Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 870/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_870/2014

Urteil vom 21. April 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte
Assura-Basis SA, Avenue Charles-Ferdinand-Ramuz 70, 1009 Pully,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 3. November 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die 1981 geborene A.________ war bei der Assura-Basis SA (nachfolgend: Assura)
krankenversichert. Am 24. November 2013 kündigte sie die obligatorische
Krankenversicherung (Franchise: Fr. 2'500.-) auf Ende des Kalenderjahres. Kurz
vor Jahresende beantragte sie die Wiederaufnahme ab 1. Januar 2014 mit einer
jährlichen Franchise von Fr. 300.-. Mit Verfügung vom 12. Mai 2012 hielt die
Assura fest, die Kündigung sei nicht verbindlich, weil keine
Nachversicherungsbestätigung eines neuen Versicherers vorliege. Das Schreiben
vom 27. Dezember 2013 gelte nicht als Anmeldung, sondern als Gesuch um
Herabsetzung der Franchise; als solches sei es verspätet. Da es an einem neuen
Vertragsverhältnis fehle, betrage die Franchise weiterhin Fr. 2'500.-. Daran
hielt sie mit Einspracheentscheid vom 7. Juli 2014 fest.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ hiess das Kantonsgericht Luzern
mit Entscheid vom 3. November 2014 gut, hob den angefochtenen
Einspracheentscheid auf und stellte fest, dass zwischen den Parteien ab 1.
Januar 2014 ein neues Versicherungsverhältnis mit einer Franchise von Fr. 300.-
zustande gekommen sei.

C. 
Die Assura führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern sei aufzuheben; es sei
festzustellen, dass zwischen den Parteien kein neuer Vertrag über die
obligatorische Krankenversicherung mit einer Franchise von Fr. 300.- bestehe.
A.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Vorinstanz ist der Auffassung, die Versicherte habe die obligatorische
Krankenversicherung bei der Assura am 24. November 2013 gültig gekündigt.
Zwischen den gleichen Parteien sei aufgrund des Antrags vom 27. Dezember 2013
ein neues Versicherungsverhältnis geschlossen worden. Die Beschwerdeführerin
bestreitet die Wirksamkeit der Kündigung, weil es an einer Mitteilung gemäss
Art. 7 Abs. 5 Satz 1 KVG fehle; die Eingabe der Versicherten vom 27. Dezember
2013 sei als (verspätetes) Gesuch um Herabsetzung der Franchise anzusehen.

2. 

2.1. Bei der Mitteilung einer neuen Prämie kann die versicherte Person den
Versicherer unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist auf das Ende
des Monats wechseln, welcher der Gültigkeit der neuen Prämie vorangeht (Art. 7
Abs. 2 Satz 1 KVG). Im Falle eines Wechsels des Versicherers nach Art. 7 Abs. 1
oder Abs. 2 KVG endet das Versicherungsverhältnis beim bisherigen Versicherer
erst, wenn ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass die betreffende Person
bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist (Art. 7
Abs. 5 Satz 1 KVG).
Der Sinn der Mitteilung gemäss Art. 7 Abs. 5 Satz 1 KVG besteht in erster Linie
darin, das Entstehen einer Versicherungslücke zu vermeiden (vgl. BGE 130 V 448
E. 5.3.3 S. 456).

2.2. Gemäss Art. 94 Abs. 2 KVV (SR 832.102) ist der Wechsel zu einer tieferen
Franchise, in eine andere Versicherungsform oder zu einem anderen Versicherer
unter Einhaltung der in Artikel 7 Absätze 1 und 2 des Gesetzes festgesetzten
Kündigungsfristen auf das Ende eines Kalenderjahres möglich.

3.

3.1. Es steht fest, dass die Kündigung vom 24. November 2013 rechtzeitig
erfolgte (E. 2.1). Ebenso ergibt sich aus den Akten und ist unbestritten, dass
die Versicherte am 27. Dezember 2013 bei der Assura ein Gesuch um
Wiederaufnahme in die obligatorische Krankenversicherung mit einer tieferen
Franchise von Fr. 300.- stellte.

3.2. Aus Art. 7 Abs. 5 Satz 1 KVG lässt sich nicht schliessen, dass der neue
Versicherer zwingend ein anderer sein muss als der bisherige. Als neuer
Versicherer gilt derjenige, bei dem die Aufnahme anbegehrt wurde (vgl. BGE 129
V 394 E. 5.1 S. 395). Mit dem Antrag der Versicherten vom 27. Dezember 2013 und
dessen Kenntnisnahme durch die Beschwerdeführerin (vgl. Schreiben vom 13.
Dezember 2013) war eine lückenlose obligatorische Versicherungsdeckung über das
Ende des Kalenderjahres hinaus gewährleistet. Die Vorinstanz hat in diesem
Zusammenhang zutreffend auf die (Wieder-) Aufnahmepflicht (Art. 4 Abs. 2 KVG)
der Assura verwiesen. Die Versicherte meldete sich bei der gleichen
Krankenkasse für die obligatorische Krankenversicherung an, bei der sie zuletzt
versichert gewesen war. Damit bestand weder die Gefahr einer Versicherungslücke
noch diejenige einer unzulässigen Doppelversicherung (vgl. BGE 130 V 448 E. 4
S. 451 ff. und E. 5.3.3. S. 456), zumal das Wiederaufnahmegesuch vom 27.
Dezember 2013 noch vor Ablauf der alten Versicherungsperiode gestellt wurde. Es
ist nicht ersichtlich, welchen Sinn die von der Assura geforderte Mitteilung
(Art. 7 Abs. 5 Satz 1 KVG) macht, wenn kein Versichererwechsel stattfindet.
Zudem wäre es ihr möglich gewesen, sich in der Rolle des neuen Versicherers das
Versicherungsverhältnis zu bestätigen. Die Beschwerdeführerin ist für ihre
interne Organisation selber verantwortlich und kann die Gültigkeit einer
fristgerechten Kündigung nicht vom Funktionieren dieser Abläufe abhängig
machen. In einem System des Versicherungsobligatoriums mit freier Wahl der
Kasse (Art. 3 und 4 KVG; BGE 128 V 263 E. 3b S. 269) muss der bisherige
Versicherer die Weiterführung des Versicherungsverhältnisses infolge
Wiederaufnahmegesuchs - gleichermassen wie bei Rücknahme einer Kündigung
(Urteil 9C_930/2010 vom 22. Dezember 2010 E. 2.3) - grundsätzlich akzeptieren,
solange nicht feststeht, dass die Krankenpflegeversicherung durch eine andere
Kasse gewährleistet ist.

3.3. Soweit die Assura geltend macht, Art. 94 Abs. 2 KVV würde bei der
Argumentation der Vorinstanz bedeutungslos, meint sie die Gefahr einer Umgehung
der Kündigungsfristen (E. 2) für den Wechsel zu einer tieferen Franchise. Auch
diesbezüglich kann ihr nicht gefolgt werden, setzt doch ein Umgehungstatbestand
ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Versicherten voraus. Die
Beschwerdeführerin vermag ein solches aber weder substantiiert zu begründen
noch bestehen aufgrund der Akten entsprechende Anhaltspunkte. Ein
Rechtsmissbrauch liegt insbesondere nicht schon darin, dass die Versicherte bei
der Assura kündigte und wenig später ein Wiederaufnahmegesuch stellte (E. 3.2
in fine).

3.4. Insgesamt ergibt sich, dass die Versicherte die obligatorische
Krankenversicherung mit Eingabe vom 24. November 2013 gültig kündigte. Die
Assura ist verpflichtet, sie mit der beantragten tieferen Franchise von Fr.
300.- zu versichern. Die Beschwerde ist unbegründet.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend trägt die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. April 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder

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