Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 853/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_853/2014

Urteil vom 23. Juni 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Furrer.

Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Kurt Sintzel,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 13. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1980 geborene A.________, zuletzt temporär arbeitstätig gewesen, meldete
sich am 10. Dezember 2010 bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug
an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich (fortan: IV-Stelle) führte erwerbliche und
medizinische Abklärungen durch, namentlich veranlasste sie eine
polydisziplinäre Begutachtung durch das Zentrum B.________ (Expertise vom 2.
April 2012; Ergänzung vom 3. Juli 2012). Nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren sprach die IV-Stelle A.________ mit Verfügung vom 27. März
2013 eine Viertelsrente mit Wirkung ab 1. Juni 2011 zu (Invaliditätsgrad von 41
%).

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 13. Oktober 2014 ab, soweit es darauf eintrat.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei ihm ab 1. Juni 2011
eine volle (recte: ganze) Invalidenrente zuzusprechen. Zudem ersucht er um
unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der Kostenbefreiung und der
unentgeltlichen Verbeiständung).

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
Seinem Urteil legt es den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin
oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht,
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine
Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn
sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig
unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 5.1).
Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (Urteil
9C_535/2014 vom 15. Januar 2015 E. 1.1 mit Hinwei-sen, nicht publ. in: BGE 141
V 25, aber in: SVR 2015 KV Nr. 8 S. 29). Dem kantonalen Versicherungsgericht
steht als Sachgericht im Be-reich der Beweiswürdigung ein erheblicher
Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40). Das Bundesgericht
greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das Sachgericht diesen missbraucht,
insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise
übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1 S.
211; zum Begriff der Willkür: BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen).
Inwiefern das kantonale Gericht sein Ermessen miss-braucht haben soll, ist in
der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261).
Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische
Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II
244 E. 2.2 S. 246 mit Hinweis).

2. 
Nach Würdigung der medizinischen Akten ist die Vorinstanz zum Schluss gelangt,
das polydisziplinäre Gutachten des Zentrums B.________ vom 2. April 2012 samt
ergänzender Stellungnahme vom 3. Juli 2012, wonach der Beschwerdeführer in der
bisherigen und in einer adaptierten Tätigkeit 50 % arbeitsfähig sei, sei voll
beweiskräftig, weshalb darauf abgestellt werden könne. Was den Bericht des lic.
phil. C.________ und des Dr. med. D.________ vom 22. April 2013 betreffe, so
schildere dieser zwar eindrücklich die von Gewalt geprägte Kindheit des
Beschwerdeführers. Davon hätten aber auch die Gutachter des Zentrums B.________
Kenntnis gehabt, welche diesen Umstand bei ihrer Beurteilung bzw.
Diagnosestellung berücksichtigt hätten. Zu beachten sei ferner, dass Dr. med.
D.________ als behandelnder Psychiater eher zu Gunsten des Beschwerdeführers
aussagen dürfte.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die Gutachter des Zentrums
B.________ und die Vorinstanz hätten die Berichte des Psychiaters Dr. med.
E.________ vom 31. Januar 2011 und des lic. phil. C.________ sowie des Dr. med.
D.________ vom 22. April 2013 zu Unrecht nicht berücksichtigt.

3.1.1. Ob sich die Expertise mit ersterem Bericht, welcher Bestandteil der
Vorakten war, in hinreichender Weise auseinandergesetzt hat, beschlägt die
Frage nach der Beachtung der bundesrechtlichen Anforderungen an den Beweiswert
ärztlicher Berichte und Gutachten, die als Rechtsfrage frei zu prüfen ist (vgl.
BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; Urteil I 974/06 vom 20. Juli 2007 E. 4.1). Was die
von den verschiedenen Fachpersonen gestellten, zum Te il divergierenden
psychiatrischen Diagnosen betrifft, hat der Psychiater des Zentrums B.________
nachvollziehbar und einleuchtend aufgezeigt, trotz weitgehender Übereinstimmung
der aktenmässig erwähnten und den im Rahmen der Begutachtung -
mittelseingehenden Gesprächen an verschiedenen Tagen - erhobenen Befunden
gestalte sich eine eindeutige Diagnosestellung sehr schwierig. Der
Beschwerdeführer zeige ein vielfältiges Bild, dessen Symptome mit verschiedenen
psychischen Diagnosen vereinbar wären, letztlich aber diagnostisch nicht ganz
klar erschienen. Deshalb könne er sich nicht auf eine einzige psychiatrische
Diagnose festlegen. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit liege aber eine seit
Jahren andauernde psychische Störung vor, wobei es sich am ehesten um eine
kombinierte Persönlichkeitsstörung und um einen Zustand nach posttraumatischer
Belastungsstörung mit residuellen dissoziativen Zuständen handle. Angesichts
dieser transparent kommunizierten diagnostischen Unsicherheiten bzw. Grenzen
der Diagnosestellung, welche für den Beweiswert dieser Expertise spricht (
SUSANNE BOLLINGER, Der Beweiswert psychiatrischer Gutachten in der
Invalidenversicherung, Jusletter vom 31. Januar 2011, Rz. 24 mit Hinweisen),
erübrigte sich eine weitergehende Auseinandersetzung mit den von Dr. med.
E.________ gestellten Diagnosen. Einzig was die Frage der IV-Stelle zur
kritischen Würdigung vor allem von Diskrepanzen in der Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit anbelangt, ist die Ausführung des Gutachters angesichts der
von Dr. med. E.________ attestierten vollständigen Arbeitsunfähigkeit für
jegliche Tätigkeiten unzureichend ausgefallen. Dieser Mangel wird in conreto
aber dadurch geheilt, dass sich die Diskrepanz mit Blick auf das psychiatrische
Teilgutachten und den Bericht des behandelnden Psychiaters ohne Weiteres
auflöst: Diese gründet nämlich darin, dass der Gutachter - anders als Dr. med.
E.________ - auf den ausgeglichenen Arbeitsmarkt Bezug genommen hat, welcher
auch Stellen offenhält, die den Defiziten des Beschwerdeführers (u.a. mangelnde
Stressresistenz) Rechnung tragen. Folglich zu Recht hat das kantonale Gericht
dem polydisziplinären Gutachten vom 2. April 2012 vollen Beweiswert zuerkannt.

3.1.2. Betreffend den Bericht des lic. phil. C.________ und des Dr. med.
D.________ vom 22. April 2013, welcher erst nach Erlass der angefochtenen
Verfügung erstellt wurde und gemäss kantonalem Gericht den Beweiswert der
Expertise nicht mindert, vermag der Beschwerdeführer keine offensichtlich
unrichtige oder gar willkürliche Beweiswürdigung der Vorinstanz darzutun: Wie
das kantonale Gericht zutreffend darlegte, worauf verwiesen werden kann, hatten
die Gutachter des Zentrums B.________ von der (im besagten Bericht
geschilderten) schwierigen Kindheit des Beschwerdeführers Kenntnis und
berücksichtigten sie entsprechend. Mit anderen Worten wurden im Bericht vom 22.
April 2013 keine objektiv feststellbaren Gesichtspunkte vorgebracht, welche im
Rahmen der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben waren und die
geeignet sind, zu einer anderen Beurteilung zu führen. Allein die in masslicher
Hinsicht abweichende Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit vermag ein
Administrativgutachten nicht in Zweifel zu ziehen (Urteil 9C_830/2007 vom 29.
Juli 2008 E. 4.3 mit Hinweisen, publ. in: SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203).

3.2. Bei den übrigen Einwänden beschränkt sich der Beschwerdeführer in rein
appellatorischer Weise darauf, den Erwägungen des kantonalen Gerichts seine
eigene Sicht der Dinge entgegenzusetzen, was nicht genügt (BGE 140 V 405 E. 4.1
S. 414; Urteil 9C_688/2007 vom 22. Januar 2008 E. 2.3 i.f.). Mithin ist darauf
nicht einzutreten (E. 1 hievor).

3.3. Eingliederungsmassnahmen waren weder im vorinstanzlichen noch im
bundesgerichtlichen Verfahren Streitgegenstand. Dennoch sei an dieser Stelle
Folgendes angemerkt: Auffallend ist das Unterlassen von beruflichen
Eingliederungsbemühungen bei diesem jungen Versicherten, der schon bei der
Anmeldung den klaren Wunsch äusserte, wieder in der Berufswelt Fuss fassen zu
können. Es steht dem Beschwerdeführer jederzeit zu, sich erneut bei der
Invalidenversicherung zwecks Integrations- bzw. beruflichen Massnahmen zu
melden.

4. 
Die Invaliditätsbemessung wird nicht bestritten. Es besteht kein Anlass zu
einer näheren Prüfung. Damit muss es mit der verfügten, vorinstanzlich
bestätigten Viertelsrente sein Bewenden haben.

5. 
Nach Art. 64 Abs. 1 BGG wird einer Partei die unentgeltliche Rechtspflege nur
gewährt, wenn sie bedürftig ist und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint. Prozessbegehren sind als aussichtslos anzusehen, wenn die
Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren, so dass
eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, bei vernünftiger
Überlegung von einem Prozess absehen würde (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135, 128
I 225 E. 2.5.3 S. 236 mit Hinweis). Vorliegend sind die Gewinnaussichten
eingedenk dessen, dass der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf Berichte
behandelnder Ärzte mit teilweise abweichenden Einschätzungen der Arbeits (un)
fähigkeit verweist und im Übrigen weitgehend appellatorische Kritik übt,
beträchtlich geringer als die Verlustgefahren anzusehen. Folglich ist das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im letztinstanzlichen Verfahren bereits
infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Juni 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Furrer

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