Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 814/2014
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_814/2014 {T 0/2}     

Urteil vom 30. April 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Pfiffner,
Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
Pensionskasse E.________,
vertreten durch dipl. Sozialversicherungsexpertin
Dr. Karin Goy Blesi,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Friedauer,
Beschwerdegegnerin 1

BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich,
Beschwerdegegnerin 2.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge
(Invalidenleistungen; Erhöhung Invaliditätsgrad),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 10. September 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, von Beruf Primarlehrerin, unterrichtete ab ... an der
Primarschule F.________. Im Rahmen dieser (kantonalen) Anstellung war sie bei
der Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich (heute: BVK Personalvorsorge
des Kantons Zürich; nachfolgend: BVK) berufsvorsorgeversichert. Am 23. August
2005 unterzog sie sich einem neurochirurgischen Eingriff (selektive
Amygdalo-Hippokampektomie links; Bericht Schweizerisches Epilepsie-Zentrum,
Klinische Neurophysiologie, vom 8. Juli 2008). A b dem 10. Dezember 2007 war
sie zu 40 % arbeitsunfähig geschrieben. Auf Ende 2008 wurde A.________ im
Umfang von 12 Wochenlektionen aus dem kantonalen Schuldienst entlassen, womit
die in diesem Umfang weiter bestandene kantonale Anstellung endete; die
Resterwerbsfähigkeit von rund 40 % führte zu einer kommunalen Anstellung
(Verfügung der Bildungsdirektion vom 12. November 2008). Die BVK richtete ihr
ab 1. Januar 2009 aufgrund einer Berufsunfähigkeit von 40 % eine
Berufsinvalidenrente samt Überbrückungszuschuss aus. Die IV-Stelle des Kantons
Zürich sprach ihr mit Verfügung vom 23. April 2009 aufgrund eines
Invaliditätsgrades von 41 % rückwirkend ab 1. Dezember 2008 eine Viertelsrente
der Invalidenversicherung zu.

A.b. Ab 16. August 2008 war A.________ im Rahmen eines Arbeitspensums von rund
55 % bei der Gemeinde G.________ angestellt und insoweit neu bei der
Pensionskasse E.________ berufsvorsorgeversichert. Im Januar 2009 machte sich
ein Tinnitus bemerkbar. In der Folge musste sie auch wegen zunehmend
psychischen Problemen stationär behandelt werden. Ab 30. Juni 2009 war sie
arbeitsunfähig geschrieben. Mit Verfügung vom 31. Mai 2012 erhöhte die
IV-Stelle die Viertelsrente rückwirkend zum 1. April 2010 auf eine ganze Rente.
Sowohl die BVK als auch die Pensionskasse E.________ verneinten eine
Leistungspflicht für die Erhöhung des Invaliditätsgrades (von 41 % auf 89 %).
Letztere richtete Vorschussleistungen im Rahmen des gesetzlichen Minimums aus.

B. 
Am 3. Juni 2013 erhob A.________ beim Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich Klage gegen die BVK und die Pensionskasse E.________ mit dem
hauptsächlichen Rechtsbegehren, es sei festzustellen, welche der beiden
Beklagten leistungspflichtig sei, und es seien ihr zu Lasten der als
leistungspflichtig erkannten Vorsorgeeinrichtung die gesetzlich und
reglementarisch geschuldeten Renten zuzusprechen inkl. Zins zu 5 % ab heute.
Das Gericht holte die Klageantworten ein, führte einen zweiten Schriftenwechsel
durch und zog die IV-Akten bei, wozu die Parteien Stellung nehmen konnten. Mit
Entscheid vom 10. September 2014 hiess es die Klage gegen die Pensionskasse
E.________ in dem Sinne gut, dass diese in der Hauptsache verpflichtet wurde,
der Klägerin ab 1. April 2010 auf einer vollumfänglichen Invalidität basierende
Invalidenleistungen, namentlich eine entsprechende Invalidenrente auszurichten,
wobei die bereits erbrachten Vorschussleistungen abzuziehen seien, zuzüglich
Verzugszins von 5 % für die bis zum 3. Juni 2013 geschuldeten Betreffnisse ab
diesem Datum, für die übrigen ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum. Die Klage
gegen die BVK wurde abgewiesen (Dispositiv-Ziffer 1).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
Pensionskasse E.________, der Entscheid vom 10. September 2014 sei aufzuheben
und es sei festzustellen, dass sie nicht leistungspflichtig sei, die BVK eine
ganze Berufsinvalidenrente auszurichten hatte und für die
Erwerbsinvalidenleistungen alleinig leistungspflichtig sei; eventualiter sei
die Sache zwecks Ergänzung des Sachverhalts bzw. Erstellung eines Gutachtens an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
A.________ (Beschwerdegegnerin 1) ersucht um Gutheissung der Beschwerde. Die
BVK (Beschwerdegegnerin 2) schliesst auf Abweisung des Rechtsmittels;
eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie nach
Vornahme weiterer Abklärungen über die Leistungszuständigkeit neu entscheide.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Das kantonale Berufsvorsorgegericht hat die beiden alternativ verbundenen
Klagen als zulässig erachtet, ist auf das Begehren betreffend Feststellung,
welche der beiden ins Recht gefassten Vorsorgeeinrichtungen leistungspflichtig
ist, eingetreten und hat das in quantitativer Hinsicht nicht bezifferte
Leistungsbegehren materiell beurteilt. Dagegen werden zu Recht keine Einwände
erhoben (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 35/96 vom 8. Juli 1997 E. 3).
Demzufolge ist auf die Beschwerde nur einzutreten, soweit darin sinngemäss die
Abweisung der gegen die Beschwerde führende Vorsorgeeinrichtung gerichteten
Klage beantragt wird. Darüber hinaus ist kein schutzwürdiges Interesse
ersichtlich noch wird dargelegt, worin ein solches bestehen könnte, an der
Feststellung, dass die Beschwerdegegnerin 2 eine ganze Berufsinvalidenrente
auszurichten hatte und für die Erwerbsinvalidenleistungen alleine
leistungspflichtig ist (vgl. § 19 ff. der Statuten der Versicherungskasse für
das Staatspersonal vom 22. Mai 1996   [LS 177.21]; nachfolgend: BVK-Statuten).
Insoweit ist die Beschwerde unzulässig und es ist darauf nicht einzutreten.
Die Beschwerdegegnerin 1 hat nicht selber Beschwerde erhoben. Soweit sie in
ihrer Vernehmlassung Kritik am vorinstanzlichen Entscheid übt, ist sie damit
nicht zu hören (vgl. BGE 134 III 332 E. 2.5 S. 335).

2. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Unter den zweiten Tatbestand fallen
u.a. die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die
Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes in Streitigkeiten zwischen
Vorsorgeeinrichtungen und Anspruchsberechtigten (Art. 73 Abs. 1 und 2 BVG;
Urteile 9C_126/2013 vom 13. August 2013 E. 1 und 9C_361/2011 vom       11.
November 2011 E. 6.1, in: SVR 2012 BVG Nr. 16 S. 69).

3. 
Streitgegenstand bildet die von der Vorinstanz im Grundsatz bejahte
Leistungspflicht der Beschwerdeführerin bzw. die im Gegenzug verneinte
Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin 2 (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts B 35/96 vom 8. Juli 1997 E. 3c) für die nach dem 1.
Januar 2009 bei der Beschwerdegegnerin 1 eingetretene Verschlechterung von
Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit, was zur Erhöhung des
invalidenversicherungsrechtlichen Invaliditätsgrades von 41 % auf 89 % bzw. der
Viertelsrente auf eine ganze Rente    (Art. 28 Abs. 2 IVG) ab 1. April 2010
führte.

4. 
Das kantonale Berufsvorsorgegericht hat eine Leistungspflicht der
Beschwerdegegnerin 2, bei welcher die Beschwerdegegnerin 1 bis       15. August
2008 für ein 100 %-Pensum, vom 16. August bis 31. Dezember 2008 für ein 40
%-Pensum vorsorgeversichert gewesen war, für die Erhöhung des
Invaliditätsgrades wegen Fehlens eines engen sachlichen Konnexes zum
Gesundheitsschaden, welcher der vorbestandenen Arbeitsunfähigkeit zugrunde lag,
verneint (Art. 23 lit. a BVG; vgl. BGE 123 V 262 E. 1a S. 263; 118 V 35 E. 5 S.
45; Urteil 9C_179/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 1.2 mit Hinweis; vgl. auch BGE
134 V 20 E. 3.2 S. 22). Die Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit sei nicht
durch im Wesentlichen denselben Gesundheitsschaden bedingt, der zur (ersten)
Teilinvalidisierung geführt habe (Urteile   9C_776/2011 vom 24. April 2012 E.
3.2 und 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 2.1).
Die Vorinstanz hat erwogen, aus den medizinischen Akten gehe hervor, dass bei
der Klägerin (Beschwerdegegnerin 1) bereits seit vielen Jahren erhebliche
gesundheitliche Beeinträchtigungen vorhanden seien. Dabei handle es sich sowohl
um somatische als auch um psychische Beschwerden. Zum Zeitpunkt der ersten
Teilinvalidisierung (Beginn der Viertelsrente am 1. Dezember 2008, Beginn der
Berufsinvalidenrente von 40 % am 1. Januar 2009) sei sie durch die Epilepsie
bzw. deren Auswirkungen (kognitive Störungen) in ihrer Leistungsfähigkeit
eingeschränkt gewesen. Der Rentenerhöhung sei jedoch im Wesentlichen ein
anderer medizinischer Sachverhalt zugrunde gelegen. Im Januar 2009 sei neu ein
Tinnitus aufgetreten und als Folge davon habe sich die psychische
Gesundheitsbeeinträchtigung entwickelt. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
sei davon auszugehen, dass der Tinnitus ursächlich für die psychische
Destabilisation gewesen sei. Die für die Rentenerhöhung mit Wirkung ab 1. April
2010 relevante Arbeitsunfähigkeit sei somit im Sommer 2009 eingetreten, als die
Beschwerdegegnerin 1 bei der Beschwerdegegnerin 2 berufsvorsorgeversichert
gewesen sei. Daraus ergebe sich deren Leistungspflicht hinsichtlich der infolge
der Erhöhung des Invaliditätsgrades auszurichtenden Invalidenleistungen.

5. 
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt in
verschiedenen Teilen zu wenig abgeklärt und damit den Untersuchungsgrundsatz
verletzt. Ebenfalls habe sie vorhandene Aktenstücke offensichtlich falsch
gewürdigt. Insbesondere lasse das kantonale Berufsvorsorgegericht unerwähnt,
dass die Beschwerdegegnerin 1 bereits 1998 eine längere Arbeitsunfähigkeit aus
psychischen Gründen gehabt habe, die im Gutachten von Dr. med. H.________ vom
9. April 2008 als im Zusammenhang mit der Epilepsieerkrankung stehend beurteilt
worden sei. Sodann seien verschiedene im angefochtenen Entscheid aufgeführte
ärztliche Berichte nicht verwertbar, da darin die massgebende Frage des
Zusammenhangs des Tinnitus und der psychischen Beeinträchtigung mit der
somatischen Grunderkrankung (Epilepsie und vor allem die Folgen der Operation
2005) nicht diskutiert werde. Umgekehrt würden Berichte, welche auf einen
solchen Konnex hindeuteten, bei der Beweiswürdigung ausser Acht gelassen.

6.

6.1. Der Umstand, dass nach nicht offensichtlich unrichtiger Feststellung der
Vorinstanz der 2009 aufgetretene Tinnitus ursächlich war für die psychische
Destabilisation, die zur (weiteren) Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit und
zur Erhöhung des Invaliditätsgrades führte, schliesst den engen Konnex mit dem
Gesundheitsschaden, welcher der vorbestandenen Arbeitsunfähigkeit zugrunde lag,
und damit die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin 2 nicht aus. Umgekehrt
kann dieser Zusammenhang nicht schon deshalb bejaht werden, weil und soweit
bereits vorher psychische Beschwerden bestanden hatten. (Notwendige, aber nicht
hinreichende) Bedingung hiefür ist, dass das für die Erhöhung des
Invaliditätsgrades ausschlaggebende psychische Leiden sich schon während des
bis 15. August bzw. 31. Dezember 2008 dauernden Vorsorgeverhältnisses
manifestierte und das Krankheitsgeschehen erkennbar mitprägte (Urteile 9C_484/
2012 vom       26. März 2013 E. 4.4, 9C_1035/2008 vom 18. März 2009 E. 3.3,   
9C_772/2007 vom 26. Februar 2008 E. 3.2, je mit Hinweisen).

6.2. Die Vorinstanz hat nicht offensichtlich unrichtig, im Übrigen
unwidersprochen festgestellt, dass bei der Beschwerdegegnerin 1 bereits seit
vielen Jahren erhebliche somatische und psychische Beeinträchtigungen bestehen.
Zum entscheidenden Punkt, inwiefern sich vor August 2008 auch die psychischen
Anteile manifestierten und das Krankheitsgeschehen erkennbar mitprägten, hat
sie keine Feststellungen getroffen. Aus den Akten, insbesondere aus im
angefochtenen Entscheid nicht erwähnten echtzeitlichen ärztlichen Berichten in
den IV-Akten, ergibt sich Folgendes:

6.2.1. Dr. med. H.________ hielt in ihrem ersten Gutachten vom 25. Mai 2005
fest, die Versicherte befinde sich seit Jahren in verschiedenen
Psychotherapien, um die aus Kindheit und Jugend stammenden Probleme
aufzuarbeiten. 1997/98 habe sie an ausgeprägten Stimmungsschwankungen,
depressiven Zuständen und zeitweise psychoseähnlicher Symptomatik gelitten. Sie
sei deswegen vom Vertrauensarzt der BVK, Dr. med. B.________, untersucht und
begutachtet worden. Die 2005 nach einem Autounfall festgestellte
Temporallappenepilepsie mit komplex-fokalen Ausfällen gehe typischerweise mit
den erwähnten psychischen Beschwerden einher. Rückblickend müsse daher die
psychische Instabilität der Versicherten mit grosser Wahrscheinlichkeit,
zumindest teilweise, als ein Teil der epileptischen Erkrankung betrachtet
werden. Im Bericht des Zentrums I._________, Klinische Neurophysiologie, vom 8.
Juli 2008, wo die Beschwerdegegnerin 1 seit 19. Februar 2005 in Behandlung
stand, wurde ausgeführt, wegen Temporallappenepilepsie mit komplex-fokalen
Anfällen seit dem 1. Lebensjahr sei am 23. August 2005 eine selektive
Amygdalo-Hippokampektomie links durchgeführt worden. Der Eingriff habe
durchgehende Anfallsfreiheit gebracht; die erstmals im April 2005
diagnostizierte verbale episodische Gedächtnisstörung bestehe jedoch weiterhin
und sei postoperativ allenfalls akzentuiert. Die psychischen Ressourcen, d.h.
Konzentrationsvermögen, Anpassungsfähigkeit und Belastbarkeit, seien im Rahmen
und als Folge der deutlichen, neuropsychologisch objektivierbaren
Gedächtnisdefizite eingeschränkt.
Dr. med. B.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, hielt in seinem
Gutachten vom 20. März 1998 fest, die Versicherte leide (anscheinend) an einer
gestörten Persönlichkeit mit schizoiden, emotional instabilen und ängstlichen
Zügen. Aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung habe sie einen psychosenahen
Zustand mit extremer Ambivalenz und mit zwangshaften Fragen durchgemacht,
welcher noch nicht völlig abgeklungen sei. Bei der Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit von Lehrpersonen sei nicht allein deren Gesundheit, sondern
auch die Auswirkung der Krankheit auf die Schüler, welche einem derartigen
Geschehen namentlich im Unterstufenalter ratlos gegenüberstehen würden, zu
bedenken. Zwar sei offenbar eine deutliche Besserung eingetreten, es bestehe
aber noch eine grosse Rückfallgefahr. Der Zustand müsste über Monate stabil
bleiben, bevor die Versicherte einer Klasse zugemutet werden könnte. Daher sei
die (Berufs-) Invalidität als dauernd zu betrachten und eine Nachuntersuchung
in einem Jahr zu empfehlen. Im ergänzenden Bericht vom 8. Mai 1998 führte Dr.
med. B.________ aus, die Versicherte habe auf eine äusserst unangemessene Weise
reagiert, als er ihr mitgeteilt habe, von Seiten der Schulpflege bestehe keine
Bereitschaft, sie vor den Sommerferien wieder zu beschäftigen und auch dann
nicht im bisherigen, sondern in einem anderen Schulhaus. Danach sei ein
vernünftiges Gespräch eine Weile nicht mehr möglich gewesen. Bedenken habe
namentlich ihre Bemerkung gemacht, wenn sie nicht Schule geben könne, werde sie
erst recht krank. Die auch von einem der beiden behandelnden Ärzte berichtete
unbedingte Art, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um wieder unterrichten zu
können, was sich auch in Telefonaten an ihn ausgedrückt habe, im Sinne einer
überwertigen Idee, keine andere Möglichkeit als Unterricht für sich zu sehen,
sei nach seiner Erfahrung ein Zeichen dafür, dass die Krankheit noch weiter
bestehe.

6.2.2. Das Vorstehende wird durch später erstellte ärztliche Berichte
bestätigt. Im Bericht der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik C.________ vom
28. Januar 2010 wurde die Verdachtsdiagnose einer emotional instabilen
Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typ (ICD-10 F60.31) gestellt. Dr. med.
D.________, Kinder- und Jugendpsychiatrie FMH, diagnostizierte in ihrem Bericht
vom 25. Mai 2010 eine solche Störung. Im Bericht der Klinik J.________ vom 7.
Juni 2010 wurde ausgeführt, der Aufenthalt habe die massiven, als Folge der
organischen Störung entstandenen Persönlichkeitsveränderungen gezeigt.
Charakteristisch seien die veränderte emotionale Reagibilität in Form einer
Affektverflachung sowie eine Antriebsminderung und eine Einschränkung im
Durchhaltevermögen hinsichtlich zielgerichteter Aktivitäten. Dabei wurde der
Tinnitus unter den Diagnosen ohne Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
aufgeführt.
Im Rahmen der verschiedenen stationären Behandlungen 2009 und 2010 sodann hatte
die Beschwerdegegnerin 1 angegeben, es sei im Sommer 2008 beruflich zu einem
Wechsel von ihrer Tätigkeit als Klassenlehrerin zu einer normalen Lehrtätigkeit
gekommen, was sie als Rückstufung und Kränkung empfunden habe (Bericht
Medizinisch-Psychosomatische Klinik C.________ vom 28. Januar 2010. Sie habe
sich seit der Operation 2005 psychisch verändert; sie habe sich zunehmend
zurückgezogen; sie habe durch den Eingriff eine Einschränkung des verbalen
Gedächtnisses und somit der beruflichen Leistungsfähigkeit bemerkt; sie sei
zunehmend verzweifelter geworden, auch wegen Kränkungen am Arbeitsplatz
(Bericht Psychiatrische Universitätsklinik L._________ vom 5. Oktober 2010).
Wie schon im kantonalen Verfahren bringt die Beschwerdeführerin weiter vor, die
Beschwerdegegnerin 1 sei gegen ihren Willen ab       10. Dezember 2007 zu 40 %
arbeitsunfähig geschrieben worden. Sie habe sich mit allen Mitteln an das
Unterrichten geklammert, weil sie Angst gehabt habe zu vereinsamen. Trotz der
Reduktion des Arbeitspensums sei sie immer weniger fähig gewesen, noch
Klassenunterricht zu erteilen. Schliesslich sei entschieden worden, dass sie
(auch aus Rücksicht auf die Schulkinder) als Klassenlehrerin nicht mehr tragbar
sei und nicht mehr weiter unterrichten könne. Die Gemeinde sei sich ihrer
schwierigen Lage bewusst gewesen und habe sich anerboten, sie aus sozialen
Überlegungen ab August 2008 in Kleingruppen unterrichten zu lassen. Es habe
sich indessen um Fächer (musisches Gestalten und Deutsch als Zusatzsprache)
gehandelt, die nicht zum Fächerkanon der kantonalen Anstellung gehört hätten.
Sie sei daher kommunal angestellt worden. Diese Vorbringen sind unwidersprochen
geblieben.

6.3. Die vorstehenden Darlegungen ergeben in dem Sinne ein stimmiges Bild, dass
bereits vor dem Auftreten des Tinnitus Anfang 2009 im Rahmen der
neurophysiologischen und -psychologischen Störung psychische Beschwerden
bestanden, welche sich nach Lage der Akten ein erstes Mal 1998 klar und
deutlich manifestiert hatten, als ein erstes Mal ihr Status als Klassenlehrerin
ernsthaft zur Diskussion stand. Bereits damals war von einer schwierigen
Persönlichkeit bzw. einer Persönlichkeitsstörung die Rede. Gemäss ICD-10-GM
(German Modification) -2015 sind spezifische u.a. emotional instabile
Persönlichkeitsstörungen nach F60.3- tief verwurzelte, anhaltende
Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche
persönliche und soziale Lebenslagen zeigen. Sodann war die verbale episodische
Gedächtnisstörung mit der erstmaligen Diagnosestellung im April 2005 gleichsam
offiziell und insofern nicht mehr geheim zu halten. Spätestens seit Dezember
2007 bzw. mit dem Verlust der Stellung als Klassenlehrerin auf das neue
Schuljahr und der Zuteilung von Fächern, die per 31. Dezember 2008 zur
Beendigung der kantonalen Anstellung führten, ist davon auszugehen, dass das
psychische Leiden das Krankheitsgeschehen ohne wesentliche Unterbrechung
mitgeprägt hatte. In diesem Zeitpunkt war die Beschwerdegegnerin 1 bei der
Beschwerdegegnerin 2 berufsvorsorgeversichert, welche daher für die Erhöhung
des Invaliditätsgrades von 41 % auf 89 % ab 1. April 2010 leistungspflichtig
ist. Die Klage gegen die Beschwerdeführerin ist unbegründet und daher
abzuweisen. Die Beschwerdegegnerin 2 wird die geschuldeten Leistungen
entsprechend dem Begehren der Beschwerdegegnerin 1 nachvollziehbar festsetzen
(vgl. BGE 129 V 450 E. 4 S. 454).

7. 
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdegegnerin 2 kostenpflichtig   (Art. 66 Abs. 1
BGG). Die Beschwerdegegnerin 1 hat Anspruch auf eine reduzierte
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführerin steht keine
Parteientschädigung zu (Art. 68          Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 10. September 2014 wird
aufgehoben. Die Klage gegen die Beschwerdegegnerin 2 wird im Sinne der Erwägung
6.3 gutgeheissen, diejenige gegen die Beschwerdeführerin abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin 2 auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin 2 hat die Beschwerdegegnerin 1 für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 800.- zu entschädigen.

4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat die Parteientschädigung
für das vorangegangene Verfahren (Dispositiv-Ziffer 4 des Entscheids vom 10.
September 2014) neu festzusetzen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. April 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben