Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 828/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_828/2014 {T 0/2}     

Urteil vom 21. Oktober 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Kesselbach,
Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. September 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ war von Juni 2004 bis Juli 2008 Mitglied und Delegierter des
Verwaltungsrats der B.________ AG, über die im 2009 der Konkurs eröffnet wurde.
Im Juli 2012 wurde der Konkurs geschlossen und die Gesellschaft von Amtes wegen
gelöscht. Bereits mit Verfügung vom 25. November 2011 hatte die Ausgleichskasse
des Kantons Zürich, welcher die B.________ AG als beitragspflichtige
Arbeitgeberin angeschlossen war, A.________ als ehemaliges Mitglied des
Verwaltungsrats der konkursiten Aktiengesellschaft zur Bezahlung von
Schadenersatz für entgangene Beiträge in der Höhe von Fr. 685'440.05
verpflichtet. Auf Einsprache von A.________ hin reduzierte die Ausgleichskasse
die Schadenersatzforderung mit Entscheid vom 19. Dezember 2012 auf Fr.
161'498.77.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. September 2014 teilweise gut und hob den
Einspracheentscheid insofern auf, als A.________ zur Bezahlung von
Schadenersatz im Fr. 57'987.- übersteigenden Betrag verpflichtet wurde. Im
Übrigen wies es die Beschwerde ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei der von
der Ausgleichskasse geltend gemachte Schadenersatzanspruch abzuweisen.
Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an das Sozialversicherungsgericht
zurückzuweisen.
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet
das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Im letztinstanzlichen Verfahren streitig ist in erster Linie die Frage, ob die
vorinstanzlich zugesprochene Schadenersatzforderung den Vorbringen des
Beschwerdeführers gemäss verjährt ist; der Schadenersatzanspruch verjährt zwei
Jahre, nachdem die zuständige Ausgleichskasse vom Schaden Kenntnis erhalten
hat, jedenfalls fünf Jahre nach Eintritt des Schadens (Art. 52 Abs. 3 AHVG).

3. 

3.1. Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, der Beschwerdeführer berufe sich
bezüglich der im Einspracheentscheid genannten Teilbeträge von Fr. 19'859.85
und Fr. 38'127.15 zu Unrecht auf Verjährung. Diese die Monate November und
Dezember 2007 betreffenden Beitragsausstände seien in der Gesamtforderung von
Fr. 685'440.05 gemäss Schadenersatzverfügung vom 25. November 2011 enthalten
gewesen, auch wenn sie nicht einzeln aufgeführt waren. Im Einspracheentscheid
habe die Ausgleichskasse ihre Forderung reduziert und die einzelnen
Teilbeträge, aus denen sich die reduzierte Forderung zusammengesetzt hat,
bezeichnet. Von einer erstmaligen Geltendmachung dieser Schadenspositionen im
Einspracheentscheid könne daher nicht gesprochen werden.

3.2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche
Betrachtungsweise. Er bringt vor, aus einem Vergleich der Beitragsübersichten,
welche die Ausgleichskasse Verfügung und Einspracheentscheid beigelegt hatte,
mit der Schadenersatzverfügung vom 25. November 2011 hätte die Vorinstanz
erkennen müssen, dass sich die Verfügung wertmässig nur auf Beitragsausfälle
der Jahre 2008 und 2009 bezogen habe und solche aus dem Beitragsjahr 2007 nicht
habe enthalten können. Der von der Ausgleichskasse als massgebend erachtete
Kontoauszug vom 19. Dezember 2012 weise zusätzlich zu den erwähnten
Bruttoansprüchen der Beitragsjahre 2008 und 2009 auch die Bruttoansprüche für
November und Dezember 2007 auf. Dem gleichen Kontoauszug seien auch die
tatsächlich geschuldeten Beiträge von Fr. 22'017.50 (November 2007) sowie Fr.
40'959.75 (Dezember 2007) zu entnehmen. Aus diesen leite sich schliesslich der
Schadenersatzanspruch der Ausgleichskasse gemäss Einspracheentscheid für die
Monate November (Fr. 19'859.85) und Dezember 2007 (Fr. 38'127.15) von insgesamt
Fr. 57'987.- ab. Hätte die Vorinstanz die Beitragsübersicht von November 2011
mit den Zahlen im Kontoauszug vom 19. Dezember 2012 sorgfältig verglichen,
hätte sie festgestellt, dass die mit dem Einspracheentscheid vom 19. Dezember
2012 geltend gemachten Beitragsausstände für November und Dezember 2007 rein
rechnerisch nicht bereits in den mit Verfügung vom 25. November 2011
geforderten Fr. 685'440.05 enthalten sein konnten. Bei sorgfältigem Studium der
Akten hätte das kantonale Gericht zum Ergebnis gelangen müssen, dass es sich
bei der Schadenersatzforderung für November und Dezember 2007 um eine
zusätzliche, erst mit Einspracheentscheid vom 19. Dezember 2012 vorgebrachte
Forderung handelte, die zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Geltendmachung verjährt
war. Die Feststellung, die Beitragsausstände November und Dezember 2007 seien
bereits im verfügten Betrag von Fr. 685'440.05 enthalten gewesen, sei
offensichtlich unrichtig und damit für das Bundesgericht nicht verbindlich. Sie
werde durch die Beitragsübersicht vom 19. November 2011, welche Bestandteil der
Schadenersatzverfügung vom 25. November 2011 war, als aktenwidrig widerlegt.
Aus der Zusammenstellung gehe hervor, dass sich die Verfügung ausdrücklich auf
offene Beiträge für die Jahre 2008 und 2009 bezogen hat und der geltend
gemachte Schaden damit konkretisiert und zeitlich eingegrenzt wurde. Die
Schadenersatzverfügung müsste für den Adressaten erkennbar darlegen, für welche
behaupteten Beitragsausstände er konkret haftbar gemacht wird. Dementsprechend
müsse sie eine Übersicht über die geltend gemachten Beitragsausstände
enthalten. Andernfalls könne der Adressat die Verfügung nicht sachgerecht
anfechten. Die Schadenersatzverfügung vom 25. November 2011 sei bezüglich der
Monate November und Dezember 2007 mangelhaft gewesen. Sie habe keinen Hinweis
auf eine Schadenersatzpflicht für November und Dezember 2007 enthalten, sondern
bloss auf Beitragsausstände aus den Jahren 2008 und 2009 hingewiesen. Da
bezüglich der Monate November und Dezember 2007 keine Verjährungsunterbrechung
eingetreten ist, hätte die Vorinstanz eine Haftung des Beschwerdeführers in
Bezug auf den geltend gemachten Schadenersatzanspruch über Fr. 57'987.- infolge
Verjährung abweisen müssen. Falls die Verjährung verneint würde, entfiele die
Haftung des Beschwerdeführers mangels Vorliegens einer Pflichtverletzung.

4. 

4.1. Die Schadenersatzverfügung vom 25. November 2011 über den Betrag von Fr.
685'440.05 weist bezüglich der Zusammensetzung der Forderung auf die
Beitragsübersicht hin, die damit in masslicher Hinsicht Bestandteil der
Verfügung bildet. Die Beitragsübersicht der Ausgleichskasse datiert vom 19.
November 2011. Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, enthält sie
lediglich Beitragsausstände aus den Jahren 2008 und 2009, während für das Jahr
2007 keine Forderungen verzeichnet sind. Somit kann sich die am 25. November
2011 verfügte Schadenersatzforderung nicht auf die Monate November und Dezember
2007 beziehen. Hievon ist auszugehen, weil die Vorinstanz den rechtserheblichen
Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt hat, weshalb das
Bundesgericht nicht daran gebunden ist (E. 1 hievor).

4.2. Im Einspracheentscheid vom 19. Dezember 2012 enthielt die
Schadenersatzforderung gegen den Beschwerdeführer nunmehr ausstehende Beiträge
für November 2007 von Fr. 19'859.85 und Dezember 2007 von Fr. 38'127.15. Diese
Beträge bildeten Bestandteil der gegen den Beschwerdeführer gerichteten
Schadenersatzforderung der Ausgleichskasse, die sich gesamthaft auf noch Fr.
161'498.77 belief. Da erst und allein der Einspracheentscheid vom 19. Dezember
2012 korrekt die schuldig gebliebenen Beiträge für November und Dezember 2007
von insgesamt Fr. 57'987.- aufgeführt hat, ist die Schadenersatzforderung in
dieser Höhe verjährt: Wie die Vorinstanz unter Hinweis auf die Rechtsprechung (
BGE 131 V 425 E. 3.1 S. 427) dargelegt hat, ist Kenntnis des Schadens im Sinne
von Art. 52 Abs. 3 AHVG in der Regel von dem Zeitpunkt an gegeben, in welchem
die Ausgleichskasse unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen
muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr erlauben, die Beiträge
einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht begründen können. Massgebend
für den Beginn der zweijährigen Verjährungsfrist ist die Auflage des
Kollokationsplanes (vom 5.-29. November 2010), wie das kantonale Gericht
richtig festgehalten hat. Diese Frist war bei Erlass des Einspracheentscheides
vom 19. Dezember 2012 abgelaufen.

4.3. Ist die Schadenersatzforderung der Ausgleichskasse aber im Umfang, in dem
sie von der Vorinstanz gutgeheissen wurde, verjährt, erübrigt es sich, auf die
weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Rechtmässigkeit des
vorinstanzlichen Entscheides einzugehen.

5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Ausgleichskasse aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese hat dem
Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1
und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 30. September 2014, soweit damit die Beschwerde
abgewiesen wurde, und der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons
Zürich vom 19. Dezember 2012 werden aufgehoben.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 4'000.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. Oktober 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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