Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 806/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_806/2014

Urteil vom 13. Januar 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Bachmann,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 18.
September 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________ meldete sich im März 2012 (ein zweites Mal) bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Zug klärte die
gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse ab (u.a. Expertise des Zentrums
B.________ vom 17. Oktober 2013). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren
verneinte sie den Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung (Verfügung
vom 10. Februar 2014).

B. 
Die Beschwerde von A.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug nach
einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ab (Entscheid vom 18. September
2014).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
der Entscheid vom 18. September 2014 sei aufzuheben und ihr ab dem frühest
möglichen Zeitpunkt eine angemessene Invalidenrente zuzusprechen.
A.________ hat mehrere nach Erlass des Entscheids vom 18. September 2014
erstellte Berichte u.a. des Spitals C.________, Medizinische Klinik,
eingereicht.

Erwägungen:

1. 
Die von Amtes wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen (Art. 29 Abs. 1
BGG; BGE 139 III 133 E. 1 S. 133; 139 V 42 E. 1 S. 44) sind erfüllt und geben
im Übrigen zu keinen Bemerkungen Anlass.

2.

2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und
Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der
Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher
darzulegen ist (Urteil 9C_61/2014 vom 23. Juli 2014 E. 2.3 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin hat mehrere nach Erlass des angefochtenen Entscheids
erstellte ärztliche Berichte ins Recht gelegt. Diese Dokumente haben aufgrund
des Novenverbots (Art. 99 Abs. 1 BGG) sowie der Bindung des Bundesgerichts an
den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG) und der
Beschränkung der Prüfung in tatsächlicher Hinsicht auf die in Art. 97 Abs. 1
und Art. 105 Abs. 2 BGG festgelegten Beschwerdegründe grundsätzlich unbeachtet
zu bleiben (Urteile 9C_775/2013 vom 13. Dezember 2013 E. 2 und 2C_ 487/2013 vom
5. September 2013 E. 2.5.5).

2.2. Eine Partei, die vor Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens einen
Grund entdeckt, der ihres Erachtens die Revision des angefochtenen Entscheides
begründet, hat ein entsprechendes Gesuch bei der Vorinstanz zu stellen. Ebenso
hat sie um Sistierung des Verfahrens bis zum Revisionsentscheid zu ersuchen.
Urteilt das Bundesgericht vorher materiell über die Beschwerde, ist eine
Revision des vorinstanzlichen Entscheids ausgeschlossen (Art. 125 BGG; BGE 138
II 386 E. 6 und 7 S. 389 ff.).
Gemäss dem Bericht des Spitals C.________, Medizinische Klinik, vom 18.
Dezember 2014 leidet die Beschwerdeführerin an einer fortgeschrittenen
Peritonealkarzinose, differentialdiagnostisch am ehesten bei metastasiertem
pankreatobiliärem Karzinom, u.a. bei hochgradigem Verdacht auf
Cholangiokarzinom. Diese Diagnosen sind neu, insbesondere nicht im Gutachten
des Zentrums B.________ vom 17. Oktober 2013 enthalten. Es kann offenbleiben,
ob es sich dabei um neue Tatsachen im Sinne von Art. 61 lit. i ATSG handelt,
die eine Revision des angefochtenen Entscheids begründen können (vgl. dazu
Urteil 8C_152/ 2012 vom 3. August 2012 E. 5 mit Hinweisen). Die Frage wäre
zuerst von der Vorinstanz zu beantworten (gewesen), was ein entsprechendes
Gesuch vor Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens erfordert hätte. Die
Beschwerdeführerin macht nicht geltend, ein solches Begehren gestellt zu haben.
Damit fällt eine Berücksichtigung der neu eingereichten ärztlichen Berichte
auch unter revisionsrechtlichem Blickwinkel ausser Betracht.

3.

3.1. Die Vorinstanz ist in Würdigung der Akten zum Ergebnis gelangt, abgesehen
von einer nicht ins Gewicht fallenden Beeinträchtigung aufgrund des Colon
irritabile bestehe lediglich im Zusammenhang mit der vom psychiatrischen
Gutachter des Zentrums B.________ diagnostizierten anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung bzw. dissoziativen Störung eine Arbeitsunfähigkeit von 50 %. Die
Beschwerden seien jedoch mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar. Es
fehle somit an einem invalidisierenden Gesundheitsschaden, was den Anspruch auf
eine Rente und auch auf Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art ausschliesse.
Die Beschwerdeführerin bestreitet in erster Linie den Beweiswert der Expertise
des Zentrums B.________ vom 17. Oktober 2013. U.a. bemängelt sie, dass weder
ein Gastroenterologe noch ein Hämatologe daran mitgewirkt hätten. Weiter sei
die sogenannte Überwindbarkeitsrechtsprechung (gemäss BGE 130 V 352 und
seitherige Urteile) in ihrem Fall nicht anwendbar.

3.2. Die Vorinstanz hat zu allen bereits im kantonalen Verfahren vorgetragenen
Kritikpunkten Stellung genommen und dargelegt, weshalb sie den Beweiswert des
Administrativgutachtens nicht entscheidend zu mindern vermögen. Dabei hat sie
insbesondere auf die Berichte des Universitätsspitals D.________, vom 26.
Oktober 2011 und des Spitals E.________ vom 20. November 2012 hingewiesen, auf
welche die Experten Rückgriff genommen hätten. Daraus ergebe sich keine
relevante Arbeitsunfähigkeit. Die Ärzte des Universitätsspitals D.________
seien aufgrund der Untersuchungsbefunde zum Schluss gekommen, die Beschwerden
würden am ehesten zu einem Reizdarmsyndrom und/oder zu einem
Fibromyalgiesyndrom passen, "dass dafür eben gerade keine Erklärung aus
gastroenterologischer Sicht gefunden werden konnte". Die Akten enthielten keine
Hinweise, dass sich diesbezüglich seither etwas verändert haben könnte. Diesen
Erwägungen hält die Beschwerdeführerin im Wesentlichen die in diesem Verfahren
eingereichten ärztlichen Berichte entgegen, welche jedoch ausser Acht zu
bleiben haben (vorne E. 2). Im Übrigen vermag sie ihr Vorbringen, es hätten
bereits im Zeitpunkt der Verfügung vom 10. Februar 2014 aktenkundige Hinweise
auf eine Karzinomerkrankung bestanden, welche im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG) entsprechende
Abklärungen hätten veranlassen müssen, nicht hinreichend zu substanziieren. Die
übrigen, das Tatsachenfundament des angefochtenen Entscheids betreffenden
Rügen, soweit nicht appellatorischer Natur, vermögen die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung nicht als offensichtlich unrichtig
(unhaltbar, willkürlich; BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356) erscheinen zu lassen.

3.3. Im Weitern bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass
Arbeitsunfähigkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff des formellen Gesetzes (Art.
6 ATSG) ist. Dessen allgemeine Konkretisierung fällt dem Bundesgericht zu,
während seine praktische Handhabung im Einzelfall der rechtsanwendenden Stelle
obliegt, die den durch Gesetz und Rechtsprechung gezogenen normativen Rahmen zu
berücksichtigen hat (BGE 140 V 193 E. 3.1 S. 195). Das gilt insbesondere bei
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Grundlage (vgl. Urteil I 70/07 vom 14. April 2008 E. 5,
wo dieser Begriff erstmals verwendet wurde). Solchen Beschwerden ist eigen,
dass mittels klinischer Untersuchungen weder Pathologie noch Ätiologie
erklärbar sind (BGE 139 V 547 E. 7 S. 560 ff.). Sie vermögen daher aus
rechtlicher Sicht für sich allein den Nachweis einer gesundheitlichen
Einschränkung mangels Objektivierbarkeit nicht zu erbringen (BGE 139 V 547 E.
8.2 S. 564). Soweit die Beschwerdeführerin die psychiatrischen Diagnosen im
Administrativgutachten in Frage stellt oder eine seitherige Verschlechterung
des psychischen Gesundheitszustandes geltend macht, erschöpfen sich ihre
Vorbringen in unzulässiger appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid.
Sodann bestreitet sie die Feststellung der Vorinstanz nicht bzw. vermag sie
diesbezüglich keine offensichtliche Unrichtigkeit darzutun, dass allfällige
Beschwerden mit nachweisbarer organischer Grundlage ohne Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit sind. Unter diesen Umständen steht der Anwendung der
Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 nichts entgegen (vgl. auch Urteil 9C_1040/
2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.3, in: SVR 2012 IV Nr. 1 S. 1).

Die Beschwerde ist unbegründet.

4. 
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. Januar 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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