Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 67/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]         
9C_67/2014 {T 0/2}     

Urteil vom 5. Februar 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
1.       A.________,
2.       B.________,
beide vertreten durch Advokat Stefan Hofer,
Beschwerdeführer,

gegen

Intras Kranken-Versicherung AG,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 24.
Oktober 2013.

Sachverhalt:

A. 
F.________, geboren 1926, wurde aufgrund ihrer fortgeschrittenen
Tumorerkrankung am 14. Juli 2011 vom Spital H.________ in das Spital
I.________, verlegt, wo sie die ersten vier Tage auf der Akutabteilung
verbrachte. Am 18. Juli 2011 trat sie in die Palliativabteilung derselben
Klinik über, in welcher sie bis zu ihrem Tod von einem Palliative Care-Team
betreut wurde. Die Intras Krankenversicherungs-AG, Luzern (nachfolgend: Intras
AG), bei welcher F.________ sowohl obligatorisch krankenpflegeversichert war
als auch Zusatzversicherungen gemäss dem Versicherungsvertragsgesetz vom 2.
April 1908 (VVG; SR 832.10) abgeschlossen hatte, anerkannte eine
Akutspitalbedürftigkeit bis 31. Juli 2011 und verlängerte "im Sinne einer
Übergangsfrist" die Kostengutsprache für den Spitalaufenthalt in Höhe der
tarifvertraglich vereinbarten Akuttaxe (Fr. 836.- pro Tag; Schreiben der Intras
AG vom 22. August 2011) bis 30. August 2011 (Schreiben vom 22. August 2011). Ab
31. August 2011 reduzierte die Intras AG die Vergütung auf die Höhe der
Pflegetaxe (Fr. 108.- pro Tag zuzüglich der Pauschale für Mittel und
Gegenstände [MiGeL] von Fr. 1.90). Einzig für den Zeitraum vom 19. bis 25.
Oktober 2011 anerkannte die Krankenkasse infolge einer akuten
gastrointestinalen Blutung von F.________ die Akutspitalbedürftigkeit
(Verfügung vom 9. März 2012). Einen Vergleichsvorschlag der Intras AG, für den
strittigen Teil des Spitalaufenthaltes eine Zahlung entsprechend der zwischen
ihr und dem Spital I.________ vertraglich vereinbarten Palliativ-Taxe (Fr.
240.- pro Tag) zu leisten, lehnten in der Folge die Erben A.________ und
B.________ ab. Sie erhoben Einsprache gegen die Verfügung vom 9. März 2012,
welche die Intras AG mit Einspracheentscheid vom 2. April 2013 abwies.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde von A.________ und B.________ wies das
Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 24. Oktober 2013 ab.

C. 
A.________ und B.________ lassen - nebst einer Beschwerde in Zivilsachen
betreffend die vom Kantonsgericht ebenfalls verneinte Leistungspflicht der
Intras AG aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung (Verfahren
4A_67/2014) - Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und
beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und die Intras AG sei zu
verpflichten,"die Kosten der Behandlung der am 26. Dezember 2011 verstorbenen
F.________ in der Abteilung 'spezialisierte Palliative Care' im Spital
I.________ vom 31. August bis zu ihrem Ableben zu übernehmen."
Die Intras AG schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Die Feststellung des Sachverhalts - worunter die konkrete Beweiswürdigung fällt
(Urteil 9C_270/2008 vom 12. August 2008 E. 2.2) - kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es
kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.

2.1. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung ist für eine stationäre
Spitalbehandlung leistungspflichtig, wenn und solange eine
Akutspitalbedürftigkeit besteht (BGE 126 V 323 E. 2b S. 326). Diese ist zu
bejahen, wenn die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Massnahmen nur
in einem Spital (d.h. unter Inanspruchnahme eines Spitalbetts) zweckmässig
durchgeführt werden können, weil sie zwingend der dortigen apparativen und
personellen Voraussetzungen bedürfen, oder sofern die Möglichkeiten ambulanter
Behandlung erschöpft sind und nur noch im Rahmen eines Spitalaufenthaltes
Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (BGE a.a.O.; Landolt,
Behandlungspflege - medizinische Pflege - Grundpflege: ein Abgrenzungsversuch,
Pflegerecht 2014 S. 27 ff., 29, FN 17).

2.2.

2.2.1. Akutspitalbedürftig sind in der Regel plötzlich auftretende, meist
kurzfristig und heftig verlaufende Gesundheitsstörungen, welche eine
kurzfristige, intensive ärztliche oder pflegerische Betreuung erfordern. Die
Begriffe "akute Krankheit" und "Akutspitalbedürftigkeit" einerseits sowie
"chronische Leiden" und "Langzeitpflegebedürftigkeit" anderseits lassen sich
nicht streng und in allgemein gültiger Weise voneinander abgrenzen (BBl 1992 I
167; Separatausgabe S. 75). Auch das Gesetz nennt folglich keine zeitlichen
Grenzen, ab welchen bei länger dauernder Krankheit die Akutphase abgeschlossen
ist. Nach der Rechtsprechung dauert die Akutphase in jedem Fall so lange, wie
von einer laufenden Behandlung noch eine wesentliche Verbesserung der
Gesundheit zu erwarten ist (z.B. Urteil 9C_447/2010 vom 18. August 2010 E. 2.1
mit Hinweisen). Dieses auf kurative Behandlungen gemünzte Erfordernis kann
allerdings im Bereich der Spitalbehandlung und Betreuung von kranken Menschen
ohne oder mit unklarer Heilungsaussicht (Palliative Care) nicht herangezogen
werden.

2.2.2. Pflegebedürftigkeit ist in der Regel gegeben bei chronischen, also
langandauernden Gesundheitsstörungen mit meist langsamer Entwicklung. Es
handelt sich um Dauerleiden, bei denen nicht die medizinische Behandlung,
sondern die Pflege im Vordergrund steht. Eine allenfalls notwendige ärztliche
Behandlung ist ambulant durchführbar, während die Pflege nicht mehr Teil der
ärztlichen Behandlung ist, sondern dazu dient, die Folgen der Hilflosigkeit
auszugleichen. Das KVG verwendet den Begriff der chronisch kranken Person
nicht, sondern es stellt die Behandlung von Langzeit- oder
Pflegeheimpatientinnen und -patienten den akutspitalbedürftigen Personen
gegenüber (vgl. Art. 39 Abs. 3 KVG). Bei der Abgrenzung von
Akutspitalbedürftigkeit und - daran anschliessender - blosser
Pflegebedürftigkeit ist dem behandelnden Arzt ein gewisser Ermessensspielraum
zuzugestehen (BGE 124 V 362 E. 2c S. 366 f.).

2.3. Unter Umständen ist die obligatorische Krankenversicherung für einen
Spitalaufenthalt auch dann leistungspflichtig, wenn der Krankheitszustand der
versicherten Person einen solchen nicht unbedingt erforderlich macht, die
medizinische Behandlung jedoch wegen besonderer persönlicher Lebensumstände
nicht anders als im Spital durchgeführt werden kann (BGE 120 V 200 E. 6a S. 206
mit Hinweisen). Eine Akutspitalbedürftigkeit hängt somit nicht allein von der
Erforderlichkeit ärztlicher Interventionen ab. Die Kassen sind für einen
sachlich gerechtfertigten Heilanstaltsaufenthalt ebenfalls leistungspflichtig,
wenn der Krankheitszustand einer versicherten Person nicht unbedingt eine
ärztliche Behandlung, sondern lediglich einen Aufenthalt im Spitalmilieu
erfordert. Mit anderen Worten ist die Intensität der ärztlichen Behandlung
nicht alleiniges Entscheidungskriterium (BGE 115 V 32 E. 3b/aa S. 48).

3. 

3.1. Das Versorgungskonzept der Palliative Care zielt darauf ab, Menschen mit
unheilbaren, lebensbedrohlichen oder chronisch-fortschreitenden Krankheiten
eine ihrer Situation angepasste optimale Lebensqualität bis zum Tod zu
gewährleisten und die nahe stehenden Bezugspersonen zu unterstützen (vgl. die
vom Bundesamt für Gesundheit [BAG] und von der Schweizerischen Konferenz der
kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren [GDK] herausgegebene
Broschüre "Finanzierung der Palliative-Care-Leistungen der Grundversorgung und
der spezialisierten Palliative Care [ambulante Pflege und Langzeitpflege],
2013, S. 4). Die entsprechenden Leistungen können in der Grundversorgung
(ambulanter Bereich und Langzeitpflege) sowie als spezialisierte Palliative
Care (ebenfalls im ambulanten Bereich und in der Langzeitpflege) erbracht
werden. Im Rahmen der "Versorgungsstrukturen für spezialisierte Palliative Care
in der Schweiz", herausgegeben im Jahr 2012 von der Schweizerischen
Fachgesellschaft für palliative Medizin, dem BAG und der GDK, wurde die
Patientengruppe mit einem Bedarf an spezialisierter Palliative Care definiert
als Personen, "die auf Unterstützung durch ein spezialisiertes
Palliative-Care-Team angewiesen sind. Dies, weil sie eine instabile
Krankheitssituation aufweisen, eine komplexe Behandlung bzw. die Stabilisierung
von bestehenden Symptomen benötigen oder bei deren nahestehenden Bezugspersonen
die Überschreitung der Belastungsgrenze erkennbar wird. Dazu gehören auch
Patientinnen und Patienten, die weiterhin durch die Grundversorgung betreut
werden sollen bzw. wollen, wo aber die Leistungserbringer der Grundversorgung
an ihre Grenzen stossen und auf zusätzliche Unterstützung durch spezialisierte
Fachpersonen angewiesen sind" (Ziff. 2.1).

3.2. Auch bei Palliativpatienten setzt die Vergütung eines Spitalaufenthalts
durch die Grundversicherung voraus, dass "der Patient oder die Patientin nach
medizinischer Indikation der Behandlung und Pflege (...) im Spital bedarf"
(Art. 49 Abs. 4 KVG), mithin vom Behandlungszweck her ein Aufenthalt im
Akutspital notwendig ist (vgl. BGE 124 V 362 E. 1b S. 365). Dieser Grundsatz
entspricht dem Wirtschaftlichkeitsgebot (Art. 32 Abs. 1 KVG), wonach die
spitalbedürftige versicherte Person diejenige Heilanstalt oder Spitalabteilung
zu wählen hat, in die sie vom medizinischen Standpunkt aus gehört. Die Kasse
hat aus der Grundversicherung nicht für Mehrkosten aufzukommen, die sich daraus
ergeben, dass die Versicherte sich in eine für intensive Pflege und Behandlung
spezialisierte und damit teure Klinik begibt, obwohl sie einer solchen
Behandlung nicht bedarf und ebenso gut in einer einfacher eingerichteten und
daher weniger kostspieligen Heilanstalt sachgerecht behandelt werden könnte (
BGE 124 V 362 E. 1a S. 364). Eine Vergütung zum Spitaltarif kann auch nicht
erlangt werden durch Verbleiben in einer Heilanstalt ohne
Spitalbehandlungsbedürftigkeit. Gleichermassen wie bei kurativer Behandlung
muss auch bei Palliative Care der Krankheitszustand der versicherten Person
einen Spitalaufenthalt nicht unbedingt erforderlich machen, sondern es genügt,
wenn die medizinische Behandlung wegen besonderer persönlicher Lebensumstände
nicht anders als im Spital durchgeführt werden kann (vgl. Urteil 9C_369/2009
vom 18. September 2009 E. 2.2; vorangehende E. 2.3). Hingegen hat der
Krankenversicherer nicht dafür aufzukommen, wenn eine versicherte Person mit
einem Bedarf an palliativer Pflege trotz nicht mehr bestehender
Spitalbedürftigkeit aus sozialen Überlegungen oder mangels Platzangebot in
einem Pflegeheim weiterhin in einer Heilanstalt untergebracht bleibt (vgl.
BGer., a.a.O. mit Hinweisen).

4. 
Unbestritten war die Versicherte aufgrund ihrer Tumorerkrankung (mit infauster
Prognose) im hier strittigen Zeitraum vom 31. August bis 26. Dezember 2011
schwer pflegebedürftig. Dies allein bedeutet indes nicht ohne Weiteres, dass
auch eine Spitalbedürftigkeit gegeben wäre (vgl. das bereits zitierte Urteil
9C_369/2009 vom 18. September 2009 E. 4.2).

4.1. Im Fragebogen vom 15. August 2011 gab Dr. med. E.________,
Spitalfachärztin Onkologie am Claraspital, an, die Dauer des Spitalaufenthaltes
der Versicherten sei nicht absehbar. Die Patientin sei präterminal, aber
derzeit stabil. Eine Hospitalisation sei notwendig wegen des nicht heilbaren
metastasierenden Grundleidens, das eine aufwändige Palliation erfordere.
Behandlungsziel sei die Symptomlinderung. Es seien palliative Behandlungen
vorgesehen, namentlich die Verbesserung der Analgesie und der Übelkeit. Am 25.
August 2011 erläuterte Dr. med. E.________, die Versicherte leide unter einem
weit fortgeschrittenen, nicht mehr heilbaren Rektum- bzw. Zökumkarzinom, das zu
einem raschen Kräfteverfall führe. Die Schmerzsituation sei instabil, und es
müsse in nächster Zeit eine adäquate Analgesie gefunden werden. Überdies führe
die Lage des Tumors zu einer massiven Stuhlinkontinenz. Die bettlägerige
Versicherte bedürfe einer umfassenden, aufwändigen Pflege mit mehrmaligem
täglichem Reinigen und Wickeln. Sowohl der pflegerische wie auch der
medizinische Aufwand erforderten eine Hospitalisation auf der
interdisziplinären Palliativstation. Am 20. Oktober 2011 führte Dr. med.
E.________ aus, eine bis dahin nicht spontan sistierte gastrointestinale
Blutung, die gemäss dem Wunsch der Versicherten rein supportiv behandelt werde,
habe nun zu einer eindeutig indizierten Spitalbedürftigkeit geführt. Der
weitere Verlauf sei schwierig absehbar, die Spitalbedürftigkeit ab 31. August
2011 sei aber bei progredientem Tumorleiden klar gegeben. Es bestehe ein
unmittelbar akutes Geschehen, dessen Ausgang noch ungewiss sei, das nach allem
Ermessen aber "nun rasch in eine terminale Phase münden" könne. In ihrem
Schreiben an die Beschwerdegegnerin vom 23. November 2011 wies Dr. med.
E.________ darauf hin, dass ab 19. Oktober 2011 durch die gastrointestinale
Blutung eine völlig neue Situation eingetreten und eine akute
Spitalbedürftigkeit entstanden sei. In der Folge der zunächst rezidivierenden
Blutungen sei die Versicherte "nun unmittelbar präterminal".

Am 10. Januar 2012 bekräftigte Dr. med. E.________, die Versicherte habe sich
ab 19. Oktober 2011 in einem prolongierten Sterbeprozess befunden. Zu Handen
des Rechtsvertreters der Erben führten die Ärzte am Spital I.________ (Dres.
med. L.________ und E.________) am 12. April 2012 aus, die Verstorbene habe an
einem rasch progredienten Kräftezerfall sowie an Appetitlosigkeit verbunden mit
Übelkeit und einer instabilen Schmerzsituation gelitten. Bei nicht mehr
heilbarer Grunderkrankung habe diese Situation sogenannte "Spezialisierte
Palliative Care" erfordert, wie sie das Spital I.________ für unheilbar Kranke
anbiete. Im Vordergrund gestanden sei die Symptomkontrolle, wobei medizinisch
herausfordernd die Opiatunverträglichkeit gewesen sei, welche eine alternative,
subkutan zu verabreichende Behandlung erfordert habe. Die Übelkeit habe eine
ständige Neueinschätzung der Beschwerden und Einstellung der Therapie nötig
gemacht. Mit dem Auftreten der akuten gastrointestinalen Blutung am 19. Oktober
2011 habe die Instabilität der Gesamtsituation eine neue Akzentuierung
erhalten, der weitere Verlauf sei ungewiss und ein Ableben der Versicherten
jederzeit möglich gewesen. Die tumorbedingte Stuhlinkontinenz (mit
durchschnittlich achtmaligem Windelnwechseln pro Tag) sowie der leicht blutende
exulzerierende Tumor hätten einen hohen, die Ressourcen eines Pflegeheims
eindeutig übersteigenden pflegerischen Aufwand verursacht, ebenso sei die
psychosoziale Betreuung der Versicherten und ihrer Angehörigen engmaschig
erforderlich gewesen. Es seien Spezialbetten nötig geworden. Der
gesundheitliche Zustand ab dem 25. Oktober 2011 müsse als unmittelbar
präterminal angesehen werden, weshalb an eine Überweisung in ein Pflegeheim
nicht zu denken gewesen sei. Dass es sich retrospektiv um einen prolongierten
Sterbeprozess gehandelt habe, sei damals nicht abschätzbar gewesen. Eine
Überweisung inmitten des Sterbeprozesses müsse als unethisch gelten.

4.2. Dr. med. F.________, Chefarzt Onkologie am Spital I.________, führte in
einem Schreiben an den Vertrauensarzt der Beschwerdegegnerin vom 20. Februar
2012 aus, seines Erachtens sei es derzeit anerkannt, dass terminalkranke
Patienten in einem Pflegeheim häufig suboptimal betreut seien, weil die
Ausbildung des Pflegepersonals für diese Aufgabe in den meisten Fällen
ungenügend sei. Die Palliativstation im Spital I.________ werde von einem Arzt
geleitet, der für diese Aufgabe spezialisiert sei. Die tägliche Betreuung
übernähmen zwei Spezialfachärztinnen mit entsprechender Weiterbildung. Das
Pflegepersonal sei ebenfalls für diese Aufgabe vorbereitet. Es sei
unverantwortlich zu argumentieren, die Versicherte hätte genauso gut in einem
Pflegeheim untergebracht werden können. Es habe sich klar um eine terminale
Situation bei einem fortgeschrittenen Tumorleiden gehandelt. Somit sei die
Unterbringung auf einer Palliativabteilung indiziert gewesen.

4.3. Der Vertrauensarzt der Beschwerdegegnerin, Dr. med. G.________, Facharzt
für Allgemeinmedizin, hielt am 5. September 2011 fest, das Finden einer
adäquaten Analgesie sei nicht an den Aufenthalt in einem Akutspital gebunden,
sondern könne ebenso effektiv im Rahmen einer Pflegeinstitution erfolgen. Die
aufwändige Pflege infolge der massiven Stuhlinkontinenz sei nachvollziehbar,
falle aber ebenfalls nicht in den Aufgabenbereich eines Akutspitals. Es seien
vornehmlich pflegerische Aufgaben zu bewältigen, eine Spitalbedürftigkeit im
Sinne einer ständigen Präsenz von Ärzten sei nicht ersichtlich. In seinen
Schreiben vom 28. Dezember 2011 und 26. Januar 2012 bekräftigte Dr. med.
G.________ die fehlende Spitalbedürftigkeit, da der erhöhte pflegerische
Aufwand nicht die "Logistik einer Akutabteilung" bedingt habe und mit Ausnahme
der Behandlung der analen Blutung zwischen 19. und 25. Oktober 2011 aus der
Pflegedokumentation keinerlei Interventionen ersichtlich seien, welche die
"Logistik eines Spitals" notwendig erscheinen liessen. Im Wissen um die
infauste Prognose habe die - zurechnungsfähig gewesene - Verstorbene keinerlei
akute Interventionen gewünscht. Sämtliche Massnahmen hätten auch in einem
entsprechend qualifizierten Pflegeheim durchgeführt werden können.

5. 

5.1. Der Pflegedokumentation ist zu entnehmen, dass die Versicherte am 14. Juli
2011 zur "Symptomkontrolle (Schmerz, Stuhlinkontinenz) " in das Spital
I.________ verlegt wurde. Bis zum 31. Juli 2011 anerkannte die
Beschwerdegegnerin die Spitalbedürftigkeit und bezahlte anschliessend im Sinn
einer Übergangsfrist die Akuttaxe weiter bis 30. August 2011. Weshalb zwischen
31. August und 18. Oktober 2011 eine Akutspitalbedürftigkeit gegeben war und
die bis 18. Oktober 2011 erforderlich gewesenen Massnahmen zwingend unter
Spitalbedingungen durchgeführt werden mussten, konnten die behandelnden Ärzte
nicht schlüssig begründen (E. 4.1 und 4.2 hievor).

5.2. Zwar darf der Entscheid einer versicherten Person, in aussichtslosen
Situationen auf kurative Anstrengungen zu Gunsten eines palliativen Ansatzes zu
verzichten, nicht unbesehen zu einer Verneinung der Akutspitalbedürftigkeit
führen (vgl. auch die Empfehlungen der Schweizerischen Akademie der
medizinischen Wissenschaften [SAMW] zur Palliative Care, 2013, S. 18). Indes
muss in jedem Fall eine Akutspitalbedürftigkeit ausgewiesen sein, was etwa
zutrifft, wenn die konkreten Behandlungsformen die Kapazitäten eines
Pflegeheims überfordern (vgl. Urteil 9C_447/2010 vom 18. August 2010 E. 5.2).
Dies ist hier für die Zeit zwischen 31. August und 19. Oktober 2011 nicht
ausgewiesen. Selbst wenn (auch) nach dem 30. August 2011 eine passende
Schmerzmedikation nicht (längerfristig) hätte etabliert werden können,
vermöchte dies ebenso wenig eine Akutspitalbedürftigkeit zu begründen wie der
unbestritten hohe Pflegebedarf infolge der tumorbedingten Stuhlinkontinenz und
der fortschreitende Kräftezerfall. Die intensive Betreuungsbedürftigkeit, der
grosse pflegerische Aufwand (namentlich das häufige Reinigen und Wickeln;
Schreiben der Dr. med. E.________ vom 25. August 2011) und die kontinuierliche
Verschlechterung des Allgemeinzustandes reichen für eine
Akutspitalbedürftigkeit grundsätzlich nicht (BGer a.a.O. E. 5.2 mit Hinweis).
Bereits mit Urteil K 157/04 vom 14. April 2005 (E. 2.2) hat das Bundesgericht
entschieden, das Fortschreiten einer chronischen Krankheit und die damit
einhergehende Verlagerung von therapeutischen zu pflegerischen Massnahmen beim
Erreichen eines Krankheitsstadiums, in welchem grundsätzlich nur noch Pflege,
nicht aber eine Therapie möglich ist, bewirkten nicht zwingend eine
Spitalbedürftigkeit. Daran ist festzuhalten.

5.3. Dr. med. E.________ bejahte zwar von Beginn weg die Spitalbedürftigkeit
(vorangehende E. 4.1). Es ergeben sich aus den Akten aber zahlreiche Hinweise,
dass sie diesbezüglich erhebliche Zweifel hegte. Nicht nur besprach sie im
Anschluss an das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 22. August 2011 mit der
Versicherten, es seien allenfalls hohe, nicht durch die Versicherung gedeckte
Mehrkosten zu gewärtigen (wobei die Versicherte diese Kosten ausdrücklich in
Kauf nahm und die Tochter gegenüber der Ärztin erklärte, finanziell ergäben
sich keine Probleme; solange es der Mutter gut ginge, sei das "geschmälerte
Erbe" kein Thema [Einträge in der Pflegedokumentation vom 24. und 25. August
2011]). Dr. med. E.________ liess sich auch bereits am 24. August 2011 vom
Spital eine Zusicherung geben, wonach "auf Goodwillebene" formal eine
versicherungsmässige Herabstufung der privat versicherten Patientin möglich
wäre, falls die Beschwerdegegnerin die Akuttaxe nicht weiter übernähme (hiezu
auch Eintrag in der Pflegedokumentation vom 22. September 2011). Vor allem aber
hielt sie in ihren Schreiben vom 20. Oktober und 23. November 2011 fest, die
Spitalbedürftigkeit sei "in der aktuellen Situation eines blutenden Tumors
nunmehr eindeutig indiziert". Ab dem 19. Oktober 2011 sei durch die
gastrointestinale Blutung eine völlig neue Situation eingetreten und eine akute
Spitalbedürftigkeit entstanden. Dies bedeutet umgekehrt, dass vor dem Auftreten
der Blutung die Spitalbedürftigkeit aus ärztlicher Sicht eben gerade nicht
eindeutig war.

5.4. In Würdigung der gesamten Umstände, namentlich der Pflegedokumentation,
aber auch der Einschätzungen der behandelnden Ärztin, hat das kantonale Gericht
eine Spitalbedürftigkeit zwischen 31. August und 18. Oktober 2011 zu Recht
verneint. Insoweit ist die Beschwerde unbegründet.

6. 
Anders präsentiert sich die Situation für die Folgezeit. Im Anschluss an die
erwähnte Blutung begründeten die Ärzte nachvollziehbar, dass die Situation
nunmehr als "unmittelbar präterminal" habe eingeschätzt werden müssen
(vorangehende E. 4.1). Sie führten mit der Versicherten auch entsprechende
Gespräche (Einträge in der Pflegedokumentation vom 19. und 20. Oktober 2011;
Schreiben der Dr. med. E.________ vom 20. Oktober 2011). Dass sich der
Sterbeprozess während zweier Monate hinziehen würde, war damals gemäss den
nachvollziehbaren ärztlichen Ausführungen nicht absehbar. Zwar vermag ein -
ärztlich bestätigter - Beginn der Sterbephase nicht ohne Weiteres eine
Akutspitalbedürftigkeit zu begründen. Auch für die letzte Lebensphase ist stets
unter Würdigung aller Umstände zu beurteilen, ob die Pflege unter
Spitalbedingungen angemessen ist. Im konkreten Fall sistierte die Blutung des
Tumors zwar am 21. Oktober 2011 spontan, doch traten in der Folge häufig neue
Blutungen auf (dokumentiert bspw. am 7., 11., 28. und 29. November 2011 und am
2., 5., 6., 9., 18. sowie ab 23. Dezember 2011). Zur bereits bis dahin
schwierigen Schmerzmedikation, welche wegen einer Opiatunverträglichkeit der
Versicherten stets subkutan verabreicht werden musste, und der ebenfalls
anspruchsvollen, häufig anzupassenden antiemetischen Therapie sowie dem hohen
Pflegeaufwand der tumorbedingt inkontinenten Patientin trat somit eine
intensive und komplexe Pflege des immer wieder blutenden Tumors hinzu.
Ausserdem führten die Ärzte glaubhaft aus, sowohl bei der Versicherten selbst
wie auch bei ihren Angehörigen seien die psychosozialen Belastungen (bei
teilweise schwierigen Familienverhältnissen) erheblich gewesen (Schreiben der
Dres. med. L.________ und E.__________ vom 12. April 2012). Aufgrund des
dokumentiert prekären, im Anschluss an die Blutung vom 19. Oktober 2011
hochgradig instabilen Allgemeinzustandes und des nach ärztlichem Ermessen
unmittelbar bevorstehenden Todes bedurfte die Versicherte einer klar
aufwändigeren Palliativbehandlung als in der vorangegangenen Zeit. Dass die
erforderlich gewesenen Massnahmen unter den spezifischen Betreuungs- und
Überwachungsbedingungen der Palliativabteilung am Spital I.________ erfolgten,
erscheint unter den besonderen Umständen begründet. Es rechtfertigt sich daher,
der Auffassung der behandelnden Ärzte zu folgen, wonach vom 19. Oktober bis 26.
Dezember 2011 eine Akutspitalbedürftigkeit bestand. Insoweit ist die Beschwerde
gutzuheissen und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die entsprechenden
Kosten zu übernehmen.

7. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Beschwerdeführer und die
Beschwerdegegnerin je zur Hälfte kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die
Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführern zudem für das bundesgerichtliche
Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG), welche pauschal auf Fr. 1'500.- festgesetzt wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 24. Oktober 2013 wird
aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführer für die Zeit vom
19. Oktober bis 26. Dezember 2011 Anspruch auf Vergütung der Behandlungskosten
in der Palliativabteilung des Spitals I.________ haben.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht,
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 5. Februar 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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