Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 857/2014
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_857/2014        
{T 0/2}

Urteil vom 21. Mai 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kreso Glavas,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 15. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
Mit Einspracheentscheid vom 8. März 2006 verneinte die IV-Stelle des Kantons
Aargau u.a. einen Anspruch der A.________ auf eine Rente der
Invalidenversicherung. Mit Entscheid vom 8. Mai 2007 hob das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau diesen Verwaltungsakt auf und wies die
IV-Stelle an, im Sinne der Erwägungen neu zu verfügen. Nach Abklärungen (u.a.
Gutachten Universitätsspital B.________, Dermatologische Klinik, vom 20.
September 2011 und Institut C.________ vom 13. August 2012) und nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach die IV-Stelle mit Verfügung vom 13.
Dezember 2013 A.________ ab 1. Januar 2005 eine bis 31. Januar 2007 befristete
ganze Rente zu.

B. 
A.________ reichte beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein
mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, es sei ihr ab 1. Februar 2007 weiterhin
eine ganze Rente auszurichten. Mit Beschluss vom 10. September 2014 stellte das
Gericht die Abänderung der angefochtenen Verfügung zu ihren Ungunsten in
Aussicht und gab ihr Gelegenheit zum Rückzug der Beschwerde, wovon sie jedoch
keinen Gebrauch machte. Mit Entscheid vom 15. Oktober 2014 änderte das
kantonale Versicherungsgericht die Verfügung vom 13. Dezember 2013 dahingehend
ab, dass der Beschwerdeführerin keine Rente zugesprochen werde. Im Übrigen wies
es das Rechtsmittel ab, soweit darauf eingetreten wurde.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
der Entscheid vom 15. Oktober 2014 sei aufzuheben und die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie nach "Durchführung der umfassenden
Fallabklärung" neu entscheide; eventualiter sei ihr mindestens ab
Rentenanmeldung bis zur angefochtenen Verfügung eine ganze Invalidenrente zu
gewähren.

Die IV-Stelle ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerdeführerin hat die Verfügung der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des
Kantons Aargau vom ........ betreffend die wiedererwägungsweise Aufhebung der
Taggeldabrechnungen für die Monate ........ 2006 bis ........ 2007 eingereicht.
Dabei handelt es sich um unzulässige Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG), da diese
Dokumente ohne weiteres bereits im vorinstanzlichen Verfahren hätten vorgelegt
werden können (BGE 133 III 625 E. 2.2 S. 629).

2. 
Die Beschwerdeführerin rügt in erster Linie eine Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG).
Beschwerdegegnerin und Vorinstanz seien dem "wahren" Krankheitsverlauf während
der letzten zehn Jahre nicht genügend und umfassend nachgegangen. Es sei
unklar, wann die Extremschübe bezüglich der Ekzeme an den Händen gewesen und
wann sie jeweils abgeklungen seien und (wieder) volle Arbeitsfähigkeit
bestanden habe. Diese Unsicherheit und Unklarheit könne nicht zu ihren Lasten
gehen, weil über ihre Erkrankung umfangreiche medizinische Akten bei der SUVA,
beim obligatorischen Unfallversicherer nach UVG und beim behandelnden
Dermatologen existierten, welche "sauber und korrekt" hätten beigezogen werden
müssen. Auf die beiden Administrativgutachten vom 20. September 2011 und 13.
August 2012 allein könne nicht abgestellt werden. Diese Vorbringen sind nicht
stichhaltig (vgl. aber nachstehende E. 3). Die wesentlichen UV-Akten,
insbesondere der SUVA-Bericht über die fachärztliche Untersuchung vom 22. Juni
2006, welcher auf einer umfassenden, auszugsweise wiedergegebenen Dokumentation
über die medizinische Vorgeschichte beruhte, befinden sich in den IV-Akten.
Diese Unterlagen standen auch den Gutachtern zur Verfügung, wurden von diesen
somit berücksichtigt. Im Übrigen sind von weiteren Abklärungen keine neuen
verwertbaren Erkenntnisse zu erwarten, zumal die Beschwerdeführerin nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Alters- und Pflegeheim D.________ Ende
........ 2004 nicht mehr erwerbstätig gewesen war.

Weiter stellt der angefochtene Entscheid nicht auf die Bemerkung im
dermatologischen Gutachten des Universitätsspitals B.________ vom 20. September
2011 ab, die Beschwerdeführerin könnte mit Handschuhen arbeiten. Eine in diesem
Sinne lautende Feststellung hat die Vorinstanz nicht getroffen. Sodann sind die
Vorbringen betreffend das Valideneinkommen rein appellatorischer Natur.
Schliesslich wird bezüglich des Invalideneinkommens übersehen, dass die
Vorinstanz im Rahmen einer Eventualbegründung dargelegt hat, dass auch der
maximale Abzug vom Tabellenlohn von 25 % gemäss BGE 126 V 75 am Ergebnis eines
nicht anspruchsbegründenden Invaliditätsgrades nichts ändert.

3. 

3.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG); es ist folglich weder an die in der Beschwerde vorgetragenen Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.;
134 V 250 E. 1.2 S. 252). Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG sowie Art. 106 Abs. 2 BGG)
indessen nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315; 133 II 249 E. 1.4.1 S.
254).

3.2. Die Vorinstanz hatte im Rückweisungsentscheid vom 8. Mai 2007
festgestellt, gemäss den übereinstimmenden ärztlichen Berichten habe die
Beschwerdeführerin auch noch bei Erlass des Einspracheentscheides vom 8. März
2006 an einem chronifizierten kumulativ toxischen Handekzem gelitten (E.
4.4.1). Bis zu diesem Zeitpunkt bzw. bis zur vollständigen Regeneration der
Haut am 9. Oktober 2006 habe seit dem 8. Januar 2004 auch in einer
leidensangepassten Tätigkeit eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit bestanden, weshalb
der Einspracheentscheid unrichtig und aufzuheben sei (E. 5). Auf diese
Erwägungen wurde im Dispositiv verwiesen; sie waren somit für die IV-Stelle und
auch für das kantonale Versicherungsgericht bei erneuter Befassung mit der
Sache verbindlich (Urteil 9C_941/2012 vom 20. März 2013 E. 4.3.2 mit Hinweisen;
8C_272/2011 vom 11. November 2011 E. 1.3 [nicht publ. in: BGE 137 I 327]).

Die Beschwerdegegnerin ging in der (zweiten) Verfügung vom 13. Dezember 2013
von einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % bis 9. Oktober 2006 und für die Zeit
danach von einer solchen von 0 % in einer angepassten Tätigkeit bei optimaler
Hautpflege und Therapie sowie gutem Hautschutz aus und sprach der Versicherten
eine von 1. Januar 2005 bis 31. Januar 2007 befristete ganze Rente zu (Art. 88a
Abs. 1 IVV). Die Vorinstanz hob diese Rentenzusprechung auf ohne darzulegen,
inwiefern ihre rechtliche Folge gemäss E. 5 des Rückweisungsentscheids vom 8.
Mai 2007 keine Gültigkeit mehr haben soll. Aus den danach erstellten
Administrativgutachten vom 20. September 2011 und 13. August 2012 ergibt sich
jedenfalls nichts, was zu einer anderen Beurteilung Anlass geben könnte.

3.3. Die Aufhebung der befristeten ganzen Rente durch die Vorinstanz verletzt
Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG). Insoweit ist die Beschwerde begründet.

4. 
Ausgangsgemäss haben die Parteien die Gerichtskosten nach Massgabe ihres
Unterliegens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat der
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 15. Oktober 2014 wird aufgehoben
und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 13. Dezember 2013
bestätigt. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden zu fünf Achteln (Fr. 500.-) der
Beschwerdeführerin und zu drei Achteln (Fr. 300.-) der Beschwerdegegnerin
auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 900.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Mai 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben