Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 849/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_849/2014

Urteil vom 21. Mai 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
Regierungsrat des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld,
handelnd durch das Departement für Finanzen
und Soziales, Regierungsgebäude,
Zürcherstrasse 188, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdeführer,

gegen

Kanton Zürich,
Neumühlequai 10, 8001 Zürich, vertreten durch 
die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich,
Stampfenbachstrasse 30, 8090 Zürich,
Beschwerdegegner,

Klinik A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Staffelbach.

Gegenstand
Anpassung Spitalliste Psychiatrie 2012 des Kantons Thurgau,

Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
des Bundesverwaltungsgerichts
vom 30. Juli 2014.

Sachverhalt:

A. 
Mit Beschluss vom 11. März 2014 ergänzte der Regierungsrat des Kantons Thurgau
die kantonale Spitalliste Psychiatrie 2012 und setzte sie rückwirkend ab 1.
Januar 2014 in Kraft. Darin erteilte er der Klinik A.________ wiederum einen
Leistungsauftrag für Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie, wobei er die
bisherige Kapazität von vier Betten aufhob und keine Beschränkung der
Bettenkapazität mehr vorsah. Beschwerden gegen diesen Beschluss entzog er die
aufschiebende Wirkung, mit Ausnahme von Beschwerden von bisher im Rahmen der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) zugelassenen
Leistungserbringern, die weiterhin im gleichen Rahmen zugelassen blieben.

B. 
Der Kanton Zürich, vertreten durch die Gesundheitsdirektion, erhob dagegen am
11. April 2014 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte, die
ergänzte Spitalliste 2012 sei insoweit aufzuheben, als die Klinik A.________
als Leistungserbringerin zu Lasten der OKP zugelassen werde, eventualiter sei
der Leistungsauftrag an diese Klinik auf insgesamt vier Betten zu beschränken.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte er die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
Mit Zwischenverfügung vom 30. Juli 2014 stellte das Bundesverwaltungsgericht
die aufschiebende Wirkung der Beschwerde wieder her und hob eine am 24. April
2014 verfügte Beschränkung des Schriftenwechsels auf die Frage der
Beschwerdebefugnis auf.

C. 
Der Regierungsrat des Kantons Thurgau, handelnd durch das Departement für
Finanzen und Soziales, führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt, die angefochtene Zwischenverfügung sei
aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht
zuständig sei zur Behandlung der Beschwerde des Kantons Zürich vom 11. April
2014. Eventualiter sei unter Aufhebung der angefochtenen Zwischenverfügung
festzustellen, dass der Kanton Zürich nicht legitimiert sei, gegen die
Anpassung der Spitalliste Psychiatrie 2012 des Kantons Thurgau
(Regierungsratsbeschluss vom 11. März 2014) Beschwerde zu erheben.
Subeventualiter sei die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.
Juli 2014 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
Nach einem Meinungsaustausch zwischen der I. und der II. öffentlich-rechtlichen
sowie der II. sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts wird die Sache,
zuerst unter der Geschäftsnummer 2C_750/2014 angelegt, von der II.
sozialrechtlichen Abteilung in der Folge unter der Geschäftsnummer 9C_849/2014
weitergeführt.
Der Kanton Zürich, vertreten durch die Gesundheitsdirektion, schliesst auf
Nichteintreten, eventuell auf Abweisung der Beschwerde. Die Klinik A.________
macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht die
Aktivlegitimation des Kantons Zürich bejaht; die Zwischenverfügung vom 30. Juli
2014 sei ersatzlos aufzuheben. Zur Vernehmlassungsantwort der Klinik A.________
nimmt der Kanton Zürich am 5. Februar 2015 Stellung.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1
BGG).

1.1. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der Beschluss des Regierungsrates des
Kantons Thurgau vom 11. März 2014 betreffend die kantonale Spitalliste, konkret
die Zulassung der Klinik A.________ mit unbeschränkter Bettenzahl als
Leistungserbringerin nach Art. 39 KVG bzw. deren entsprechende Aufnahme in die
kantonale Spitalliste.

1.2. Gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen über die Spitalplanung kann
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt werden (Art. 53 Abs. 1 i.V.m.
Art. 39 KVG; Art. 33 lit. i des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das
Bundesverwaltungsgericht [VGG; SR 173.32]; vgl. auch BGE 134 V 45 E. 1.1 S. 47
betreffend Beschlüsse nach Art. 55a KVG [Zulassung eines Leistungserbringers
zulasten der OKP im Einzelfall]). Nach Art. 83 lit. r BGG ist gegen Entscheide
auf dem Gebiet der Krankenversicherung, die das Bundesverwaltungsgericht
gestützt auf Art. 34 VGG getroffen hat, die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht nicht zulässig
(Urteil 2C_706/2014 vom 20. August 2014 E. 2.2). Art. 34 VGG in der
ursprünglichen Fassung (AS 2006 2197) entsprach dem heutigen Art. 53 Abs. 1
KVG. Mit der Änderung des KVG vom 21. Dezember 2007 (in Kraft ab 1. Januar
2009; AS 2008 2049) wurde Art. 34 VGG aufgehoben und durch Art. 53 Abs. 1 KVG
in der heutigen Fassung ersetzt, sodass sich der Verweis in Art. 83 lit. r BGG
heute auf Art. 53 Abs. 1 KVG bezieht (z.B. Urteil 2C_399/2012 vom 8. Juni 2012
E. 1 mit Hinweisen).

1.3. Der besondere Instanzenzug von Art. 53 KVG liegt darin begründet, dass
Entscheide der Kantonsregierungen in gesundheitspolitischen Fragen (betreffend
Spitallisten, Tarifverträge usw.) früher ohne Weiterzugsmöglichkeit an ein
Gericht beim Bundesrat anfechtbar waren (vgl. BGE 132 V 6 E. 1 S. 8). Nachdem
bereits mit der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung
eine Entlastung des Bundesrates von Rechtspflegeaufgaben angestrebt wurde (vgl.
Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I
491), führte der Gesetzgeber im Rahmen der auf den 1. Januar 2007 in Kraft
gesetzten Justizreform eine gerichtliche Überprüfung von Beschlüssen der
Kantonsregierungen gestützt auf aArt. 53 KVG auf eidgenössischer Ebene ein,
wobei er eine Öffnung des Beschwerdeweges an das Bundesgericht aus Gründen der
Überlastung ausschloss (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4391). Der Bundesgesetzgeber wollte bewusst
einerseits den gerichtlichen Rechtsschutz im Bereich der Spitallisten einer
eidgenössischen Behörde anheimstellen, anderseits den Weiterzug an das
Bundesgericht ausschliessen, um dadurch nicht zuletzt auch eine rasche
Erledigung solcher Streitigkeiten zu ermöglichen (vgl. Urteil 2C_399/2012 vom
8. Juni 2012 E. 2.4).

1.4. Nach dem Gesagten steht allen Betroffenen gegen einen Zulassungsentscheid
gemäss Art. 39 KVG ausschliesslich die Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht offen (Art. 53 Abs. 1 KVG). Nicht im Gesetz vorgesehen
ist insbesondere eine Differenzierung des Rechtsweges je nach dem Status der
Beschwerde führenden Parteien. Anders zu entscheiden bedeutete, dass der in
Art. 83 lit. r BGG ausgeschlossene Beschwerdeweg an das Bundesgericht über Art.
120 Abs. 1 lit. b BGG wieder offen stehen würde, was nicht angeht (zur
Unzulässigkeit der Umgehung des gesetzlichen Rechtsmittelausschlusses vgl. z.B.
auch Urteil 1B_209/2011 vom 11. September 2011 E. 2). Es hätte überdies zur
Folge, dass widersprüchliche Entscheide in derselben Sache möglich wären und
insoweit eine einheitliche Rechtsanwendung nicht mehr gewährleistet wäre. Weil
somit der Status der Beschwerde führenden Parteien ohne Einfluss auf den
Rechtsmittelweg bleibt, ist ein Klageverfahren nach Art. 120 Abs. 1 lit. b BGG
auch dann ausgeschlossen, wenn zwei Kantone am Recht stehen.

2. 
Nach dem Gesagten ist der angefochtene Zwischenentscheid des
Bundesverwaltungsgerichts nicht vor Bundesgericht anfechtbar. Die Beschwerde
ist somit unzulässig.

3. 
Dem unterliegenden Kanton Thurgau sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art.
66 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Klinik A.________ und dem
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Mai 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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