Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 735/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_735/2014 {T 0/2}     

Urteil vom 10. März 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Horschik,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 30. Juni 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1965 geborene A.________ arbeitete seit September 2002 in einem
20-%-Pensum als Reinigungsmitarbeiterin. Nach der Kündigung meldete sie sich am
25. Juni 2004 unter Hinweis auf eine komplexe posttraumatische
Belastungsstörung (Panikattacken, Depressionen, Schlafstörungen,
Atemschwierigkeiten, Verspannungen) bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihr mit Verfügungen
vom 23. Juni 2005 ab 1. Juli 2003 eine Viertels- und ab 1. Oktober 2003 eine
ganze Invalidenrente zu.

A.b. Im Zuge einer im Jahre 2007 eingeleiteten Revision bestätigte die
IV-Stelle am 22. Juni 2007 den Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.

A.c. Mit Verfügung vom 16. Juni 2011 setzte die IV-Stelle den Anspruch auf eine
Dreiviertelsrente herab. A.________ erhob dagegen beim
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde, zog sie aber am 1.
November 2011 zurück.

A.d. Mit Vorbescheid vom 23. Februar 2012 und Verfügung vom 29. August 2012
setzte die IV-Stelle die Dreiviertels- auf das Ende des der Zustellung der
Verfügung folgenden Monats auf eine halbe Rente herab.

B. 
Die von A.________ eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. Juni 2014 gut. Es stellte fest, dass
die Versicherte weiterhin Anspruch auf eine Dreiviertelsrente hat.

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie
beantragt, die Verfügung vom 29. August 2012 sei zu bestätigen und der
kantonale Entscheid aufzuheben. Es sei festzustellen, dass die Herabsetzung auf
eine halbe Rente zu Recht erfolgt sei. Ferner sei der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Die Vorinstanz beantragt die Gutheissung der Beschwerde, weil im angefochtenen
Entscheid aus Versehen ein zu hohes Validenein-kommen berücksichtigt worden
sei. A.________ stellt den Antrag auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Es sei festzustellen, dass sie weiterhin mindestens Anspruch
auf eine Dreiviertelsrente habe. Das Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Das
Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist die Festsetzung des Valideneinkommens im Hinblick
auf eine allfällige revisionsweise Herabsetzung des Rentenanspruchs. Das
kantonale Gericht hat die einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt
(Art. 16 und 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28 und 31 IVG).

3. 
Es ist - auch von der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin - unbestritten,
dass in der Einkommensvergleichsberechnung - so wie von der Vorinstanz
vorgenommen - infolge eines Ablesefehlers der Tabellenlöhne der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik ein zu hoher
Monatslohn als Valideneinkommen berücksichtigt worden ist (Fr. 5'502.- anstatt
Fr. 5'202.-). Bei Berücksichtigung des Valideneinkommens von Fr. 5'202.-
resultiert ein Invaliditätsgrad von 58 %, sodass die von der Beschwerdeführerin
verfügte Herabsetzung auf eine halbe Rente im Prinzip nicht zu beanstanden ist.

4. 
Die Beschwerdegegnerin macht indes geltend, es sei ein bedeutend höheres
Valideneinkommen als ein solches von Fr. 5'202.- im Monat zu berücksichtigen.
Gemäss dem Urteil 9C_189/2008 vom 19. August 2008 E. 4.2 sei für das
Valideneinkommen nicht der Lohn ausschlaggebend, den die Versicherte heute bei
früheren Arbeitgebern verdienen würde, sondern das Einkommen, das sie heute
erzielen würde, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Sie würde demnach analog
dem Einkommen bei der B.________ bei voller Gesundheit in einem Vollpensum
mindestens ein Einkommen von Fr. 81'326.- erzielen (40-%-Anstellung vom 1.
September 2009 bis 30. April 2011). Dieser Lohn sei als Valideneinkommen
beizuziehen. Zumindest müsse aber das im Anschluss daran für die Tätigkeit in
der C.________ AG (40-%-Anstellung vom 15. August 2011 bis Anfangs 2013)
erzielte Einkommen herangezogen werden. Werde so von einem Valideneinkommen von
Fr. 70'200.- ausgegangen und wie von der Vorinstanz ein Invalideneinkommen von
Fr. 27'615.- berücksichtigt, ergebe sich ein Invaliditätsgrad von 61 %. Dies
begründe weiterhin den Anspruch auf eine Dreiviertelsrente.

5.

5.1. Soweit es bei der Invaliditätsbemessung um die Frage geht, welche Löhne an
einer bestimmten Stelle bezahlt werden oder erreicht werden können, handelt es
sich um Feststellungen tatsächlicher Natur, die letztinstanzlicher Korrektur
nur unter den Voraussetzungen von Art. 97 Abs. 1 BGG zugänglich sind. Hingegen
ist die Frage, welche hypothetischen Erwerbseinkommen im Rahmen des
Einkommensvergleichs nach Art. 16 ATSG miteinander in Beziehung zu setzen sind,
eine Rechtsfrage, welche vom Bundesgericht frei zu prüfen ist, dies analog zur
Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind und welches die massgebende Tabelle ist
(BGE 134 V 322 E. 5.2 S. 327 f.; 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 9C_189/2008
vom 19. August 2008 E. 4.1).

5.2. Das in der Beschwerdeantwort angerufene Bundesgerichtsurteil 9C_189/2008
vom 19. August 2008 betraf primär einen anders gelagerten Fall, in dem ein
Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage war, ein geleistetes
100-%-Pensum mit einem vollen Valideneinkommen zu entlöhnen. Bei den von der
Beschwerdegegnerin (für das Valideneinkommen) geltend gemachten
Vergleichseinkommen der B.________ oder der C.________ AG handelt es sich um
Einkommen, die nur während einer relativ kurzen Zeit von jeweils rund
eineinhalb Jahren und mit einem längeren dazwischen liegenden Unterbruch
erzielt wurden, so dass nicht gesagt werden kann, es seien besonders stabile
Arbeitsverhältnisse gegeben gewesen (BGE 129 V 472 E. 4.2.1). Hier
rechtfertigte es sich deshalb, für den Einkommensvergleich den massgeblichen
Tabellenlohn beizuziehen. Ein leidensbedingter Abzug vom Invalideneinkommen
rechtfertigt sich nicht, da die Voraussetzungen dafür, auch hinsichtlich des
Alters, nicht erfüllt sind.

6. 
Der Einkommensvergleich der Vorinstanz wurde infolge des Ablesefehlers
verfälscht, weshalb ein falsches Ergebnis resultierte. Die Beschwerde ist somit
gutzuheissen. Der im Ergebnis korrekte Entscheid der Beschwerdeführerin vom 29.
August 2012 ist zu bestätigen.

7. 
Die Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG
erledigt. Gleichzeitig erweist sich das Gesuch um aufschiebende Wirkung als
obsolet.

8. 
In Anwendung von Art. 66 Abs. 2 BGG wird auf die Erhebung von Gerichtskosten
verzichtet. Da die Beschwerdegegnerin nicht im Sinne von Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG obsiegt, hat sie keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 30. Juni 2014 wird aufgehoben und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons Zürich vom 29. August 2012 bestätigt.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. März 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Schmutz

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