Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 417/2014
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_417/2014

Urteil vom 11. Februar 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Furrer.

Verfahrensbeteiligte
Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3003 Bern 3,
Beschwerdeführer,

gegen

Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden, Bahnhofstrasse 2, 6052 Hergiswil NW,
Beschwerdegegnerin,

IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 54, 6371 Stans,

Ausgleichskasse Schweizerischer Baumeisterverband, Postfach 16, 8042 Zürich,

AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Verrechnung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden
vom 17. Dezember 2012.

Sachverhalt:

A. 
Die 1948 geborene A.________ stellte am 28. Juni 2009 einen Antrag auf
Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2009. Sie gab an, im Umfang von
höchstens 50 % einer Vollzeitbeschäftigung arbeiten zu wollen und bezogen auf
dieses Pensum 50 % arbeitsfähig zu sein. Die Arbeitslosenkasse Ob- und
Nidwalden (nachfolgend: Arbeitslosenkasse) erbrachte daraufhin von 1. September
2009 bis 18. Oktober 2011 Taggeldleistungen. A.________ hatte sich ausserdem
bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug angemeldet. Die IV-Stelle
Nidwalden (nachfolgend: IV-Stelle) sprach A.________ mit Verfügung vom 20.
Dezember 2011 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung mit Wirkung ab 1.
August 2009 (Invaliditätsgrad von 41 %) und eine ganze Invalidenrente mit
Wirkung ab 1. April 2011 zu (Invaliditätsgrad von 70 %).
Im Nachgang zur Rentenverfügung der IV-Stelle verpflichtete die
Arbeitslosenkasse A.________, die von 1. September 2009 bis 18. Oktober 2011
ausgerichteten Taggelder - beschränkt auf die Höhe der von der IV für denselben
Zeitraum ausgerichteten Leistungen im Betrag von Fr. 19'218.15 -
zurückzuerstatten; sie kündigte an, den Rückforderungsbetrag direkt mit den
Leistungen der IV zu verrechnen (Verfügung vom 28. Februar 2012).
Die IV-Stelle setzte mit Verfügung Nr. 9 vom 16. Mai 2012 die für die Zeit von
1. August 2009 bis 31. März 2011 nachzuzahlenden Rentenbetreffnisse auf
insgesamt Fr. 9'327.- (zuzüglich Verzugszins von Fr. 11.-) fest und verrechnete
diese - bis auf eine Restanz von Fr. 330.- - im Betrag von Fr. 6'082.- mit
einer Forderung der Arbeitslosenkasse und im Betrag von Fr. 2'926.- (dieser
entspreche den dem Ehemann von A.________ zu viel ausbezahlten Leistungen der
Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHV]) mit einer Forderung der
Ausgleichskasse Schweizerischer Baumeisterverband (fortan: Ausgleichskasse).
Mit Verfügung Nr. 10 gleichen Datums setzte die IV-Stelle die Nachzahlung für
die Zeit von 1. April 2011 bis 29. Februar 2012 auf Fr. 18'678.- fest und
erklärte Verrechnung im Betrag von Fr. 5'922.40 mit einer Forderung des
Krankentaggeldversicherers AXA Versicherungen AG (nachfolgend:
Krankentaggeldversicherer), im Betrag von Fr. 8'883.60 mit einer Forderung der
Arbeitslosenkasse sowie im Betrag von Fr. 3'872.- mit einer Forderung der
Ausgleichskasse.

B. 
In Gutheissung der von der Arbeitslosenkasse gegen die beiden Verfügungen
erhobenen Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden die
Verfügungen Nr. 9 und 10 insoweit auf, als der Arbeitslosenkasse die
Nachzahlung von zusätzlich Fr. 4'252.55 vorenthalten worden sei und wies die
Ausgleichskasse an, der Arbeitslosenkasse den ausstehenden Betrag von Fr.
4'252.55 zu überweisen.

C. 
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) erhebt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche
Entscheid sowie die Verfügungen Nr. 9 und 10 der IV-Stelle seien aufzuheben und
die Sache sei zu weiteren Abklärungen und zum Erlass einer neuen
Verrechnungsverfügung an die IV-Stelle zurückzuweisen.

Während sich die Ausgleichskasse nicht vernehmen lässt, beantragt die
Beschwerdegegnerin, der angefochtene Entscheid sei dahin gehend anzupassen, als
die Ausgleichskasse anzuweisen sei, ihr die restliche Rückerstattungsforderung
im Betrag von Fr. 2'023.50 (statt Fr. 4'252.55) zu überweisen. Die IV-Stelle
verzichtet auf eine Stellungnahme.

D. 
Mit Verfügung vom 5. November 2014 wurde der Krankentaggeldversicherer zur
Beantwortung der Beschwerde eingeladen und gleichzeitig aufgefordert, sich zur
Frage zu äussern, ob er Leistungen gemäss KVG oder VVG erbracht habe.

Der Krankentaggeldversicherer reicht am 25. November 2014 entsprechende
Unterlagen zu den Akten und sieht mit Eingabe vom 17. Dezember 2014 von einer
materiellen Stellungnahme ab.

Mit Stellungnahme vom 14. Januar 2015 hält das BSV an seinem Rechtsbegehren
fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Im angefochtenen Entscheid wird die Ausgleichskasse als Beschwerdegegnerin
bezeichnet. Die diesem Streit zugrunde liegenden Verfügungen Nr. 9 und 10
wurden - wie der Beschwerdeführer zu Recht bemerkt - indes von der IV-Stelle
erlassen, was im Lichte der den Ausgleichskassen gesetzlich zugewiesenen
Aufgaben (Art. 60 Abs. 1 IVG, Art. 44 f. IVV) bzw. mit Blick auf den Umstand,
dass die IV (und nicht die AHV) nachzahlungspflichtig ist (vgl. Franz Schlauri,
Die zweigübergreifende Verrechnung und weitere Instrumente der
Vollstreckungskoordination des Sozialversicherungsrechts, in:
Sozialversicherungsrechtstagung 2004, S. 164; Rz. 10924 zweiter Satz der
Wegleitung des BSV über die Renten [RWL] in der Eidgenössischen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung; Stand 1. Januar 2012) rechtskonform
ist. Somit handelt es sich um eine unrichtige Parteibezeichnung, die zu
korrigieren ist.

1.2. Soweit der Krankentaggeldversicherer eine nicht heilbare Verletzung von
Art. 61 lit. c ATSG geltend macht, lässt er ausser Acht, dass hier frei
überprüfbare Rechtsfragen im Vordergrund stehen (vgl. E. 6 hiernach).

2.

2.1. Die Beschwerdelegitimation des BSV ist gegeben (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG
in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1bis ATSG, Art. 89 IVV i.V.m. Art. 201 Abs. 1
AHVV).

2.2. Soweit der Beschwerdeführer - nebst der Frage des Vorrangs einzelner
Sozialversicherungen bei der Verrechnung - auch Bestand resp. Höhe der
Rückforderung der Beschwerdegegnerin in Zweifel zieht, fehlt es an einem
Anfechtungsobjekt. Dieser Aspekt bildet (zu Recht) nicht Gegenstand der
streitigen IV-Verrechnungsverfügungen vom 16. Mai 2012 (vgl. MEYER/REICHMUTH,
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, Rn. 8 zu Art. 50
IVG i.f.). Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

3. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

4. 
Im angefochtenen Entscheid werden die für die Beurteilung der Streitsache
massgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies
insbesondere die Bestimmungen zur Rückerstattung unrechtmässig bezogener
Leistungen (Art. 25 ATSG), zur Vorleistungspflicht (Art. 70 ATSG) sowie zur
Rückerstattung von Vorleistungen (Art. 71 Satz 2 ATSG). Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen ist, dass nach Art. 50 Abs. 2 IVG für die Verrechnung Art. 20 Abs.
2 AHVG sinngemäss Anwendung findet. Gemäss dieser Bestimmung können mit
fälligen Leistungen u.a. die Forderungen aufgrund des AHVG und des IVG (lit. a)
sowie die Rückforderung von Renten und Taggeldern der Arbeitslosenversicherung
und der Krankenversicherung (lit. c) verrechnet werden.

5.

5.1. Das kantonale Gericht erwog, die Arbeitslosenkasse habe grundsätzlich
Anspruch darauf, dass sie die ausbezahlten Leistungen zurückerhalte, nachdem
sie für die im gleichen Zeitraum ausgerichteten IV-Leistungen eine Vorleistung
im Rahmen von Art. 71 ATSG erbracht habe. In Frage stehe indes, ob die
Ausgleichskasse (recte: die IV-Stelle) befugt gewesen sei, vor der
Rückerstattung an die Arbeitslosenkasse ihre eigene Forderung (recte: die
Forderung der Ausgleichskasse) gegenüber dem Ehemann der Versicherten zu
verrechnen bzw. abzuziehen. Zwar sehe Rz. 10908 RWL vor, dass ausnahmsweise
eine Verrechnung von Leistungen zwischen Ehegatten möglich sei, wenn ein enger
versicherungsrechtlicher Konnex bestehe. Auch halte Rz. 10061 RWL fest, im
Rahmen von Nachzahlungen an Dritte und dabei an Durchführungsstellen anderer
Sozialversicherungsträger könnten Forderungen der AHV oder der IV vorgängig
verrechnet werden. Aber abgesehen davon, dass Verwaltungsweisungen für das
Sozialversicherungsgericht nicht zwingend verbindlich seien, könne der Vorrang
der Verrechnung von AHV und IV-Leistungen nur gelten, wenn es um eine
Verrechnung von Leistungen der gleichen versicherten Person gehe. Ansonsten
würden die Voraussetzungen der Kongruenz der zu verrechnenden Leistung völlig
ausgehebelt, zumal keine gesetzliche Grundlage bestehe für eine solche
Verrechnung und ein solches Vorrecht der Invalidenversicherung bei der
Verrechnung unter Ehegatten, welche an sich schon einen Ausnahmefall darstelle.
Deshalb hätte die Ausgleichskasse (recte: die IV-Stelle) die Forderung
gegenüber dem Ehegatten der Versicherung (recte: der Versicherten) nicht vorab
abziehen dürfen. Folglich habe die Ausgleichskasse der Arbeitslosenkasse deren
gesamte Vorleistung bzw. den noch ausstehenden Restbetrag von Fr. 4'252.55
nachzuzahlen.

5.2. Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, gemäss höchstrichterlicher
Rechtsprechung sei eine Verrechnung der vom Ehemann zu viel bezogenen
Rentenbetreffnisse mit der IV-Nachzahlung an die Ehefrau zulässig. Der Vorrang
von Forderungen der IV und der AHV bei der Verrechnung lasse sich aus Art. 63
Abs. 2 ATSG ableiten, wonach AHV und IV zusammen als eine Sozialversicherung
gälten. Es mache durchaus Sinn, zunächst intrasystemische vor allfälligen
intersystemischen Verrechnungen zuzulassen. Die Verrechnung richte sich im
Übrigen auch dann nach Art. 20 Abs. 2 AHVG, wenn der Rückerstattungstatbestand
gemäss Art. 71 ATSG vorliege. Demnach sei die IV-Stelle befugt gewesen, die an
den Ehemann zuviel ausbezahlten (AHV-) Rentenbetreffnisse mit der
IV-Nachzahlung an die Ehefrau (vorrangig) zu verrechnen.

5.3. Die Beschwerdegegnerin räumt einen Fehler bei der Berechnung der
Rückerstattungsforderung ein und legt dar, der Rückerstattungsbetrag belaufe
sich auf total Fr. 16'989.10 (statt Fr. 19'218.15). Deshalb sei der
angefochtene Entscheid insoweit anzupassen, als die Ausgleichskasse anzuweisen
sei, der Beschwerdegegnerin einen Betrag von Fr. 2'023.50 (statt: Fr. 4'252.55)
zu überweisen. Im Übrigen wendet sie gegen die Beschwerde ein, vorliegend
handle es sich gar nicht um eine Verrechnung von Leistungen, welche unter Art.
20 AHVG falle, sondern um eine Rückerstattung von Vorleistungen gemäss Art. 71
ATSG. Somit gehe der Beschwerdeführer falsch in der Annahme, auch Vorleistungen
nach Art. 70 ATSG könnten erst nach der vorrangigen Verrechnung von IV- und
AHV-Forderungen gemäss Art. 20 Abs. 2 AHVG beglichen werden. Auch sei Rz. 10061
RWL nicht auf Vorleistungen gemäss Art. 70 ATSG anwendbar. Geleistete
ALV-Zahlungen im Rahmen von Art. 70 ATSG, die im Nachhinein mit IV-Leistungen
gedeckt würden, seien bei der Nachzahlung der definitiv zugesprochenen
IV-Leistung vorrangig zu decken.

6.

6.1. Unter den Parteien ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin
Vorleistungen im Sinne von Art. 70 ATSG erbracht hat (zur Frage der Höhe der
Vorleistung E. 2.2 und 7), weshalb ihr gegenüber der IV als übernehmender
Versicherungszweig ein Rückerstattungsanspruch zusteht (Art. 71 Satz 2 ATSG).
Strittig ist dagegen zunächst, auf welchem Wege bzw. auf welcher gesetzlichen
Grundlage die Rückabwicklung zu erfolgen hat.

Die Beschwerdegegnerin ist entgegen dem Beschwerdeführer der Ansicht, bei der
Rückerstattung von Vorleistungen gelange Art. 20 Abs. 2 AHVG nicht zur
Anwendung bzw. die Rückerstattung erfolge nicht durch Verrechnung. Dem kann
nicht gefolgt werden. Ungeachtet dessen, ob die Ausgleichspflicht aus einem
unrechtmässigen Leistungsbezug herrührt oder auf einer Vorleistung beruht,
findet der Ausgleich bzw. der Auszahlungsvorgang in der hier gegebenen
Konstellation (Rückforderung des einen, Nachzahlung des anderen Zweigs) mittels
einer (zweigübergreifenden) Verrechnung statt (vgl. BGE 136 V 195 E. 7.2 S. 203
mit Hinweis auf BBl 2001 2303 Ziff. 2.1 zu Art. 95 Abs. 1bis AVIG; FRANZ
SCHLAURI, a.a.O., S. 175 ff.; vgl. auch Ziff. B1 des Kreisschreibens des
Staatssekretariats für Wirtschaft SECO, AVIG-Praxis Rückforderung, Verrechnung,
Erlass und Inkasso RVEI). Da im ATSG eine allgemeine Verrechnungsnorm fehlt (
BGE 136 V 286 E. 5.3 S. 290 mit Hinweis; Urteil 9C_149/2012 vom 6. Februar 2013
E. 3; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., Rn. 4 zu Art. 50 IVG), richtet sich die Tilgung
von Forderungen mittels Verrechnung nach den zweigbezogenen
sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Vorliegend ist gestützt auf den
Verweis von Art. 50 Abs. 2 IVG die Bestimmung von Art. 20 Abs. 2 AHVG
sinngemäss anwendbar (E. 4 hievor), welche die zweiginterne (intrasystemische)
und die zweigübergreifende (intersystemische) Verrechnung von Leistungen und
Forderungen regelt (BGE 136 V 286 E. 4.1 S. 288; zu den
koordinationsrechtlichen Begriffen: SUSANNE LEUZINGER-NAEF, Die
Leistungskoordination gemäss Art. 63-71 ATSG, in: SCHAFFHAUSER/KIESER [Hrsg.],
Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG],
St. Gallen 2003, S. 165).

6.2. Die Vorinstanz hat zur Verrechnung der Forderung der AHV mit der
Nachzahlung der IV festgestellt, dass Schuldner und Gläubiger nicht identisch
sind. Darüber, ob die Forderung der AHV unter den konkreten Umständen der
Verrechnung überhaupt zugänglich ist, hat sie indes keine Ausführungen gemacht.
Wie der Beschwerdeführer diesbezüglich zutreffend darlegt, wird im Bereich der
Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung eine
Verrechnung auch in Fällen zugelassen, in denen die versicherte Person nicht
gleichzeitig Schuldner und Gläubiger von einander gegenüberstehenden
Forderungen ist. Es reicht hierfür aus, dass unter versicherungstechnischem
oder rechtlichem Blickwinkel eine enge Beziehung zwischen den
Verrechnungsforderungen besteht (BGE 138 V 2 E. 4.1 S. 4; 137 V 175 E. 2.2.1 S.
178; 130 V 505; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., Rn. 5 zu Art. 50 IVG; UELI KIESER,
Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Alters- und
Hinterlassenenversicherung, 3. Aufl. 2012, Rz. 4 zu Art. 20 AHVG; vgl. auch Rz.
10908 RWL).
Die Rückforderung unrechtmässig bezogener AHV-Rentenbetreffnisse gegenüber dem
Ehemann der A.________ resultiert aus der bei Ehepaaren vorzunehmenden
Rentenplafonierung (Art. 35 Abs. 1 AHVG) sowie der splittingbedingten
Verringerung seines massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens (Art.
29quinquies Abs. 3 lit. a AHVG), welche zu einer rückwirkenden Herabsetzung der
Altersrente des Ehemannes führte. Sowohl die Rentenplafonierung als auch das
Beitragssplitting sind notwendigerweise mit der rückwirkend zugesprochenen
Invalidenrente der A.________ verbunden. Unter diesen Umständen bejaht die
Rechtsprechung die erforderliche, versicherungstechnisch oder rechtlich enge
Beziehung zwischen den zu verrechnenden Forderungen ohne Weiteres (Urteil
9C_149/2012 vom 6. Februar 2013 E. 4 mit Hinweisen).

6.3.

6.3.1. Hinsichtlich der Rangordnung in der Befriedigung der von insgesamt drei
Parteien angemeldeten Verrechnungsforderungen - wobei das Verhältnis zwischen
den Forderungen der Ausgleichskasse und denjenigen der Beschwerdegegnerin im
Zentrum steht - stützen sich Verwaltung und Beschwerdeführer auf Rz. 10061 RWL,
wonach (im Falle von Nachzahlungen; Ziff. 10.1.6 RWL) ausstehende Forderungen
der AHV und IV in jedem Fall vorrangig verrechnet werden können, d.h. vor den
Verrechnungsansprüchen anderer Sozialversicherer. Demgegenüber sind Vorinstanz
und Beschwerdegegnerin in Abweichung von der in der RWL vorgesehenen Lösung der
Ansicht, in der vorliegenden Konstellation müsse die Rückforderung der
Vorleistungen in den Genuss der vorrangigen Verrechnung kommen.

Wie das kantonale Gericht korrekt wiedergegeben hat, sind Verwaltungsweisungen
für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei
seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall
angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen
Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von
Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der
rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung,
durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten,
Rechnung getragen (BGE 138 V 346 E. 6.2 S. 362; 137 V 1 E. 5.2.3 S. 8; 133 V
257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen; Urteil 9C_648/2013 vom 17. Oktober 2014 E.
3.2.2.1, zur Publikation bestimmt).

6.3.2. Die Rz. 10061 i.V.m. Rz. 10060 RWL statuiert eine Rangfolge der
Verrechnung (auch Dreikreismodell genannt), gemäss welcher vorab die betroffene
Sozialversicherung für eigene Forderungen und Schulden zur Verrechnung
berechtigt ist. An zweiter Stelle stehen Forderungen anderer Zweige. Diese sind
vor den extrasystemischen Forderungen zu befriedigen (Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 11. September 2008, in: BVR 2009 S.
143 mit Hinweis auf Franz Schlauri, a.a.O., S. 159 f. und 198). Konkret regelt
Rz. 10061 RWL das Verhältnis zwischen primär zu befriedigenden
intrasystemischen und sekundär zum Zuge kommenden intersystemischen
Forderungen, indem es den Vorrang von Forderungen der AHV und der IV vor
Ansprüchen anderer Sozialversicherungsträger festlegt. Bei den Forderungen der
AHV und der IV handelt es sich - worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinwies -
nämlich um intrasystemische Forderungen, da nach der Konzeption des ATSG die
AHV und IV zusammen als eine Sozialversicherung gelten (Art. 63 Abs. 2 ATSG).

Weder Vorinstanz noch Beschwerdegegnerin vermögen darzulegen, inwiefern die Rz.
10061 RWL bzw. dieses Dreikreismodell keine dem Einzelfall angepasste und
gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen
sollte. Im Gegenteil ist der Vorrang von intrasystemischen gegenüber
intersystemischen Forderungen rechtslogisch geboten (in diesem Sinne auch Franz
Schlauri, a.a.O., S. 160). Entgegen der Vorinstanz, welche offenbar von einem
(zivilrechtlichen) Kongruenzerfordernis auszugehen scheint (Meyer/Reichmuth,
a.a.O., Rn. 5 zu Art. 50 IVG), ist nicht ersichtlich, weshalb diese Rangordnung
nicht gelten sollte bei der Verrechnung von Forderungen und Ansprüchen von
Ehegatten, sofern die im Sozialversicherungsrecht geforderte enge Beziehung der
einander gegenüberstehenden Verrechnungsforderungen besteht (E. 6.2 hievor).
Soweit die Beschwerdegegnerin sinngemäss einwendet, Rz. 10061 RWL gelange bei
Rückerstattungen von Vorleistungen (ausnahmsweise) nicht zur Anwendung, dringt
sie nicht durch. Es wäre zwar an sich denkbar, dem vorleistungspflichtigen
Versicherungszweig Vorrang bei der verrechnungsweisen Rückerstattung der
Vorleistungen gegenüber Rückforderungen einzuräumen, die nicht aus einer
Vorleistung herrühren. Ein solcher Vorrang ist im Gesetz, namentlich in Art. 71
Satz 2 ATSG, jedoch nicht vorgesehen. Dass die Rückerstattung von Vorleistungen
bei der Verrechnung gesondert bzw. in Abweichung des Dreikreismodells zu
behandeln wäre, wird auch von der Lehre nicht postuliert. Mithin ist kein
triftiger Grund (E. 6.3.1 Abs. 2 vorne) für ein Abweichen von der RWL gegeben
und es bleibt bei der in Rz. 10061 vorgesehenen Rangfolge, womit die IV-Stelle
die Rückforderung der AHV zu Recht vorrangig befriedigt hat. Folglich verletzt
der angefochtene Entscheid Bundesrecht.

6.3.3. Schliesslich wirft der Beschwerdeführer die Frage nach der Rangfolge der
Forderung der Beschwerdegegnerin einerseits und derjenigen des
Krankentaggeldversicherers andererseits auf, was von der (rechtlichen)
Qualifikation des Taggeldversicherers (als Sozialversicherungsträger oder als
bevorschussender Dritter; Rz. 10054 und 10057 RWL; Rz. 1004 des Kreisschreibens
des BSV über die Verrechnung von Nachzahlungen der IV mit
Leistungsrückforderungen von zugelassenen Krankenkassen [in der ab 1. Januar
1999 geltenden Fassung]) abhängt.

Aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) - obwohl vom
Krankentaggeldversicherer erst letztinstanzlich aufgelegt, sind sie aufgrund
ihrer rechtlichen Natur dennoch zu berücksichtigen - erhellt, dass die
Leistungen nicht auf einer dem KVG unterstehenden Taggeldversicherung beruhten
(Art. 67 ff. KVG), sondern gemäss VVG gewährt wurden. Damit handelt es sich bei
der entsprechenden Rückforderung um eine extrasystemische Forderung (Ueli
Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl., N. 18 zu Art. 70 ATSG). Diese steht nach dem
Gesagten (E. 6.3.2 hievor; Rz. 10061 i.V.m. 10060 RWL) in der Rangfolge der
Verrechnung an dritter Stelle, hinter den intra- und intersystemischen
Forderungen.

6.3.4. Die Verfügung Nr. 9, bei welcher es allein um das Verhältnis zwischen
intra- und intersystemischen Forderungen geht (vgl. Sachverhalt lit. A Abs. 3
hievor), ist nicht zu beanstanden. Die Verfügung Nr. 10 beachtet zwar den
Vorrang der intrasystemischen Forderung der Ausgleichskasse, hält indes die
Rangfolge zwischen der inter- und der extrasystemischen Forderung nicht ein:
Statt die für die betreffende Zeitspanne zur Verrechnung angemeldete (Rest-)
Forderung der Beschwerdegegnerin von Fr. 13'136.15 (Fr. 19'218.15 ./. Fr.
6'082.- ) zu befriedigen, werden lediglich Fr. 8'883.60 zur Verrechnung
zugelassen bei gleichzeitiger Verrechnung eines Betrags von Fr. 5'922.40 zu
Gunsten des (an dritter Stelle stehenden) Taggeldversicherers. Insoweit ist die
Verfügung Nr. 10 bundesrechtswidrig und aufzuheben.

Im Verfahren vor Bundesgericht beantragt die Beschwerdegegnerin mit
Stellungnahme vom 21. August 2014, es sei ihre Restforderung von nurmehr Fr.
2'023.50 (statt ursprünglich Fr. 4'252.55) zu verrechnen. Weil das
Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen darf (Art. 107
Abs. 1 BGG), wird die Verfügung Nr. 10 insoweit abgeändert, als zu Gunsten der
Beschwerdegegnerin Fr. 10'907.10 (Fr. 8'883.60 plus Fr. 2'023.50) und zu
Gunsten des Taggeldversicherers Fr. 3'898.90 (Fr. 5'922.40 ./. Fr. 2'023.50)
verrechnet werden (die Verrechnung zu Gunsten der Ausgleichskasse bleibt sich
gleich).

7. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise begründet. Der angefochtene
Entscheid ist aufzuheben, und die Verfügung der IV-Stelle Nr. 10 vom 16. Mai
2012 ist insoweit abzuändern, als zu Gunsten der Beschwerdegegnerin Fr.
10'907.10 und zu Gunsten des Taggeldversicherers Fr. 3'898.90 mit der
Nachzahlung der IV-Stelle verrechnet werden.

8. 
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird ausnahmsweise verzichtet (Art. 66 Abs.
1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden vom 17. Dezember 2012
wird aufgehoben. Die Verfügung der IV-Stelle Nr. 10 vom 16. Mai 2012 wird
insoweit abgeändert, als zu Gunsten der Arbeitslosenkasse Ob- und Nidwalden Fr.
10'907.10 und zu Gunsten der AXA Versicherungen AG Fr. 3'898.90 mit der
Nachzahlung der IV-Stelle verrechnet werden. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Ausgleichskasse Schweizerischer
Baumeisterverband, der IV-Stelle Nidwalden, der AXA Versicherungen AG und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. Februar 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Furrer

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