Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 835/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_835/2014

Urteil vom 28. April 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Corinne Schoch,
Beschwerdeführerin,

gegen

Columna Sammelstiftung Client Invest, Winterthur, c/o AXA Leben AG, Legal &
Compliance, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Glättli,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 29. September 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die 1968 geborene A.________ war bis 30. Juni 2005 bei der B.________ AG
angestellt und dadurch bei der Winterthur-Columna Sammelstiftung 2. Säule
vorsorgeversichert. Die Arbeitgeberin und die Versicherte teilten der
Sammelstiftung mit, dass das Arbeitsverhältnis per 30. Juni 2005 ende und der
Vorsorgeschutz durch Errichtung einer Freizügigkeitspolice sicherzustellen sei.
Die Sammelstiftung liess   A.________ mit Schreiben vom 7. Juni 2005 mitteilen,
ihre Freizügigkeitsleistung betrage per 30. Juni 2005 Fr. 53'200.60 und werde
zur Erstellung einer Freizügigkeitspolice verwendet. Am 5. Juli 2005 wurde die
Freizügigkeitspolice Nr. xxx der Winterthur Leben (heute: AXA Leben AG) mit
Versicherungsbeginn 30. Juni 2005 erstellt.
Am 15. August 2006 informierte A.________ die Sammelstiftung, dass ihr die
IV-Stelle des Kantons Zürich mit Wirkung ab 1. Mai 2006 eine ganze
Invalidenrente zugesprochen habe. Sie ersuchte um Prüfung der ihr im
Invaliditätsfall zustehenden BVG-Leistungen. Daraufhin teilte ihr die
Winterthur Leben mit, das Todesfallkapital ihrer Freizügigkeitspolice belaufe
sich im Jahr 2006 auf Fr. 54'646.- und das Altersguthaben per 15. September
2006 auf Fr. 54'369.05 (Schreiben vom 16. September 2006).
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2006 ersuchte C.________, Mitarbeiter des
Patronato D.________, die Winterthur Leben im Namen von A.________ um Auflösung
der Freizügigkeitspolice und Überweisung des Guthabens auf das Konto Nr. xxx,
lautend auf D.________, bei der Aargauischen Kantonalbank. Dem Schreiben lag
eine Vollmacht zugunsten von "D.________, Strasse xxx, Stadt yyy" vom 12.
Oktober 2006 und das von der Winterthur Leben zugestellte Formular betreffend
Auflösung der Freizügigkeitspolice bei. Die Vollmacht und das Formular waren
von A.________ unterzeichnet und mit einem Stempel des italienischen Konsulats
versehen. Die Winterthur Leben löste die Freizügigkeitspolice von A.________ am
23. Oktober 2006 auf und überwies das Altersguthaben von Fr. 54'470.90 auf das
Konto Nr. xxx bei der Aargauischen Kantonalbank.
Bis im April 2009 richtete C.________ A.________ monatliche Zahlungen in der
Höhe von Fr. 812.- aus. Nachdem die Zahlungen ab Mai 2009 ausgeblieben waren
und gegen C.________ ein Strafverfahren eröffnet worden war, wandte sich
A.________ an die Sammelstiftung und ersuchte um Ausrichtung einer
Invalidenrente. Diese teilte A.________ am 20. Juli 2010 mit, dass sie die
Leistungspflicht anerkenne und den per 30. Juni 2005 durchgeführten Austritt
rückgängig mache. Sie richtete A.________ mit Wirkung ab 1. Mai 2006 eine
Invalidenrente von jährlich Fr. 16'843.- bzw. ab 1. Januar 2010 Fr. 17'198.-
bzw. ab 1. Januar 2011 Fr. 17'238.- aus. Mit Schreiben vom 4. Mai 2012 ersuchte
A.________ die Sammelstiftung um Bestätigung, dass ihre künftige Altersrente
ohne Berücksichtigung der erfolgten Kapitalauszahlung berechnet werde, was
diese ablehnte (Schreiben vom 11. Mai 2012).

B. 
Am 14. Juli 2012 erhob A.________ Klage gegen die (mittlerweile) Columna
Sammelstiftung Client Invest mit dem Rechtsbegehren, diese sei anzuweisen,
ihrem Freizügigkeitskonto betreffend Altersvorsorge (recte: Alterskonto;
Vertrags-Nr. xxx - B.________ AG) Fr. 54'470.90 zuzüglich gesetzliche und
reglementarisch-statutarische Verzinsung gutzuschreiben, sodass sie bei
Eintritt des Pensionsalters betreffend ihren Anspruch auf Altersrente so
gestellt sei, als ob eine Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens in
bezeichneter Höhe an einen unberechtigten Dritten (C.________) am 23. Oktober
2006 nicht stattgefunden hätte. In diesem Sinne sei die Sammelstiftung zudem zu
verpflichten, ihr bei Eintritt des Pensionsalters eine Altersrente aus BVG in
der Höhe, welche sich ergäbe, wenn die Auszahlung von Fr. 54'470.90 an einen
unberechtigten Dritten (C.________) am 23. Oktober 2006 nicht stattgefunden
hätte, gemäss gesetzlichen und statutarisch-reglementarischen Vorgaben zu
bezahlen. Eventualiter beantragte sie die Feststellung, dass die Auszahlung von
Fr. 54'470.90 an einen unberechtigten Dritten am klägerischen Anspruch
betreffend das Vorsorgeguthaben (Stammrecht) und am darauf beruhenden
Altersrentenanspruch ab Eintritt des Pensionsalters nichts geändert habe bzw.
dass sie nach wie vor die Ansprüche betreffend Vorsorgeguthaben und Altersrente
gegenüber der Sammelstiftung besitze, welche Bestand hätten, wenn die
Auszahlung vom 23. Oktober 2006 nicht stattgefunden hätte. Die Sammelstiftung
sei zudem zu verpflichten, ihr den Schaden von Fr. 24'256.90 zuzüglich
Verzugszins von 5 % seit 12. April 2011 zu ersetzen. Im Rahmen des zweiten
Schriftenwechsels liess A.________ ergänzend beantragen, dass sie nicht nur bei
Eintritt des Pensionsalters so zu stellen sei, wie wenn die Auszahlung an den
unberechtigten Dritten nicht erfolgt sei, sondern rückwirkend per 1. Mai 2006,
dass die Invalidenrente gemäss den gesetzlichen Grundlagen und Reglementen der
Beklagten rückwirkend per 1. Mai 2006 anzupassen sei und dass festzustellen
sei, dass die Auszahlung an den unberechtigten Dritten bezüglich Rentenanspruch
betreffend Invalidität und Altersvorsorge nichts geändert habe. Mit Entscheid
vom 29. September 2014 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
die Klage ab, soweit es darauf eintrat.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen,
die Aufhebung des kantonalen Entscheides beantragen und ihre in der Klage
gestellten Rechtsbegehren im Übrigen erneuern.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes
wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG). Die Behebung des Mangels muss für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes
wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die vorgebrachten Rügen, sofern eine Rechtsverletzung nicht
geradezu offensichtlich ist.

2.

2.1. Treten Versicherte in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, hat die frühere
Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung an die neue zu überweisen (Art. 3
Abs. 1 FZG [SR 831.42]). Versicherte, die nicht in eine neue
Vorsorgeeinrichtung eintreten, haben ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in
welcher zulässigen Form sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen (Art. 4 Abs. 1
FZG). Der Vorsorgeschutz kann durch eine Freizügigkeitspolice oder durch ein
Freizügigkeitskonto erhalten werden (Art. 10 Abs. 1 FZV [SR 831.425]).

2.2. Muss die frühere Vorsorgeeinrichtung Hinterlassenen- oder
Invalidenleistungen erbringen, nachdem sie die Austrittsleistung an eine neue
Vorsorgeeinrichtung überwiesen hat, ist ihr diese Austrittsleistung soweit
zurückzuerstatten, als dies zur Auszahlung der Hinterlassenen- oder
Invalidenleistungen notwendig ist (Art. 3 Abs. 2 FZG). Die Hinterlassenen- und
Invalidenleistungen der früheren Vorsorgeeinrichtung können gekürzt werden,
soweit eine Rückerstattung unterbleibt (Art. 3 Abs. 3 FZG).

2.3. Die vorzeitige Auszahlung der Altersleistung aus Freizügigkeitspolicen an
Versicherte, die eine volle Invalidenrente der Invalidenversicherung beziehen,
ist zulässig, sofern das Invaliditätsrisiko nicht zusätzlich versichert ist
(vgl. Art. 16 Abs. 2 FZV).

3.

3.1. Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen wurde die
Austrittsleistung der Versicherten nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses
(Austritt per 30. Juni 2005) weisungsgemäss zur Errichtung der
Freizügigkeitspolice Nr. xxx bei der Winterthur Leben verwendet und es kann der
Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang nichts vorgeworfen werden. Des
Weitern hat die Vorinstanz ebenfalls verbindlich festgestellt, dass im hier zu
beurteilenden Fall im Rahmen der Freizügigkeitspolice eine zusätzliche
Versicherung nur für das Todes- und nicht auch für das Invaliditätsrisiko
bestand (Freizügigkeitspolice Nr. xxx; Allgemeine Bestimmungen für die
Freizügigkeitspolice, Ausgabe 2005). Dementsprechend stand der vorzeitigen
Auszahlung des Alterskapitals (Auflösung der Freizügigkeitspolice) auf Begehren
der Versicherten grundsätzlich nichts entgegen (vgl. E. 2.3). Weiter steht
fest, dass die Beschwerdegegnerin, obwohl ihr die Austrittsleistung nicht
zurückerstattet worden ist, der Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2006 eine
(ungekürzte) Invalidenrente von Fr. 16'843.- pro Jahr ausrichtet.

3.2. Die Beschwerdeführerin will hinsichtlich ihres Anspruchs auf eine
Altersrente der Beschwerdegegnerin so gestellt werden, wie wenn die Auszahlung
des Alterskapitals von Fr. 54'470.90 (Auflösung der Freizügigkeitspolice) nie
stattgefunden hätte. Dies rechtfertigt sich ihrer Auffassung nach, weil die
Auszahlung von Fr. 54'470.90 an C.________ am 23. Oktober 2006 zu Unrecht
erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin leitet daraus ab, dass ihr der Betrag von
Fr. 54'470.90 (zuzüglich gesetzliche und reglementarisch-statutarische
Verzinsung) gutzuschreiben und bei Eintritt des Pensionsalters auf dieser
Grundlage eine Altersrente auszurichten sei (Hauptantrag) oder dass zumindest
festzustellen sei, dass die Auszahlung vom 23. Oktober 2006 an ihrem
Altersrentenanspruch nichts geändert habe (Eventualantrag).

4.

4.1. Die Vorinstanz erwog, A.________ habe nach ihren eigenen Angaben das
Vollmachtsformular sowie das Formular zur Auszahlung des Alterskapitals blanko
unterschrieben. Soweit sie die Auszahlung an C.________ nicht habe erwirken
wollen, liege ein Blankettmissbrauch vor und es stelle sich die Frage, ob die
Winterthur Leben als Freizügigkeitseinrichtung annehmen durfte, dass der
erweckte Rechtsschein der wahren Sachlage entspreche, mithin ob sie als
gutgläubig behandelt werden könne. Es beständen keine Anhaltspunkte, dass die
Winterthur Leben im Zeitpunkt der Auszahlung der Altersleistung nicht
gutgläubig gewesen wäre, und es seien keine Umstände ersichtlich, dass die
Winterthur Leben die gebotene Aufmerksamkeit habe vermissen lassen. Damit sei
die Auszahlung nicht zu beanstanden und würde eine Rückforderung bereits an
diesem Umstand scheitern. Zudem bestehe keine Grundlage, die Beschwerdegegnerin
zur Rückforderung der Austrittsleistung zu verpflichten. Ebenso wenig könne sie
angehalten werden, dem Alterskonto das an die Freizügigkeitseinrichtung
übertragene Alterskapital wieder gutzuschreiben. Soweit die Klage auf
Feststellung der Höhe der Altersrente abziele, fehle es an einem aktuellen
Feststellungsinteresse, erreiche doch A.________ das Pensionsalter erst im
Jahre 2032. Mangels widerrechtlichen Verhaltens der Vorsorgeeinrichtung bestehe
auch keine Grundlage für die geltend gemachte Schadenersatzforderung.

4.2. In der Beschwerde wird geltend gemacht, die Beschwerdegegnerin verletze,
indem sie nach Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens an einen unberechtigten
Dritten die Gutschreibung des Betrages in Bezug auf die Altersrente verweigere,
ihre vertraglichen Pflichten. Die Vorinstanz missachte die Rechtslage, wenn sie
von einer Exkulpation der Beschwerdegegnerin (recte: der Winterthur Leben)
wegen guten Glaubens ausgehe, eine Beweislastumkehr zulasten der
Beschwerdeführerin vornehme und dabei unberücksichtigt lasse, dass die
Beschwerdegegnerin Bemühungen um eine sorgfältige Vertragserfüllung nicht
darzulegen vermöge. Selbst wenn eine Anscheinshaftung zur Diskussion stände,
wäre eine Entlastung nur unter sehr strengen Voraussetzungen und unter
massgeblicher Berücksichtigung der bei Vertragsverhältnissen geltenden
Beweislastverteilung möglich: Die Beschwerdegegnerin müsste alles in ihrer
Macht Stehende vorgekehrt haben und ihren Pflichten aus durchwegs
entschuldbaren Gründen nicht nachgekommen sein. Eine Vollmachtsurkunde alleine
vermöge die Anscheinshaftung noch nicht zu begründen. Denn nach der Lehre
müssten, wenn der Vertretene passiv bzw. unsichtbar bleibe, zusätzliche
hinreichende objektive Umstände bestehen, aus denen der Dritte auf die
Bevollmächtigung des Vertreters bzw. auf den Willen der Auszahlung schliessen
dürfe. Es verletze Bundesrecht, den Anspruch auf rechtliches Gehör und die
Begründungspflicht, dass die Vorinstanz ohne rechtsgenügliche
Auseinandersetzung mit der Sach- und der Rechtslage und ohne Würdigung der
vorgebrachten Argumente annehme, "die Beschwerdeführerin habe durch ihre
Unterschriften den Rechtsschein einer rechtsgültigen Vertretung in
anrechenbarer Weise geschaffen". Aufgrund ihrer gesundheitlichen
Einschränkungen - seit Jahren leide sie an Depressionen mit psychotischen
Schüben - und ihren mangelnden Fachkenntnissen habe die Beschwerdeführerin
keine Ahnung von den effektiven Vorgängen gehabt; diese wären von ihr niemals
gutgeheissen worden und könnten ihr auch im Rahmen einer Anscheinsvollmacht
nicht zugerechnet werden.

5. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin dazu verpflichtet werden
kann, die an die Winterthur Leben (heute: AXA Leben AG) transferierten
Altersleistungen wieder gutzuschreiben und ihre Leistungen - den Vorsorgefall
Alter betreffend - gestützt auf das "ganze" Altersguthaben zu erbringen, wie
dies die Beschwerdeführerin sinngemäss beantragt.

5.1. Die Winterthur Leben als Freizügigkeitseinrichtung, an welche die
Austrittsleistung Ende Juni 2005 überwiesen worden war, hat die
Austrittsleistung nicht zurückerstattet, weil sich diese seit der vorzeitigen
Auszahlung des Alterskapitals (Auflösung der Freizügigkeitspolice) am 23.
Oktober 2006 nicht mehr bei ihr befand. Eingeklagt hat die Versicherte indessen
nicht die Winterthur Leben, welche die Altersleistung gestützt auf Art. 16 Abs.
2 FZV vorzeitig auszahlte, sondern die Sammelstiftung, von welcher die
Versicherte Altersleistungen verlangt, wie wenn die Auszahlung vom 23. Oktober
2006 nie stattgefunden hätte. In diesem von der Versicherten gegen die
Sammelstiftung (und nicht gegen die Freizügigkeitseinrichtung) eingeleiteten
Prozess stellt sich die Frage, ob die Sammelstiftung die Rückerstattung der
Austrittsleistung durch die Freizügigkeitseinrichtung erzwingen muss.

5.2. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Vom
klaren, das heisst eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur
ausnahmsweise abgewichen werden, unter anderem dann, wenn triftige Gründe dafür
vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche
Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn
und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben. Eine
historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend. Doch
vermag nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus
den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer
Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts
bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder
Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen Umständen
anpasst oder ergänzt (BGE 138 III 359 E. 6.2 S. 361; 138 V 23 E. 3.4.1 S. 28).

5.3. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 FZG, wonach der früheren
Vorsorgeeinrichtung im Falle ihrer Leistungspflicht für Hinterlassenen- oder
Invalidenleistungen nach Überweisung der Austrittsleistung "diese
Austrittsleistung soweit zurückzuerstatten [ist], als dies zur Auszahlung von
Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen nötig ist" (französisch: "cette
dernière prestation doit lui être restituée dans la mesure où la restitution
est nécessaire pour accorder le paiement de prestations d'invalidité ou pour
survivants", italienisch: "quest'ultima prestazione dev'essergli restituita
nella misura in cui la restituzione sia necessaria per accordare il pagamento
delle prestazioni d'invalidità o per superstiti"), lässt offen, wer die
Austrittsleistung zurückerstatten soll. In der Botschaft findet sich der
Hinweis, dass das vor Inkrafttreten des FZG geltende Recht dem Vorsorgenehmer
eine Rückerstattungspflicht auferlegte und dies mit dem FZG dahingehend
geändert werden sollte, dass nunmehr die neue Vorsorgeeinrichtung, welcher die
alte Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung überweisen muss, die
Austrittsleistung soll zurückgeben können. Wer die Austrittsleistung
zurückerstatten soll, bleibe offen (Botschaft vom 26. Februar 1992 zu einem
Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen-
und Invalidenvorsorge, BBl 1992 533 ff., 573 f. Ziff. 632.2). Eine dem heutigen
Art. 3 Abs. 2 FZG entsprechende Regelung war im bundesrätlichen Gesetzesentwurf
noch nicht enthalten (Art. 3 Abs. 2 des bundesrätlichen Entwurfs regelte eine
andere Frage). Erst im Verlaufe der parlamentarischen Beratungen wurde darüber
diskutiert, wen eine Rückerstattungspflicht trifft. Dabei war ursprünglich eine
Rückerstattungspflicht der neuen Vorsorgeeinrichtung vorgesehen (AB 1992 N
2432; Protokoll der Sitzung der nationalrätlichen Kommission für soziale
Sicherheit und Gesundheit vom 20.-22. Mai 1992, S. 12 f.), die später in eine
allgemeine Rückerstattungspflicht entsprechend dem heutigen Gesetzeswortlaut
und der Intention des Bundesrates, d.h. ohne Nennung des Verpflichteten,
umformuliert wurde (AB 1993 S 560 f.).
Im Normalfall wird die Leistung von demjenigen zurückerstattet, der sie
erhalten hat, d.h. von der neuen Vorsorgeeinrichtung (Art. 3 Abs. 1 FZG),
allenfalls von der Auffangeinrichtung (Art. 4 Abs. 2 FZG) oder einer
Freizügigkeitseinrichtung (Art. 4 Abs. 1 FZG; Art. 10 FZV). Die Rückerstattung
kann auch durch andere Personen, namentlich die versicherte Person selbst,
erbracht werden. Für die frühere Vorsorgeeinrichtung spielt es weder rechtlich
noch versicherungstechnisch eine Rolle, wer die Austrittsleistung
zurückerstattet. Sinn und Zweck der Rückerstattung ist es, die frühere
Vorsorgeeinrichtung versicherungstechnisch so zu stellen, wie sie es zur
Erfüllung ihrer Leistungspflicht sein muss. Mit anderen Worten wird damit die
Situation wiederhergestellt, die aus der Optik der früheren Vorsorgeeinrichtung
wie auch des Versicherten richtigerweise im Zeitpunkt des Austritts bestanden
hätte, wenn die Leistungspflicht bereits damals bekannt gewesen wäre, indem die
frühere Vorsorgeeinrichtung das Deckungskapital erhält, das notwendig ist, um
die geschuldeten Leistungen zu erbringen (zum Ganzen: BGE 135 V 13 E. 3.6.3 und
3.6.4 S. 22).
Ebenso wenig wie Art. 3 Abs. 2 FZG den Rückerstattungspflichtigen bestimmt,
regelt die Norm die damit eng zusammenhängende Frage, ob (und allenfalls wie)
die Pflicht zur Rückerstattung durchgesetzt werden kann bzw. muss. Wie sich aus
Art. 3 Abs. 3 FZG ergibt, rechnete der Gesetzgeber denn auch mit dem Fall, dass
die Rückerstattungspflicht nicht erfüllt wird. Er sah hierfür vor, dass die
frühere Vorsorgeeinrichtung, "soweit eine Rückerstattung unterbleibt"
(französisch: "pour autant qu'il n'y ait pas de restitution"; italienisch:
"sempre che non vi sia stata restituzione"), die Hinterlassenen- und
Invalidenleistungen kürzen kann (vgl. auch BBl 1992 574 Ziff. 632.2), wobei
nach den Materialien auch eine Kürzung der (eine Invalidenrente ablösenden)
Altersleistungen zulässig sein soll (AB 1993 S 561; siehe auch AB 1993 N 1698;
Protokoll der Sitzung der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und
Gesundheit vom 17. Mai 1993, S. 3).
Zusammenfassend ergibt sich, dass Art. 3 Abs. 2 FZG vom Wortlaut, von der
Entstehungsgeschichte, von der Systematik sowie vom Sinn und Zweck her
dahingehend zu verstehen ist, dass die frühere Vorsorgeeinrichtung die
Rückerstattung nicht erzwingen kann und auch nicht erzwingen muss. Vielmehr
besteht für sie allein die Möglichkeit, die fehlende Rückerstattung mit einer
Leistungskürzung zu sanktionieren. Diese Auffassung wird im Übrigen auch in der
Lehre vertreten (vgl. HERMANN WALSER, in: Schneider/Geiser/Gächter [Hrsg.], BVG
und FZG, 2010, N. 7 f. zu Art. 3 FZG).

5.4. Im hier zu beurteilenden Fall hat die in E. 5.3 dargelegte Rechtslage zur
Folge, dass die Beschwerdegegnerin nicht verpflichtet werden kann, von der
Winterthur Leben die Rückerstattung der an sie übertragenen Austrittsleistung
zu verlangen und diese der Versicherten wieder gutzuschreiben. Ebenso wenig
besteht damit eine Pflicht der Beschwerdegegnerin, bei Eintritt des
Vorsorgefalles "Alter" Leistungen auf der Grundlage des "ganzen"
Altersguthabens zu erbringen, wie dies die Beschwerdeführerin beantragt.
Demnach hat die Vorinstanz die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin - auf
Gutschreibung des Betrages von Fr. 54'470.90 und Ausrichtung einer Altersrente
auf dieser Grundlage (bei Eintritt des Pensionsalters), eventualiter auf
Feststellung, dass die Auszahlung von Fr. 54'470.90 an ihrem Anspruch
betreffend das Vorsorgeguthaben und am Altersrentenanspruch nichts geändert
habe - zu Recht abgewiesen. Weiterungen bezüglich des erforderlichen
Rechtsschutz- bzw. Feststellungsinteresses erübrigen sich damit.

5.5. Bei dieser Sachlage ist auch nicht zu beanstanden, dass der
Beschwerdeführerin im angefochtenen Entscheid keine Parteientschädigung - von
ihr als Schadenersatzforderung in der Höhe von Fr. 24'256.90 geltend gemacht -
zugesprochen wurde.

5.6. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es der Beschwerdeführerin
freisteht, die Austrittsleistung mit eigenen Mitteln wieder einzubringen (vgl.
E. 5.3; BGE 135 V 13 E. 3.6.3 S. 22), um die entstandene Vorsorgelücke zu
schliessen. Darüber hat sie die Beschwerdegegnerin bereits mit Schreiben vom
30. Juni 2011 informiert.
Eine weitere Möglichkeit besteht für die Beschwerdeführerin grundsätzlich
darin, die heutige AXA Leben AG auf die (Rück-) Überweisung des Altersguthabens
einzuklagen. Allein in diesem Prozess wäre die in den kantonalen
Rechtsschriften und in der letztinstanzlichen Beschwerde zentral abgehandelte
Frage zu prüfen, ob die damalige Winterthur Leben das Altersguthaben gestützt
auf die von der Beschwerdeführerin unbestrittenermassen blanko unterzeichneten
Dokumente (Vollmacht und Auszahlungsformular) am 23. Oktober 2006 zu Recht an
C.________ ausbezahlt hat. Dabei rechtfertigt sich allerdings bereits heute ein
Hinweis darauf, dass das Bundesgericht sich im Urteil 9C_141/2014 vom 26.
November 2014 mit einem ähnlich gelagerten Sachverhalt zu befassen hatte. Es
erwog, wer eine Blankovollmacht ausstelle, trage das Risiko, dass diese
abredewidrig - der damals Bevollmächtigte ergänzte eigenmächtig, dass die
Auszahlung auf ein von ihm bestimmtes Drittkonto erfolgen solle - ausgefüllt
wird. Die (damals am Recht stehende) Versicherte habe mit der Ausstellung einer
Blankovollmacht einen objektiv beachtlichen, ihr zurechenbaren Rechtsschein
gesetzt, welcher dazu geführt habe, dass die Vorsorgeeinrichtung den Dritten
für berechtigt gehalten habe, die Leistung entgegenzunehmen; sie habe darauf
vertrauen dürfen. Dementsprechend hat das Bundesgericht der damaligen
Auszahlung des Guthabens gestützt auf die erteilte Blankovollmacht befreiende
Wirkung zuerkannt (genanntes Urteil 9C_141/2014 E. 4.3 und 4.6).

6. 
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. April 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann

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