Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 876/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_876/2014

Urteil vom 5. März 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
Vorsorgestiftung A.________,
vertreten durch Fürsprecher Matthias Frey,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt René Schuhmacher,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 29. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
B.________, geboren 1956, war vom 1. März 2007 bis 31. Dezember 2013 bei der
Vorsorgestiftung A.________ berufsvorsorgeversichert. Diese wies per Ende 2011
einen Deckungsgrad von 86,76 % und per Ende 2012 einen solchen von 90,48 % auf.
Am 18. November 2011 beschloss der Stiftungsrat, die Altersguthaben sämtlicher
Versicherten im Jahr 2012 mit 0 % zu verzinsen. Am 22. November 2012 beschloss
er, die Altersguthaben bei unterjährigen Ereignissen im Jahr 2013 nicht zu
verzinsen; über die Verzinsung der (übrigen) Altersguthaben per Ende 2013
wollte er in Änderung seiner Praxis erst im November 2013 entscheiden. Am 21.
November 2013 bestimmte der Stiftungsrat u.a., dass für Austritte per 31.
Dezember 2013 die am 22. November 2012 beschlossene unterjährige Nullverzinsung
angewendet wird und die Altersguthaben der aktiv Versicherten per 31. Dezember
2013 (inkl. Pensionierungen per Ende Jahr) mit 1 % verzinst werden.

B. 
Am 17. März 2014 reichte B.________ Klage beim Verwaltungsgericht des Kantons
Bern ein und beantragte, die Vorsorgestiftung A.________ sei zu verpflichten,
ihr Altersguthaben für das Jahr 2013 mit 1 % zu verzinsen. Entsprechend sei die
Vorsorgestiftung A.________ zu verpflichten, ihr für das Jahr 2013 eine
Zinsgutschrift in der Höhe von Fr. 3'083.65 gutzuschreiben, zuzüglich 2,5 %
Zins seit 1. Januar 2014. Die Vorsorgestiftung A.________ sei anzuweisen,
diesen Betrag auf ihr Konto bei der Freizügigkeitsstiftung der Bank C.________
zu überweisen.

 Mit Urteil vom 29. Oktober 2014 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
die Klage teilweise gut und verpflichtete die Vorsorgestiftung A.________,
B.________ Fr. 3'022.- nebst 2,75 % Zins seit 18. März 2014 auf ihr
Freizügigkeitskonto Nr. ... bei der Freizügigkeitsstiftung der Bank C.________
zu überweisen. Im Übrigen wies es die Klage ab.

C. 
Dagegen erhebt die Vorsorgestiftung A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, das Urteil vom 29.
Oktober 2014 sei aufzuheben und die Klage vom 17. März 2014 abzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an
die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Mit Blick
auf die Begründungspflicht der Beschwerdeführerin (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG)
behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls nicht
gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen
Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen
werden (BGE 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.; 135 III 397 E. 1.4 S. 400; je mit
Hinweisen).

2. 
Im Streit liegt weder die Zulässigkeit der im Jahr 2013 angewendeten
Nullverzinsung bei unterjährigen Ereignissen noch die Vereinbarkeit der
divergierenden Zinssätze für austretende und verbleibende Versicherte mit dem
Reglement. Zu prüfen ist vielmehr, ob die unterschiedliche Verzinsung des
Altersguthabens der Beschwerdegegnerin, die am 31. Dezember 2013 aus der
Vorsorgeeinrichtung ausgetreten ist, und desjenigen der Versicherten, die über
den 31. Dezember 2013 hinaus weiterhin in der Vorsorgestiftung A.________
verblieben sind (aktive und per Ende Jahr pensionierte Versicherte), dem
Rechtsgleichheitsgebot standhält.

3. 
Nach Auffassung der Vorinstanz ist die fragliche Verzinsung rechtsungleich. Als
entscheidend erachtete sie den Umstand, dass die Festsetzung der Verzinsung
retrospektiv und nicht prospektiv erfolgte. Ende November 2013 sei klar
gewesen, dass für das laufende Jahr keine weiteren Sanierungsmassnahmen
ergriffen würden resp. ergriffen werden könnten. Es sei nicht einzusehen,
weshalb Versicherte, die am 31. Dezember austreten würden, anders behandelt
werden sollten als Personen, die am 1. Januar weiterhin versichert seien; das
Altersguthaben der austretenden Versicherten würde gar nicht verzinst, während
sich die in der Vorsorgeeinrichtung verbleibenden Versicherten bloss eine
Minderverzinsung gefallen lassen müssten.

 Die Beschwerdeführerin widerspricht der vorinstanzlichen Auffassung und meint
im Wesentlichen, dass die Unterscheidung zwischen prospektiver und
retrospektiver Festsetzung der Verzinsung kein sachliches Kriterium darstelle.
Die Sitzung des Stiftungsrats hänge weitgehend vom Zufall bzw. dessen Willkür
ab. Ausserdem ergebe sich der Zinsanspruch nicht eo ipso aus einer Beteiligung
am Vorsorgevermögen oder an der Performance, sondern auf Grund des Beschlusses,
der im Bereich des Überobligatoriums durch den Stiftungsrat vorzunehmen sei.
Dieser Beschluss dürfe und müsse gewissen Besonderheiten Rechnung tragen. Im
vorliegenden Fall seien dies die Unterdeckung und das daraus erwachsende Gebot,
die verbleibenden Versicherten für ihre Treue zu belohnen, da sie im
Unterschied zu den austretenden künftige Sanierungsmassnahmen mitzutragen
hätten.

4. 
Das Bundesgericht hat in BGE 140 V 169 E. 5.2 S. 172 f. grundsätzlich erwogen,
dass divergierende Zinssätze für unterjährig austretende und ganzjährig
verbleibende Versicherte dem Rechtsgleichheitsgebot standhalten. Entscheidend
ist, dass innerhalb der beiden Gruppen keine Ungleichbehandlung stattfindet
(a.a.O., E. 5.1 S. 172). Eine andere Frage ist, welcher Gruppe eine versicherte
Person zuzuordnen ist, die bis und mit 31. Dezember - also bis Mitternacht des
letzten Tages im Jahr - als Aktivversicherte der Vorsorgeeinrichtung angehört.
Anders als bei einem unterjährigen Austritt, worunter nach allgemeinem
Sprachgebrauch ein solcher  unter dem Jahr resp.  vor Ende Jahr zu verstehen
ist, erfolgt diesfalls der Austritt exakt mit dem Jahres ende.

5.

5.1. Der Stiftungsrat hat anlässlich seiner Sitzung vom 22. November 2012 einen
definitiven Beschluss über die Nullverzinsung bei unterjährigen Ereignissen im
Folgejahr 2013 gefasst. Ziff. 1 und 2 der damals getroffenen Beschlüsse sind
unmissverständlich und werden auch von der Beschwerdeführerin nicht anders
interpretiert: "1. Die Altersguthaben werden bei unterjährigen Ereignissen im
2013 zu 0 % zu verzinst. 2. Über die Verzinsung der Altersguthaben, der
Arbeitgeberbeitragsreserven und der Konti freie Mittel per Ende 2013 wird erst
im November 2013 entschieden."

5.2. Die Versicherten wurden im Dezember 2012 über die mit Ziff. 2 beschlossene
Praxisänderung im Informationsblatt Dezember 2012/ Nr. 3 schriftlich
informiert. Gleichzeitig hielt die Beschwerdeführerin darin fest, dass für
unterjährige Austritte aber dennoch ein Zins festzusetzen ist, den der
Stiftungsrat (für das Jahr 2013) bei 0 % belassen habe. Eine Umschreibung der
"unterjährigen Austritte" erfolgte lediglich in Bezug auf den Begriff
"Austritte". Die Beschwerdeführerin definierte diesen als "effektive Austritte,
Pensionierungen, Vorbezüge". Hinsichtlich des Begriffs "unterjährig" (vgl. E.
4) findet sich keine weitere inhaltliche Bestimmung.

5.3. Es ist weder ersichtlich noch macht die Beschwerdeführerin geltend, dass
das Reglement (gültig ab 1. Januar 2010) einen Austritt per 31. Dezember als
unterjährig definiert. Eine solche Zuordnung erfolgte erst (mals) anlässlich
der Stiftungsratssitzung vom 21. November 2013. Dabei wurde u.a. Folgendes
beschlossen: "1. Für Austritte per 31.12.2013 (kollektiv oder einzeln) wird die
am 22. November 2012 beschlossene unterjährige Nullverzinsung angewendet. 2.
Die Altersguthaben der aktiv Versicherten per 31.12.2013 (inkl. Pensionierungen
per Ende Jahr) werden mit 1 % verzinst." Im Informationsblatt Dezember 2013/Nr.
3 findet sich jedoch lediglich die Orientierung darüber, dass der Stiftungsrat
die Verzinsung der Altersguthaben für das Jahr 2013 auf 1 % festgesetzt hat.

5.4. Ob und inwieweit Versicherte, die per Jahresende aus der
Vorsorgeeinrichtung austreten, zwingend mit solchen gleichzustellen sind, die
per Jahresende pensioniert werden, insbesondere ob und inwieweit dies von der
Verzinsungsmethode (prospektiv oder retrospektiv) abhängt, braucht an dieser
Stelle nicht weiter vertieft zu werden. In Anbetracht der sowohl im Dezember
2012 als auch im Dezember 2013 kundgetanen Informationen (vgl. E. 5.2 und 5.3;
vgl. auch Art. 86b in Verbindung mit Art. 49 Abs. 2 Ziff. 26 BVG) sowie des
landläufigen Begriffsverständnisses (vgl. E. 4) durfte die Beschwerdegegnerin
so oder anders davon ausgehen und darauf vertrauen, dass ein Austritt per 31.
Dezember 2013 nicht einem unterjährigen Austritt gleichkommt. Indem die
Beschwerdeführerin von ihrem im Informationsblatt Dezember 2013/Nr. 3 nach
aussen eingenommenen Standpunkt, der sprachlich keinen Raum für eine
Missdeutung beliess, abwich, ohne dass dafür ein sachlicher Grund erkennbar
oder dargelegt worden ist, verhielt sie sich widersprüchlich. Daher lässt sich
die Ungleichbehandlung der Beschwerdegegnerin gegenüber anderen Personen, die
am 31. Dezember 2013 ebenfalls noch bei der Beschwerdeführerin aktiv versichert
waren (weiterhin Aktivversicherte und auf Ende 2013 Pensionierte), nicht
rechtfertigen.

6. 
Die von der Vorinstanz der Beschwerdegegnerin zugesprochene Zinsgutschrift
nebst Verzugszins bleibt in masslicher Hinsicht unangefochten. Nachdem es dabei
sein Bewenden hat (vgl. E. 1), ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen.

7. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend gehen die Gerichtskosten zu Lasten der
Beschwerdeführerin (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Ausnahmeregelung von Art. 66 Abs.
4 BGG ist nicht anwendbar, da die Vorsorgeeinrichtung in ihrem
Vermögensinteresse handelt.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. März 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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