Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 887/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_887/2014

Urteil vom 22. Dezember 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Christina Ammann,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 22. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ erlitt am... beim Sturz von einer Bockleiter bei der Arbeit u.a.
eine Teilruptur der Supraspinatussehne rechts. Die SUVA als obligatorischer
Unfallversicherer kam für die Heilbehandlung (u.a. Schulterarthroskopie rechts
sowie Aufenthalt in der Klinik B.________) auf und richtete bis 31. Dezember
2012 Taggelder auf der Grundlage einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % aus. Mit
Verfügung vom 1. Februar 2013 sprach sie dem Versicherten ab 1. Januar 2013
aufgrund einer unfallbedingten Erwerbsunfähigkeit von 13 % eine Invalidenrente
zu, wogegen dieser Einsprache erhob.
Im Januar 2010 hatte sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug angemeldet. Nach Abbruch eines Arbeitstrainings im April 2012
sowie eines Belastungstrainings im September 2012 verneinte die IV-Stelle des
Kantons Zürich u.a. gestützt auf den Untersuchungsbericht des Dr. med.
C.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie, vom
Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) vom 4. Februar 2011 sowie die UV-Akten den
Anspruch auf eine Invalidenrente.

B. 
Die Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich unter Berücksichtigung u.a. des privat eingeholten orthopädischen
Gutachtens vom 22. März 2013 der Abklärungsstelle D.________ mit Entscheid vom
22. Oktober 2014 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 5. Dezember 2014
beantragt A.________ zur Hauptsache, der Entscheid vom 22. Oktober 2014 sei
aufzuheben und ihm ab 1. April 2010 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen; die
IV-Stelle sei zu verpflichten, ihm die Kosten des Gutachtens der
Abklärungsstelle D.________ vom 22. Mai 2013 in der Höhe von Fr. 7'480.-
rückzuerstatten.

D. 
Mit Verfügung vom 20. März 2015 hat der Instruktionsrichter d as Verfahren bis
zum Entscheid über ein Revisionsgesuch des A.________ gegen den Entscheid vom
22. Oktober 2014 ausgesetzt. Am 29. Oktober 2015 hat das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich entschieden. Mit Eingabe vom 4.
Dezember 2015 stellt A.________ den Antrag, es sei die Sistierung aufzuheben
und die Begehren in der Beschwerde vom 5. Dezember 2014 seien gutzuheissen;
gleichzeitig reicht er den Einspracheentscheid der SUVA vom 31. Juli 2015 ein.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer äussert sich in seiner Eingabe vom 4. Dezember 2015
ausschliesslich zum Entscheid vom 29. Oktober 2015. Er macht geltend, die
Vorinstanz habe erneut zu Unrecht das Vorliegen eines psychosomatischen
Befundes mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit verneint. Bei den neuen
Diagnosen im Bericht der psychiatrischen Klinik E.________ vom 10. Dezember
2014 handle es sich um Elemente tatsächlicher Natur, welche die Grundlage des
Entscheids vom 22. Oktober 2014 als objektiv mangelhaft erscheinen liessen. Auf
diese Kritik, die ohne jegliche Bezugnahme auf den Entscheid vom 22. Oktober
2014 bleibt, der hier alleiniges Anfechtungsobjekt ist, ist nicht einzugehen
(Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; Urteil 2C_413/2014 vom 11.
Mai 2014 E. 2.1).

1.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG). Echte Noven können nicht durch den angefochtenen
Entscheid veranlasst sein und sind daher unzulässig (Urteile 9C_425/2015 vom
11. Dezember 2015 E. 1.3 und 2C_219/2015 vom 20. November 2015 E. 1.3). Die neu
eingereichten, nach dem Entscheid vom 22. Oktober 2014 erstellten ärztlichen
Berichte ebenso wie der Einsprache-Entscheid der SUVA vom 31. Juli 2015 haben
somit unbeachtet zu bleiben.

2. 
Streitgegenstand bildet die Frage, ob der Beschwerdeführer - frühestens ab 1.
Juli 2010 (Art. 29 Abs. 1 IVG) - Anspruch auf eine Rente der
Invalidenversicherung hat, was einen Invaliditätsgrad von wenigstens 40 % (zum
Runden BGE 130 V 121) voraussetzt (Art. 28 Abs. 2 IVG).

3. 
Die Vorinstanz hat die medizinischen Akten dahingehend gewürdigt, die
Beschwerdegegnerin sei insbesondere gestützt auf den RAD-Untersuchungsbericht
vom 4. Februar 2011 und den Austrittsbericht der Klinik B.________ vom 6. Juni
2011 zu Recht von einer seit März 2010 bestehenden Arbeitsfähigkeit von 100 %
in einer den körperlichen Leiden angemessen Rechnung tragenden Tätigkeit
ausgegangen. Auf die abweichende Einschätzung der Ärzte der Klinik F.________
(Bericht vom 28. Dezember 2010) und des Kreisarztes Dr. med. G.________
(Bericht vom 31. Januar 2011) könne nicht abgestellt werden, weil sie nicht mit
aus erhobenen Befunden resultierenden funktionellen Defiziten begründet würden,
sondern (zumindest implizit) mit Schmerzen und einer eingeschränkten
rechtsseitigen Schulterfunktion. Desgleichen stütze sich die Beurteilung des
Orthopäden der Abklärungsstelle D.________ (Privatgutachten vom 12. Mai 2013)
nicht auf organisch bedingte funktionelle Defizite. Vielmehr werde die
Einschätzung, wonach auch in einer leidensangepassten Tätigkeit eine 100%ige
Arbeitsunfähigkeit bestehe, damit begründet, auf dem ersten Arbeitsmarkt gebe
es keine optimal adaptierte Tätigkeit für den bis zum Unfall manuell tätig
gewesenen Versicherten. Gestützt auf das Ergebnis der Beweiswürdigung hat die
Vorinstanz durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG)
einen Invaliditätsgrad von 20 % ermittelt, was für den Anspruch auf eine
Invalidenrente nicht ausreicht.

4. 
Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die Begründung der Vorinstanz,
weshalb nicht auf die abweichende Einschätzung der Arbeitsfähigkeit der Ärzte
der Klinik F.________, von Kreisarzt Dr. med. G.________ sowie des
Privatgutachters der Abklärungsstelle D.________ abgestellt werden könne, sei
aktenwidrig und nicht nachvollziehbar. Deren Beurteilung stütze sich auf die
von ihnen erhobenen Befunde mit Einfluss auf die funktionellen Defizite (recte:
funktionelle Leistungsfähigkeit; vgl. Urteil 9C_624/2009 vom 7. Oktober 2009 E.
4.1.1).

4.1. Die gerügte Begründung ist dahingehend zu verstehen, dass die betreffenden
Fachärzte keine Befunde nennen, die über die objektivierbaren Einschränkungen
der Schulterbeweglichkeit rechts und hier bestehende Schmerzen hinaus die
Arbeitsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht einschränkten (so ausdrücklich E. 4.3.1
des Entscheids vom    29. Oktober 2015). Mit der blossen Wiedergabe der Befunde
und Diagnosen im Bericht des Kreisarztes Dr. med. G.________ vom 31. Januar
2011 und im Privatgutachten vom 12. Mai 2013 vermag der Beschwerdeführer nicht
aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz zu Unrecht nicht auf deren Beurteilung
abgestellt hat. Dasselbe gilt in Bezug auf die in diesem Zusammenhang ebenfalls
erwähnten Berichte der Klinik H.________ vom 6. und 25. September 2012. Damit
stellt er lediglich seine eigene Sichtweise derjenigen des kantonalen
Sozialversicherungsgerichts gegenüber, was für den Vorwurf der willkürlichen
Beweiswürdigung und daraus gezogener bundesrechtswidriger Schlüsse nicht genügt
(Urteil 9C_842/2014 vom 9. März 2015 E. 3.1). Offenbleiben kann, ob die
Schulteroperation vom 23. Oktober 2009 eine Fehlbehandlung war, in welchem
Sinne sich der Orthopäde der Abklärungsstelle D.________ äusserte. Nicht nur
Kreisarzt Dr. med. I.________ in seinem Bericht vom 7. November 2011, sondern
auch der behandelnde Arzt der Klinik H.________ im Bericht vom 19. September
2011, auf dessen Beurteilung sich der Beschwerdeführer zur Stützung seines
Standpunktes beruft, bezeichneten die Rotatorenmanschette wieder als intakt. Im
Übrigen wird auch in dem im Rahmen des Einspracheverfahrens der UV eingeholten
orthopädischen Gutachten vom 14. Januar 2015 festgehalten, dass eine relevante
Rotatorenmanschetten-Läsion der Symptomatik mit Sicherheit nicht zugrunde
liege, worauf im Entscheid vom 29. Oktober 2015 E. 4.2.2 hingewiesen wird.

4.2. Weiter bringt der Beschwerdeführer nichts vor, was gegen den Beweiswert
weder des RAD-Untersuchungsberichts vom 4. Februar 2011 noch des
Austrittsberichts der Klinik B.________ vom 6. Juni 2011 sprechen könnte.
Daraus ergibt sich insbesondere eine gut erhaltene Muskulatur der rechten
oberen Extremität, was gemäss RAD-Facharzt darauf schliessen lasse, dass diese
erheblich stärker eingesetzt werde als vom Versicherten angegeben und die bei
der Prüfung des Bewegungsausmasses der Schulter geklagten Schmerzen hätten
erwarten lassen. Ebenfalls zeigte das Arthro-MRI vom 18. September 2012 eine
absolut unauffällige Muskeltrophik mit intakter Muskulatur (Bericht Klinik
H.________ vom 19. September 2012). Entgegen den Vorbringen in der Beschwerde
machte der RAD-Arzt die von ihm postulierte Arbeitsfähigkeit nicht von einer
intensiven stationären Rehabilitationsbehandlung abhängig.
Die Vorbringen gegen das Tatsachenfundament des angefochtenen Entscheids sind
somit unbegründet.

5. 
Die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung ist im Übrigen nicht bestritten. Es
besteht kein Anlass zu Weiterungen. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde
auch soweit die Rückerstattung der Kosten des Privatgutachtens vom 22. Mai 2013
beantragt worden ist.

6. 
Ausgangsgemäss hat grundsätzlich der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann
jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach er der
Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
wird gutgeheissen und es wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwältin Christina
Ammann als Rechtsbeistand beigegeben.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
einstweilen auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wird für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.-
ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Dezember 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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