Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 869/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_869/2014 {T 0/2}     

Urteil vom 15. Juni 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
AXA Stiftung Berufliche Vorsorge, Winterthur,
c/o AXA Leben AG, Paulstrasse 9, 8400 Winterthur,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Fürsprecher Gerhard Lanz,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Invalidenleistungen; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 5. November 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ bezog ab 1. Mai 1999 eine halbe, ab 1. September 2006 eine
Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung (samt einer Zusatzrente für den
Ehegatten bis Ende 2007) aufgrund eines Invaliditätsgrades von 50 % bzw. 60 %
(Verfügungen der IV-Stelle Bern vom 10. Juli 2000 und 7. Mai 2007). Die
Winterthur-Columna Stiftung für die berufliche Vorsorge, Winterthur (heute: AXA
Stiftung Berufliche Vorsorge, Winterthur) richtete gestützt auf das ab 1.
Januar 1997 gültige Reglement zum Anschlussvertrag mit dem Arbeitgeber ab 20.
April 2000 eine Invalidenrente von 50 % aus, welche sie ab 11. Juli 2006 auf 60
% erhöhte.

A.b. Am ........ gebar A.________ einen Sohn. Nach dem Mutterschaftsurlaub nahm
sie ihre erwerbliche Tätigkeit nicht mehr auf. Am 28. August 2008 löste der
Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auf Ende November 2008 auf. Mit Verfügung vom
1. April 2009 hob die IV-Stelle die Dreiviertelsrente auf Ende des folgenden
Monats auf, was die Versicherte erfolgreich anfocht (Rückweisungsentscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung,
vom 23. September 2010). Nach ergänzenden Abklärungen setzte die IV-Stelle mit
Verfügung vom 6. Februar 2013 die Dreiviertelsrente mit Wirkung ab 1. Juni 2009
auf eine Viertelsrente herab. Die Invaliditätsbemessung neu nach der gemischten
Methode hatte einen Invaliditätsgrad von 40 % (0,6 x 44,66 % + 0,4 x 32 %)
ergeben. A.________ focht die Rentenherabsetzung erfolglos an. Den abweisenden
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 5. November 2014 zog sie mit
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht weiter
(Verfahren 9C_886/2014). Mit Schreiben vom 14. März 2013 teilte die AXA
Stiftung Berufliche Vorsorge, Winterthur, die auch nach der Verfügung vom 1.
April 2009 weiterhin eine Invalidenrente (samt einer Invaliden-Kinderrente)
aufgrund eines Invaliditätsgrades von 60 % ausgerichtet hatte, A.________ mit,
sie senke die Rente ab 1. Juni 2009 auf 45 %, unter Verrechnung der künftigen
Rentenzahlungen mit dem Ausstand. Daran hielt sie in der Folge fest.

B. 
Am 1. Mai 2013 erhob A.________ Klage gegen die AXA Stiftung Berufliche
Vorsorge, Winterthur mit folgenden Rechtsbegehren:

1. Es sei festzustellen, dass der Invaliditätsgrad (...) seit 01.06.2009 und
bis auf weiteres 60 % beträgt.
2. Die Beklagte sei zu verurteilen, (...) gestützt auf einen Invaliditätsgrad
von 60 % die reglementarischen Leistungen zu erbringen und folgende
Invalidenrenten zu bezahlen:
(...)
3. (...).
Mit Entscheid vom 5. November 2014 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, die Klage, soweit es darauf
eintrat, insoweit gut, als die Klägerin gestützt auf einen Invaliditätsgrad von
60 % ab 1. Juni 2009 Anspruch auf eine Invalidenrente von Fr. 10'386.- und eine
Invaliden-Kinderrente von      Fr. 870.- pro Jahr habe, je zuzüglich
Teuerungszulagen gemäss       Ziff. 4.1.3 bzw. 4.1.4 des Vorsorgereglements;
die fälligen Rentenbetreffnisse seien ab 1. Mai 2013 zu 5 % zu verzinsen
(Dispositiv-Ziffer 1). Weiter verpflichtete es die Beklagte, der Klägerin die
Parteikosten von Fr. 8'017.90 zu ersetzen (Dispositiv-Ziffer 3).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die AXA
Stiftung Berufliche Vorsorge, Winterthur, der Entscheid vom 5. November 2014
sei aufzuheben und die Klage abzuweisen.
A.________ ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Vorinstanz hat als Streitgegenstand die Höhe der Invalidenleistungen
(Invalidenrente der Klägerin, Invaliden-Kinderrente für deren Sohn) ab 1. Juni
2009 bezeichnet. Die Beschwerdeführerin rügt, damit habe das kantonale
Berufsvorsorgegericht das Feststellungsbegehren in Ziffer 1 der Klage in
Verletzung der Dispositionsmaxime in ein Leistungsbegehren abgeändert. Auf ihre
Vorbringen ist indessen nicht einzugehen, da sie sich auch nicht ansatzweise
mit den diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinandersetzt
(Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; Urteil 2C_413/2014 vom 11.
Mai 2014 E. 2.1). Insbesondere macht sie nicht geltend noch legt sie dar,
inwiefern die Regel verletzt ist, dass Rechtsbegehren nach Treu und Glauben im
Lichte der dazu gegebenen Begründung auszulegen sind (Urteile 9C_671/2014 vom
30. Januar 2015 E. 2.1, 5A_621/2012 vom 20. März 2013 E. 4.1 und 4A_551/2008
vom       12. Mai 2009 E. 2.2).

2.

2.1. Die Vorinstanz ist in einem ersten Schritt zum Ergebnis gelangt, die
beklagte Vorsorgeeinrichtung habe die gestützt auf den
invalidenversicherungsrechtlichen Invaliditätsgrad von 50 % bzw. 60 %
ausgerichteten Invalidenleistungen in Analogie zu Art. 17 Abs. 1 ATSG lediglich
nach einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen anpassen
oder einstellen dürfen. Diese Rechtsauffassung verletzt Bundesrecht, wie die
Beschwerdeführerin rügt.
Selbst dort, wo das Vorsorgereglement die Invaliditätsschätzung der
Invalidenversicherung grundsätzlich für verbindlich und Art. 17 Abs. 1 ATSG für
sinngemäss anwendbar erklärt, kann es einer Vorsorgeeinrichtung nicht verwehrt
werden, auch während eines laufenden noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen
invalidenversicherungsrechtlichen Revisionsverfahrens ihre Invalidenleistungen
autonom anzupassen oder einzustellen, wenn sie den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen objektiv nicht oder nicht mehr entsprechen (BGE 138 V
409    E. 3.2 S. 415). Ebenfalls müssen Leistungen eingestellt werden können,
wenn aus spezifisch berufsvorsorgerechtlichen, nicht not-wendigerweise auch für
den IV-Rentenanspruch relevanten Gründen grundsätzlich kein Anspruch mehr
besteht (Urteil 9C_604/2014 vom 31. März 2015 E. 3.2 und 3.3). Entgegen der
offenbaren Auffassung der Beschwerdeführerin ist indessen eine Verfügung, die
eine Invalidenrente herabsetzt oder aufhebt, wenn sie angefochten wird, für
sich allein genommen kein Grund für eine solche autonome Anpassung oder
Einstellung der Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge.

2.2. Wie die Vorinstanz sodann richtig erkannt hat, ist eine im Sinne von Art.
17 Abs. 1 ATSG relevante Änderung des invalidenversiche-rungsrechtlichen Status
bzw. der Invaliditätsbemessungsmethode für die laufende Invalidenrente der
beruflichen Vorsorge nicht von Bedeutung, d.h. stellt keinen
berufsvorsorgerechtlichen Anpassungsgrund dar (BGE 141 V 127 E. 5.3.1 S. 134).
Insoweit ist der neu nach der ge-mischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 137
V 334 E. 3.1.3 und 3.2 S. 338) ermittelte Invaliditätsgrad von 40 % (0,6 x
44,66 % + 0,4 x 32 %), welcher der (angefochtenen) Herabsetzung der
Dreiviertels-rente auf eine Viertelsrente ab 1. Juni 2009 zugrunde lag
(Sachverhalt A.b), unbeachtlich, ebenso der erwerbsbezogene (44,66 %).

2.3. Weiter hat das kantonale Berufsvorsorgegericht erwogen, (auch) der
Umstand, dass das Valideneinkommen neu auf tabellarischer Grundlage (vgl. BGE
124 V 321) ermittelt worden sei, stelle keinen Grund für eine Anpassung der
Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge dar, da die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber auf Ende Februar bzw. Ende November
2008 aus gesundheitlichen Gründen erfolgt sei.
Die Beschwerdeführerin weist richtig darauf hin, dass die Vorinstanz als
kantonales Versicherungsgericht nach Art. 57 ATSG in E. 4.3 ihres
Rückweisungsentscheides vom 23. September 2010 im IV-Revisionsverfahren
festhielt, die Kündigung bei der bisherigen Arbeitgeberin sei aus
invaliditätsfremden (organisatorischen) Gründen erfolgt. Daran bzw. an die
daraus gezogenen rechtlichen Folgerungen war sie bei erneuter Befassung mit der
Sache (im IV-Revisionsverfahren) grundsätzlich gebunden, nicht jedoch das
Bundesgericht (Urteil 9C_58/2012 vom 8. Juni 2012 E. 4.2 mit Hinweis, in: SVR
2012 EL Nr. 17 S. 55, nicht publ. in: BGE 138 V 298). Keine Bindung - an das im
IV-Revisionsverfahren hinsichtlich des Kündigungsgrundes Gesagte - besteht
dagegen im berufsvorsorgerechtlichen Leistungsstreit. Von einer unzulässigen
Neubeurteilung der Umstände der Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann nicht
gesprochen werden. Die diesbezüglichen Feststellungen der Vorinstanz werden
nicht substanziiert bestritten, womit es sein Bewenden hat (Art. 42 Abs. 2,
Art. 97 Abs. 1 und       Art. 106 Abs. 2 BGG). Weiterungen erübrigen sich.

2.4. Nach dem Gesagten verletzt es kein Bundesrecht, dass die Vorinstanz die
von der Beschwerdeführerin zu erbringenden Invalidenleistungen der beruflichen
Versorge ab 1. Juni 2009 auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 60 %
ermittelt hat. Die Festsetzung der Höhe der Leistungen ist nicht angefochten.
Es besteht kein Anlass für eine nähere Prüfung.

3. 
Schliesslich bestreitet die Beschwerdeführerin die Höhe der Parteientschädigung
für das kantonale Verfahren. Ihre Vorbringen genügen indessen den insoweit
geltenden qualifizierten Anforderungen an die Rüge- und Begründungspflicht
nicht (Art. 73 Abs. 2 BVG; Art. 106   Abs. 2 BGG; Urteil 9C_346/2012 vom 31.
Mai 2012 E. 1 mit Hinweisen).

4. 
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG) und der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Bernischen BVG- und
Stiftungsaufsicht (BBSA) und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 15. Juni 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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