Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 54/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_54/2014

Urteil vom 18. Dezember 2014

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer,
Bundesrichterinnen Pfiffner, Glanzmann,
Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
Einwohnergemeinde X.________, vertreten durch den Einwohnergemeinderat,
Beschwerdeführerin,

gegen

Erbengemeinschaft A.________ sel., bestehend aus:

1.       B.________,
2.       C.________,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Daniela Burch,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden
vom 27. November 2013.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1917, wohnte bis zum 13. August 2009 in Y.________. Am
14. August 2009 trat sie in die Residenz D.________ in X.________ ein und
meldete sich am 1. Februar 2010 in X.________ als Wochenaufenthalterin an. Ihre
Schriften beliess sie in Y.________. Nachdem am 1. Januar 2011 das Bundesgesetz
über die Neuordnung der Pflegefinanzierung in Kraft getreten war, ersuchte
A.________ am 19. Januar 2011 bei der Finanzverwaltung des Kantons Nidwalden um
Übernahme der Restfinanzierung ungedeckter Pflegekosten. Die Finanzverwaltung
wies das Gesuch am 11. Februar 2011 ab, worauf A.________ am 18. Februar 2011
beim Einwohnerrat X.________ um Restfinanzierung ersuchte. Dieser trat auf das
Gesuch mit Beschluss vom 4. April 2011 mangels Zuständigkeit nicht ein.

A.b. Eine hiegegen beim Regierungsrat des Kantons Obwalden erhobene Beschwerde
der A.________ überwies dieser zur Instruktion und Antragstellung an das
kantonale Finanzdepartement. Dieses führte betreffend Zuständigkeit einen
Meinungsaustausch mit dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden und der
Einwohnergemeinde X.________ durch und wies die Beschwerde mit Beschluss vom
13. März 2012 ab.

B. 
Am 30. April 2012 erhob A.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden
Beschwerde. Am ... 2012 verstarb sie. Die Erben B.________ (Tochter) sowie
C.________ (Enkelin) hielten am Verfahren fest. Das Verwaltungsgericht hiess
die Beschwerde mit Entscheid vom 27. November 2013 teilweise gut, hob den
Beschluss des Regierungsrates vom 13. März 2012 auf und verpflichtete die
Einwohnergemeinde X.________, auf das Gesuch um Restfinanzierung einzutreten
und die ungedeckten Pflegekosten ab Januar 2011 zu übernehmen.

C. 
Der Einwohnergemeinderat X.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit folgenden Rechtsbegehren:

"1.       Das Verwaltungsgerichtsurteil des Verwaltungsgerichts des Kantons
Obwalden vom 27. November 2013 sei vollumfänglich aufzuheben.
2.       Es sei festzustellen, dass das vorinstanzliche Verfahren vor dem
Regierungsrat nach Art. 57 ATSG nicht zulässig war.
3.       Es sei festzustellen, dass der Artikel 25a Abs. 5 KVG lückenhaft ist
und deshalb in interkantonalen Verhältnissen zugunsten der Heimstandorte
auszufüllen ist.
4.       Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen." 

Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei.
Die Erbengemeinschaft schliesst ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde und
Bestätigung des angefochtenen Entscheides.

Erwägungen:

1.

1.1. Die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes ist zuständig für
die Behandlung von Beschwerden im Bereich der Restfinanzierung von
Pflegekosten, sofern diese nach Eintritt eines Leistungsfalles erhoben werden (
BGE 138 V 377 E. 2.2 S. 379). Das ist hier der Fall, weshalb auf die Beschwerde
einzutreten ist.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Soweit sich der
angefochtene Entscheid auf Quellen des kantonalen Rechts stützt, welche nicht
in Art. 95 lit. c-e BGG genannt werden, beschränkt sich die Überprüfung durch
das Bundesgericht inhaltlich auf die Frage, ob die Anwendung des kantonalen
Rechts zu einer Bundesrechtswidrigkeit führt. Im Vordergrund steht dabei eine
Verletzung verfassungsmässiger Rechte (BGE 133 I 201 E. 1 S. 203 mit
Hinweisen).

2.

2.1. Streitig ist die interkantonale Zuständigkeit für die Restfinanzierung
stationärer Pflegekosten.

2.2. Zweck des Bundesgesetzes vom 13. Juni 2008 über die Neuordnung der
Pflegefinanzierung (AS 2009 3517 ff.) war es einerseits, die bisherige
sozialpolitisch schwierige Situation vieler pflegebedürftiger Personen zu
entschärfen, zugleich aber eine zusätzliche Belastung der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zu verhindern. Anderseits begrenzte der Gesetzgeber
aus sozialpolitischen Gründen die von den Heimbewohnern zu leistenden
Pflegekosten betragsmässig (Art. 25a Abs. 5 KVG) und erleichterte zugleich für
bedürftige Heimbewohner die Bezahlung dieser Pflegekosten durch eine Erhöhung
der Ergänzungsleistungen (vgl. die Revision von Art. 10 und 11 ELG [SR 831.30]
durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung). Der
verbleibende Betrag, der weder von der Krankenversicherung noch von den
Bewohnern bezahlt wird, ist von der öffentlichen Hand (Kanton oder Gemeinden)
zu übernehmen, was im Gesetz nicht klar gesagt, aber gemeint ist. Für die
Regelung der Restfinanzierung sind die Kantone zuständig (Art. 25a Abs. 5 Satz
2 KVG; BGE 138 V 377 E. 5.1 S. 381). Leistungserbringer sind - je nach
kantonaler Regelung - Kantone oder Gemeinden, also Personen öffentlichen
Rechts, die grundsätzlich nicht dem KVG unterstellt sind, zumal sie ihre
Leistungen nicht zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
abrechnen (BGE 138 V 377 E. 5.2 S. 382).

3.

3.1. Die Vorinstanz erwog, Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG sei in dem Sinn
auszulegen, dass sich der für die Restfinanzierung zuständige Kanton nach dem
Wohnsitzprinzip bestimme. Mit der Zuständigkeit des aktuellen Wohnsitzkantons
werde eine lückenlose Regelung der interkantonalen Zuständigkeit gewährleistet.
Die Regelungskompetenz der Kantone beschränke sich auf den innerkantonalen
Bereich. Kantonale oder kommunale Regelungen, die indirekt ein ausserkantonales
Gemeinwesen für zuständig erklären, seien bei interkantonalen Sachverhalten
nicht durchsetzbar. Der Kanton Obwalden sei somit für die
Restkostenfinanzierung zuständig, sofern die Verstorbene ihren zivilrechtlichen
Wohnsitz zur fraglichen Zeit in X.________ hatte. Es stehe fest und sei
unbestritten, dass die Verstorbene sich seit dem 14. August 2009 in der
Residenz D.________ in X.________ aufgehalten habe. Die konkreten Umstände
(geringer Pflegebedarf, Nähe zum Wohnort der Tochter) legten nahe, dass die
Wahl der Institution nach reiflicher Überlegung bewusst getroffen worden sei.
Es könne deshalb angenommen werden, sie habe ihren Lebensabend in X.________
verbringen und dort ihren Lebensmittelpunkt begründen wollen, und zwar
unabhängig davon, ob die Altersresidenz als Anstalt im Sinne von aArt. 26 ZGB
gelte. Die Hinterlegung der Schriften habe auf die Begründung des
zivilrechtlichen Wohnsitzes keinen Einfluss. Damit sei die Einwohnergemeinde
X.________ für die Restfinanzierung der Pflegekosten ab Januar 2011 zuständig.

3.2. Die Beschwerde führende Einwohnergemeinde rügt in verfahrensrechtlicher
Hinsicht, das kantonale Verwaltungsgericht habe übersehen, dass das ATSG im
vorinstanzlichen Verfahren anwendbar gewesen wäre. Art. 57 und 61 lit. a ATSG
seien verletzt, da nicht eine einzige Instanz zum Zug gekommen und das
Verfahren nicht kostenlos gewesen sei. Ihr dürften aus dieser Rechtsverletzung
keine Kosten erwachsen. Mit Bezug auf die Zuständigkeit für die
Restfinanzierung bringt sie hauptsächlich vor, Art. 25a Abs. 5 KVG regle die
Zuständigkeit zur Restfinanzierung nicht. Es bestehe eine durch Richterrecht zu
füllende Gesetzeslücke. Im interkantonalen Verhältnis sei aufgrund der Nähe zu
den Ergänzungsleistungen die Zuständigkeit des Wohnsitzes vor Heimeintritt
sachgerecht. Ein Splitting der Zuständigkeit führe zu unhaltbaren Situationen
für alle Beteiligten und zu einer übermässigen Belastung der Heimstandorte.
Schliesslich habe die Vorinstanz nicht gewürdigt, dass die Verstorbene ihre
Schriften nicht verlegt und zuerst in Y.________ um Restfinanzierung ersucht
habe, was ihre Verbundenheit mit diesem Ort zeige.

3.3. Die Vorinstanz stellt sich in ihrer Vernehmlassung auf den Standpunkt, der
Gesetzgeber habe bewusst auf eine Abweichung vom im Krankenversicherungsrecht
geltenden Wohnsitzprinzip verzichtet. Bei einem qualifizierten Schweigen sei
kein Platz für richterliche Lückenfüllung. Der bedürftigkeitsunabhängige
Anspruch auf Restfinanzierung betreffe mehr Personen als die
Ergänzungsleistungen. Unerwünschte Auswirkungen auf die Niederlassungsfreiheit
seien daher aus verfassungsrechtlichen Gründen zu minimieren.

3.4. Die Erbengemeinschaft bringt vor, es bestünden keine Hinweise, wonach der
kantonale Gesetzgeber die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des ATSG für
anwendbar hätte erklären wollen. Die Rüge, es sei das falsche Verfahrensrecht
angewendet worden, sei ohnehin verspätet. Jedenfalls dürften ihr selbst bei
Massgeblichkeit des ATSG daraus keine Nachteile erwachsen. Sodann sei Art. 25a
Abs. 5 KVG in dem Sinn zu verstehen, dass sich die Zuständigkeit für die
Restfinanzierung ungedeckter Pflegekosten nach dem zivilrechtlichen
Wohnsitzbegriff bestimme, zumal Art. 1 Abs. 1 KVG die Restfinanzierung nicht
vom Anwendungsbereich des ATSG ausnehme. Das kantonale Gericht habe den
Wohnsitz korrekt bestimmt.

4.

4.1. Der Bundesgesetzgeber verzichtete darauf, das ATSG auf die
Pflegefinanzierung explizit für anwendbar zu erklären. In BGE 138 V 377 E. 5.3
S. 382 liess das Bundesgericht offen, ob sich die den Kantonen in Art. 25a Abs.
5 KVG eingeräumte Regelungskompetenz auch auf das Verfahrensrecht erstreckt
oder nur die Finanzierungsmodalitäten im engeren Sinn umfasst. Es erwog
Folgendes:

"Für die Anwendbarkeit des ATSG im Rahmen von Art. 25a Abs. 5 KVG sprechen
mehrere überzeugende Gründe. Zunächst sind nach Art. 1 Abs. 1 KVG die
Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung anwendbar, soweit das KVG
nicht ausdrücklich eine Abweichung vorsieht. Unter den - allerdings nicht
abschliessenden - Ausnahmen gemäss Art. 1 Abs. 2 KVG findet sich die
Restfinanzierung der Pflegekosten nicht, zudem sieht das KVG diesbezüglich
keine Abweichungen vom ATSG vor. Sodann sind keine Argumente ersichtlich (...),
weshalb das Verfahrensrecht des ATSG für die Beurteilung von Ansprüchen nach
Art. 25a Abs. 5 KVG nicht geeignet sein soll. Mit Blick auf die enge Verbindung
der Ansprüche nach Art. 25a Abs. 5 KVG mit den Ergänzungsleistungen (EL), die
sich verfahrensrechtlich nach dem ATSG richten, erscheint die Anwendbarkeit des
ATSG vielmehr als sachgerecht: Nicht nur installierte das Bundesgesetz über die
Neuordnung der Pflegefinanzierung mit der Restfinanzierung der stationären
Langzeitpflege einen den EL vorgelagerten Kostenträger (mit entsprechender
Entlastung der Pflegebedürftigen sowie auch der EL) und erhöhte die
Vermögensfreibeträge mit entsprechender Erweiterung des Kreises der
EL-Anspruchsberechtigten. Auch und vor allem stellt sich die Frage nach der
Restfinanzierung von Pflegeleistungen häufig dann, wenn Ansprüche auf
Ergänzungsleistungen ebenfalls im Raum stehen (...). Für die (mutmasslich)
Anspruchsberechtigten bedeutete es eine - vermeidbare - verfahrensrechtliche
Erschwerung, wenn die beiden Ansprüche auf zwei unterschiedlichen Rechtswegen
geltend zu machen wären."
Entscheidend ist indes der Wille des kantonalen Gesetzgebers (BGE 138 V 377 E.
5.2 S. 382). Wo dieser überhaupt keine Regelung erlassen hat, ist zu prüfen, ob
er - in Übereinstimmung mit entsprechenden Empfehlungen des Vorstandes der
Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
-direktoren (GDK; nachfolgende E. 5.1) - davon ausgegangen war, die Anwendung
des ATSG sei selbstverständlich und es bestehe daher kein kantonaler
Regelungsbedarf (BGE 138 C 377 E. 5.6 S. 385).

4.2. Der Kanton Obwalden sah sich bei der Umsetzung der Neuregelung der
Pflegefinanzierung nicht zu Anpassungen in der Gesetzgebung veranlasst. Mit
Bezug auf die innerkantonale Zuständigkeit zur Beurteilung der hier in Frage
stehenden Restfinanzierungsstreitigkeiten fand zwischen dem (im Auftrag des
Regierungsrates) instruierenden kantonalen Finanzdepartement und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden ein Meinungsaustausch statt. In seinem
Beschluss vom 13. März 2012 erwog der Regierungsrat, das kantonale Recht
enthalte zwar keine ausdrückliche Vorschrift, wonach sich der Rechtsschutz nach
kantonalem Recht richte, doch lasse die Auslegung von Art. 25a KVG eine
entsprechende Schlussfolgerung zu. Gemäss Art. 88 Abs. 1 der Kantonsverfassung
vom 19. Mai 1968 (GDB 101.0) könne gegen Beschlüsse des Gemeinderates binnen 20
Tagen eine Beschwerde beim Regierungsrat eingereicht werden. Zwar gäbe es auch
Gründe für die Anwendbarkeit des ATSG. Das Verwaltungsgericht wäre indes
letztlich - sei es im Anschluss an ein Einspracheverfahren vor dem
Einwohnergemeinderat X.________ oder direkt - ohnehin zuständig.
Ob das bisherige Verfahren zu Recht nach kantonalem Verfahrensrecht geführt
wurde, kann bei der gegebenen Verfahrenskonstellation (integrale Aufhebung des
regierungsrätlichen Beschlusses vom 13. März 2012 durch die Vorinstanz; mithin,
wie geltend gemacht, keine Kostenpflicht) offenbleiben (zur Zulässigkeit eines
Feststellungsbegehrens vgl. Urteil 4A_364/2014 vom 18. September 2014 E. 1.2.1
mit Hinweisen).

5. 
Zu prüfen bleibt, ob das kantonale Gericht bundesrechtskonform die
Beschwerdeführerin zur Übernahme der ungedeckten Pflegekosten
(Restfinanzierung) verpflichtet hat.

5.1. Bundesrechtlich ist für die Vergütung von Kosten der Akut- und
Übergangspflege im Anschluss an einen Spitalaufenthalt der "Wohnkanton"
zuständig (Art. 25a Abs. 2 KVG). Die Restfinanzierung der übrigen ungedeckten
Pflegekosten wurde, wie dargelegt (E. 2.2 hievor) "den Kantonen überlassen"
(Art. 25a Abs. 5 KVG). Bislang fehlt eine nähere bundesrechtliche Regelung der
Zuständigkeit zur Restfinanzierung ungedeckter, namentlich ausserkantonaler,
Pflegekosten. Auch den Materialien lässt sich nichts Erhellendes entnehmen.
Insbesondere finden sich keine Hinweise zur Frage, ob an den Wohnsitz vor dem
Heimeintritt anzuknüpfen ist, wie dies Art. 21 Abs. 1 ELG vorsieht ("Der
Aufenthalt in einem Heim, einem Spital oder einer anderen Anstalt [...]
begründen keine neue Zuständigkeit") und was auch Art. 5 des Bundesgesetzes
über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24. Juni 1977
(ZUG; SR 851.1) entspricht, wonach der Aufenthalt in einem Heim, einem Spital
oder einer anderen Einrichtung (...) keinen Unterstützungswohnsitz begründet,
oder ob bei einem Wohnortwechsel der Standortkanton der Einrichtung für die
Restkosten aufzukommen hat. In der parlamentarischen Debatte wurde nur
festgehalten, die Restfinanzierung sei von den Kantonen "in eigener Regie zu
regeln", und im KVG sei lediglich zu normieren, was von der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung übernommen werden müsse (z.B. Votum Ständerätin
Forster-Vanini AB 2007 S 777). Zwar ging der GDK in seinen am 22. Oktober 2009
verabschiedeten "Empfehlungen zur Umsetzung der Neuordnung der
Pflegefinanzierung" von der selbstverständlichen Anwendbarkeit des ATSG aus und
folglich auch von der Massgeblichkeit des Art. 13 Abs. 1 ATSG, welcher
bezüglich der Wohnsitzbestimmung auf das ZGB verweist. Diese Empfehlungen
wurden indes nicht in allen Kantonen umgesetzt (Bericht der ständerätlichen
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, SGK-S, vom 28. Juli 2011, zur
Umsetzung der Pflegefinanzierung [abrufbar unter www.parlament.ch]). Vielmehr
wenden gemäss diesem Bericht 14 Kantone die Zuständigkeitsregelung gemäss Art.
21 ELG an (AG, AI, BE, BL, FR, GR, JU, NE, OW, SG, SO, TG, VD, ZG), und in zehn
Kantonen gilt die Wohnsitzregelung gemäss Art. 13 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit
Art. 23 ZGB (AR, BS, LU, NW, OW, SH SZ, TI, VS, ZH). Der Kanton Obwalden führt
beide Zuständigkeitsregelungen an (vgl. erläuternder Bericht der SGK-N
"Umsetzung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Pflegefinanzierung vom
13. Juni 2008 in den Kantonen" vom 13. August 2012; abrufbar unter
www.parlament.ch).

5.2. Sowohl die Finanzierungszuständigkeit des Standort- wie auch des
Herkunftskantons weisen Vor- und Nachteile auf (vgl., betreffend die ähnliche
Fragestellung im Bereich der Ergänzungsleistungen, BGE 138 V 23 E. 3.4.3 S. 29;
Mösch Payot, Pflegekostenfinanzierung durch die Kantone nach Art. 25a Abs. 5
KVG: Grundlagen und ausgewählte Praxisprobleme, in: Rosch/Wider [Hrsg.],
Zwischen Schutz und Selbstbestimmung, Festschrift für Professor Christoph
Häfeli zum 70. Geburtstag, Bern 2013, S. 245 f.).
Für die Variante "Standortkanton" spricht beispielsweise die grundsätzliche
fiskalische Äquivalenz, sofern die betreffende Person ihren Wohnsitz verlegt
und somit jener Kanton für die Restkosten aufzukommen hat, in welchem auch die
Steuerpflicht besteht. Diese Lösung gewährleistet zudem die Gleichbehandlung
aller Bewohner und vermag den administrativen Aufwand zu verringern, weil
ausschliesslich das Abrechnungssystem des eigenen Kantons zur Anwendung
gelangt. Allerdings fällt bei Personen, welche mit dem Heimeintritt einen neuen
Wohnsitz begründet haben, die Zuständigkeit für die Ergänzungsleistungen (die
grundsätzlich durch den Herkunftskanton ausgerichtet werden; vorangehende E.
5.1) und für die Restfinanzierung auseinander.
Für die Lösung "Herkunftskanton" wird etwa die Analogie zur Normierung in Art.
21 Abs. 1 ELG oder der Sozialhilfe (vgl. Art. 5 ZUG) angeführt (E. 5.1 hievor).
Auch wird bei dieser Variante zum einen eine Benachteiligung jener Kantone
verhindert, welche gemessen am eigenen Bedarf über ein überdurchschnittliches
Pflegeplatzangebot verfügen. Zum andern werden Anreize für Kantone und
Gemeinden vermieden, das Angebot (insbesondere für nicht vermögende Personen)
möglichst knapp zu halten. Wird am ausserkantonalen Standort der Einrichtung
ein Wohnsitz begründet, führt die Zuständigkeit des Herkunftskantons allerdings
zu einer unter Umständen jahrelangen Finanzierungspflicht, obwohl die
betreffende Person dort keine Steuern mehr entrichtet und auch sonst keine
besondere Nähe mehr besteht.

5.3. Auf Bundesebene haben in den letzten Jahren zahlreiche parlamentarische
Vorstösse die fehlende Zuständigkeitsregelung für die Restfinanzierung
aufgegriffen. Namentlich die ungeregelte Zuständigkeit für die Restfinanzierung
bei ausserkantonalen Heimaufenthalten wurde als grosser Mangel erkannt und ist
Gegenstand einer derzeit hängigen parlamentarischen Initiative "Nachbesserung
der Pflegefinanzierung" (Nr. 14.417; eingereicht von Ständerätin
Egerszegi-Obrist am 21. März 2014) sowie eines Postulates "Klärung der
Zuständigkeit für die Restfinanzierung bei ausserkantonalen
Pflegeheimaufenthalten analog ELG" (Nr. 12.4099; eingereicht von Ständerätin
Bruderer Wyss am 11. Dezember 2012). Dass eine - auch vom Bundesamt für
Gesundheit den Kantonen empfohlene - einheitliche interkantonale Lösung
(Konkordat) nicht gefunden werden konnte, sondern kantonal unterschiedliche
Zuständigkeitsregeln geschaffen wurden, begünstigt negative Kompetenzkonflikte.
Diese vereiteln den bundesrechtlichen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten
Pflegekosten durch die öffentliche Hand (Kanton oder Gemeinde; vgl. BGE 140 V
58 E. 4.1 S. 62 mit Hinweis) und können die Mobilität der Bewohnerinnen und
Bewohner gefährden, indem diese dem Risiko ausgesetzt werden, bei einem
ausserkantonalen Heimaufenthalt die Restkosten selbst tragen zu müssen. Die
Initiative von Ständerätin Egerszegi-Obrist zielt denn auch darauf ab, die
Restfinanzierung von Pflegeleistungen für ausserkantonale Patientinnen und
Patienten zu regeln und die Freizügigkeit unter anerkannten Leistungserbringern
zu gewährleisten. Die parlamentarischen Kommissionen für Sicherheit und
Gesundheit gaben ihr einstimmig Folge. Gegenwärtig wird ein Erlassentwurf
ausgearbeitet. Bislang ging die SGK-S im erläuternden Bericht vom 28. Juli 2011
zur Umsetzung der Pflegefinanzierung (a.a.O.) wie auch im Bericht vom 17.
Oktober 2013 zu einer Motion von Nationalrätin Leutenegger Oberholzer (Nr.
12.4181, "Niederlassungsfreiheit auch im Alter", vom 13. Dezember 2012) davon
aus, es sei jener Kanton für die Restfinanzierung zuständig, "in welchem die
anspruchsberechtigte Person ihren zivilrechtlichen Wohnsitz hat (Art. 25a Abs.
5 KVG) ". In Beantwortung einer Interpellation "Stärkung der ambulanten Pflege.
Restfinanzierung" (Nr. 14.3638, eingereicht von Nationalrat Joder am 20. Juni
2014) stellte der Bundesrat am 27. August 2014 in Aussicht, auf Anfang 2015
einen Bericht vorzubereiten, der mögliche Wege zur Lösung des Problems der
Restfinanzierung ausserkantonaler Pflegeheimaufenthalte aufzeigen solle, wobei
das von Ständerätin Wyss Bruderer eingereichte Postulat (Nr. 12.4099)
präzisiere, dass die Lösung analog zu jener im ELG sein müsse. Ob für die
Zuständigkeit zur Restfinanzierung ungedeckter Pflegekosten dereinst eine
wohnsitzunabhängige, mit dem Recht der Ergänzungsleistungen und der Sozialhilfe
kongruente Lösung bestehen wird, mithin der zivilrechtliche Wohnsitz und die
Zuständigkeit für die Restfinanzierung auseinanderfallen können (aber nicht
müssen; vgl. BGE 138 V 23 E. 3.4.4 S. 30), oder ob der wohnsitzbegründende
Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim zur Finanzierungszuständigkeit des
Standortkantons führt, ist damit noch offen.

5.4.

5.4.1. Die hier strittigen (Rest-) Kosten sind zwischen 1. Januar 2011 und dem
Tod von A.________ am 2012 angefallen. Nachdem eine bundesgesetzliche Regelung
bislang fehlt, ist bis auf Weiteres grundsätzlich auf die kantonale bzw.
kommunale Rechtslage abzustellen. Schon vor Inkrafttreten der neuen
Pflegefinanzierung am 1. Januar 2011 hatten sich im Kanton Obwalden die
Gemeinden an den ungedeckten pflegebedingten Mehraufwendungen zu beteiligen
(Art. 22 des kantonalen Gesundheitsgesetzes vom 20. Oktober 1991 [GDB 810.1]).
Regelungsbedarf bei der Umsetzung der Neuordnung der Pflegefinanzierung bestand
folglich auf kommunaler Ebene. Konkret erliess die Einwohnergemeinde X.________
ein Reglement über die Beteiligung an den Pflegekosten (vom 2. November 2010,
in Kraft seit 1. Januar 2011), welches gemäss (Zweck-) Artikel 1 "die
Beteiligung der Patienten und der Gemeinde an der Finanzierung der
Pflegeleistungen bei Krankheit im Sinne von Art. 25a Abs. 5 des Bundesgesetzes
über die Krankenversicherung (KVG) vom 18. März 1994" normiert. In Art. 3 lit.
b wird bestimmt, dass "Patienten mit Wohnsitz in einem anderen Kanton [...] dem
betreffenden Pflegeheim der Gemeinde X.________ vor Behandlungsbeginn eine
Kostengutsprache ihres Wohnsitzkantons oder ihrer Wohnsitzgemeinde betreffend
die Übernahme des Restfinanzierungsbeitrags einzureichen [haben]. Andernfalls
hat das Pflegeheim die Aufnahme zu verweigern." Diese Regel, welche für alle
Fälle der Restfinanzierung gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG gilt (Art. 1 Reglement),
entspricht inhaltlich der bundesgesetzlichen Normierung im Bereich der
Ergänzungsleistungen (Art. 21 ELG; vorangehende E. 5.1). Eine solche Klausel
(auch "Modell ELG" genannt; vgl. die erwähnte parlamentarische Initiative Nr.
14.417, eingereicht von Ständerätin Egerszegi-Obrist) soll die Benachteiligung
der Standortgemeinde verhindern, welche ohne die Leistungszusicherung der
Herkunftsgemeinde oder des Herkunftskantons für die Restfinanzierung all jener
Bewohner aufkommen müsste, die ihren Wohnsitz an den Ort der Einrichtung
verlegt haben. Eine ähnliche Regelung findet sich zwar auch in Art. 41 KVG,
welcher die Wahl des Leistungserbringers bei Spitalaufenthalten regelt. Anders
als bei der Spitalbehandlung wird im Bereich der Restfinanzierung ungedeckter
Pflegekosten durch eine solche Voraussetzung indes die freie Wohnsitzwahl im
Alter und folglich die - für alle Altersgruppen gleichermassen geltende -
verfassungsmässige Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV) eingeschränkt (vgl. auch
erläuternder Bericht der SGK-N vom 3. Oktober 2013, S. 15; abrufbar unter
www.parlament.ch).
Unabhängig davon, ob eine der grundsätzlichen Zuständigkeitsperpetuierung
gemäss Art. 21 ELG nachempfundene Regelung im Bereich der Restfinanzierung
gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG sachgerecht wäre, kann eine entsprechende
Voraussetzung jedenfalls nicht (nur) in einem kantonalen oder kommunalen Erlass
verankert sein. Sie bedürfte vielmehr einer bundesrechtlichen, für die ganze
Schweiz gültigen Normierung, da bei kantonsübergreifenden Sachverhalten nicht
ein Kanton oder eine Gemeinde über die Finanzierungszuständigkeit eines anderen
(ausserkantonalen) Gemeinwesens befinden kann (hiezu auch Mösch Payot, a.a.O.,
S. 246). Eine interkantonal gültige Finanzierungszuständigkeit gemäss dem
"Modell ELG" setzt somit ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers voraus. Ein
solches ist derzeit erst im Tun, weshalb bis auf Weiteres zumindest im
interkantonalen Verhältnis die Finanzierungszuständigkeit nach dem
Wohnsitzprinzip zu bestimmen ist (Art. 1 KVG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1
ATSG; Art. 23 ZGB).

5.4.2. Das Reglement der Beschwerdeführerin, welches die Aufnahme in eine
eigene Institution von der Kostengutsprache des Herkunftskantons abhängig macht
(Art. 3 lit. b Reglement), war beim Eintritt von A.________ sel. in das
Alterszentrum D.________ noch nicht in Kraft. Der Heimeintritt im August 2009
erfolgte zu einem Zeitpunkt, als sich die Frage nach einer Kostengutsprache der
Herkunftsgemeinde noch gar nicht stellte. Nach Inkrafttreten der neuen
Pflegefinanzierung blieb A.________ sel. im Alterszentrum in X.________. Eine
Rückkehr in den Kanton Nidwalden stand für sie offenbar auch im Zuge des
Nichteintretensentscheids der Beschwerdeführerin vom 4. April 2011 nicht zur
Diskussion. Selbst wenn das kommunale Reglement Übergangsbestimmungen enthielte
(was nicht zutrifft), vermöchten diese nichts daran zu ändern, dass die
kantonale wie auch die kommunale Legiferierungskompetenz nicht über die
Kantonsgrenze hinausgehen können (E. 5.4.1 hievor). Nachdem die
Finanzierungszuständigkeit bei der Wohnsitzgemeinde liegt, hat das kantonale
Gericht zu Recht erwogen, die Beschwerdeführerin sei für die Restfinanzierung
der ungedeckten Pflegekosten zuständig, sofern A.________ ihren Wohnsitz nach
X.________ verlegt habe.

6. 
Zu prüfen bleibt, ob die Vorinstanz den Wohnsitz von A.________ zwischen 1.
Januar 2011 und ... 2012 korrekt bestimmte. Unbestritten wohnte die Verstorbene
seit August 2009 in einem Alterszentrum in X.________. Die für die
Wohnsitzbegründung erforderliche physische Präsenz steht ausser Frage. Gemäss
den vorinstanzlichen Feststellungen hatte die im Herbst 2009 nur gering
pflegebedürftig gewesene Verstorbene, deren Urteilsfähigkeit nicht angezweifelt
wurde, wegen einer Gehbehinderung ihre angestammte Wohnung in Y.________
aufgegeben und nach reiflicher Überlegung ein Altersheim in der Nähe ihrer
Tochter gewählt. Das kantonale Gericht schloss daraus, A.________ sel. habe
ihren Lebensabend in X.________ verbringen wollen und dort ihren
Lebensmittelpunkt begründet. Das Belassen der Schriften in Y.________ und die
Anmeldung in X.________ als Wochenaufenthalterin vermöchten nichts zu ändern.
Damit hat die Vorinstanz die massgebliche zivilrechtliche Norm (Art. 23 ZGB)
zur Wohnsitzbegründung korrekt angewandt (vgl. auch BGE 138 V 23 E. 3.1.1 S. 24
f.). Befand sich der Wohnsitz der Verstorbenen in X.________, ist die
Beschwerdeführerin für die Restfinanzierung zuständig.

7. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die
unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Die
obsiegende Erbengemeinschaft hat Anrecht auf eine Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerinnen für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Dezember 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle

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