Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 391/2014
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2014


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_391/2014        
{T 0/2}

Urteil vom 30. Januar 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Hiestand,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 27. März 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1953, verfügt über ein Konzertdiplom als Pianistin und ein
Dirigentinnendiplom. Zudem schloss sie ein Studium in Literaturwissenschaften
ab. Auch verfügt sie über spezielle Kenntnisse in Kunstgeschichte und Malerei.
Sie lebt seit November 2000 mehrheitlich in der Schweiz, wobei sie jährlich
einige Monate in Italien verbringt. In der Schweiz verfügt sie über keinen
festen Wohnsitz und lebt bei Freunden und Bekannten. Auch geht sie keiner
regelmässigen Erwerbstätigkeit nach. Bei einem Sturz zog sie sich am 26.
Oktober 2008 eine Fraktur des linken Handgelenks zu. Am 5. Februar 2009 meldete
sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des
Kantons Zürich klärte die medizinischen, wirtschaftlichen und persönlichen
Verhältnisse ab. Mit Vorbescheid vom 27. Juni 2012 und Verfügung vom 13.
Oktober 2012 sprach sie A.________ befristet ab 1. Oktober 2009 bis 31. Januar
2011 eine halbe Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad von 59 %).

B. 
Die Beschwerde der A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 27. März 2014 teilweise gut. Es änderte die Verfügung
vom 13. Oktober 2012 insoweit ab, als es feststellte, dass A.________ für die
Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. Januar 2011 infolge einer 100-prozentigen
Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf eine ganze Invalidenrente habe. Im Übrigen wies
es die Beschwerde ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen.
Sie beantragt, der vorinstanzliche Entscheid und die Verfügung vom 13. Oktober
2012 seien teilweise aufzuheben; es sei ihr ab 1. Februar 2011 eine
unbefristete Vollrente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur weiteren
Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Das
Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente ab 1. Februar
2011.

3.

3.1. Die Vorinstanz erwog, der Spezialarzt Dr. med. B.________, Leitender Arzt
Orthopädie/Handchirurgie an der Klinik C.________, habe am 1. November 2010
bestätigt, dass lebenslang eine Einschränkung der Beweglichkeit im Handgelenk
von 50 % als Pianistin sowie für belastende und belastungsfreie manuelle
Tätigkeiten bestehen bleibe. Dr. med. D.________ vom Regionalen Ärztlichen
Dienst (RAD) habe im Bericht vom 14. Mai 2012 festgehalten, die
Beschwerdeführerin sei seit dem 1. November 2010 in ihrer Tätigkeit als
Pianistin zu 50 % arbeitsunfähig, in einer angepassten, körperlich leichten
Tätigkeit bestehe aber eine volle Arbeitsfähigkeit. Diese Aussagen
widersprächen sich nicht, denn Dr. med. D.________ habe eine leidensangepasste
Tätigkeit ausdrücklich als eine solche ohne repetitive belastende oder das
volle Bewegungsausmass ausschöpfende Tätigkeit definiert. Die
Beschwerdeführerin bringt vor, die linke Hand sei bleibend geschädigt und es
sei deshalb eine willkürliche Feststellung, dass die vom Spezialarzt Dr. med.
B.________ gestellte Diagnose mit derjenigen des RAD-Arztes Dr. med. D.________
übereinstimme.

3.2. Dem kantonalen Versicherungsgericht steht als Sachgericht im Bereich der
Beweiswürdigung ein erheblicher Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 120 Ia 31 E. 4b
S. 40). Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das
Sachgericht diesen missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse
zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (
BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5
mit Hinweisen). Die vorinstanzliche Würdigung der Berichte der Dres. med.
D.________ und B.________ kann jedoch nicht als offensichtlich unrichtig
beurteilt werden. Dass Dr. med. B.________ für alle manuellen Tätigkeiten eine
Arbeitsunfähigkeit von 50 % bescheinigt hat, steht - in Übereinstimmung mit der
Vorinstanz - nicht im Widerspruch zur Beurteilung von Dr. med. D.________, der
eine leidensangepasste Tätigkeit ausdrücklich als eine solche ohne repetitive
belastende oder das volle Bewegungsausmass ausschöpfende definiert hat. Zum
einen äussert sich Dr. med. B.________, insbesondere in seinem
"Bestätigungsschreiben" vom 17. April 2013 nicht zur Zumutbarkeit einer
Verweisungstätigkeit. Zum andern lassen auch die Freizeitaktivitäten der
Beschwerdeführerin nicht auf eine weiter gehende Einschränkung schliessen; nach
für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts
fährt die Beschwerdeführerin seit Längerem wieder Ski und nimmt an
Segelregatten teil.

4. 
Es stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit der verbliebenen
Arbeitsfähigkeit.

4.1. Das trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung zumutbarerweise erzielbare
Einkommen ist bezogen auf einen ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu ermitteln, wobei
an die Konkretisierung von Arbeitsgelegenheiten und Verdienstaussichten keine
übermässigen Anforderungen zu stellen sind (im Einzelnen dazu Urteil 9C_830/
2007 vom 29. Juli 2008 E. 5.1, in: SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203). Das
fortgeschrittene Alter wird, obgleich an sich ein invaliditätsfremder Faktor,
in der Rechtsprechung als Kriterium anerkannt, welches zusammen mit weiteren
persönlichen und beruflichen Gegebenheiten dazu führen kann, dass die einer
versicherten Person verbliebene Resterwerbsfähigkeit auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt realistischerweise nicht mehr nachgefragt wird, und dass ihr deren
Verwertung auch gestützt auf die Selbsteingliederungslast nicht mehr zumutbar
ist. Fehlt es an einer wirtschaftlich verwertbaren Resterwerbsfähigkeit, liegt
eine vollständige Erwerbsunfähigkeit vor, die einen Anspruch auf eine ganze
Invalidenrente begründet (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 831/05 vom
21. August 2006 E. 4.1.1 mit Hinweisen). Der Einfluss des Lebensalters auf die
Möglichkeit, das verbliebene Leistungsvermögen auf dem ausgeglichenen
Arbeitsmarkt zu verwerten, lässt sich nicht nach einer allgemeinen Regel
bemessen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Massgebend können
die Art und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens und seiner Folgen, der
absehbare Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand und in diesem Zusammenhang auch
Persönlichkeitsstruktur, vorhandene Begabungen und Fertigkeiten, Ausbildung,
beruflicher Werdegang oder Anwendbarkeit von Berufserfahrung aus dem
angestammten Bereich sein (BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 460; Urteile 9C_153/2011 vom
22. März 2012 E. 3.1; 9C_918/2008 vom 28. Mai 2009 E. 4.2.2 mit Hinweisen).
Somit hängt die Verwertbarkeit nicht zuletzt davon ab, welcher Zeitraum der
versicherten Person für eine berufliche Tätigkeit und vor allem auch für einen
allfälligen Berufswechsel noch zur Verfügung steht (BGE 138 V 457 E. 3.2 S.
460).

4.2. Für den Zeitpunkt, in welchem die Frage nach der Verwertbarkeit der
(Rest-) Arbeitsfähigkeit bei vorgerücktem Alter beantwortet wird, ist auf das
Feststehen der medizinischen Zumutbarkeit einer (Teil-) Erwerbstätigkeit
abzustellen (BGE 138 V 457 E. 3.3 S. 462). Dies ist vorliegend spätestens der
Zeitpunkt der RAD-Abklärung vom 6. März 2012. Die Untersuchung war an und für
sich jedoch bereits auf den 9. August 2011 anberaumt. Sie musste auf Begehren
der Beschwerdeführerin auf einen späteren Zeitpunkt vertagt werden, wobei weder
aktenkundig ist noch geltend gemacht wird, dass die Verschiebung aus
gesundheitlichen Gründen erfolgte. Jedenfalls war man sich seitens der
Beschwerdeführerin bewusst, dass sich dadurch alles verzögere, was jedoch in
Kauf zu nehmen sei (ELAR-Notiz vom 5. August 2011).

4.3. Der Beschwerdeführerin verblieb im August 2011 noch eine Aktivitätsdauer
von sechs und im März 2012 eine solche von mindestens fünf Jahren. Von der
körperlichen Einschränkung betroffen ist lediglich die Tätigkeit als Pianistin.
Das Dirigieren ist der Beschwerdeführerin wieder möglich. Im Übrigen hat sie
sich bereits Ende 2009 auf eine Dirigentinnenstelle des Orchestervereins
Schlieren beworben (Schreiben des Vereins vom 6. Januar 2010) und im Dezember
2011 ein Konzert in Mailand dirigiert. Die Beschwerdeführerin verfügt zudem
über einen universitären Abschluss in Literaturwissenschaften und hat
Erfahrungen im Bereich Übersetzungen gesammelt. Im Jahr 2012 hat sie sodann ein
Studium der Rechtswissenschaften aufgenommen. In Frage kommt daher - neben
Tätigkeiten als Klavierlehrerin, Lektorin und Übersetzerin - auch eine
Beschäftigung im administrativen Bereich, wie die Vorinstanz zu Recht
festgehalten hat. Als Rechtshänderin kann die Beschwerdeführerin die linke Hand
entlasten. Angesichts der vielseitigen Interessen und der breiten Ausbildung
der Beschwerdeführerin beschlägt der mögliche Tätigkeitsbereich grundsätzlich
das gesamte Spektrum freiberuflicher und wissenschaftlicher Dienstleistungen.
Es kann nicht von einem unzumutbaren Wechsel in einen unbekannten
Beschäftigungsbereich gesprochen werden. Was die Beschwerdeführerin dagegen
vorbringt, vermag nicht zu einer anderen Beurteilung als der vorinstanzlichen
zu führen. Mangels Angeboten von Vollzeittätigkeiten in freiberuflichen und
wissenschaftlichen Dienstleistungen wäre der Versicherten auch zumutbar,
Teilpensen zu kombinieren (vgl. Urteil 9C_901/2011 vom 7. Februar 2012 E. 4).
Damit steht der Verwertung der verbliebenen Arbeitsfähigkeit nichts im Wege.
Die Invaliditätsbemessung blieb unbestritten, mithin erweist sich die
Beschwerde als unbegründet.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 30. Januar 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Schmutz

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben