Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 757/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_757/2014

Urteil vom 23. Dezember 2014

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Figi,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 10. September 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach A.________ mit Verfügung vom 23.
Februar 2012 eine halbe Rente von August bis Dezember 2003 (IV-Grad: 66 %) und
eine Dreiviertelsrente von Februar 2005 bis Dezember 2006 zu (IV-Grad:
weiterhin 66 %). Für die Zeit ab Januar 2007 verneinte sie einen Rentenanspruch
(IV-Grad von 34 %). Mit Entscheid vom 30. September 2013 hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich eine Beschwerde der A.________
gegen die Verfügung vom 23. Februar 2012 teilweise gut und änderte diese
insoweit ab, als es A.________ von August bis Dezember 2003 eine ganze Rente
zusprach. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Die Gerichtskosten von Fr.
900.- auferlegte es zu vier Fünfteln A.________, zu einem Fünftel der
IV-Stelle. Ausserdem verpflichtete das Gericht die IV-Stelle, A.________ eine
ermessensweise festgesetzte Prozessentschädigung von Fr. 800.- (inklusive
Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen, entsprechend einem Fünftel jener
Entschädigung, die sie bei vollständigem Obsiegen erhielte.

B. 
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Entscheides,
soweit darin ein Anspruch auf mindestens eine Viertelsrente ab Januar 2007
verneint werde. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde mit Urteil 9C_864/2013
vom 9. Juli 2014 gut. Es hob den vorinstanzlichen Entscheid vom 30. September
2013 und die Verfügung der IV-Stelle vom 23. Februar 2012 auf, soweit diese
einen Rentenanspruch verneinten und stellte fest, dass A.________ ab 1. Januar
2007 Anspruch auf eine Viertelsrente hat. Die Sache wurde zur Neuverlegung der
Kosten und der Parteientschädigung für das kantonale Beschwerdeverfahren an das
kantonale Sozialversicherungsgericht zurückgewiesen.

C. 
Das kantonale Gericht beschloss am 10. September 2014, die IV-Stelle habe die
Gerichtskosten (Fr. 900.-) zu tragen und A.________ eine Prozessentschädigung
von Fr. 4'000.- zu bezahlen.

D. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
IV-Stelle die angemessene Kürzung der zugesprochenen Entschädigung. In
verfahrensrechtlicher Hinsicht sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu
erteilen.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen.

Erwägungen:

1. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzliche Bemessung der
Parteientschädigung Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG).

1.1. Das kantonale Gericht erwog, es habe im Entscheid vom 30. September 2013
die Prozessentschädigung der Versicherten auf einen Fünftel jener Entschädigung
bemessen, die sie bei vollständigem Obsiegen erhalten hätte, und ermessensweise
auf Fr. 800.- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzt. Da die
Versicherte nunmehr vollständig obsiege, sei ihr neu eine Entschädigung von
insgesamt Fr. 4'000.- zuzusprechen.

1.2. Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt, es sei mit Blick auf den nicht
überdurchschnittlich komplexen Sachverhalt und die nicht besonders umfangreiche
Rechtsschrift nicht nachvollziehbar und ermessensmissbräuchlich, dass die
Vorinstanz eine solch hohe Prozessentschädigung zugesprochen habe. Der
Rechtsvertreter habe die Versicherte bereits im Einwandverfahren vertreten und
somit den Fall gekannt. Zumindest hätte das kantonale Gericht die hohe
Entschädigung begründen müssen, was sie in Verletzung des Gehörsanspruchs nicht
getan habe. Da eine Rückweisung zur Begründung nicht prozessökonomisch wäre,
werde eine angemessene Kürzung der Entschädigung durch das Bundesgericht
beantragt.

1.3. Die Beschwerdegegnerin stellt sich auf den Standpunkt, die vorinstanzliche
Begründung der Entschädigungshöhe sei "absolut nachvollziehbar und
überzeugend".

2.

2.1. Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der
Parteikosten. Die Höhe der Parteientschädigung für das Verfahren vor dem
kantonalen Versicherungsgericht richtet sich in den Schranken des Bundesrechts
(Art. 61 lit. g ATSG) nach kantonalem Recht, dessen Anwendung vom Bundesgericht
nur auf Willkür hin überprüft wird. Eine Entschädigung ist willkürlich, wenn
sie eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz
offensichtlich schwer verletzt, sich mit sachlichen Gründen schlechthin nicht
vertreten lässt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft (SVR 2002 ALV Nr. 3 S. 6 E. 4a [C 130/99]; vgl. auch BGE 129 I 8
E. 2.1 S. 9 und BGE 125 V 408 E. 3a S. 409, je mit Hinweisen).
Dem erstinstanzlichen Gericht ist bei der Bemessung der Entschädigung
praxisgemäss ein weiter Ermessensspielraumeinzuräumen (vgl. die Zusammenfassung
der Rechtsprechung in SVR 2000 IV Nr. 11 S. 31 E. 2b [I 308/98]; Urteil 8C_514/
2010 vom 21. Juli 2010 E. 4.3). Es hat dem Mass des Obsiegens und dem (Zeit-)
Aufwand der Parteivertretung Rechnung zu tragen (vgl. auch § 34 Abs. 3 des
Gesetzes vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich [GSVG; LS 212.81]; § 7 Abs. 2 der Verordnung vom 12. April 2011 über die
Gebühren, Kosten und Entschädigungen vor dem Sozialversicherungsgericht [GebV
SVGer; LS 212.812]; Georg Wilhelm, in: Zünd/Pfiffner Rauber [Hrsg.], Kommentar
zum Gesetz über das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, 2. Aufl.
2009, S. 339 N. 8 zu § 34).

2.2. Nach der Rechtsprechung muss der Entscheid über die zu entrichtende
Parteientschädigung in der Regel nicht begründet werden. Um überhaupt eine
sachgerechte Anfechtung zu ermöglichen (vgl. hiezu BGE 124 V 180 E. 1a S. 181
mit Hinweisen), wird eine Begründungspflicht jedoch angenommen, wenn sich das
Gericht nicht an vorgegebene Tarife oder gesetzliche Regelungen hält oder
sofern von einer Partei aussergewöhnliche Umstände geltend gemacht werden (BGE
111 Ia 1; ZAK 1986 S. 133, I 343/85 E. 2a) oder schliesslich, wenn das Gericht
den Rechtsvertreter zur Einreichung einer Kostennote auffordert und die
Parteientschädigung abweichend von der Kostennote auf einen bestimmten, nicht
der üblichen, praxisgemäss gewährten Entschädigung entsprechenden Betrag
festsetzt (Urteil U 181/94 vom 23. März 1995 E. 1b).

3.

3.1. Im kantonalen Beschwerdeverfahren wurde ein doppelter Schriftenwechsel
durchgeführt, in dessen Rahmen die Versicherte eine Beschwerdeschrift im Umfang
von 13 Seiten einreichte (wobei rund sieben Seiten auf die materielle
Begründung entfielen) und eine Replik von total 5,5 Seiten. Das kantonale
Gericht forderte den Rechtsanwalt nicht zur Einreichung einer Kostennote auf.
Dazu ist es auch nicht verpflichtet (Urteil 8C_262/2014 vom 3. Juli 2014 E. 4.2
mit Hinweis). Nach der Rechtsprechung kann die Parteientschädigung für das
Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht willkürfrei innerhalb einer
Bandbreite von Fr. 160.- bis Fr. 320.- pro Stunde (einschliesslich
Mehrwertsteuer) festgelegt werden (SVR 2002 AlV Nr. 3 S. 5 E. 4c). Bei einer
Streitsache mit nicht hohem Schwierigkeitsgrad gelangt für Rechtsanwälte
üblicherweise ein Stundenansatz von Fr. 200.- zur Anwendung (Wilhelm, a.a.O.,
S. 341 N. 11 zu § 34; Urteil 9C_511/2014 vom 26. September 2014 E. 4.3.1).

3.2. Materiell-rechtlich war der Rentenanspruch der Versicherten umstritten.
Die Rechtsfragen, die sich stellten, können nicht als besonders schwierig oder
komplex bezeichnet werden. Es ging im Wesentlichen um die prozentuale
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit und die Höhe der Vergleichseinkommen.
Weshalb eine Entschädigung von Fr. 4'000.- gerechtfertigt sein soll, welche
beim gerichtsüblichen Stundenansatz von Fr. 200.- (E. 3.1 hievor) einem Aufwand
von 20 Stunden entspricht, begründete das kantonale Gericht lediglich mit der
Aufrechnung der ursprünglich zugesprochenen Entschädigung von Fr. 800.- auf ein
volles Obsiegen. Die Honorierung mit Fr. 4'000.- ist indes mit Blick auf die
Kriterien von Art. 61 lit. g ATSG massiv zu hoch. Es kann höchstens von einem
durchschnittlichen Aufwand ausgegangen werden, zumal sich die Ausführungen in
der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift - mit Ausnahme der wenige Zeilen
umfassenden Begründung des geltend gemachten Anspruchs auf eine
Dreiviertelsrente vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2005 - weitestgehend in der
Wiederholung des bereits in der ergänzten Einsprachebegründung vom 4. März 2010
Vorgebrachten erschöpften. Auch die rund 2 ½ Seiten umfassende Begründung in
der Replikschrift dürfte keinen überdurchschnittlichen Zeitaufwand verursacht
haben. Im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen (statt vieler: Entscheide des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich IV.2012.00426 vom 30. Juni 2014
und IV.2012.00764 vom 16. Juni 2014; Urteil 9C_995/2012 vom 17. Januar 2013)
kann zwanglos gesagt werden, die Entschädigung liege ausserhalb jedes
vernünftigen Verhältnisses zu den mit Blick auf den konkreten Fall notwendigen
Bemühungen der Rechtsvertretung (vgl. Urteil 9C_511/2014 vom 26. September 2014
E. 4.2.2). Der angefochtene Entscheid ist in Gutheissung der Beschwerde
aufzuheben.

3.3. Aus prozessökonomischen Gründen ist die Parteientschädigung für das
vorinstanzliche Verfahren direkt neu festzusetzen (Art. 107 Abs. 1 BGG; vgl.
Urteile 2C_960/2013 vom 28. Oktober 2014 E. 4.9.2 und 8C_212/2012 vom 10.
Oktober 2012). Mit Blick auf ähnlich gelagerte Fälle (vgl. die Nachweise in E.
3.2 hievor) ist eine Entschädigung von Fr. 2'200.- gerechtfertigt.

4. 
Mit dem sofortigen Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende
Wirkung gegenstandslos.

5. 
Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 10. September 2014 wird aufgehoben. Es wird
festgestellt, dass der Beschwerdegegnerin für das kantonale Verfahren eine
Parteientschädigung von Fr. 2'200.- zusteht.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 700.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Dezember 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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