Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 671/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_671/2014        
{T 0/2}

Urteil vom 30. Januar 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Grünenfelder.

Verfahrensbeteiligte
Stiftung Auffangeinrichtung BVG,
Weststrasse 50, 8003 Zürich,
vertreten durch Advokatin Gertrud Baud,
Beschwerdeführerin,

gegen

BVG-Sammelstiftung Swiss Life AG,
General Guisan-Quai 40, 8002 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 30. Juni 2014.

Sachverhalt:

A. 
Der 1966 geborene A.________ arbeitete zuletzt bei der B.________ AG und war
bei der BVG-Sammelstiftung Swiss Life AG (nachfolgend: Swiss Life) für die
berufliche Vorsorge versichert. Am 31. Juli 2008 erfolgte die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses und der Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung;
anschliessend bezog A.________ Arbeitslosentaggelder. Nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren sprach die IV-Stelle des Kantons Zug dem Versicherten mit
Verfügung 4. November 2011 rückwirkend ab 1. September 2009 eine ganze
Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad: 100 %).
Die Swiss Life lehnte eine Leistungspflicht ab, weil keine Anhaltspunkte für
eine Arbeitsunfähigkeit vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses oder in der
Nachdeckungsfrist bestünden. Am 31. Januar 2013 anerkannte die Stiftung
Auffangeinrichtung BVG (nachfolgend: Auffangeinrichtung) ihre
Vorleistungspflicht und gewährte A.________ eine jährliche Invalidenrente von
Fr. 11'833.40.

B. 
Mit Klage vom 3. September 2013 beantragte die Auffangeinrichtung, die Swiss
Life sei zu verurteilen, A.________ gemäss Reglement und samt entsprechender
Beitragsbefreiung per 1. September 2009 oder einem vom Gericht zu bestimmenden
Datum eine ganze Invalidenrente zu bezahlen.
Mit Entscheid vom 30. Juni 2014 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich die Klage mangels Aktivlegitimation ab.

C. 
Die Auffangeinrichtung macht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten geltend, der Entscheid vom 30. Juni 2014 sei aufzuheben und die
Sache sei zur materiellen Beurteilung an das Sozialversicherungsgericht
zurückzuweisen.
Die Swiss Life beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
Prozessthema des bundesgerichtlichen Verfahrens kann nur sein, was
(zulässigerweise) Gegenstand des angefochtenen kantonalen Entscheides bildete
(Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG; vgl. auch BGE 125 V 413 E. 1 S. 414).

2.

2.1. Rechtsbegehren sind nach Treu und Glauben auszulegen, insbesondere im
Lichte der dazu gegebenen Begründung (Urteil 9C_251/2009 vom 15. Mai 2009 E.
1.3 mit Hinweisen). Solche Folgerungen aus dem Vertrauensprinzip stellen eine
vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar ( MEYER/DORMANN, Basler
Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 35a zu Art. 105 BGG).

2.2. Befindet sich der Versicherte beim Entstehen des Leistungsanspruchs nicht
in der leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung, so ist jene
Vorsorgeeinrichtung vorleistungspflichtig, der er zuletzt angehört hat. Steht
die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung fest, so kann die
vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung auf diese Rückgriff nehmen (Art. 26
Abs. 4 BVG).

3.

3.1. Das Sozialversicherungsgericht hat die Aktivlegitimation der
Beschwerdeführerin mit der Begründung verneint, deren Vorbringen zielten nicht
auf einen Regressanspruch ab. Das eingeklagte Rentenbetreffnis beschlage nur
das gesetzlich und reglementarisch geregelte Rechtsverhältnis zwischen der
potenziell leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung und A.________, nicht
dasjenige zwischen der Swiss Life und der Auffangeinrichtung. Letztere sei
nicht Trägerin des fraglichen Rechts und somit nicht aktivlegitimiert.

3.2. In Anbetracht der Formulierung des Klagebegehrens ist die Vorinstanz zu
Recht davon ausgegangen, dass sich der Hauptantrag ausschliesslich auf das
Rechtsverhältnis zwischen A.________ und der Swiss Life bezieht und dasjenige
zwischen den beiden Vorsorgeeinrichtungen davon unberührt bleibt. Damit ist
auch die vorinstanzliche Schlussfolgerung, die Aktivlegitimation der
Auffangeinrichtung sei zu verneinen, aufgrund des Rechtsbegehrens nicht zu
beanstanden. Daraus hätte zumindest eine direkte Forderung aus eigenem Recht
(Leistungsklage; vgl. Art. 84 ZPO) hervorgehen müssen. Dass dies nicht
zutrifft, ergibt sich schon daraus, dass mit der Klage reglementarische
Leistungen ("gemäss Reglement und samt entsprechender Beitragsbefreiung"), die
über die Vorleistungen hinausgehen (Art. 2 Abs. 3 BVG), geltend gemacht werden.
Auch eine betragliche Bezifferung der zumindest bis im Zeitpunkt der
Klageerhebung angefallenen Regressforderung wäre in Anbetracht der für 2013
bekannten Rentenhöhe (Fr. 11'833.40) zu erwarten gewesen (vgl. BGE 134 III 235
E. 2 S. 237). Ausserdem war die Auffangeinrichtung bereits im vorinstanzlichen
Verfahren anwaltlich vertreten. Daher konnte sowohl das prozessuale Wissen
bezüglich einer Regressklage als auch eine gewisse Sorgfalt in der Formulierung
eines entsprechenden Antrags von ihr verlangt werden (vgl. Urteil 4A_440/2014
vom 27. November 2014 E. 3.3); schon für eine Sozialversicherungsträgerin ohne
externe Vertretung gilt diesbezüglich ein strengerer Massstab als für einen
juristischen Laien.

3.3.

3.3.1. In der Klagebegründung hielt die Beschwerdeführerin vor Vorinstanz fest,
sie habe A.________ mit Schreiben vom 31. Januar 2013 informiert, dass sie ihm
"als Vorleistung gestützt auf Art. 26 BVG und die IV-Verfügung vom 4. November
2011 eine IV-Rente von jährlich Fr. 11'833.40 per 16. November 2012" bezahle.
Ihrer Ansicht nach sei die Swiss Life leistungspflichtig. Diese habe aber ihre
Leistungspflicht verneint, da während ihrer Versicherungszeit keine
Arbeitsunfähigkeit attestiert gewesen sei (Schreiben vom 12. Februar 2013).
Gemäss BGE 136 V 131 sei die vorleistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung befugt,
Klage gegen die nach ihrer Ansicht leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung zu
führen. A.________ habe bis heute nicht geklagt.

3.3.2. Die Auffangeinrichtung zitierte zwar sowohl Art. 26 Abs. 4 BVG als auch
den für das Regressrecht einschlägigen Entscheid. Den Begriff "Rückgriff" bzw.
"Regress" verwendete sie aber nicht, obschon sich das Bundesgericht (BGE 136 V
131 E. 3 S. 137 ff.) mit dessen Auslegung im Zusammenhang mit Art. 26 Abs. 4
BVG befasste. Auch an sonstigen Ausführungen zu einem aus eigenem Recht
bestehenden Regressanspruch gegen die Swiss Life fehlte es, sodass für das
Sozialversicherungsgericht kein Anlass bestand, die Klage als Regressklage zu
interpretieren. Im Gegenteil musste der Hinweis, A.________ habe bisher keine
Klage erhoben (E. 3.3.1 in fine), den Eindruck verstärken, dass die
Beschwerdeführerin dessen Anspruch gegen die Swiss Life statt ihres eigenen
Rückgriffsrechts geltend machte. Dafür ist sie, wie das
Sozialversicherungsgericht zutreffend dargelegt hat, in der Tat nicht
aktivlegitimiert. Ein Regressanspruch hätte zudem substantiiert begründet
werden müssen. In der Klagebegründung erfolgte jedoch keine Bezifferung der
Klage. Ausserdem ergab sich aus dem Gesamtzusammenhang nicht, ab welchem
Zeitpunkt die Auffangeinrichtung Leistungen hätte zurückfordern wollen. Während
sie in ihrem Rechtsbegehren die Verurteilung der Swiss Life zur Ausrichtung von
Rentenleistungen ab 1. September 2009 beantragte, führte sie in der
Klagebegründung aus, sie habe A.________ mit Schreiben vom 31. Januar 2013
informiert, dass sie ihm die jährliche Invalidenrente "per 16. November 2012"
bezahle (E. 3.3.1). Insgesamt war damit aus der Klagebegründung nichts zu
entnehmen, was auf eine Regressklage aus eigenem Recht hingedeutet hätte. Es
bestanden keine Anhaltspunkte, dass der Klage nach Treu und Glauben in
Abweichung vom Wortlaut des Rechtsbegehrens ein anderer Sinn hätte beigemessen
werden müssen.

3.4. Selbst wenn der Umstand des direkten Rückgriffsrechts in der Klageschrift
eine Rolle spielte, musste die Vorinstanz aus dem Gesamt-zusammenhang nicht
schliessen, dass die Klage eine Regressforderung im Sinne von Art. 26 Abs. 4
BVG zum Gegenstand hatte. Daran ändern die Ausführungen in der Beschwerde
nichts. Eine Verletzung von Bundesrecht liegt nicht vor. Der Auffangeinrichtung
bleibt es jedoch unbenommen, (aus eigenem Recht) eine Regressklage gegen die
Swiss Life einzureichen. Die Tatsache, dass die leistungspflichtige
Vorsorgeeinrichtung noch nicht feststeht, hindert sie nicht daran. Ob die
Beschwerdegegnerin gemäss Art. 26 Abs. 4 BVG effektiv leistungspflichtig ist,
wird das Sozialversicherungsgericht gegebenenfalls als Vorfrage zu prüfen haben
(E. 2.2). Die Beschwerde ist unbegründet.

4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat
keinen Anspruch auf Ausrichtung einer Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Januar 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder

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