Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 725/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_725/2014

Urteil vom 17. März 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Wyss,
Beschwerdeführer,

gegen

Bâloise-Sammelstiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge, c/o Basler
Leben AG,vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schmid, und Dr. Marc Hürzeler,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 7. Juli 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der am 25. April 1951 geborene A.________ war bei der Bâloise-Sammelstiftung
für die obligatorische berufliche Vorsorge (nachfolgend: Sammelstiftung)
versichert, als ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 14. März
2012 eine ganze Rente der Invalidenversicherung ab 1. April 2012 zusprach. Am
18. Mai 2012 teilte der Versicherte der Sammelstiftung mit, dass er einen
Viertel seines Altersguthabens in Kapitalform beziehen wolle; dem widersetzte
sich die Sammelstiftung. Am 10. Oktober 2012 bekräftigte er seinen Wunsch nach
teilweiser Kapitalabfindung "bei Erreichen des Pensionsalters", was die
Sammelstiftung wiederum ablehnte. Mit Schreiben vom 5. April 2013 anerkannte
sie indessen einen Anspruch auf eine reglementarische Invalidenrente auf der
Basis eines Invaliditätsgrades von 100 % ab 25. Februar 2013.

B. 
Mit Klage vom 23. Dezember 2013 liess A.________ beantragen, die Sammelstiftung
sei zu verpflichten, ihm einen Viertel des reglementarischen Altersguthabens,
eventuell des Altersguthabens gestützt auf das BVG, als einmalige
Kapitalabfindung auszurichten und Zins von 5 % des geschuldeten Kapitals ab
Fälligkeit zu bezahlen.

Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die Klage mit
Entscheid vom 7. Juli 2014 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ um
Aufhebung des Entscheids vom 7. Juli 2014 ersuchen und die vorinstanzlichen
Anträge erneuern.

Die Sammelstiftung lässt beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf
eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen werden in der Regel als
Rente ausgerichtet (Art. 37 Abs. 1 BVG). Der Versicherte kann verlangen, dass
ihm ein Viertel seines Altersguthabens, das für die Berechnung der tatsächlich
bezogenen Altersleistungen (Art. 13 BVG) massgebend ist, als einmalige
Kapitalabfindung ausgerichtet wird (Art. 37 Abs. 2 BVG). Die
Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement vorsehen, dass die
Anspruchsberechtigten eine Kapitalabfindung an Stelle einer Alters-,
Hinterlassenen- oder Invalidenrente wählen können (Art. 37 Abs. 4 lit. a BVG).

1.2. Unter dem Titel "Kapitalabfindung" sieht das anwendbare Vorsorgereglement
der Sammelstiftung, Ausgabe Januar 2012 (nachfolgend: Reglement), u.a. folgende
Regelungen vor: Die Vorsorgeleistungen werden in der Regel in Rentenform
erbracht. Die anspruchsberechtigte Person kann jedoch im gesetzlichen Rahmen
anstelle der Altersrente eine Kapitalabfindung nach Ziff. 23.2 bis 23.4
verlangen (Ziff. 23.1 Abs. 1 Reglement). Die anspruchsberechtigte Person kann,
soweit noch kein anderer Vorsorgefall eingetreten ist, das Altersguthaben ganz
oder teilweise als einmalige Kapitalabfindung verlangen (Ziff. 23.2 Reglement).
Eine versicherte Person, die im Zeitpunkt des Altersrücktritts erwerbsunfähig
ist, kann die Leistungen nach Massgabe ihrer Erwerbsunfähigkeit nicht ganz oder
teilweise in Kapitalform beziehen, es sei denn, sie hat vor Beginn der
Arbeitsunfähigkeit auf Kapitalbezug optiert (Ziff. 23.3 Reglement).

2. 
Die Vorinstanz hat mit Blick auf die obligatorische Vorsorge einen Anspruch auf
Kapitalbezug verneint, weil die BVG-Invalidenrente als Leistung auf Lebenszeit
nicht durch eine BVG-Altersrente abgelöst werde (Art. 26 Abs. 3 Satz 1 BVG).
Die in Art. 37 Abs. 2 BVG vorgesehene Kapitalabfindung finde auf die
BVG-Invalidenrente keine Anwendung. Hinsichtlich des weitergehenden Bereichs
hat das kantonale Gericht erwogen, gemäss Ziff. 20.5 Reglement werde die
Invalidenrente beim Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters - in concreto
mithin im April 2016 - durch eine Altersrente abgelöst, wodurch ein neuer
Versicherungsfall eintrete. Damit wäre zwar ein Kapitalbezug im Grundsatz
möglich, indessen werde er durch die Bestimmungen von Ziff. 23.2 und 23.3
Reglement ausgeschlossen, nachdem der Versicherte bereits seit April 2011 in
seiner Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt sei.

3.

3.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass sich der Anspruch auf
Kapitalbezug aufgrund des klaren Wortlauts von Ziff. 23.2 und 23.3 Reglement
höchstens aus Art. 37 Abs. 2 BVG ergeben kann. Der Beschwerdeführer hält diese
Bestimmung in concreto für anwendbar, weil laut Ziff. 20.5 Abs. 2 in Verbindung
mit Ziff. 11.3 Reglement die Invalidenrente (am 1. Mai 2016) durch eine
Altersrente abgelöst werde und somit der Vorsorgefall "Alter" eintrete. Sie sei
zwingend, und zwar auch im überobligatorischen Bereich; sie sei bloss
versehentlich nicht in Art. 49 Abs. 2 BVG aufgeführt. Der umstrittene Anspruch
bestehe aber zumindest im Umfang eines Viertels des obligatorischen
Altersguthabens.

3.2. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach
dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der
Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die
Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der
Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und
konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im
normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio
legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus
und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer
hierarchischen Ordnung zu unterstellen. Insbesondere bei jüngeren Gesetzen sind
auch die Gesetzesmaterialien zu beachten, wenn sie auf die streitige Frage eine
klare Antwort geben und dem Richter damit weiterhelfen (BGE 139 V 442 E. 4.1 S.
446 f.; 139 III 457 E. 4.4 S. 461).

3.3. Gewährt eine Vorsorgeeinrichtung - wie die Sammelstiftung - mehr als die
Mindestleistungen ("umhüllende Vorsorgeeinrichtung"), so gelten die im
Verweiskatalog von Art. 49 Abs. 2 BVG aufgezählten BVG-Normen auch für die
weiter gehende Vorsorge. Art. 37 BVG resp. dessen Abs. 2 wird in der genannten
Bestimmung nicht erwähnt. In der Tat sind nicht sämtliche im weitergehenden
Bereich anwendbaren BVG-Normen im genannten Verweiskatalog erwähnt: So
enthalten etwa Art. 30a oder Art. 80 BVG (vgl. GÄCHTER/SANER, in: BVG und FZG,
2010, N. 37 ff. zu Art. 49 BVG) explizite Vorgaben über die Anwendbarkeit
weiterer Bestimmungen des BVG auf umhüllende (und somit registrierte, vgl. Art.
48 BVG) Vorsorgeeinrichtungen resp. die weitergehende Vorsorge. Daraus lässt
sich indessen nicht schliessen, dass auch Art. 37 Abs. 2 BVG im weitergehenden
Bereich anwendbar sein soll, ist er doch als Mindestvorschrift (vgl. Art. 6
BVG) unter dem "Ersten Titel: Obligatorische Versicherung der Arbeitnehmer"
eingeordnet und fehlt es - anders als z.B. in Art. 30a BVG - überhaupt an einer
Verweisnorm auf das Überobligatorium. Sodann ist in der Botschaft vom 1. März
2000 zur Revision des BVG (1. BVG-Revision) in den Ausführungen über die Form
der Altersleistungen explizit von der "Kapitalabfindung im Obligatorium" die
Rede. Daraus ergibt sich klar, dass mit dem seit 1. Januar 2005 geltenden Art.
37 Abs. 2 BVG der Anspruch auf (teilweisen) Kapitalbezug im Bereich des
BVG-Obligatoriums neu eingeführt wurde (BBl 2000 2664 Ziff. 2.5.2 und 2.5.3).
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch den
weitergehenden Bereich regeln wollte, sind nicht ersichtlich. Entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers enthält Art. 49 Abs. 2 BVG diesbezüglich keine
Lücke als Folge eines gesetzgeberischen Versehens, wurde doch im Rahmen der 1.
BVG-Revision auch der Verweiskatalog überprüft und angepasst (BBl 2000 2694).
Schliesslich wird zwar in Art. 37 Abs. 2 BVG vom "Altersguthaben, das für die
Berechnung der tatsächlich bezogenen Altersleistungen (Art. 13 und Art. 13a)
massgebend ist", gesprochen. Insbesondere mit dem unmittelbaren Verweis auf
Art. 13 BVG (der Bezug zu Art. 13a BVG ist obsolet, nachdem dieser aufgrund der
Ablehnung der 11. AHV-Revision vom 3. Oktober 2003 gar nie in Kraft trat) wird
indessen klargestellt, dass die Bestimmung das Altersguthaben insofern
definiert, als dessen Höhe im Zeitpunkt der tatsächlichen Pensionierung
massgeblich ist. Zudem berechnen sich die in Art. 13 BVG erwähnten
Altersleistungen auf der Basis des BVG-Altersguthabens, was sich aus den direkt
anschliessenden Art. 14 und 15 BVG ergibt. Dass Art. 37 Abs. 2 BVG das gesamte,
reglementarische Altersguthaben beschlagen soll, lässt sich mit dem Wortlaut
allein nicht begründen.

 Art. 37 Abs. 2 BVG ist somit in der weitergehenden Vorsorge nicht anwendbar
(so auch BETTINA KAHIL-WOLFF, in: BVG und FZG, 2010, N. 1 zu Art. 37 BVG;
ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Kommentar zur berufliche Vorsorge, 3. Aufl., 2013,
N. 3 zu Art. 37 BVG; HERMANN WALSER, Weitergehende berufliche Vorsorge, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Band XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2118
Rz. 98); die Bestimmung bezieht sich lediglich auf das BVG- resp.
obligatorische Altersguthaben.

3.4.

3.4.1. Im BVG-Obligatorium wird die Invalidenrente (grundsätzlich) lebenslang
entrichtet (Art. 26 Abs. 3 BVG). Es besteht folglich kein Anspruch auf
Altersleistungen bei vollständiger Invalidität vor Erreichen des (gesetzlichen
oder reglementarischen; vgl. Art. 13 BVG) Rücktrittsalters (BGE 135 V 33 E. 4.3
S.35; 118 V 100 E. 4b S. 106; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2.
Aufl. 2012, S. 397 Rz. 1076; KAHIL-WOLFF, a.a.O., N. 5 zu Art. 37 BVG). Diese
Regelung bezweckt (wie auch Ziff. 23.2 und 23.3 Reglement) insbesondere zu
vermeiden, dass gesundheitlich wesentlich beeinträchtigte Versicherte das
Vorsorgekapital aus der Vorsorgeeinrichtung nehmen können ( VETTER-SCHREIBER,
a.a.O., N. 1 zu Art. 37 BVG; STAUFFER, a.a.O., S. 361 Rz. 984). In solchen
Situationen fällt ein Anspruch auf Kapitalabfindung gestützt auf Art. 37 Abs. 2
BVG, der ausschliesslich Altersleistungen betrifft, ausser Betracht.

3.4.2. Es bleibt zu prüfen, ob der Anspruch gemäss Art. 37 Abs. 2 BVG besteht,
wenn die Invalidenrente (zu gegebener Zeit) in eine Altersrente umgewandelt
wird, wie dies in concreto Ziff. 20.5 Reglement vorsieht. Eine solche Vorgabe
bezweckt in erster Linie, dass die Vorsorgeeinrichtung im weitergehenden
Bereich die bisherige Invaliden- durch eine tiefere Altersrente ablösen kann
(Art. 49 Abs. 1 Satz 2 BVG; VETTER-SCHREIBER, a.a.O., N. 20 zu Art. 49 BVG, N.
19 zu Art. 13 BVG und N. 10 ff. zu Art. 26 BVG). Zwar tritt mit der Umwandlung
der Invaliden- in eine Altersrente der neue Vorsorgefall "Alter" ein. Dennoch
bleibt es dabei, dass entsprechende Leistungen stets  auf der Grundlage des
Reglementserbracht werden, sofern damit mindestens die gesetzlichen Ansprüche
gewahrt werden (Anrechnungsprinzip; vgl. BGE 140 V 348 E. 4.1 S. 351; 169, E.
8.3 S. 184). Daher lässt sich in der hier interessierenden Konstellation der
Anspruch auf Kapitalabfindung für eine (reglementarische) Altersrente nicht auf
Art. 37 Abs. 2 BVG stützen (E. 3.3 und 3.4.1; ohne nähere Begründung wohl
anderer Meinung Stauffer, a.a.O., S. 343 Rz. 935 und S. 361 Rz. 984). Ein
solcher besteht demnach nur, wenn er sich direkt auf das Reglement stützen
lässt, was hier nicht zutrifft (E. 3.1). Etwas anderes ergibt sich auch nicht
aus dem Urteil B 121/06 vom 7. Mai 2007, auf dessen E. 2.3 und 3 sich der
Beschwerdeführer beruft, waren doch die hier interessierenden Fragen dort nicht
ausschlaggebend, weshalb sie auch nicht näher erörtert wurden. Die Beschwerde
ist unbegründet.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat
keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. März 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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