffassung - auch nichts zu ändern, dass die Vorinstanz im Zusammenhang mit der
durch die IV-Stelle anordnungsgemäss nach Ergänzung der medizinischen Akten
erneut abzuklärenden Einschränkung im Haushaltbereich der Rechtsprechung
zuwiderlaufende Ausführungen gemacht hat und die IV-Stelle sich insoweit
verpflichtet sieht, eine ihrer Auffassung nach rechtswidrige Verfügung zu
erlassen (was rechtsprechungsgemäss grundsätzlich einen nicht wieder
gutzumachen Nachteil zur Folge haben könnte; BGE 133 V 477 E. 5.2.2-5.2.4 S.
483 ff.) :
Der hier zu beurteilende Fall liegt gleich wie BGE 133 V 504, wo das
Bundesgericht auf die von der IV-Stelle erhobene Beschwerde nicht eintrat,
soweit sie die Rückweisung zur Vornahme einer erneuten Haushaltabklärung
betraf, und einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil auch nicht darin
erblickte, dass die IV-Stelle aufgrund der vorinstanzlichen,
rechtsprechungswidrigen Vorgaben hinsichtlich der Einschränkung im
Haushaltbereich verpflichtet gewesen wäre, eine ihrer Auffassung nach
rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Bei den entsprechenden Ausführungen im
hier angefochtenen kantonalen Entscheid handelt es sich um eine Wiederholung
der hinlänglich bekannten Kritik der Vorinstanz an der Rechtsprechung zur
Schadenminderungspflicht von im Haushalt tätigen Versicherten, mit welcher sich
das Bundesgericht bereits in BGE 133 V 504 E. 4.2 S. 509 ff. einlässlich
auseinandergesetzt hat (obwohl es auch damals auf die Beschwerde nicht eintrat,
soweit sie die Rückweisung zur Vornahme einer erneuten Haushaltabklärung
betraf; vgl. auch Urteil 9C_228/2009 vom 5. November 2009 E. 6.2 und 8C_352/
2008 vom 9. Oktober 2008 E. 5.2.2 und 5.2.3). Es kann an dieser Stelle auf die
damaligen, bis heute unverändert geltenden Ausführungen verwiesen werden,
weshalb an der Rechtsprechung zur Berücksichtigung der Mithilfe von
Familienangehörigen im Rahmen der Schadenminderungspflicht der versicherten
Person festzuhalten ist (vgl. auch Urteil 9C_228/2009 vom 5. November 2009 E.
6.2).

2.4. Da die Voraussetzungen des Art. 93 Abs. 1 BGG nicht erfüllt sind, kann auf
die Beschwerde nicht eingetreten werden.

3. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Januar 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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