Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 705/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_705/2014 {T 0/2}     

Urteil vom 13. Juli 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Schwyz,
Rechtsdienst, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
vom 6. August 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ war zuletzt bis ........ für die B.________ AG tätig. Nachdem
er sich bei der IV-Stelle des Kantons Schwyz am 7. März 2006 zum Rentenbezug
angemeldet hatte, führte diese medizinische und erwerbliche Abklärungen durch.
Am 13. April 2006 gewährte sie A.________ Berufsberatung und Abklärung der
beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten. Mit Verfügung vom 17. September 2007
schloss sie die Berufsberatung ab und verneinte einen Rentenanspruch. Die
dagegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz mit Entscheid vom 18. März 2008 ab. Daraufhin liess A.________
beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
erheben, welche das Gericht mit Urteil 9C_427/2008 vom 17. Juni 2008 abwies,
soweit es darauf eintrat.
In der Folge gewährte die IV-Stelle auf entsprechendes Ersuchen des A.________
hin Beratung und Unterstützung bei der Stellensuche. Nachdem der Sohn des
A.________ der IV-Stelle am 31. Oktober 2008 mitgeteilt hatte, er werde
versuchen, sich ........ zusammen mit dem Vater selbständig zu machen und
angab, die Arbeitsvermittlung könne mangels Bedarf abgeschlossen werden, teilte
die IV-Stelle am 26. November 2008 A.________ den Abschluss der
Arbeitsvermittlung mit.

A.b. Unter Hinweis auf chronische Rückenschmerzen, bestehend seit 2004, meldete
sich A.________ am 10. Juli 2013 erneut bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Am 9. Oktober 2013 ging bei der IV-Stelle ein zu Handen des
Rechtsvertretes von A.________ verfasstes Schreiben des behandelnden Dr. med.
C.________, Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, vom 23. September 2013 ein. Die
IV-Stelle liess den Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD; Dr. med. D.________,
Allgemeinmedizin FMH) am 21. Oktober 2013 hiezu Stellung nehmen. Mit
Vorbescheid vom 29. Oktober 2013 stellte sie in Aussicht, auf das
Leistungsbegehren nicht einzutreten. Daraufhin liess A.________ eine
Begutachtung beantragen. Am 13. Februar 2014 verfügte die IV-Stelle
entsprechend dem Vorbescheid.

B. 
Die gegen die Verfügung vom 13. Februar 2013 erhobene Beschwerde des A.________
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 6. August 2014
ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die Rückweisung der Sache
an die Vorinstanz zur materiellen Behandlung beantragen. In prozessualer
Hinsicht ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Erwägungen:

1. 

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten         (Art. 82
ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung
nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Die aufgrund medizinischer Untersuchungen gerichtlich festgestellte
Arbeitsfähigkeit betrifft eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397). Analoges
gilt für die Frage, ob sich eine Arbeitsfähigkeit in einem bestimmten Zeitraum
in einem rentenrevisionsrechtlich relevanten Sinne (Art. 17 ATSG; Art. 87 Abs.
3 und 4 IVV) verändert hat. Rechtlicher Natur sind demgegenüber die Fragen,
welche Vergleichszeitpunkte im Rahmen einer Neuanmeldung heranzuziehen und wie
hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu
stellen sind. Ebenfalls Rechtsfragen sind die unvollständige Feststellung
rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes
(Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) und der Anforderungen an den Beweiswert
von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Die konkrete Beweiswürdigung
ist Tatfrage (in BGE 135 V 254 nicht publ. E. 4.1, vgl. jedoch SVR 2009 IV Nr.
53 S. 164 [9C_204/2009]; Urteil 8C_22/2012 vom 4. April 2012    E. 1.3).

2. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und die von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über die bei
einer Neuanmeldung analog zur Revision anwendbaren Regeln (Art. 17 Abs. 1 ATSG;
Art. 87 Abs. 2 f. IVV; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; 117 V 198 E. 3a) sowie zum
revisionsrechtlich massgebenden Zeitraum (BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3. 
Die Beschwerdegegnerin unterbreitete das nach dem erneuten Rentenbegehren vom
10. Juli 2013 eingegangene Schreiben des Dr. med. C.________ vom 23. September
2013 dem RAD zur Stellungnahme und trat gestützt auf dessen Einschätzung, es
sei nicht einzusehen, worin die geltend gemachte gesundheitliche
Verschlechterung liegen solle, auf das neue Leistungbegehren nicht ein. Das
kantonale Gericht setzte sich ausführlich mit den medizinischen Befunden
auseinander, welche im Rahmen des ersten Abklärungsverfahrens erhoben worden
waren. Es stellte diese den im Zuge der Neuanmeldung hinzugekommenen
Beurteilungen des Dr. med. C.________ sowie des RAD gegenüber und würdigte
ausserdem einen im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren neu beigebrachten
Bericht des Spitals E.________ vom 11. Juni 2013 (betreffend eine
Hospitalisation des Beschwerdeführers vom 7. bis 11. Juni 2013). Dabei kam das
Gericht zum Schluss, eine massgebliche gesundheitliche Verschlechterung sei
nicht ersichtlich. Eine solche lasse sich weder dem Bericht des Spitals
E.________ entnehmen, noch aus einem am ........ erlittenen Verkehrsunfall
ableiten. Es erwog, nachdem der Beschwerdeführer trotz wiederholt eingeräumter
Gelegenheit eine massgebliche tatsächliche Veränderung nicht habe glaubhaft
machen können, spiele der Untersuchungsgrundsatz nicht. Die Beschwerdegegnerin
sei zu Recht auf das neue Leistungsbegehren nicht eingetreten.

4. 

4.1. Es trifft zu, dass der behandelnde Dr. med. C.________ am 23. September
2013 festhielt, im Vergleich mit September 2007 habe sich der Gesamtzustand des
Beschwerdeführers verschlechtert. Die von ihm zusätzlich zur bereits bekannt
gewesenen Rückenproblematik neu erhobenen Diagnosen (Fettleber und
Pancreasfibrose bei Adipositas, pathologische Glucosetoleranz, saisonale
infektallergische Bronchitis bei Inhalationsallergie) hat das kantonale Gericht
indes gestützt auf eine in allen Teilen bundesrechtskonforme Beweiswürdigung
nicht als relevante Veränderungen erachtet, welche geeignet wären, eine
erhebliche gesundheitliche Veränderung glaubhaft zu machen. In Anbetracht der
gemäss Beurteilung des RAD vom 21. Oktober 2013 nicht krankheitswertigen
Befunde (pathologische Glucosetoleranz, Fettleber) und der saisonalen
infektallergischen Bronchitis, der es offenkundig an der für einen
invalidisierenden Gesundheitsschaden erforderlichen Schwere und Dauer (vgl.
Art. 8 Abs. 1 ATSG) fehlt, wie das kantonale Gericht zutreffend erwog, deutet
in der Tat nichts darauf hin, die gesundheitlichen Änderungen könnten mit einer
erheblichen Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit einhergegangen sein, die
nunmehr einen Rentenanspruch als begründet erscheinen liesse.

4.2. Auch der Austrittsbericht des Spitals E.________ vom 11. Juni 2013 enthält
keinerlei Hinweise auf eine dauerhafte, erhebliche gesundheitliche
Verschlechterung. Eine MRI-Untersuchung ergab keine weiteren Erkenntnisse,
sondern bestätigte lediglich die bereits bekannten Diagnosen. Nach vier Tagen
konnte der Beschwerdeführer in gebessertem Zustand das Spital wieder verlassen
und schliesslich bestand nach Einschätzung der dortigen Ärzte lediglich für die
Dauer des stationären Aufenthaltes eine vollständige Arbeitsunfähigkeit, für
weitere fünf Tage eine Arbeitsfähigkeit von 50 %, die nachfolgende Beurteilung
obliege dem weiterbetreuenden Arzt. Wenn das kantonale Gericht aus der nur
vorübergehenden attestierten Einschränkung der Arbeitsfähigkeit schloss, damit
sei eine massgebliche Veränderung - ebenfalls - nicht glaubhaft dargetan, ist
dies für das Bundesgericht verbindlich. Es besteht weder Anlass noch
Möglichkeit für ein korrigierendes Eingreifen (E. 1 hievor).

4.3. Dass im Rahmen des zur ablehnenden Verfügung vom 17. September 2007
führenden Abklärungsverfahrens keine multidisziplinäre Begutachtung erfolgte,
vermag unter keinem Titel einen Anspruch des Beschwerdeführers auf weitere
Abklärungen in diesem Verfahren zu begründen. Soweit er s inngemäss geltend
machen will, die damaligen Abklärungen seien unvollständig gewesen, muss es
beim Hinweis sein Bewenden haben, dass sich das kantonale Gericht in seinem
letztinstanzlich bestätigten (Urteil 9C_427/2008 vom 17. Juni 2008) Entscheid
vom 18. März 2008 (E. 3.1) einlässlich mit der Frage der rechtsgenüglichen
Abklärung auseinandergesetzt und einen Bedarf für weitere Untersuchungen mit
Nachdruck verneint hatte.

5. 

5.1. Das kantonale Gericht erwog korrekt, es sei in erster Linie Sache der
versicherten Person, substantielle Ansatzpunkte aufzuzeigen, die eine neue
Prüfung des Leistungsanspruchs allenfalls rechtfertigen könnten. In der Tat
besteht eine Verpflichtung der IV-Stelle zur weiteren Abklärung nur, wenn den -
für sich allein genommen nicht Glaubhaftigkeit begründenden - Arztberichten
konkrete Hinweise darauf entnommen werden können, dass möglicherweise eine
mittels weiterer Erhebungen zu erhärtende rechtserhebliche Änderung vorliegt
(Urteil 8C_531/2013 vom 10. Juni 2014 E. 4.1.4 mit Hinweisen). So verhält es
sich hier eindeutig nicht. Dies hat nichts damit zu tun, dass der
Beschwerdeführer seinen Mitwirkungspflichten unzureichend nachgekommen wäre,
sondern gründet darin, dass ärztlicherseits offensichtlich keine relevante
Gesundheitsverschlechterung hatte festgestellt werden können (E. 4.1 und 4.2
hievor). Mit den von ihm ins Recht gelegten beiden Arztberichten kam der
Versicherte im Übrigen seinen Pflichten durchaus hinreichend nach.

5.2. Zwischen der leistungsablehnenden Verfügung vom 17. September 2007 und der
Nichteintretensverfügung vom 13. Februar 2014 liegen rund 6 ½ Jahre. Ob aus
diesem Grund die Anforderungen an die Glaubhaftmachung allenfalls tiefer
anzusetzen wären (vgl. Urteil 9C_523/2014 vom 19. November 2014 E. 2 mit
Hinweisen), kann offen bleiben, da nach dem Gesagten jegliche Hinweise auf eine
relevante gesundheitliche Veränderung fehlen. Nachdem die Vorinstanz in
Würdigung der Beurteilung des Dr. med. C.________, des RAD sowie der Ärzte am
Spital E.________ keine relevante Verschlimmerung des Rückenleidens hatte
feststellen können, vermag der Beschwerdeführer auch aus einem progredienten
Charakter dieser Beschwerden nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Die
vorinstanzliche Bestätigung des von der Beschwerdegegnerin verfügten
Nichteintretens erfolgte zu Recht, insbesondere ohne Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes.

6. 
Bei diesem Verfahrensausgang wären die Gerichtskosten (Art. 65   Abs. 1 und
Abs. 4 lit. a BGG) grundsätzlich vom Beschwerdeführer als unterliegender Partei
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
kann indessen entsprochen werden (Art. 64 BGG), wobei er der Gerichtskasse
Ersatz zu leisten haben wird, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs.
4 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt, und
Rechtsanwalt Eric Stern wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. Juli 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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